Die Gefährdungsbeurteilung als Infografik

http://www.arbeitstattstress.de/2016/05/die-gefaehrdungsbeurteilung-als-infografik/

[…] Manche Führungskräfte befürchten, mit der Bekanntgabe der Ergebnisse “ein Fass aufzumachen”, wenn diese Engpässe im Führungsverhalten oder in der Arbeitsorganisation aufzeigen. Ganz unrecht haben sie nicht. Denn zum einen weckt man bei den Mitarbeitern bestimmte Erwartungen, zu anderen ist es tatsächlich schwerer, Verbesserungen bei den sogenannten weichen Faktoren zu erzielen. Anstatt diese dicken Bretter zu bohren, bleibt man lieber bei den Lärmmessungen. Da weiß man, was man hat. […]

Gut beobachtet.
In dem Artikel finden Sie dann auch die Infografik.

Hansjörg Becker: Verhältnisprävention ist nachhaltiger

Anlässlich der Verleihung des Corporate Health Awards 2015 hielt Dr. Hansjörg Becker einen Vortrag (VORTRAG_Dr.HJ_Becker_INSITE_Interventions.pdf), den Sie sich von der CHA-Website herunterladen können. (Dazu ist ein Passwort erforderlich, dass sie über eine auf der Seite angegebene Email-Adresse abfragen können.) Darin geht es um die Gefährdungsbeurteilung sowie Verhaltensprävention und Verhältnisprävention. “EAP als Umsetzungsmaßnahme nach Gefährdungsbeurteilung Psychischer Belastung” ist der Titel der Präsentation.
In seinem Vortrag stellte Hansjörg Becker fest, dass bei der Minderung psychischer Fehlbelastungen die Verhältnisprävention nachhaltiger als Verhaltensprävention sei – wenn die Verhältnisprävention richtig implementiert ist. Das ist interessant, den ein EAP (Employee Assistance Program/Plan) bearbeitet primär individuelle Mitarbeiter verhaltenspräventiv und weniger fehlbelastende Arbeitsplätze verhältnispräventiv. Einzelne Mitarbeiter auf die Couch zu bringen, ist die letztmögliche Wahl im Arbeitschutz, denn dort sind individuelle Schutzmaßnahmen nachrangig zu anderen Maßnahmen.
Wenn INSITE-Interventions sich als externer Dienstleister zu einer Meldung von Fehlbelastungen anböte, die die Mitarbeiter vor Repressalien schützt, dann wäre das eher ein Beitrag zum Arbeitsschutz. Einen tatsächlichen Beitrag zum Arbeitsschutz leistet INSITE-Interventions in diesem Sinn mit seinem Reporting (Punkt 14 im FAQ):

Wir erstellen in größeren Zeitabständen ein anonymisiertes Reporting über die Häufigkeit der Nutzung und über kategorisierte Beratungsanlässe. Das Reporting ist so gehalten, dass man keinerlei Rückschlüsse auf die Identität der Nutzer ziehen kann.

In seinen seriösen Veröffentlichungen Evaluation des EAP von INSITE und Qualitätsanforderungen an ein EAP stellt INSITE-Interventions das EAP auch nicht als Arbeitsschutzmaßnahme dar.
Hansjörg Becker fasst seinen Vortrag so zusammen:

  1. Nur geringe Evidenz für die Wirksamkeit von Verhältnisprävention
    Wenn aber wirksam, dann spät einsetzend und länger andauernd
  2. Bessere Evidenz für die Wirksamkeit von Verhaltensprävention
    Schnell einsetzend aber nur kurz wirksam
  3. Beste Wirksamkeit für kombinierte Interventionen
    Wirkt schnell und nachhaltig. Einschränkung: nur SEHR wenige Studien

Sein Resümee:

  1. Bei Bestehen von relevanten Risiken im Rahmen der Gefährdungsanalyse sollen schnell wirksame; also verhaltenspräventive Maßnahmen eingeführt werden
  2. Da sie aber nur kurzfristig wirken, müssen sie mit langfristigen Maßnahmen kombiniert werden.
  3. Das spezielle von EAP ist, dass es zwar auf den ersten Blick verhaltenspräventives Programm ist, und daher schnell wirksam sein kann, dass es aber auf langfristige Wirkung ausgelegt ist. Unsere Kunden nutzen ihre EAPs dauerhaft, z.T. über 10 bis 15 Jahre.

