Das war’s dann wohl

Es wird in diesem Blog nur noch ganz selten neue Beiträge geben.
Gute Berater: siehe Kategorien Arbeitstattstress, Gimbel, Gulmo.
Das Blog blog.psybel.de existiert seit 2011. Als Hauptproblem habe ich erkannt, dass die Aufsichtsorgane (Gewerbeaufsicht, Berufsgenossenschaften, DAkkS und die bei der DAkkS akkreditierten Auditoren) systemisch überfordert sind. Das heißt, die Aufsicht des Arbeitschutzes ist so gestaltet, dass sie nicht wirklich funktionieren kann (wenn man unter “funktionieren” eine Qualitätssicherung im Sinn der Arbeitnehmer versteht). Dieser Mangel ist so groß und wirkt so nachhaltig, dass mir keine Erklärung einfällt, die Vorsätzlichkeit auschließt. Die behördliche und privatisierte Aufsicht des Arbeitsschutzes ist in Deutschland eine Farce. Aber das gilt ja wohl nicht nur für den Arbeitsschutz.
Auch die Anwendung der ISO 45001 wird eine Farce werden, an der aber Auditoren wieder gut verdienen können. Nach meinem Eindruck sehen insbesondere die großen Zertifizierungsunternehmen ihre Aufgabe darin, ihren Klienten dabei zu helfen, den Schein zu wahren. Die Arbeitgeber können sich hier die “freundlichsten” Auditoren aussuchen. Betriebsräte mit Auditbefähigung könnten vielleicht dazu beitragen, dass Audits glaubwürdiger werden.
Wirksam könnten nur Betriebsräte und Gewerkschaften gegen dieses korrumpierte Aufsichtswesen vorgehen. Sie müssen dazu bei der DAkkS akkreditierte Auditoren aufbauen, die (als Sachverständige für Betriebsräte) Audits durchleuchten können, die arbeitgeberfreundliche Großauditoren bei Unternehmen durchführen. Ich weiß aus persönlicher Erfahrung, dass die DAkkS von Großauditoren bei Großunternehmen durchgeführte schlampige Audits nicht ausreichend kritisiert und dass es dank überforderter DAkkS vorkommen kann, dass ein Großunternehmen bis 2017 keinen Schutz der psychischen Gesundheit in seinem Arbeitsschutzmanagementsystem integriert hat und trotzdem seit 2007 nach OHSAS 18001 zertifiziert wurde.
Der IGM scheint das ganze Thema zu kompliziert zu sein, ver.di hat mehr Durchblick. Darum bin ich jetzt nicht mehr bei der IGM, sondern bei ver.di.
 
Alles Beste,
Götz Kluge




 
2018-02-26, update: 2019-02-09

Bewusst falsche Übersetzung in DIN ISO 45001

Nach einem Einspruch beim Spiegelausschuss NA 175-00-02 AA “Arbeitsschutzmanagementsysteme” gegen eine Fehlübersetzung ist in der deutschen Fassung der ISO 45001 trotz der Eindeutigkeit des Fehlers eine falsche Übersetztung des Begriffes “ill health” durchgesetzt worden. Das kann kein Versehen gewesen sein, denn der Ausschuss wusste, dass “ill health” nicht “illness” (“Erkrankung”) ist, sondern das gilt:

Medical Definition of ill-health: a condition of inferior health in which some disease or impairment of function is present but is usually not as serious in terms of curtailing activity as an illnes

Quelle: https://www.merriam-webster.com/medical/ill-health
Die Autoren des Originals der ISO 45001 wie auch die WHO verstehen unter Gesundheitsschutz mehr, als nur die Vermeidung von (eventuell auf die ICD beschränkten) Krankheiten. Meiner Ansicht nach benötigt “ill health” eine eigene (von “injury” bzw. “Verletzung” getrennte) Definition, z.B. “schlechte Gesundheit”. In Deutschland wollte man sich nicht an diese Vorgabe halten und hat darum die Norm verfälscht.
Deutschen Arbeitgeber bekämpfen die WHO-Definition von Gesundheit, in der Gesundheit mehr ist, als nur das Fehlen einer Erkrankung. Aus praktischer Erfahrung weiß ich, dass Arbeitgeber an einer falschen Übersetzung des Begriffes “ill health” als “Erkrankung” interessiert sind. Sie wollen nur ärztlich diagnostizierte Erkrankungen erfassen und haben darum den weiteren Bereich der “schlechten Gesundheit”, den die internationale Norm umfasst, in Deutschland eingeschränkt.
Wenn sich ein Arbeitgeber weigert, einen nicht ärztlich diagnostizierten schlechten Gesundheitszustand zu erfassen, können Betriebsräte (wo es die gibt), die genügend kompetent und durchsetzungsfähig sind, versuchen, auf die Umsetzung des englischsprachigen Textes zu bestehen (insbesondere, wenn englischsprachig auditiert wird). Aber leider kennen sich nur die wenigsten Betriebsräte aus. Darauf setzen die Arbeitgeber.

