LGL Bayern: Arbeitspsychologie

http://www.lgl.bayern.de/arbeitsschutz/arbeitspsychologie/

Die Arbeitspsychologie ist das Teilgebiet der Psychologie, welches sich mit der psychologischen Analyse, Bewertung und Gestaltung von Arbeitstätigkeiten befasst. 
Diese Internetseite widmet sich den arbeitsbedingten psychischen Belastungen, die infolge neuer Technologien, zunehmender Arbeitsverdichtung und der Flexibilisierung betrieblicher Prozesse in der heutigen Arbeitswelt zunehmend an Bedeutung gewinnen und die Gesundheit der Beschäftigten gefährden können. …

Neuer Link: http://www.lgl.bayern.de/arbeitsschutz/arbeitsmedizin/arbeitspsychologie/

Daimler: Nachhaltigkeitsbericht 2010 – hohe Anforderungen des Unternehmens und des Gesamtbetriebsrats

http://nachhaltigkeit.daimler.com/reports/daimler/annual/2010/nb/German/405010/unser-health-_amp_-safety-report-sowie-weitere-kennzahlen-und-projekte.html

Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung
Im Blick auf die gesetzlichen Anforderungen hat sich Daimler frühzeitig mit möglichen Ansatzpunkten zur Ermittlung psychischer Belastungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung auseinandergesetzt. Eine intensive Beschäftigung mit bestehenden Verfahren zur Erkennung psychischer Belastungen ergab, dass es kein geeignetes Instrument gab, das den hohen Anforderungen des Unternehmens und des Gesamtbetriebsrats entsprach. Daher wurde gemeinsam mit der Abteilung Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Heidelberg ein Verfahren entwickelt, das es einem interdisziplinären Expertenteam ermöglicht, die Arbeitsbedingungen objektiv auf mögliche psychische Fehlbelastungen hin zu untersuchen. Dies bietet kein bisher bekanntes Verfahren. Basierend auf einer gründlichen Pilotierung wird das Verfahren nun seit dem Jahr 2008 flächendeckend eingesetzt. Damit nimmt Daimler weiterhin eine Vorreiterrolle in dem zunehmend an Bedeutung gewinnenden Themenfeld der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz ein.

Hier ist endlich einmal ein Unternehmen, das klar das Thema der Gefährdungsbeurteilung anspricht. Das gehört zur Verhältnisprävention, in der der Arbeitsschutz nicht nach “auffälligen” Mitarbeitern fragt, sondern nach auffälligen Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingungen. Bei Daimler wird das Thema nicht in einem komplexen Projekt zur Gesundheitsförderung versteckt. Und auch das Wort “Betriebsrat” ist kein Tabu.
Aber natürlich gibt es auch ein Gesundheitsmanagement bei Daimler. Darin bietet das Unternehmen unter Anderem ein interessantes Konzept im Bereich der Verhaltensprävention an, das nicht-privat versicherten Mitarbeitern bei der Lösung des Wartezeitenproblems bei der Behandlung psychischer Erkrankungen hilft. So sieht ein gutes Beispiel für eine glaubwürdige Ausgewogenheit zwischen Verhältnisprävention und Verhaltensprävention aus.
Siehe auch http://www.baua.de/de/Bibliothek/Informationsdienste/Gefaehrdungsbeurteilung.pdf, BAuA 2005-2008, S. 6

ND: 061315 AU: Braun, P.
TI: Psychische Belastungen werden bei der Daimler AG jetzt systematisch erhoben
SO: Gute Arbeit CN: ZS0845 IM: 20 (2008) Nr. 4, S. 30‐31 (1 Abb.)
CT: Automobilindustrie; Gefährdungsbeurteilung; Psychische Belastung 
Seit 2008 werden bei der Daimler AG in Deutschland psychische Belastungen am Arbeitsplatz nach einheitlichen Kriterien systematisch erfasst. Grundlage hierfür ist eine Rahmenbetriebsvereinbarung. Zuvor wurden psychische Belastungen nicht oder nur teilweise z.B. bei der Suche eines passenden Arbeitsplatzes für leistungsgewandelte Mitarbeiter berücksichtigt. In Zusammenarbeit mit der Universität Heidelberg wurde ein Fragenkatalog zur Erfassung der psychischen Belastung entwickelt, der für einzelne Standorte und Arbeitsbereiche angepasst werden kann. Neben Arbeitsanforderungen bei geringem Handlungsspielraum werden weitere Stressindikatoren wie Zeitregime, Rate der Arbeitsunterbrechungen, Kooperationserfordernisse usw. erfasst. Die Universität Heidelberg begleitet den Prozess der Erfassung und wertet die Daten aus. Am Verfahren beteiligt sind daneben der Gesamtbetriebsrat, der werksärztliche Dienst, Fachkräfte für Arbeitsschutz und die Daimler‐Sozialberatung. Erste Erfahrungen mit aus den Daten abgeleiteten Maßnahmen liegen noch nicht vor