Langfristig kann EAP verhaltenspräventive und verhältnispräventive Ansätze verbinden

Sobald EAP als Arbeitsschutzmaßnahme zum Einsatz kommt, haben Betriebsräte und Personalräte (wo es sie gibt) eine besondere Mitbestimmungspflicht. Hat INSITE-Interventions dafür ein Konzept? Hansjörg Becker unterteilt richtig:

  • Verhältnisprävention ist Primärintervention
  • Verhaltensprävention ist Sekundärintervention

Hier müssen Betriebs- und Personalräte mit einem eigenen und unabhängigen Berater sicherstellen, dass die Primärintervention gut umgesetzt wurde bevor die Sekundärintervention zum Zug kommt.
Beckers Vortrag hat eine Schwäche: Er führt viele Studien an, versäumt aber darzustellen, dass der inzwischen gut dokumentierte Widerstand der Arbeitgeber gegen die Verhältnisprävention Untersuchungen zur Verhältnisprävention erschwert. Dass die große Mehrheit der Arbeitgeber sich über viele Jahre hinweg (mit Hilfe einer systemisch überforderten Gewerbeaufsicht) über das Arbeitsschutzgesetz stellten, erwähnt Becker nicht, sagt aber: “Nur geringe Evidenz für die Wirksamkeit von Verhältnisprävention”. Einen der Gründe für die “geringe Evidenz” verschweigt Becker: Wenn die Verhältnisprävention rechtsbrecherisch sabotiert wird, kann sie natürlich nicht gut funktionieren.
Zur Gefährdungsbeurteilung meint Hansjörg Becker dann auch ohne Hinweis auf die jahrelange gesetzeswidrige und durchaus schon vorsätzliche Sabotage, dass für Gefährdungsbeurteilungen zum Nachteil von Schutzmaßnahmen zu viel Aufwand getrieben werde. Ich glaube, dass er den Grund dafür nicht versteht. Meine Meinung ist, dass sich der Aufwand vor allem aus dem Widerstand der Arbeitgeber gegen ihnen unangenehme Gefährdungsbeurteilungen ergibt. Das die große Mehrheit der Arbeitgeber immer noch keine ordentlichen Verfahren zur Beurteilung psychischer Belastungen implementiert hat, ist kein Versehen. Arbeitgeber, die einerseits komplizierte Verfahren zur Mitarbeiterbewertung implementieren können, andererseits aber über viele Jahre hinweg die Implementierung von Verfahren zur Beurteilung psychischer Fehlbelastungen verschleppen, sabotieren den Arbeitsschutz vorsätzlich. Sie mögen keine Gefährdungsbeurteilungen, die sich auf ihre Führungskultur auswirken könnten und meinen, dass sie das berechtige, Recht zu brechen. Die Ausrede “Unwissen und Hilflosigkeit” ist gerade bei Großunternehmen mit zertifizierten Arbeitsschutzmanagementsystemen einfach nicht glaubwürdig.
Kurz: Viele Unternehmer mögen die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen nicht und meinen, das gäbe ihnen das Recht, sich über das Gesetzt zu stellen. Das ist in Deutschland möglich  – und das macht die Einführung von Verfahren zur Beurteilung solcher Gefährdungen verständlicherweise etwas komplizierter. Bei der Bewertung der Sinnhaftigkeit der Verhältnisprävention darf die gegen die Beurteilung arbeitsbedingter psychischer Belastungen gerichtete Subversion der Mehrheit der Arbeitgeber nicht ignoriert werden.

DEKRA: Gefährdungsanalyse liefert unangenehme Wahrheiten

http://www.haufe.de/personal/hr-management/arbeitsschutz-psychische-belastungen-vernachlaessigt_80_329100.html (2015-11-24)

[…] „Psychische Belastungsfolgen sind in vielen Unternehmen ein Tabu“, sagt Dr. Karin Müller, Leiterin des Bereichs „Mensch und Gesundheit“ bei DEKRA. „Die Analyse der psychischen Gefährdungen bringt in der Praxis zuweilen unangenehme Wahrheiten zutage, die häufig Handlungsbedarf bei den Unternehmensführungen erzeugen. Nötig ist deshalb eine professionelle Gestaltung gesunder Arbeits- und Führungsstrukturen.“ […] 

 
http://www.dekra.de/de/pressemitteilung?p_p_lifecycle=0&p_p_id=ArticleDisplay_WAR_ArticleDisplay&_ArticleDisplay_WAR_ArticleDisplay_articleID=56935479 (Pressemitteilung, 2015-11-19)

DEKRA präsentiert Arbeitssicherheitsbarometer 2015/2016 
Psychische Belastungen ausgeblendet