Der menschliche Faktor

https://www.psychologie-heute.de/beruf/39372-psychische-gesundheit-und-arbeit.html

Der menschliche Faktor
Viele Unternehmen kümmern sich zu wenig um die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter. Ein Gespräch mit dem Psychiater Werner Kissling.
Eva-Maria Träger , 11. Jul 2018 …

Zum Weiterlesen in PSYCHOLOGIE HEUTE muss man zahlen, und das ist gut so.
Einen Fehler gibt es in dem Interview: In einer Frage behauptet PSYCHOLOGIE HEUTE, dass es ab 2013 Pflicht sei, die Gefährdungsbeurteilung auch im Hinblick auf psychische Belastungen durchzuführen. Das behaupten auch viele Arbeitgeber gerne, um den Rechtsbruch, den sie früher begangen hatten, zu verbergen. Richtig ist dagegen, dass im Jahr 2013 nur eine Klarstellung seit 1997 geltenden(!) Rechts erfolgte. Es wird aber trotzdem immer wieder versucht, so zu tun, als ob der Schutz der psychischen Gesundheit erst ab 2013 vorgeschrieben sei. Die ständige Wiederholung des Falschen gab es natürlich schon vor Trump.
Das war ein Fehler von PSYCHOLOGIE HEUTE. Der Fokus des Psychaters Kissling liegt natürlich nicht auf rechtlichen Fragen. Er berichtet aber, dass immer noch nur 25% der Unternehmen psychische Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung einbeziehen. Im Jahr 2012 waren es 20%, also eine tolle Leistung der immer noch verschlafenen behördlichen Aufsicht. Kissling beschränkt sich hier richtigerweise auf Fakten, ich dagegen kann mir auch Wertungen erlauben: Der mit 5% doch allzu überschaubare Fortschritt zeigt, wie verantwortungslos Politik und Unternehmern hier immer noch geblieben sind.
Inzwischen wissen wir ja, dass auch die Topunternehmen der deutschen Wirtschaft problemlos gegen Vorschriften verstoßen konnten, deren Einhaltung viel einfacher zu kontrollieren ist, als der Einbezug psychischer Belastungen in die Gefährungsbeurteilung. Und selbst wenn sie schon mit den Fingern in der Keksdose ertappt wurden, verstoßen Sie munter weiter gegen Recht und Gesetz. Sie machen das, weil sie’s können.
Nach meiner Erfahrung verstoßen Unternehmen gegen ihre Pflicht zu ordentlichen Gefährdungsbeurteilungen von Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingungen wo immer sie das können, d.h. wo immer nicht sorgfältig und kritisch geprüft wird. Bei der Gefährdungsbeurteilung ist der Grund für den gewohnheitsmäßigen Rechtsbruch einfach: Die Gefährdungsbeurteilung könnte Haftungsgründe dokumentieren. Das könnte teurer werden als Sanktionen bei Verstößen gegen das Arbeitsschutzrecht. Bei der derzeitigen “flexiblen” und “pragmatischen” Einstellung der Politik, der behördlichen Aufsicht und der deutschen Unternehmensleitungen zur Vorschriften und Normen wird es noch einige Zeit dauern, bis es glaubhafte Gefährdungsbeurteilungen von Arbeitsplätzen gibt.

Gesundheitsschutz bei Brose?