 
Siehe aber auch: http://www.labournet.de/diskussion/arbeitsalltag/gh/daimler.html

… Gesundheitsmanagement der Daimler AG weist datenschutzrechtliche Mängel auf
“Die Aufsichtsbehörde für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich hat die datenschutzrechtliche Überprüfung des Gesundheits- und Fehlzeitenmanagements (im folgenden: Gesundheitsmanagement) der Daimler AG im Werk Untertürkheim Ende letzten Jahres abgeschlossen. (…) Die Aufsichtsbehörde hat im Rahmen ihrer Zuständigkeit folgende datenschutzrechtliche Mängel festgestellt: 1. Die Daimler AG hat im Zuge der Rückkehrgespräche wegen auffälliger Fehlzeiten zum Teil Daten erhoben, die sie nicht hätte erheben dürfen, beispielsweise konkrete Krankheitsdiagnosen und Befunde sowie Krankheitsursachen, die im privaten beziehungsweise persönlichen Bereich wurzeln und keinen betrieblichen Bezug aufweisen….“ Pressemitteilung der Aufsichtsbehörde für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich vom 05.01.2009 …

 

BAuA

Das Webangebot der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zum Thema der psychischen Belastung und Beanspruchung im Berufsleben (ISO 10075) ist sehr hilfreich. Bekannt sind insbesondere die Checklisten zur Erfassung von Fehlbeanspruchungsfolgen (ChEF) und die Toolbox.
 
Angeboten wird auch ein Überblick über die wichtigsten Vorschriften:

 

Entbürokratisierung

Zu oft ist “Entbürokratisierung” nur die Verlagerung von Regelungsarbeit (Verhandlungen usw.) aus einem Bereich (z.B. Gesetzgebung) in einen anderen Bereich (z.B. Erarbeiten von Betriebsvereinbarungen). Sind die Betroffenen dort auf die Arbeit (Ressourcen, Wissen, Budgets usw.) vorbereitet, die zu ihnen verschoben wurde?
Sowohl Arbeitnehmern wie auch Arbeitgebern erscheint im Bereich beispielsweise der Analyse von Arbeitsbedingungen (Gefährdungsbeurteilung) immer noch Vieles unklar. Stehen beide Parteien noch am Anfang, dann fällt beiden beim Ansprechen psychischer Belastung zunächst oft nichts Besseres ein, als auf mögliche “Probleme” individuell Betroffener und auf vom Arbeitgeber nicht beeinflussbare Faktoren hinzuweisen. Für Betriebsräte ist das Thema sehr gewöhnungsbedürftig, insbesondere wenn es um ihre eigene Belastungen geht. Und überforderte Arbeitgeber setzen ihre Mitarbeiter, die Fehlbelastungsmeldungen an ihre Sicherheitsfachkraft abzugeben wagen, unter noch weiteren Druck, wenn sie mit der Forderung nach einer psychische Belastung einbeziehenden Gefährdungsbeurteilung nicht umgehen können oder wollen. Darum müssen Betriebsräte (wo es sie gibt) schnell Kompetenz erwerben, damit sie einzelne Mitarbeiter beim Einreichen von Fehlbelastungsmeldungen unterstützen können.
Ein Grund für die sich aus dem großen betrieblichen Ausgestaltungsbedarf der Arbeitsschutzvorschriften ergebenden Herausforderungen ist das Konzept der europäischen Arbeitsschutzes: Vorgeschrieben ist mit dem Ziel der Entbürokratisierung wegen der Unterschiede der innerbetrieblichen Situationen nur ein Rahmen, innerhalb dessen in Unternehmen ihren betrieblichen Anforderungen gemäße Umsetzungen des Arbeitsschutzes vereinbart werden müssen. Das bedeutet aber nicht, dass Arbeitgeber und Laienpsychologen hier einen beliebigen Freiraum zur Umsetzung ihrer persönlichen Vorstellungen haben, sondern es gilt die Mitbestimmung, und für die Umsetzung sind qualifizierte Fachkräfte vorgeschrieben, deren Auswahl und Einsatz ebenfalls mitbestimmt zu regeln ist.
Daraus ergibt sich für die Betriebsräte und Personalvertretungen eine sehr umfassende Aufgabe, denn der Gestaltungsspielraum, den das Arbeitsschutzgesetz dem Arbeitgeber gibt, muss mit einer auf den Betrieb abgestimmten Definition und Implementierung von Prozessen ausgefüllt werden. Das führt zu einer Pflicht (BAG, 2004-06-08: Entscheidungen AZ 1 ABR 4/03 (siehe insbes. Punkte 12 und 33) und AZ 1 ABR 13/03) zur Mitbestimmung. Dabei müssen aber keine Grundlagen mehr erarbeit werden, denn es stehen schon seit einiger Zeit gute Prozesse und Werkzeuge zur Verfügung, mit denen Unternehmensleitungen und Arbeitnehmervertreter zügig ihren arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen entsprechen können.
Hier zeigen sich, wie (für wen und für wen nicht) die Entbürokratisierung in der Gesetzgebung funktioniert. So wie es derzeit aussieht, funktioniert sie für jene, die den Arbeitsschutz für eine Belästigung der Wirtschaft halten: Nach fast 15 Jahren kann die große Mehrheit der Unternehmen in Deutschland es sich immer noch leisten, wichtige Regelungsvorgaben des Arbeitsschutzgesetzes zu missachten. Was hindert uns daran, diese Missachtung des Arbeitsschutzes durch viele Unternehmen als Anarchie zu bezeichnen?