  • Häufige Ursachen für Fehlzeiten werden zu wenig beachtet
  • Klassische Maßnahmen zur Unfallverhütung stehen im Vordergrund
  • Große Potenziale im Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Mehrheit der deutschen Unternehmen hat die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter noch nicht ausreichend im Blick. Nur ein Viertel legt bei der gesetzlich vorgeschrieben Gefährdungsbeurteilung besonderes Augenmerk auf psychische Belastungen. Das ist ein Ergebnis des aktuellen DEKRA Arbeitssicherheitsbarometers 2015/2016. Dabei sind psychische Erkrankungen laut aktueller Statistik die zweithäufigste Ursache für Fehlzeiten.
Für das DEKRA Arbeitssicherheitsbarometer 2015/2016 hat Deutschlands größte Prüforganisation 800 Unternehmen nach den Entwicklungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz befragt. Dabei zeigt sich, dass die Themen des klassischen Arbeitsschutzes dominieren. So ist für vier von fünf (80 Prozent) der Befragten die Gestaltung der Arbeitsstätte besonders wichtig, für zwei Drittel (65 Prozent) der sichere Einsatz von Arbeitsmitteln, Maschinen und Geräten. Psychische Belastungen werden aber nur von einer Minderheit (25 Prozent) als besonders wichtig bezeichnet.
Das Arbeitsschutzgesetz schreibt vor, routinemäßig auch Gefährdungen durch psychische Faktoren zu analysieren. Immer mehr Menschen werden wegen psychischer Leiden krankgeschrieben. Nach einer aktuellen Studie der Krankenkasse DAK war 2014 jeder 20. Beschäftigte aus diesem Grund zeitweise arbeitsunfähig. Umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung wären dies 1,9 Millionen Menschen; 16,6 Prozent der Fehlzeiten gehen auf das Konto von psychischen Erkrankungen.
Offener Umgang gefordert
„Psychische Belastungsfolgen sind in vielen Unternehmen ein Tabu“, sagt Dr. Karin Müller, Leiterin des Bereichs „Mensch und Gesundheit“ bei DEKRA. „Die Analyse der psychischen Gefährdungen bringt in der Praxis zuweilen unangenehme Wahrheiten zutage, die häufig Handlungsbedarf bei den Unternehmensführungen erzeugen. Nötig ist deshalb eine professionelle Gestaltung gesunder Arbeits- und Führungsstrukturen. Auch dem häufigsten Grund für Fehltage, Muskel- und Skeletterkrankungen, kann bis zu einem gewissen Grad vorgebeugt werden, zum Beispiel durch gezielte Maßnahmen innerhalb eines funktionierenden Betrieblichen Gesundheitsmanagements.“
Es gibt anerkannte Methoden, mit denen Fachleute routinemäßig im Rahmen einer Betriebsbesichtigung die psychischen Gefährdungen erfassen können. Diese können entstehen durch ungenügend gestaltete:

  • Arbeitsaufgaben, also beispielsweise Über- oder Unterforderung,
  • Arbeitsorganisation wie hoher Zeitdruck oder unregelmäßige Arbeitszeiten,
  • soziale Bedingungen, ungünstiges Führungsverhalten oder Konflikte,
  • Arbeitsplatzumgebung, beispielsweise Stress durch Lärm, Klima, räumliche Enge oder unzureichende Arbeitsmittel.

Kommunikative Defizite
Das DEKRA Arbeitssicherheitsbarometer 2015/2016 deutet auch im Bereich der Unfallverhütung auf kommunikative Defizite in den Betrieben hin. „Viele Unternehmen ergreifen zwar pflichtgemäß Maßnahmen zur Unfallverhütung, glauben aber selbst nicht an deren Erfolg“, beobachtet Michael Schröter, Produktmanager für Arbeits- und Gesundheitsschutz bei DEKRA. So stellen 92 Prozent der in dieser Studie befragten Unternehmen Betriebsanweisungen zur Verfügung, aber nur 63 Prozent halten genau diese Maßnahme für wirksam. Ähnlich negativ ist das Verhältnis bei Maßnahmen zur Anlagensicherheit, zu Arbeitsschutzausrüstungen sowie Sicherheitsbegehungen und Schulungen.
Arbeitsschutzexperte Schröter: „Die DEKRA Befragung zeigt ganz klar, dass im organisatorischen und kommunikativen Bereich die größten Verbesserungspotenziale für den Arbeits- und Gesundheitsschutz stecken. Der Technische Arbeitsschutz befindet sich in der Bundesrepublik bereits auf einem sehr hohen Niveau. Das zeigt sich an den vergleichsweise geringen Unfallzahlen. Doch in der Praxis mangelt es häufig an Prozessen, Organisation und Führung.“
Download: www.dekra.de/arbeitssicherheitsbarometer
Pressekontakt:
Tilman Vögele-Ebering […]

 
Handlungsleitfaden psychische Gefährdungsbeurteilung der Continental AG (2014, S.3):

Die verfügbaren Ressourcen sollen vorrangig zur Durchführung von Maßnahmen zur Reduktion oder Beseitigung von Gefährdungen oder zur Verbesserung der seelischen Widerstandskraft und zur Unterstützung der Mitarbeiter eingesetzt werden, während der Aufwand für die Ermittlung der psychischen Gefährdungen und Belastungen so gering wie möglich gehalten werden soll.

So reduziert man die Dokumentation unangenehmer Wahrheiten. Wenn sich Arbeitgeber weniger gegen die Ermittlung der psychischen Gefährdungen und Belastungen wehren würden, wären sie einfacher und kostengünstiger durchzuführen.

