Politisch gewollter Rechtsbruch in Deutschland

Ich kümmere mich kaum noch um dieses Blog, aber möchte diese heutige Meldung doch kommentieren:
https://www.focus.de/finanzen/news/wirtschaftsticker/umfrage-betriebsraete-beklagen-gestiegenen-arbeitsdruck_id_8525605.html

Montag, 26.02.2018, 11:26
Die größeren deutschen Unternehmen sind auf die Herausforderungen der Digitalisierung und des gleichzeitigen demografischen Wandels nicht ausreichend vorbereitet.
Das ist das Fazit einer am Montag veröffentlichten Betriebsrätebefragung der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf. […]
[…] Beim Gesundheitsschutz führten drei von vier Betrieben die vorgeschriebenen Gefährdungsabschätzungen nicht wie vorgeschrieben durch, berichteten die Arbeitnehmer. […]

Das Gejammer nervt. Hier ist doch nichts mehr neu! Die große Mehrheit der Unternehmer kann sich über Recht und Gesetz stellen, weil das offensichtlich erlaubt ist. Und faktisch erlaubt ist das, weil das Versagen der überforderten und eingeschüchterten behördlichen Aufsicht politisch gewollt ist. Trotz besten Bemühens fällt mir dazu nun wirklich keine bessere Erklärung mehr ein.
Im Jahr 2012 führten 80% der Unternehmen keine Beurteilung psychischer Belastungen durch.
Im Jahr 2018 wird nun berichtet, dass sich immer noch satte 75% der Unternehmen frech über Recht und Gesetz stellen.
Diese Anarchie herrscht seit mindestens 2004, nachdem das BAG die seit 1997 bestehende Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen klarstellte. Das kann kein Zufall mehr sein, sondern geht nur, wenn dieser Rechtsbruch politisch gewollt ist.
Kann man die Mehrzahl dieser Unternehmer und die mit ihnen zusammenarbeitenden Aufsichtsbehörden deswegen “kriminalisieren”? Wie nennt man Leute, die zulassen, dass Menschen durch vorsätzlich mangelhafte Kontrolle arbeitsbedingt krank werden? Diese Art von “Nachhaltigkeit” ist ziemlich ekelhaft. Wie kann man den Rechtsstaat noch schützen, wenn Politiker, die mit ihnen verbundenen Unternehmer und die oberen Behörden die unteren Aufsichtsbehörden (nicht nur im Arbeitsschutz) so ausbremsen, dass sie ihre Aufgabe gar nicht erfüllen können? Solche Politiker leisten vorsätzlich Beihilfe zur Körperverletzung.
Hier gibt’s mehr: https://idw-online.de/de/news689789

Nur DIE GRÜNEN antworten

Sent: Sunday, Aug 13, 2017 13:43 CEST
To: info@gruene-bundestag.de, fraktion@cducsu.de, frakmail@spdfraktion.de, fraktion@linksfraktion.de, bgs@alternativefuer.de, info@fdp.de, ursula.vonderleyen@bundestag.de
Subject: Ordnungsgelder und Strafen: Verstoß gegen das ArbSchG
Sehr geehrte Damen und Herren,
Nachdem mit dem “Diesel-Skandal” wieder einmal ein vom Gesetzgeber geduldetes Versagen der behördlichen Aufsicht öffentlich bekannt wurde, interessiert mich nun noch mehr als bisher, warum bis heute in Deutschland sehr viele Unternehmen unter den Augen der behördlichen Aufsicht immer noch gegen ihre Pflicht zur Minderung arbeitsbedingter psychischer Fehlbelastung verstoßen dürfen.
(Begriffsklärung: In Deutschland muss ein Versagen der behördlichen Aufsicht nicht unbedingt ein Versehen sein. Den Begriff “Versagen” verwende ich naïv aus der Sicht der zu schützenden Bürger. Es sind natürlich nicht nur beim Kraftfahr-Bundesamt Sichtweisen möglich, bei denen Verstöße gegen Schutzvorschriften kein Versagen sind.)
Könnten Sie mir bitte mitteilen, wie viele Strafen und Ordnungsgelder in der Zeit von 2005 bis 2012 sowie von 2013 bis 2016 Unternehmen wegen Verstößen gegen die Pflicht zur Beurteilung arbeitsbedingter psychischer Belastungen zu zahlen hatten?
Bitte beziehen Sie sich bei den Strafen auf den in Deutschland zur Verfügung stehenden “knallharten” Strafkatalog. (Wenn http://blog.psybel.de/knallharter-strafenkatalog-seit-1996-ungebraucht/ zur Erläuterung nicht ausreichen sollte, wird man Ihnen unter mailto:ursula.vonderleyen@bundestag.de gerne detailliertere Angaben machen können.)
Ich bitte um eine detaillierte Aufstellung für die einzelnen Strafen und Ordnungsgelder (Bundesland, Zahlungsjahr, Zahlungsbetrag, usw.). Für die vermutlich recht überschaubare Liste wird wohl eine DIN-A4-Seite reichen.
[…]
PS:
http://blog.psybel.de/petition20090202/
http://blog.psybel.de/psychische-belastungen-bei-80-der-betriebe-nicht-beurteilt/
http://blog.psybel.de/cdu-anfrage-zur-psychischen-belastung/
http://blog.psybel.de/2012/02/04/frechheit-siegt/
[…]