Mitbestimmung: Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung

Zusammengestellt und kommentiert von Wolfgang Schneider, Düsseldorf, 2004-08-20:
Mitbestimmung bei der Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz und der Bildschirmarbeitsverordnung sowie bei der Unterweisung nach dem Arbeitsschutzgesetz
zu den BAG-Entscheidungen AZ 1 ABR 4/03 und AZ 1 ABR 13/03 (2004-06-08)

Wie die Aufsicht prüft

 
2014-06-16: Die DGUV hat umgeräumt: http://blog.psybel.de/dguv-raeumt-um/
 


DGUV, 2004:
Erkennen psychischer Belastungen in der Arbeitswelt – ein Leitfaden für Aufsichtspersonen der gewerblichen Berufsgenossenschaften, zu finden in einem Kasten “weitere Informationen” auf der rechten Seite unter “psychische Belastungen in der Arbeitswelt” in:
http://www.dguv.de/inhalt/praevention/aus_weiter/aufsichtsperson/ (nicht mehr online)
Direkte Links:

  • Psychische Belastungen in der Arbeitswelt – ein Leitfaden für Aufsichtspersonen der gewerblichen Berufsgenossenschaften (Stand: Juli 2004)
    (Backup 2004: Erkennen…, Anlage 1, Anlage 2)

    Vorwort
    1. Einführung
    2. Rechtliche Grundlagen
    2.1 Sozialgesetzbuch VII
    2.2 Arbeitsschutzgesetz
    3. Psychische Belastungen und ihre Auswirkungen
    3.1 Erweitertes Belastungs-Beanspruchungs-Modell
    3.2 Einteilung psychischer Belastungen
    3.3 Spezielle Formen psychischer Belastungen
    3.3.1 Traumatische Ereignisse
    3.3.2 Mobbing
    3.4 Kurz- und langfristige Folgen psychischer Beanspruchungen
    3.5 Klassifikation der Folgen von Beanspruchungen
    4. Praktische Vorgehensweise im Betrieb
    4.1 Mögliche Vorbehalte seitens der Betriebe
    4.2 Mögliche wirtschaftliche Vorteile für den Betrieb
    4.3 Erkennen psychischer Fehlbeanspruchungen im Betrieb
    4.3.1 Einführungsgespräch mit dem Unternehmer
    4.3.2 Arbeitsplatz-, Betriebsbesichtigung
    4.3.3 Unfalluntersuchung
    4.3.4 Weitere mögliche Informationsquellen
    4.4 Bewertung der ermittelten Informationen
    4.5 Präventionsmaßnahmen
    4.6 Weitere Maßnahmen
    5. Weiterführende Literatur
    6. Vorhandene Instrumente
    Glossar

Der Leitfaden wurde zwar für “Aufsichtspersonen der gewerblichen Berufsgenossenschaften” geschrieben, aber natürlich hilft er auch Kontrolleuren der Gewerbeaufsicht, Arbeitssicherheitsfachkräften, Auditoren, Führungskräften sowie Arbeitnehmern und ihren Vertretern (Betriebs- und Personalräte). Auch im Top-Management der Unternehmen kann der Leitfaden helfen, zu verstehen, über welche Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten die Akteure im Arbeitsschutz verfügen müssen.
Das im Leitfaden empfohlene Vorgehen ist ganz nett. Unternehmer brauchen nicht zu zittern. Allerdings sind die Berufsgenossenschaften auch keine Gewerbeaufsichten. Sie strafen nicht, sondern erhöhen gegebenenfalls halt die Beiträge, die ihre Mitgliedsunternehmen zu zahlen haben.
Der Leitfaden für Betriebsärzte zu psychischen Belastungen ist ähnlich strukturiert, aber ausführlicher.
 
Selbst diesen zahmen und mit Unternehmern geradezu zärtlich einfühlsam umgehenden Leitfaden mögen die Arbeitgeber nicht (BDA: Mai 2005, Position der Arbeitgeber zur Bedeutung psychischer Belastungen bei der Arbeit, Link in http://blog.psybel.de/hauptsache-gesundheit/):
S. 7:

… Der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften hat 2002 einen Leitfaden “Psychische Belastungen” für Aufsichtspersonen der gewerblichen Berufsgenossenschaften entwickelt und in einer einjährigen Erprobungsphase auf Plausibilität und Praktikabilität getestet. Der Leitfaden, der derzeit aufgrund der Erfahrungen aus der Erprobungsphase überarbeitet wird, soll die Aufsichtspersonen in die Lage versetzen, die Unternehmen im Rahmen allgemeiner Betriebsbesichtungen auch im Hinblick auf psychische Belastungen zu beraten. Der Leitfaden, wie auch zahlreiche andere existierende Handlungshilfen, ist aus Sicht der BDA nur bedingt als Instrument geeignet. Problematisch sind die darin enthaltenen Hinweise zur Personalführung und Arbeitsorganisation. Dies ist kein Bereich, in dem die Berufsgenossenschaften Erfahrungen und Expertise besitzen. Es muss berücksichtigt werden, dass Personalführung und Arbeitsorganisation zum Kernbereich unternehmerischer Verantwortung gehören. Eine Beratung in Fragen psychischer Belastungen kann nur sinnvoll sein, sofern sie lösungsorientiert und nicht problemorientiert die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt. …

(Links nachträglich in das Zitat eingefügt)
Ist das so? “Lösungsorientiert und nicht problemorientiert” ist Unsinn. Vor der Lösung schaut man sich das Problem an, macht also eine Gefährdungsbeurteilung. Die BDA versteht die einfachsten Grundlagen nicht und ignoriert außerdem das Arbeitsschutzgesetz: Es geht bei der Verhaltensprävention gerade nicht um den Einzelfall. Im Gesetz steht: Individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen. Das gilt auch für BDA-Mitglieder. Immerhin verrät dieser Absatz viel über das Problem, das die Arbeitgeber mit dem ganzheitlichen Arbeitsschutz haben.
S. 12:

… Die Arbeitgebervertreter in den Selbstverwaltungsorganen der Berufsgenossenschaften sollten sich aufgrund der o. g. [siehe S. 11 – 12] Argumente auch dementsprechend grundsätzlich gegen eine Regelung des Themas psychische Belastungen in berufsgenossenschaftlichen Regelwerken aussprechen. …

Nachtrag (2013-04-24): Später kamen die Arbeitgeber mit der dreisten Ausrede, dass es keine Leitlinien gebe, mit deren Hilfe sie psychische Belastungen beurteilen können.
 


(Aktualisierung: 2012-07-12)
LASI, LV 52, 2009:
Integration psychischer Belastungen in die Beratungs- und Überwachungspraxis der Arbeitsschutzbehörden der Länder
http://lasi.osha.de/de/gfx/publications/lv52_info.htm
http://lasi.osha.de/docs/lv52.pdf, Inhalt:

Vorwort.
1 Grundverständnis und Zielrichtung 6
2 Aufgaben und Funktionen des Managements der Arbeitsschutzverwaltungen der Länder bei der Umsetzung des Themas 7
2.1 Psychische Belastungen – ein Querschnittsthema für die Aufsicht 7
2.2 Fachliche und methodische Kompetenzen der Beschäftigten in der Arbeitsschutzverwaltung erweitern 8
2.3 Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen 9
3 Grundsätze der Beratung und Überwachung 10
3.1 Handlungsfelder der Arbeitsschutzverwaltung 10
3.2 Durchführung der Betriebsbesichtigung 11
3.3 Nachbereitung, Verwaltungshandeln 13
4 Kooperationsmöglichkeiten im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie1 4
Anhang 1 Rahmenkonzept Qualifizierung 15
Anhang 2 Curriculum für die Qualifizierung von Aufsichtskräften zum Thema „psychische Belastungen“ 19
Anhang 3 Übersicht: Berücksichtigung psychischer Belastungen im Aufsichtshandeln 23
Anhang 4 Ablauf: Prüfung von Gefährdungsbeurteilungen im Hinblick auf angemessene Berücksichtigung psychischer Belastungen 24
Anhang 5 Prüfliste zum Erkennen psychischer Belastungen (PEP) 25
Anhang 6 GB-Check Prozessqualität – Arbeitshilfe Interviewleitfaden zur Bewertung des Prozesses der Gefährdungsbeurteilung 26
Anhang 7 GB-Check Inhalt – Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung „psychische Belastungen“ auf inhaltliche Plausibilität und angemessene Umsetzung 29

S. 4:

… Denn trotz vielfältiger Aktivitäten ist es auch für die Aufsichtsbeamtinnen und –beamten der Arbeitsschutzbehörden noch nicht selbstverständlich, bei der Bewertung betrieblicher Gefährdungsbeurteilungen auch psychische Faktoren zu berücksichtigen. Diese werden nicht selten als „Extra“ betrachtet, auf die eingegangen werden kann, wenn alle anderen Arbeitsschutzaspekte erledigt wurden. Eine solche Prioritätensetzung erfolgt oft mit dem Hinweis, dass gezieltes Aufsichtshandeln zur Reduktion psychischer Belastungen nur sehr eingeschränkt möglich sei, da der Rückgriff auf Normen und Sanktionen schwierig ist. Demzufolge beschränkt sich die staatliche Aufsicht in der Regel auf reines Beratungshandeln.
Diese Sichtweise geht am zentralen Ziel des Arbeitsschutzgesetzes vorbei, das eine umfassende Prävention von gesundheitlichen Risiken einfordert. Hier müssen staatliche Arbeitsschutzbehörden den Erfordernissen moderner Arbeitswelten nachkommen und ihrer institutionellen Schutzfunktion gerecht werden. Der Fokus des Aufsichtshandelns ist dabei auf Tätigkeiten zu legen, in denen in besonderem Ausmaß mit gesundheitlichen Folgen psychischer Belastungen zu rechnen ist. …