INSITE interventions

INSITE Interventions ist eines von jenen bei Arbeitgebern beliebten Beratungsunternehmen, die verhaltenspräventiv arbeiten. Die Verhaltensprävention setzt im Bereich der arbeitsbedingten psychischen Belastungen im Wesentlichen am individuellen Verhalten der einzelnen Mitarbeiter an. Stichworte: Stressmanagement, Resilienz, Eigenverantwortung usw.
Die Mitarbeiter werden in die Verantwortung für ihre eigene Gesundheit genommen – allerdings von Arbeitgebern, deren ganz große Mehrheit bis 2012 ihrer eigenen Verantwortung nicht gerecht wurde, die von ihnen im ganzheitlichen Arbeitsschutz seit 1997 geforderte Verhältnisprävention umzusetzen. Unsere Rechtskultur ist inzwischen so weit, dass Unternehmer, die ein Schutzgesetz für falsch halten, ganz locker dagegen verstoßen können. Anstatt ihre Ressourcen in die Erfüllung ihrer Pflichten zu stecken, konzentrieren sie sich auf angenehmere Kür: Lieber betreiben die Arbeitgeber mit viel Werbegetrommel ihr Vorzeige-Gesundheitsmanagement, anstatt die Arbeitsverhältnisse durch die vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung auch psychischer Belastungen transparent zu machen. Lieber wenden sie sich der fürsorglichen Belagerung “psychisch auffälliger” Mitarbeiter zu, anstatt mit der Dokumentation auffälligre Arbeitsbedingungen ihre Berichterstattung zur Corporate Social Responsibility (CSR) zu belasten.
Anlässlich der Verleihung des Corporate Health Awards 2015 hielt Dr. Hansjörg Becker einen Vortrag, in dem es um den aus Dr. Beckers Sicht übertriebenen Aufwand für die Gefährdungsbeurteilung sowie um die angeblichen Vorzüge der Verhaltensprävention gegenüber der Verhältnisprävention ging. Bei genauerem Hinsehen gewinnt in dem Vortrag aber die Verhältnisprävention.
Betriebsräte in Unternehmen, die sich von INSITE Interventions beraten lassen und/oder den/das EAP (Employee Assistance Plan, Employee Assistance Program) von INSITE Interventions nutzen, sollten einen eigenen Organisationspsychologen als Berater hinzuziehen, damit die gesetzliche Prioritäten des Arbeitsschutzes besser beachtet werden können.
Es ist doch klar, dass Verhältnisprävention und die Gefährdungsbeurteilung nicht helfen, wenn die Unternehmen unter den Augen der Gewerbeaufsicht der Verhaltensprävention den Vorzug geben und die Beurteilung psychischer Belastungen nicht vorschriftsmäßig durchführen. Sie haben ja von der Gewerbeaufsicht keine schmerzhaften Sanktionen zu befürchten. Bei diesen anarchischen Zuständen im deutschen Arbeits- und Gesundheitsschutz ist es kein Wunder, dass auch in fast 20 Jahren seit Bestehen des ganzheitlich und verhältnispräventiv orientierten Arbeitsschutzgesetzes nur wenig Erfahrungen mit der Beurteilung psychischer Belastungen und mit der Verhältnisprävention generiert werden konnten. Den von den Unternehmern zu verantwortenden Mangel an verhältnispräventiver Praxis zur Argumentation gegen die Verhältnisprävention und gegen die Wichtigkeit der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen zu verwenden, ist nicht seriös.
Gefährdungsbeurteilung dokumentiert mögliche Haftungsgründe
Die Gefährdungsbeurteilung birgt Risiken für Arbeitgeber. Die Arbeitgeber mögen die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen wohl auch deswegen nicht so sehr, weil sie mögliche Haftungsgründe dokumentieren könnte. Wird ein Mitarbeiter physisch oder psychisch so verletzt (z.B. Arbeitsunfall oder arbeitsbedingte psychische Erkrankung), kann er Ansprüche zwar grundsätzlich nur gegenüber der Berufsgenossenschaft geltend machen, aber das hat auch nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitgeber.
Psychische Fehlbelastungen sind ein so angenehm unscharfes Thema; ohne Dokumentation bleibt für arbeitsbedingt psychische erkrankte Mitarbeiter die Beweisführung bei der Berufsgenossenschaft und vor Gericht extrem schwierig. Konkret dokumentierte psychische Fehlbelastungen sind den Arbeitgebern aus haftungsrechtlichen Gründen darum eher unangenehm, unsbesondere wenn er sie hätte abstellen müssen. Als Argument gegen die Gefährdungsbeurteilung werden Arbeitgeber das aber nicht offen ins Feld führen.
Lieber werden Arbeitgeber mit wissenschaftlich aussehenden Argumenten versuchen, die Dokumentation (und ggf. auch die Vorfallserfassung) von psychischen Fehlbelastungen zu marginalisieren. Das Mittel dazu sind Ausweichstrategien, mit denen sich Arbeitgeber zur Vermeidung einer ihnen unangenehmen Verhältnisprävention scheinbar menschenfreundlich dem einzelnen Mitarbeiter zuwenden. Ein EAP ist sinnvoll und hilfreich, aber wenn es als Arbeitsschutzmaßnahme der ersten Wahl verkauft wird, müssen Betriebsräte hier besonders aufmerksam die Einhaltung des Arbeitsschutzgesetzes überwachen und eine fürsorgliche Belagerung der Mitarbeiter verhindern (Die Gewerbeaufsicht wird dabei wenig helfen, denn sie lässt sich zu leicht verhaltenspräventiven Projekten des Gesundheitsmanagements beeindrucken.) Dabei haben Betriebsräte einen Anspruch auf einen ihre Interessen vertretende Beratung.