Nur DIE GRÜNEN haben geantwortet. Die Antwort war persönlich und ausführlich. Auf Details warte ich gerne.
Für die anderen Parteien ist das Thema der Arbeitsbelastung und das fortgesetzte Versagen der behördlichen Aufsicht in diesem Bereich des Arbeitsschutzes jetzt im Wahlkampf wohl nicht so wichtig.

CDU/CSU: Reine Wohlfühlprogramme

Peter Ramsauer (CSU) hat vorgeschlagen, zur Stärkung der Wirtschaft Koalitionsprojekte auszusetzen. In der Unionsfraktion ist Ramsauer mit diesem Ansinnen nicht alleine. Michael Fuchs (Unions-Fraktionsvize), Gerda Hasselfeldt (CSU-Landesgruppenchefin) und Carsten Linnemann (Chef der Unions-Mittelstandsvereinigung) ziehen mit. Auch dabei bleibt es nicht (http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/koalitionskrach-kuendigt-sich-an-ramsauer-will-mindestlohn-aussetzen/10840820.html):

[…] Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer (CDU), springt Ramsauer zur Seite. […] Entsprechend müssten die geplanten Regelungen 

  • zur Frauenquote,
  • zum Gesetz zur „besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf“
  • oder das Anti-Stress-Gesetz

auf den Prüfstand. „Angesichts der gedämpften Wachstumsprognosen können wir bei den Ausgaben nicht einfach so weitermachen und mit dem Füllhorn übers Land ziehen“, warnte Pfeiffer. „Es ist an der Zeit, reine Wohlfühlprogramme zu überdenken oder zumindest zu verschieben.“ […]

(Originalzitat mit von mir verändertem Layout)
Dem wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU reichen die Verzögerungstricks, die die Unionsparteien in den Koalitionsvertrag einbauen konnten, wohl noch nicht aus.
 


Abschließend müssen wir noch klären, was unter “reine Wohlfühlprogramme” zu verstehen ist.
http://wortschatz.uni-leipzig.de/cgi-portal/de/wort_www?site=208&Wort_id=15312549
2014-10-18:

Wort: Wohlfühlprogramm
Anzahl: 37
Häufigkeitsklasse: 18 (d.h. der ist ca. 2^18 mal häufiger als das gesuchte Wort)
Beispiel(e):
Als Highlight erwartet alle Saunafans bei zwei Mitternachtssaunen am 3. und 17. Oktober ein außergewöhnliches Aufguss- und Wohlfühlprogramm mit ausgewählten Düften wie Mango oder Tropical Fruits sowie einzigartige Erlebnisaufgüsse und exotische Masken. (Quelle: www.tz-online.de, 2011-01-31)
Du kannst dein Wohlfühlprogramm mit einem Gesichtspeeling und einem Ganzkörperpeeling beginnen. (Quelle: www.krone.at, 2011-01-11)
»Ein abwechslungsreiches Wohlfühlprogramm für müde Mamas« lautet daher die Zweitüberschrift des Abends, der in Kooperation mit dem Fam.o.S. stattfindet. (Quelle: www.haller-kreisblatt.de, 2011-01-04)
weitere Beispiele