S. 28:

Die Gefährdungsbeurteilung ist nicht angemessen – lt. Leitlinie so zu bewerten wenn:

  • Gefährdungssituation unzutreffend bewertet
  • wesentliche Arbeitplätze/Tätigkeiten nicht ermittelt
  • wesentliche Arbeitplätze/Tätigkeiten nicht beurteilt
  • besondere Personengruppen nicht berücksichtigt
  • keine Wirksamkeitskontrolle
  • Beurteilung nicht aktuell
  • Dokumentation nicht plausibel

 


Links innerhalb dieses Blogs:
  • Begehungen durch Arbeitsschutzfachleute und den Betriebsrat
  • Grundsätze der behördlichen Systemkontrolle
  • Zielvereinbarungen mit Unternehmen
  • Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie
  • Arbeitsschutzorganisation ist Pflicht

    2010: Ganzheitlicher Arbeitsschutz nur bei 16% der Betriebe

    Die Ergebnisse aktueller Forschungsprojekte zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung (aus einem Bericht von Ina Krietsch und Thomas Langhoff, Prospektiv GmbH, Dortmund für BAuA/GRAziL, 2007-09 – 2010-04) sehen immer noch so aus:

    1. Fehlende Handlungsbereitschaft: Unternehmen greifen ohne die Impulsgebung durch Gewerkschaften, Betriebsräte bzw. Arbeitsschutzbehörden (vereinzelt) das Thema “Psychische Belastungen” als Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung (GB) i. d. R. nicht auf.
    2. Geringe Handlungskompetenz: Weder bei betrieblichen noch bei überbetrieblichen Arbeitsschutzakteuren ist in der Breite eine ausreichende Kompetenz zum Umgang mit dem Thema “Psychische Belastungen” vorhanden.
    3. Schwierige Kooperation: Von Betriebsrat, Arbeitgeber und betrieblichen Arbeitsschutzakteuren bei der GB zu psychischen Belastungen bzw. unzureichende Abstimmung der Akteure untereinander.

    (Siehe dazu auch http://www.arbeitstattstress.de/2011/01/inwieweit-werden-psychische-gefaehrdungen-in-den-betrieben-beurteilt/.)
    Die einzige Krankheitskategorie, in der von den Versicherungen eine Zunahme von Fehlzeiten am Arbeitsplatz beobachtet wird, ist die Kategorie der psychischen Erkrankungen. Aber ausgerechnet in diesem Bereich werden in Deutschland die Arbeitsschutzvorschriften nicht durchgesetzt:

    Obwohl die Betriebe seit 1996 durch das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet sind, körperliche wie auch psychische Arbeitsbelastung am Arbeitsplatz im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln und sie so gering wie möglich zu halten, ist dies in vielen Betrieben immer noch nicht umgesetzt. Vor allem werden psychische Arbeitsbelastungen dabei nach wie vor kaum berücksichtigt.
    (inqa.de, BAuA: Unterweisung, 2006, S. 8)

    Aus der Betriebsrätebefragung 2008/06 des WSI (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung) ergibt sich:

    Psychische Gefährdungen werden kaum berücksichtigt
    Trotzdem steht es um die Gefährdungsbeurteilung und insbesondere um die Berücksichtigung der psychischen Belastungen in den Betrieben nicht gut, wie die WSI- Betriebsrätebefragung 2008/09 ebenfalls zeigt:

    • Gefährdungsbeurteilungen nach dem Arbeitsschutzgesetz werden nur von einer Minderheit der Betriebe (46%) durchgeführt.
    • Aus dieser Teilgruppe berücksichtigen nur 29% der Betriebe auch psychische Belastungen.
    • Also haben nur 16% aller befragten Betriebe in ihren Gefährdungsbeurteilungen auch psychische Arbeitsbelastungen berücksichtigt.

    Die entsprechenden Vorschriften des Arbeitsschutzes gibt es seit 1996. Gestärkt wurden sie in den Entscheidungen AZ 1 ABR 4/03 (siehe insbes. Punkte 12 und 33) und AZ 1 ABR 13/03 des Bundesarbeitsgerichtes zur Mitbestimmung aus dem Jahr 2004.