"Unterfangen, das Thema psychische Belastung am Arbeitsplatz möglichst weit aus den Betrieben herauszuhalten"

Ein großes Problem für die Unternehmen: Sie haben zwar inzwischen begriffen, dass psychische Fehlbelastungen ihrem Geschäft schaden, aber manche Unternehmer stört die Möglichkeit der Arbeitnehmer, über die starke Mitbestimmung im Arbeitsschutz den Führungsstil im Unternehmen wirksam beeinflussen zu können. So kann es dann zum Beispiel bei der Umstellung von Regelwerken für den Arbeitsschutz und bei der Einführung von Formularen zur Gefährdungsbeurteilung zu strafbaren Handlungen kommen, wie z.B. die Behinderung der Mitbestimmung. Das wird wohl einer der wichtigsten Gründe des Widerstandes mancher Arbeitgeber gegen die Thematisierung der psychischen Belastung in den Betrieben sein.
http://www.aerztezeitung.de/news/article/852903/kommentar-dihk-umfrage-gesundheit-bleibt-chefsache.html (2014-01-09)

Kommentar zur DIHK-Umfrage
Gesundheit bleibt Chefsache
Bei der Gesundheitsförderung in Unternehmen hat sich “einiges getan”, lobt der Wirtschaftsverband DIHK. Doch es wachsen Zweifel, wenn es gerade in kleinen Betrieben vor allem vom Chef abhängt, ob Gesundheitsvorsorge angeboten wird.
Von Florian Staeck
Ein Lob vorab: Dass der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) den Stand der Gesundheitsförderung in 1500 Unternehmen ermittelt hat, ist zu begrüßen. Die Umfrage bietet eine Datengrundlage, auf der aufgebaut werden kann.
Freilich nutzen Verbände dieses Instrument auch immer, um pro domo Politik zu machen. Das ist beim DIHK nicht anders. Sein Motto lautet: Das vorhandene Engagement der Betriebe ist beeindruckend, weitere gesetzliche Regelungen schaden nur. Dies zeigt sich besonders deutlich in dem Unterfangen, das Thema psychische Belastung am Arbeitsplatz möglichst weit aus den Betrieben herauszuhalten.
[…]
Der DIHK hat seiner Umfrage die Überschrift “An Apple a Day….” gegeben – wenn das denn mal so einfach wäre mit der Gesundheit im Betrieb.

(Die Kursivschrift und den Fettdruck habe ich nachträglich in den Kommentar eingearbeitet.)
Der Kommentar wurde von einem Durchblicker geschrieben. Davon müsste es mehr geben.
 
http://www.dihk.de/presse/meldungen/2014-01-08-unternehmensbaromter-gesundheitsfoerderung

[…] Verstärkt auf der politischen Agenda stehe das Thema psychische Gesundheit, berichtete der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer [Achim Dercks] weiter. Die Zahl entsprechender Diagnosen und Krankschreibungen steige; mit Blick auf die vielfältigen Einflussfaktoren sei es jedoch “verfehlt, das Arbeitsumfeld für diese Entwicklungen allein verantwortlich zu machen”. […]