Signifikante Kookkurrenzen für Wohlfühlprogramm:
Kreuz (47.6), Privatklinik (46.83), Patienten (36.68), ein (15.3), Österreich (14.27), neben (13.82), für (13.09), mit (9.45), Mit (9.24), Ein (9.05), lassen (8.82), sowie (8.04)
Signifikante linke Nachbarn von Wohlfühlprogramm:
Ein (21.22), zum (15.8), ein (10.45), das (8.61), und (3.96)
Signifikante rechte Nachbarn von Wohlfühlprogramm:
für (21.25), mit (13.68)

Hinsichtlich des Begriffes “Füllhorn” bitte ich die geneigten Leser dieses Blogs, sich gegebenenfalls selbst bei der Uni Leipzig zu informieren.

Freihandelsabkommen und Arbeitsschutz

http://www.igmetall.de/ttip-transatlantisches-freihandelsabkommen-zwischen-der-eu-und-13347.htm

TTIP: Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA
Abkommen nur mit höchsten Arbeits- und Sozialstandards
13.05.2014 
Mit einem Freihandelsabkommen wollen die EU und die USA den weltweit größten gemeinsamen Wirtschaftsraum schaffen. Dabei drohen Arbeitnehmerrechte, Sozialstandards und demokratische Prinzipien unter die Räder zu kommen. Wenige sollen zu Lasten von Vielen profitieren.
Der Beitrag geht den Fragen nach:

  • Worum geht es beim transatlantischen Freihandelsabkommen?
  • Was soll das Abkommen bringen?
  • Welche Risiken bestehen?
  • Wie ist die Position der IG Metall?

[…]

 
Suche: https://www.google.de/search?q=”Arbeitsschutz”+”Freihandelsabkommen”

  • Freihandelsabkommen gefährdet auch den Arbeitsschutz! […]
  • Unfallversicherung warnt: Weniger Arbeitsschutz durch […]
  • Freihandelsabkommen: EU will laut Geheimdokument […]
  • Entwurf für das Freihandelsabkommen (TTIP), das […]
  • Deutsches Institut für Normung : Freihandelsabkommen im Fokus der KAN-Konferenz […]
  • [… … …]

 
KAN = Kommission Arbeitsschutz und Normung
TTIP = Transatlantic Trade and Investment Partnership
 

Taktische Unverständlichkeit

http://www.heise.de/newsticker/meldung/Koalitionsvertrag-Deutschland-staerken-Menschen-muessen-2060316.html

[…] Mitunter wollen Koalitionspartner aber auch gar nicht richtig verstanden werden, erklärt Prof. Brettschneider. Insbesondere dann, wenn unklare oder unpopuläre Positionen absichtlich verschleiert werden sollen. Dann werde gerne auf abstraktes Verwaltungsdeutsch zurückgegriffen. Wir sprechen in so einem Fall von “taktischer Unverständlichkeit”, sagt Brettschneider. […]

Manchmal kommt mir der Verdacht auf, dass auch das Arbeitsschutzgesetz Dank Lobbyhilfe so taktisch unverständlich geschrieben wurde, dass es bis heute im Bereich der mentalen Arbeitsbelastung straflos missachtet werden kann. Der Gewerbeaufsicht scheint das Gesetz selbst bei offensichtlichen Abweichung nicht helfen zu können.