    Unterweisung an Mitarbeiter und Führungskräfte

    Chr. Eggerdinger, M. Giesert, hg. V. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), INQA Bericht Nr. 7, Unterweisung: Führen, Beteiligen, Erkennen und Vermindern von psychischen Belastungen, Düsseldorf 2004
    Kurzbeschreibung (Quelle: INQA, Januar 2011):

    Handlungshilfe “Unterweisung”
    Regelmäßige und umfassende Unterweisungen sind die Grundlage für einen modernen Arbeitsschutz im Betrieb und damit gleichzeitig eine wichtige Voraussetzung für eine gute Produktivität und Qualität der Arbeit im Unternehmen sowie für gesundheitsgerechtes und sicheres Arbeiten der Belegschaft.
    Der INQA-Bericht Nr. 7 “Unterweisung: Führen, Beteiligen, Erkennen und Vermindern von psychischen Belastungen” gibt die Vorgehensweise, die Ergebnisse und Erfahrungen wieder, die im Rahmen eines praxisbezogenen INQA-Projektes gemacht wurden.
    Als Arbeitsergebnis in diesem Projekt ist eine Handlungshilfe entstanden,

    • die Vorgesetzten helfen soll, Unterweisungen zu einem effektiven Instrument der Führung für Arbeitssicherheit und Gesundheit zu machen,
    • die Betriebsleitungen helfen kann, das Unterweisungswesen an die gesetzlichen Vorgaben anzupassen und entsprechend zu reorganisieren,
    • die anregen soll, das Unterweisungsgespräch nicht mehr als eine lästige, formale Pflichterfüllung zu betrachten, sondern als wirksames Instrument der Beziehung zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitern,
    • die ermöglicht, die Beschäftigten mit einzubeziehen und damit Voraussetzungen schafft, den kontinuierlichen Prozess der Gefährdungsbeurteilung zu gestalten.

    Damit richtet sich diese Borschüre in erster Linie an:

    • Geschäfts- und Betriebsleitungen,
    • Führungskräfte,
    • Sicherheitsfachkräfte,
    • Betriebsärzte und
    • betriebliche Interessensvertretungen (Betriebs- und Personalräte).

    Diese Handlungshilfe ist sehr praktisch: Sie zeigt nicht nur, wie Unterweisungen aussehen müssen, die über reine Pflichtübungen hinausgehen. Sondern man bekommt auch gleich einen Überblick über den Lernstoff und die Lernziele.
    (In das gleiche Horn stößt http://www.arbeitstattstress.de/2011/01/psychische-belastungen-richtig-unterweisen/.)
    Übrigens, das Unterweisungswesen über körperliche und psychische Belastungen unterliegt der Mitbestimmungspflicht. Schon die ungenügende Unterweisung und Qualifikation von Führungskräften und Mitarbeitern ist eine Gefährdung. Besteht eine solche Gefährdung, so muss sie in der Gefährdungsbeurteilung dokumentiert werden. Noch zwei Zitate aus der Handlungshilfe:

    • „Die Gefährdungsbeurteilung ist gemäß §5 Arbeitsschutzgesetz durchzuführen. … Als Gefährdung ist dabei mit einzubeziehen, wie gut die Qualifikation und die Unterweisung der Beschäftigten ist und wie gut das Unterweisungswesen im Betrieb funktioniert. Es kommt darauf an, die Abläufe und die Organisation der Unterweisung sowie die gelebte Praxis zu untersuchen.“
    • „Die Unterweisung muss ausreichend und umfassend sein, d.h. die Beschäftigten müssen danach in der Lage sein, Gefährdungen zu erkennen, d.h. körperliche und psychische, um dann entsprechend zu handeln.“

    Vor der Unterweisung kommt allerdings erst die Gefährdungsbeurteilung. Wenn es noch keine Gefährdungsbeurteilungen (auch mit Einbezug psychischer Belastungen) gibt, dann muss das eben das Fehlen einer ausreichend vollständigen Gefährdungsbeurteilung in einer ersten Gefährdungsbeurteilung (ggf. für einen bisher nicht beurteilten Gefährdungsbereich) beschrieben werden, denn ein mangelhafter Arbeitsschutz gefährdet die Mitarbeiter. Diese Gefährdungsbeurteilung liefert dann Grundlagen, auf denen ein Unterweisungswesen aufbauen und somit eine Verbesserung der Prozesse zur Gefährdungsbeurteilung fördern kann.
    Siehe auch: http://blog.psybel.de/ohne-wissen-keine-verantwortung/

    Petition an den Bundestag: Betrieblicher Arbeitsschutz – Psychische Belastungen

    Die Petition wurde abgelehnt. Die Ablehnung wurde sorgfältig begründet: Mit der Antwort stellte der Bundestag bereits im Jahr 2009 klar, dass psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen sind.
    Petition eingereicht: 2009-01-18
    https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2009/_01/_18/Petition_1902.nc.html