Der Trick, den Dercks hier versucht, wird langsam langweilig. Die Herumweinerei der Arbeitgeber, dass das Arbeitsumfeld “allein” für psychische Erkrankungen verantwortlich gemacht werde, ist unredlich. Dercks weiß natürlich, dass das nicht der Hauptvorwurf an die Arbeitgeber ist. Mit seiner Klage lenkt er nur vom eigentlichen Vergehen der Mehrheit der Arbeitgeber ab: 80% dieser Unternehmer wollen die psychischen Belastungen an den Arbeitsplätzen ihrer Betriebe nicht einmal beurteilen.
Das ist das “Unterfangen, das Thema psychische Belastung am Arbeitsplatz möglichst weit aus den Betrieben herauszuhalten”. Etwa 80% der Arbeitgeber sehen unter den Augen der Gewerbeaufsicht in gesetzeswidriger Weise weg, sind aber sind dreist genug, trotzdem Aussagen zu psychischen Belastungen am Arbeitsplatz zu machen. Dabei nutzen sie die Überforderung der Auditoren der Gewerbeaufsicht und der Zertifizierungsunternehmen. In einigen Ländern stehen die Aufsichtspersonen der unteren Behörden unter großem Druck unternehmerfreundlicher Ministerien, so dass zur Überforderung der Aufsichtspersonen (durch einen wohl nicht mehr ganz versehentlichen Ressourcenmangel) noch Angst dazu kommt.
Es ist doch klar, dass zum Rechtsbruch bereite Arbeitgeber sich vor strengeren Vorschriften fürchten. Es ist erwiesen, dass im Arbeitsschutz der Zwang, Vorschriften zu beachten, der stärkste Motivator ist. Das Gerede der Wirtschaftsverbände, die Unternehmen seien selbst an gesunden Mitarbeitern interessiert, dient vorwiegend dazu, strengere und deutlichere Vorschriften zu vermeiden. Die Arbeitgeber wehren sich gegen eine Dokumentation, die ihr Haftungsrisiko erhöht. Die Ärztezeitung erkennt:

[…] Nichts fürchten die Wirtschaftsverbände mehr als die von den Gewerkschaften geforderte “Anti-Stress-Regelung” – direkte Interventionen in die Betriebe via Gesundheitsförderung wären dem DIHK ein Gräuel. […]

Das stimmt übrigens nicht ganz. Bei der “Anti-Stress-Verordnung” geht es um die Durchsetzung des vorgeschriebenen Arbeitsschutzes, nicht aber um die freiwillige Gesundheitsförderung. Direkte Interventionen in die Betriebe via Arbeitsschutz wären dem DIHK ein Gräuel.
Die Unternehmen gehen über den Arbeitsschutz hinaus. Leider ging dabei eine große Mehrheit der Arbeitgeber gleich über wichtige Teile des Arbeitsschutzes hinweg.
Die Unternehmer stellen sich neue Hausaufgaben im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung und des betrieblichen Gesundheitsmanagements, weil sie die ihnen vorgeschriebenen Aufgaben nicht mögen. In der 12 seitigen Schrift des DIHK wird darum auch wieder dieser Trick probiert: Gleich drei mal geht man dort sinngemäß “über den gesetzlichen Arbeitsschutz hinaus”. Die Unternehmen gehen aber nicht nur über den Arbeitsschutz hinaus, sondern die große Mehrheit der Arbeitgeber durfte unter den geschlossenen Augen der Gewerbeaufsicht über wichtige Teile des Arbeitsschutzes hinweg gehen, weil sie das Thema psychische Belastung am Arbeitsplatz möglichst weit aus dem Arbeitsschutz heraushalten wollten. Gehalt und Arbeitszeit sind unangenehm gut mess- und verhandelbar, da blieb den Unternehmen nur noch übrig, mit einer höheren Arbeitsbelastung mehr aus den Leuten herauszuholen. Das ist ein angenehm komplexes Gebiet. Genaueres Hinsehen im Arbeitsschutz stört hier nur.
Die Klientel des DIHK hat in einem freien Land zwar das Recht, Gesetze für schlecht zu halten, aber es muss den von ihr vertretenen Unternehmern wieder abgewöhnt werden, für sich aus ihrer Meinung heraus einfach das Recht abzuleiten, sich über demokratisch beschlossene Gesetze und Vorschriften zu stellen.
 
Ein Lob zum Schluss: Es gibt Unternehmer und Arbeitgeberverbände, die den Arbeitsschutz auch im Bereich der psychischen Belastungen respektieren. Die BDA hat dazu sogar einen sehr guten Praxisleitfaden herausgegeben. Achim Dercks hätte sich den gründlich durchlesen sollen.

Intensive Widerstände aus dem Arbeitgeberlager

Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei zur gemeinsamen Erklärung des BMAS, der BDA und des DGB zur psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt, http://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/dp201310/$file/DP_2013_10.pdf, 2013-10, S.13-14:

[…] Das Papier, an dessen Formulierung auch die GdP mitgewirkt hat, war lange hart umkämpft, insbesondere aufgrund intensiver Widerstände aus dem Arbeitgeberlager. Es sollte bereits Ende Januar in einer eigens konzipierten Veranstaltung im Berliner alten E-Werk vorgestellt werden. Das Vorhaben scheiterte jedoch aufgrund eines Widerspruchs der bayerischen Metall-Arbeitgeber. Dennoch wurde die Veranstaltung zu einem echten Renner, weil die Presse den „Stress-Report 2012“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, der eigentlich nur am Rande vorgestellt werde sollte, aufgegriffen hatte.
      Aus Sicht der GdP ist die Erklärung inhaltlich sehr gut gelungen und weicht von anderen Erklärungen der Sozialpartner, denen es oft an einer gewissen Tiefe in den Aussagen mangelt, deutlich ab.
Rüdiger Seidenspinner

(Links nachträglich eingetragen)
Es gibt erfreulicherweise bei den Arbeitgebern nicht nur Widerstand. Ein gutes Beispiel für einen konstruktiven Beitrag der Arbeitgeber ist ihr hilfreicher Praxisleitfaden Psychische Belastung in der Gefährdungsbeurteilung. Allerdings setzt kaum ein Mitglied des Arbeitgeberverbandes diese guten Ratschläge um, denn Gefährdungsbeurteilungen könnten ja unangenehme Wahrheiten zutage treten lassen.