26 Arbeitstage Arbeitsunfähigkeit bei Brose in Coburg? Was ist da los? Wie sieht der Gefährdungsbeurteilungsprozess aus? Findet die behördliche Aufsicht das nicht merkwürdig? Wie hat die Aufsicht den Betriebsrat befragt?
Nachricht: https://www.br.de/nachrichten/oberfranken/inhalt/1500-jobs-in-gefahr-brose-chef-droht-werksschliessung-in-coburg-an-100.html
Suche: https://www.google.com/search?q=%22gesundheitsschutz%22+site%3Abrose.com
Wegen der Richtlinien des BR wurden die Links aus meinem Kommentar (Nr. 14) zur Nachricht des BR entfernt. Hier ist der Text mit Links (und mit weniger Tippfehlern):

Ich habe versucht, mit https://www.google.com/search?q=%22gesundheitsschutz%22+site%3Abrose.com etwas über den Gesundheitsschutz bei Brose herauszufinden. Das Ergebnis ist ernüchternd. Es scheint gemäß der Stellenanzeige (https://www.brose.com/de-de/karriere/job-betriebsarzt-(m-w)–3454.html) ein “Gesundheitsmanagement” zu geben. Wie aber ist der gesetzlich geforderte verhältnispräventive Gesundheitsschutz (Gegenstand des Arbeitsschutzgesetzes) implementiert? Oder dominiert bei Brose die oft vorwiegend verhaltenspräventiv ausgerichteten freiwilligen Gesundheitsförderung? Die Gewerbeaufsicht wird Brose wohl immer ihren Segen gegeben haben – in einem Land, in dem 2012 das Aufsichtsversagen im Bereich der psychischen Belastungen sogar im Bundestag zum Thema wurde (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/102/1710229.pdf). Ist der Arbeitsschutz zertifiziert (z.B. OHSAS 18001)? Im an GRI4 orientierten Nachhaltigkeitsbericht (https://www.brose.com/de/media/unternehmen-downloads/umwelt/nachhaltigkeitsbericht-brose-gruppe-2017.pdf) erfährt man wenig dazu.

Den link zur Stellenanzeige habe ich noch hinzugefügt.

Kennt Jens Spahn die Verstöße im Gesundheitsschutz?

Gesundheitsminister Jens Spahn meinte in “Hart aber fair” (2018-06-11), dass man die Gesundheitsförderung [für die in Pflegeeinrichtungen Beschäftigten] verbessern müsse. Was er vermutlich gar nicht weiß: Zunächst haben sich die Leitungen von Pflegeeinrichtungen im Bereich der physischen und psychischen Belastungen an die Vorschriften des Gesundheitsschutzes zu halten, tun das aber überwiegend nicht. Der vorgeschriebene und eher verhältnispräventive Gesundheitsschutz ist allerdings bei Arbeitgebern viel weniger beliebt, als die oft vorwiegend verhaltenspräventiv angelegte freiwillige Gesundheitsförderung. Nachdem, was man (nicht erst) heute über die Arbeitsbedingungen der Altenpfleger in Heimen und des medizinischen Personals in Krankenhäusern weiß, ist die Missachtung des gesetzlichen Gesundheitsschutzes ausgerechnet im Gesundheitswesen zur Gewohnheit geworden, und zwar so nachhaltig, dass ich von einer vorsätzlichen Duldung dieser rechtswidrigen Praxis durch die Politik ausgehe. Daran tragen alle Koalitionsparteien eine Mitschuld.
Jehns Spahn sperrte sich in der Sendung am Montag auch gegen Eingriffe in die privatwirschaftlich arbeitende Pflegebranche. Das kann ich zum Teil nachvollziehen. Aber wie wäre es, vor der Diskussion über die Vor- und Nachteile von Neueregelungen erst einmal darauf zu achten, dass die (überhaupt nicht mehr neuen) gesetzlichen Vorschriften endlich eingehalten werden?
Links: Krankenstand in bayerischen Pflegeheimen auf Rekordniveau | Krankenstand bei Pflegeberufen

Arbeitsschutzbehörden nicht ausreichend ausgestattet

http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/010/1901011.pdf (2018-03-01)