    Der Deutsche Bundestag möge beschließen, den tatsächlichen Grad des Einbezugs psychischer Belastungen in die Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes in deutschen Unternehmen durch entsprechende Dienste oder Beauftragte des Bundestages feststellen zu lassen und im Fall einer mangelhaften Umsetzung der Arbeitsschutzgesetzes und vergleichbarer Gesetzte und Vorschriften die personelle Situation der Aufsichtsbehörden so zu verbessern, dass sie ihrer Aufsichtspflicht auch praktisch nachkommen könne
    Begründung: Nur ein kleiner Teil der Unternehmen in Deutschland kommt seinen Verpflichtungen nach, auch psychomentale Belastungen (Begriff “psychomentale Belastung”: Zusammensetzung aus “mentaler Belastung” entsprechend der englischsprachigen EN ISO 10075 Norm und “psychischer Belastung” entsprechend der deutschsprachinen EN ISO 10075 Norm) in den Arbeitsschutz mit einzubeziehen. Konkret drückt sich das dadurch aus, dass nur sehr wenige Betriebe in Deutschland die mit Arbeitsaufgaben und Arbeitsplätzen verbundenen psychomentale Belastungen in Gefährdungsbeurteilungen beschreiben (was nur ein erster Schritt ist). Abgesehen von der Gefährdung, die langjährig nicht wirklich umgesetzte Gesetze für die Rechtsstaatlichkeit schlechthin darstellen, bauen sich hier angesichts der Veränderungen der Arbeitswelt neue Hindernisse und Gefahren für wirtschaftliches Wachstum auf. Grundlage der gängigen Wachstumstheorien ist Innovation, also das Ergebnis psychomentaler Belastung. Darum muss das Verständnis dieser Belastungsart und die Durchsetzung der menschengerechten Gestaltung der Arbeit höchste Priorität bekommen. Auch könnte die jetzige “Wirtschaftskrise” auf einen hohen Grad an Ernüchterung und Erschöpfung von Arbeitnehmern (einschließlich Ihrer Führungskräfte) zurückzuführen sein. Dabei ist das Thema der psychomentalen Arbeitsbelastung inzwischen recht gut erforscht und sollte nicht erst dann angegangen werden, wenn für Krankenkassen, Sozialversicherungen usw. durch psychomentale Fehlbelastungen verursachte Kosten zu hoch werden.

    Antwort des Bundestages (Petitionsausschuss):