Haftung für psychische Verletzungen


http://diepresse.com/home/recht/rechtallgemein/1339019/Neue-Pflicht-zur-Praevention

Neue Pflicht zur Prävention
30.01.2013 | 18:13 | von Katharina Braun (Die Presse)
Arbeitnehmerschutz. Dienstgeber müssen künftig mehr auf die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter achten. von Katharina Braun …

Tatsächlich gehen die Anfang des Jahres umgesetzten Änderungen des österreischen Arbeitnehmerschutzgesetzes weiter, als die anstehenden Klarstellungen im deutschen Arbeitsschutzgesetz. Aber auch in Österreich hatten die Arbeitgeber psychische Belastungen schon vorher in den Arbeitsschutz einzubeziehen. Der Vorteil der österreichischen Nachbesserungen gegenüber den deutschen Klarstellungen: In Österreich ist durch konkrete Vorgaben zur Umsetzung der Vorschrift die Überprüfbarkeit der Vorschriftenbefolgung einfacher geworden.
Auch Folgendes wird nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland festgestellt werden können:

… Anwälte orten einen erhöhten Beratungsbedarf im Zusammenhang mit psychischen Belastungen in der Arbeitswelt …

Deutschland gehört zu der Art von Ländern, in denen Arbeitgeber ungestraft gegen Arbeitsschutzbestimmungen verstoßen dürfen. Die große Mehrheit der Unternehmen tut das dann auch, und zwar (angesichts des inzwischen vorhandenen Wissens) vorsätzlich. Wenn manche Unternehmen psychische Fehlbelastungen vermindern, dann geschieht das nicht basierend auf einer Gefährdungsbeurteilung, sondern gerade zur Vermeidung einer Gefährdungsbeurteilung. Dass das eine Missachtung von Vorschriften (und ggf. von Selbstverpflichtungen z.B. nach OHSAS 18001) ist, stört die Gewerbeaufsicht nicht.
Unternehmen verstoßen gegen ihre Pflichten wohl auch, weil Gefährdungsbeurteilungen Haftungsgründe dokumentieren könnten. Da kann es für Unternehmen kostengünstiger sein, einfach das Gesetz zu missachten. In der Diskussion um die Hemmnisse, ernsthaft psychische Belastungen in Gefährdungsbeurteilungen zu evaluieren, wird in den Medien das Thema “Haftung” bzw. “Entschädigung” erstaunlich selten thematisiert. In Österreich spricht Die Presse das Thema an:

… Rechtsanwältin Ulrike Kargl weist außerdem darauf hin, dass Leiharbeiter diesbezüglich jetzt ebenfalls gleiche Rechte wie die Stammbelegschaft haben: „Bei erlittenen persönlichen Beeinträchtigungen kann man laut Gesetz eine Entschädigung fordern. Bisher konnte das einfach dadurch umgangen werden, dass die Überlassung beendet und das Dienstverhältnis anschließend vom Überlasser gekündigt wurde.“

Die derzeit vorgesehenen Änderungen im deutschen Arbeitsschutzgesetz stellen nur Pflichten klar, die auch bisher schon bestanden. Die Durchsetzbarkeit des Arbeitsschutzgesetzes verbessert sich dadurch also nicht. Unter Anderem mangels ausreichender Kontrolle durch die Gewerbeaufsicht können geschädigte Arbeitnehmer auch weiterhin nur mit großen und kräftezehrenden Anstrengungen nachweisen, dass ihr Arbeitgeber die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes ignoriert. Darum ist die “Anti-Stress-Verordnung” wohl nicht vermeidbar. Vielleicht werden auch Verbesserungen im Betriebsverfassungsgesetz durchsetzbar sein, aber es reicht nicht, die Betriebsräte zu stärken, sondern im Arbeitsschutz muss in den Betriebsräten ein besseres Wissen um psychische Belastungen aufgebaut werden.