Drucksache 19/1011
Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten
Beate Müller-Gemmeke, Markus Kurth, Sven Lehmann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 19/529 –
Prüftätigkeit beim Arbeitsschutz
Vorbemerkung der Fragesteller
Die Arbeitswelt hat sich beschleunigt und verdichtet. In der Folge steht neben der physischen Gesundheit mittlerweile vor allem auch die psychische Gesund­ heit der Beschäftigten im Mittelpunkt. Dem muss der Arbeitsschutz gerechtwerden. Denn gute und gesunde Arbeitsbedingungen sind eine Zukunftsinves­tition, die sich für die Betriebe und die Menschen gleichermaßen lohnen. Sie sind nicht nur eine Verpflichtung den Menschen gegenüber, sondern auch be­triebs- und volkswirtschaftlich sinnvoll. Nur mit guten und gesunden Arbeits­bedingungen sowie angemessen ausgestalteten Arbeitsplätzen werden die Be­schäftigten ihrer Arbeit bis zum Renteneintrittsalter nachgehen können. Deshalb ist der Bedarf an guter Beratung und effektiven Kontrollen seitens der Auf­sichtsbehörden groß.
Eine Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 17/10229) hatte 2012 deutlich ge­macht, dass die Arbeitsschutzbehörden in den Bundesländern für effektive Kon­trollen personell nicht ausreichend ausgestattet waren. Mit dieser Kleinen An­frage soll erneut eine Bestandsaufnahme gemacht und überprüft werden, ob sich an der Handlungsfähigkeit der Behörden im Arbeitsschutz seit 2012 etwas ver­bessert hat.

Nach allem, was seit der Veröffentlichung der Bundestagsdrucksache 17/10229 (nicht) passiert ist, kann man von einer vorsätzlichen Schwächung des Arbeitsschutzes durch die für die Arbeitsschutzaufsicht verantwortlichen Landesbehörden ausgehen.
[weiter]

Bamf: Versagen des Arbeitsschutzes

Heute wird über die Klagen des Personalrates des Asylbundesamtes (Bamf) über die Überlastung der Mitarbeiter der Behörde berichtet.
Dafür ist noch eine andere staatliche Einrichtung mitverantwortlich. Merkt denn keiner, dass auch hier die behördliche Arbeitsschutz-Aufsicht wieder versagt hat? Das Bamf ist seiner Pflicht zum Schutz der psychischen Gesundheit ganz offensichtlich nicht nachgekommen und die behördliche Aufsicht hat das, wie gewohnt, toleriert. Sie wird ihr politisch gewolltes und gesetzeswidriges Aufsichtsversagen auch in Zukunft fortsetzen dürfen.

Reha: Reparaturwerkstatt für die Unternehmen

Dank gewollt überforderter Aufsichtsbehörden brauchen Unternehmen die vorgeschriebene Verhältnisprävention zur Minderung psychischer Fehlbelastungen nicht ernsthaft durchzuführen. Ich halte das für kriminell. Aber solange Politiker von den Unternehmen gut gepflegt werden können, wird es keine Gesetzgebung geben, die den Rechtsbruch der großen Mehrheit der Unternehmer kriminell macht.
Reha Maßnahmen wegen psychischer Erkrankungen nehmen zu:

  • B5 aktuell (Start im Podcast: 19m34s): “Von allen Arbeitnehmern, die eine Erwerbsminderungsrente bewilligt bekommen, habe 43% psychische Probleme.” Da geht es dann auch schon nicht mehr um eine Reha, die es den Geschädigten ermöglicht, weiterzuarbeiten.
  • perspektive-online.net
  • Deutsche Rentenversicherung

Das seit etwa 2010 gängige Narrativ ist, dass psychische Erkrankungen inzwischen besser erkannt und damit häufiger diagnostiziert würden, als das früher der Fall war. Zudem sei die Stigmatisierung in der Gesellschaft rückläufig. Auf den nachhaltigen Rechtsbruch der sich seit 1997 über die Vorschriften des Arbeitsschutzes stellenden Unternehmer wird nicht eingegangen. Wir scheinen zu blöd zu sein, zu verstehen, dass dieser Rechtsbruch Folgen hat: Die Täter in der Wirschaft können sich weiterhin ungestraft bei der Gemeinschaft der Versicherten bedienen.
Das Staatsversagen hält schon lange an, ist also Vorsatz. Es funktioniert für die Unternehmen recht gut.