    Betrieblicher Arbeitsschutz
    Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 25.02.2010 abschließend beraten und beschlossen:
    Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.
    Begründung
    Der Petent fordert, den tatsächlichen Grad des Einbezugs psychischer Belastungen in die Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes in deutschen Unternehmen durch entsprechende Dienste oder Beauftragte des Bundestages feststellen zu lassen und im Fall einer mangelhaften Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes und vergleichbarer Gesetze und Vorschriften die personelle Situation der Aufsichtsbehörden so zu verbessern, dass sie ihrer Aufsichtspflicht auch praktisch nachkommen können.
    Zur Begründung führt der Petent im Wesentlichen an, dass bisher nur ein kleiner Teil der Unternehmen in Deutschland seinen Verpflichtungen nachkäme, psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen.
    Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Petitionsausschusses eingestellt. Sie wurde von 364 Mitzeichnern unterstützt. Außerdem gingen acht Diskussionsbeiträge ein.
    Der Petitionsausschuss hat zu der Eingabe eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) eingeholt. Darin führt das BMAS im Wesentlichen aus, dass es die Auffassung des Petenten teile, dass das Thema Psychischen Belastungen unabdingbarer Bestandteil des Arbeitsschutzes sei. Dem BMAS sei auch die Bedeutung des Themas bekannt. Die Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung der psychischen Komponente bei der Gefährdungsbeurteilung werde daher grundsätzlich unterstützt.
    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vom Petenten eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
    In seiner parlamentarischen Prüfung kommt der Petitionsausschuss zu folgendem Ergebnis:
    Der Begriff “Psychische Belastungen” ist in der DIN EN ISO 10075 definiert als “die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch (seelisch) auf ihn einwirken”.
    Mit “psychischen Fehlbelastungen” sind dagegen Anforderungen und Belastungen gemeint, die in ihrer Ausprägung bei Beschäftigten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Berufliche Anforderungen können eine Herausforderung darstellen und bei erfolgreicher Bewältigung zu Arbeitszufriedenheit führen. Unstreitig können psychische Fehlbelastungen in der Arbeitswelt zu gesundheitlichen Problemen bei den Beschäftigten und zu krankheitsbedingten Folgekosten in erheblichem Ausmaß führen.
    Im Rahmen einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) über Kosten arbeitsbedingter Erkrankungen wurden die gesamt- wirtschaftlichen Kosten für psychische Belastungsfolgen in Deutschland im Jahr 1998 auf 11,1 Mrd. Euro direkte und 26,2 Mrd. Euro indirekte Kosten geschätzt. Für das Jahr 2004 ergibt sich eine Schätzung von 18,6 Mrd. Euro bzw. 25,3 Mrd. Euro Kosten.
    Die vorläufigen Ergebnisse des aktuellen BAuA-Forschungsprojekts “Aufarbeitung Gefährdungsbeurteilung bei Umsetzung der zur Erfahrungen betrieblicher psychischen Belastungen” lassen Tendenzen hinsichtlich des tatsächliche Umsetzungsgrades der Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) zu den psychischen Fehlbelastungen erkennen. Eine im Rahmen dieses Projektes durchgeführte Befragung von Betriebsräten in der metallverarbeitenden Industrie Baden-Württembergs hat ergeben, dass 87 % der Betriebe eine Gefährdungs- beurteilung vorweisen konnten, allerdings nur 33 % der Betriebe unter Berücksichtigung der psychischen Fehlbelastungen.
    Dem Ziel der stärkeren Berücksichtigung der psychischen Komponente der Gefährdungsbeurteilung dienen die Aktivitäten des Bundes im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA). Die GDA beinhaltet das abgestimmte Vorgehen von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern (UVT) im Arbeitsschutz durch die Vereinbarung von gemeinsamen Zielen und die Verfolgung kooperativer Strategien und Aufsichtsverfahren. Für die Handlungsperiode 2008 2012 wurde der Komplex “Psychische Belastungen” in das Arbeitsprogramm der GDA mit aufgenommen. Die Zieldefinitionen enthalten in mehreren Projekten die psychischen Fehlbelastungen als Querschnittsziele und verdeutlichen so deren hohen Stellenwert. Überdies nimmt das Thema auch im Rahmen der von der Bundesregierung im Jahre 2001 ins Leben gerufenen “Initiative Neue Qualität der Arbeit” (INQA) breiten Raum ein. So gibt es verschiedene Publikationen, die sich dem Thema widmen und den betrieblichen Akteuren Wissen vermitteln und praktische Handlungshilfen an die Hand geben.
    Hinsichtlich des Anliegens, die personelle Situation der Aufsichtsbehörden zu verbessern, ist festzuhalten, dass der Vollzug des staatlichen Arbeitsschutzrechts grundsätzlich Sache der Bundesländer ist. Der Aufbau und die Organisation der Arbeitsschutzbehörden liegen in der Verantwortung der Länder. Es ist nicht Aufgabe des Bundes, den Ländern z. B. hinsichtlich der Anzahl der Aufsichtsbeamten oder der Einzelheiten der Verwaltungsorganisation Vorgaben zu machen.
    Auch der tatsächliche Umsetzungsgrad der Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) hinsichtlich psychischer Fehlbelastungen kann letztlich nur von den für die Überwachung des Arbeitsschutzes zuständigen Instanzen eingeschätzt werden. Dies sind die Arbeitsschutzbehörden der Länder und die UVT. Den UVT steht bei der Erfüllung des gesetzlichen Auftrages der Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren “mit allen geeigneten Mitteln” im Rahmen der Selbstverwaltung ein weiter Ermessens- und Gestaltungsspielraum zu.
    Auf der Ebene der Bundesländer und damit der Arbeitsschutzbehörden ist der Handlungsbedarf hinsichtlich der Berücksichtigung der psychischen Komponente der Gefährdungsbeurteilung erkannt. Die Länder führen Schulungen und Schwerpunktaktionen zu psychischen Belastungen in verschiedenen Branchen durch. Vom Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik wurde ein Leitfaden zur besseren Berücksichtigung psychischer Belastungen in der Arbeitsschutz-Revision erarbeitet. [Die LV 52 vom Oktober 2009 war allerdings noch nicht veröffentlicht, als ich die Petition im Januar 2009 abschickte.] Weitere Aktivitäten sind die Qualifizierung der Aufsichtspersonen, die Erstellung von Verfahrensanweisungen und Unterrichtsmodulen. Mit diesen umfassenden Maßnahmen werden den Aufsichtsbeamten das nötige Wissen und die methodischen Kenntnisse zur stärkeren Berücksichtigung der psychischen Aspekte bei ihrer Tätigkeit vermittelt. Auch die UVT haben sich des Themas angenommen. So ist beim Institut Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (BGAG) ein Bereich eingerichtet, der zum Thema “Psychische Belastungen und Beanspruchungen am Arbeitsplatz” forscht und berät.
    Mit den aufgezeigten Aktivitäten der Akteure des staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzes sind wichtige Weichenstellungen getroffen worden, das Thema auch in den Betrieben weiter voranzubringen und die Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiter für das Themenfeld zu sensibilisieren. Damit wird die stärkere Einbeziehung psychischer Fehlbelastungen bei der Gefährdungsbeurteilung weiter unterstützt und gefördert sowie dem Thema die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet.
    Der Petitionsausschuss hat das Vorbringen des Petenten geprüft. Er hält die geltende Rechtslage zum Arbeitsschutz insbesondere hinsichtlich der Zuständigkeit der Bundesländer und selbstverwalteten gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand – für sachgerecht.
    Da die Petition nach Auffassung des Ausschusses keine wesentlichen neue Aspekte enthält, die nicht bereits bekannt sind, sieht er davon ab, sie den Landesvolksvertretungen und den selbstverwalteten gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand als Material für weitere Beratungen zuzuleiten.
    Der Petitionsausschuss empfiehlt, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen des Petenten nicht entsprochen werden konnte.

    (Anmerkung in eckigen Klammern, Links und Hervorhebungen nachträglich eingefügt)
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