Schlafender Riese mit scharfem Schwert

Claudia Tödtmann im Gespräch mit Arbeitsrechtler Tobias Neufeld bei einem Teller Thunfisch
15.01.2013, 20:05, Management-Blog der WiWo
http://blog.wiwo.de/management/2013/01/15/ein-teller-thunfisch-mit-arbeitsrechtler-tobias-neufeld-der-vor-schlafenden-riesen-mit-scharfen-schwertern-warnt/

… In Deutschland gebe es hingegen ein aktuelles Thema, das unter dem Namen “Gefährdungsbeurteilung” auf die Unternehmen zukomme, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. “Das ist ein schlafender Riese und ein scharfes Schwert für Betriebsräte wie Arbeitnehmer”, schätzt er die Lage ein. Da können nämlich zum Beispiel Bewohner von Großraumbüros Gefährdungsbeurteilungen von ihrem Arbeitgeber verlangen – und dann wird etwa geprüft, ob die Lärmbelästigung im Großraumbüro Stress auslöst. Auch die Arbeit in internationalen Matrixorganisationen mit vielen Berichtslinien, E-Mail-Flut, Führungstil der Vorgesetzten, Arbeitsorganisation oder ständige Erreichbarkeit durch Smartphones zählen dazu. …

Gefährdungsbeurteilung bei psychischen Belastungen

http://www.baua.de/de/Publikationen/Fachbeitraege/artikel28.html

Im Artikel werden aktuelle Studien zur Verbreitung der Gefährdungsbeurteilung bei psychischen Belastungen sowie zu hemmenden und fördernden Bedingungen ihrer Umsetzung im Betrieb referiert. Die Studien zeigen, dass nur eine Minderheit der Betriebe, die Gefährdungsbeurteilungen umsetzen, dabei auch psychische Belastungen berücksichtigen. Unter Bezugnahme auf die verfügbaren Studien zu hemmenden und fördernden Bedingungen werden Empfehlungen für eine breitere Umsetzung in der betrieblichen Praxis formuliert.
Dieser Artikel ist in der Zeitschrift “Prävention und Gesundheitsförderung” (2012, Volume 7, Number 2, Seiten 115-119) im Springer-Verlag erschienen.
D. Beck, G. Richter, M. Ertel, M. Morschhäuser:
Gefährdungsbeurteilung bei psychischen Belastungen in Deutschland. Verbreitung, hemmende und fördernde Bedingungen
2012. PDF-Datei

Aus dem Artikel:

Befragt zu den Faktoren, die den Umgang mit psychosozialen Risiken besonders erschweren, wurden von den Führungskräften aus Deutschland am häufigsten die Brisanz des Themas (59%), fehlendes Wissen/Qualifikationen (55%), fehlende Zeit- und Personalressourcen (54%) sowie mangelndes Problembewusstsein (51%) genannt.
[Quelle: European Agency for Safety and Health at Work (2010) European Survey of Enterprises an New and Emerging Risks. Managing safety and health at work. European Agency for Safety and Health at Work, Bilbao]

.
Siehe auch:

Hemmnisse, aber auch Erfolgsfaktoren

3-Arbeitsschutzforum-16 (PDF-Datei, 94 KB)
Beitrag zum 3. Arbeitsschutzforum am 16.07.2008: Impulsreferat “Praktikable Ansätze zur Erkennung und Prävention psychischer Fehlbelastungen – Erfahrungen und Erfordernisse”
(18.08.2008)
http://www.gda-portal.de/de/pdf/3-Arbeitsschutzforum-16.pdf (S. 5/12):

Probleme: Hemmnisse und Hindernisse

  1. Unterschätzung der Effekte psychischer Fehlbelastungen auf körperliche und seelische Gesundheit / Überschätzung willentlicher Beherrschbarkeit der Effekte psychischer Faktoren auf die Gesundheit
  2. Abkoppelung psychischer von klassischen Belastungsfaktoren bei der Gefährdungsbeurteilung wegen mangelnder Anschlussfähigkeit an die professionelle Logik der Experten im Arbeitsschutz
  3. Mangelnde Anschlussfähigkeit an die Logik monokausaler und wesentlicher Verursachung (Entschädigung: „Last des Beweises“) / Problem der Berücksichtigung multifaktorieller Risiken (Prävention: „Last der Vernunft“)
  4. Konflikt bzw. Kollision mit wirtschaftlichen Unternehmenszielen und Prozessen betrieblicher Personalpolitik (Flexibilität, Intensität, Entgrenzung, Prekarität)
  5. Probleme der Akzeptanz bei ArbG und Führungskräften (Kosten, Wettbewerb) und bei ArbN und Interessenvertretungen (Stigmatisierung)

Dem stehen begünstigende Erfolgsfaktoren des Einbezugs psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz gegenüber (S. 6/12):

Begünstigende Erfolgsfaktoren

  1. Einbettung in integrierte Managementsysteme (Qualitäts- und Arbeitsschutzmanagement; TQM, AMS)
  2. Anschlussfähigkeit an wirtschaftliche Unternehmensziele (Human Resource Management, Gesundheitsmanagement)
  3. Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz (Gefährdungsbeurteilung)
  4. Verknüpfung psychischer mit anderen Faktoren arbeitsbedingter Fehlbelastungen (Wechselwirkungen und Kohärenzgebot)

Alfred Oppolzer, Industriesoziologie, Arbeitswissenschaft, Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Universität Hamburg