Politik im Bertrieb

Arbeitgeber achten sehr darauf, dass es keine parteipolitische Betätigung im Betrieb gibt. Das ist legitim und vermeidet politische Konflikte am Arbeitsplatz, die ja auch eine psychische Fehlbelastung sein können.
http://dejure.org/gesetze/BetrVG/74.html

[…] Arbeitgeber und Betriebsrat haben Betätigungen zu unterlassen, durch die der Arbeitsablauf oder der Frieden des Betriebs beeinträchtigt werden. Sie haben jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen; die Behandlung von Angelegenheiten tarifpolitischer, sozialpolitischer, umweltpolitischer und wirtschaftlicher Art, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen, wird hierdurch nicht berührt. […]

http://www.bavc.de/bavc/web/web.nsf/id/li_prat7embku.html (Die Chemie-Arbeitgeber, 2013-07-30):

“Kein Wahlkampf in den Betrieben
Die nächsten Tage und Wochen bis zu den Bundestagswahlen dürften Zeiten permanenten Wahlkampfs werden. Dabei ist leider nicht auszuschließen, dass manche Politiker versuchen werden, auch die Betriebe in die parteipolitische Auseinandersetzung hineinzuziehen und als Wahlkampfforum zu benutzen. Hiergegen sollten und können sich die Betriebe im Interesse ihrer Leistungsfähigkeit, zur Wahrung des Betriebsfriedens und zum Schutz der freien Willensbildung ihrer Mitarbeiter mit einer Reihe rechtlicher Mittel wenden. Für den Vorgesetzten soll die Rechtslage kurz skizziert werden.
[…]
Was ist Parteipolitik?
“Parteipolitisch” sind nicht nur direkte Betätigungen für oder gegen politische Parteien, sondern auch das Eintreten für oder gegen politische Gruppierungen und Richtungen. […] Scheinbar parteiübergreifende Themen, wie z. B. die Friedenspolitik können gleichwohl eine parteipolitische Betätigung darstellen. Zwar besteht über die Wahrung und Sicherung des Friedens als Ziel zwischen den demokratischenParteien Einigkeit, nicht aber über den Weg, wie dieses Ziel am besten zu verwirklichen ist. […]”

Jetzt gibt es Arbeitgeber, die gegen ihre eigenen Prinzipien verstoßen. Die Bundestagswahlen sind vorbei, aber was bedeutet es, wenn Unternehmen den mit Bürgerentscheiden verbundenen Wahlkampf in die Betriebe tragen? Konkret: Es geht um das Bürgerbegehren zu einer Bewerbung bayerischer Gemeinden (darunter München) für die Winterspiele im Jahr 2022. Öffentliche und privatwirtschaftliche Arbeitgeber belästigen ihre Mitarbeiter jetzt mit Werbung am Arbeitsplatz. Diese Werbung ist parteipolitisch, denn die hier involvierten Arbeitgeber unterstützen nur eine der beiden Richtungen, um die es in diesem Kampf um die Stimmen der Bürger geht. Und selbst in der S-Bahn muss man sich diese Propaganda vor und nach der Arbeit noch anhören.
Wir leben jetzt in einem Staat, in dem Briefwahlunterlagen zu einem Bürgerentscheid nur die Werbung einer der beiden Richtungen enthält, zwischen denen sich die Wähler in den betroffenen Gemeinden entscheiden können. Die Kritiker olympischer Spiele in Bayern im Jahr 2022 können diese amtliche “Dienstleistung” nicht in Anspruch nehmen. Hier wird eine wichtige Voraussetzung für Bürgerentscheide beschädigt: Pluralismus mit fairen Bedingungen für beide Richtungen.
 
Die Forschungsstelle Direkte Demokratie in Marburg sollte sich mal genauer ansehen, was bei diesem Bürgerbegehren passiert ist.

Widerstand gegen Stress

http://www.hcc-magazin.com/gemeinsam-gegen-psychische-erkrankungen-am-arbeitsplatz/10213

BMAS, BDA und DGB haben sich auf ein gemeinsames Grundverständnis zum Umgang mit psychischer Belastung in der Arbeitswelt verständigt und in einer „Gemeinsamen Erklärung zur psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt“ festgehalten.
Dazu Arbeitsministerin von der Leyen:
„Die Ursachen für Stress und Burnout sind so vielfältig wie die deutsche Wirtschaft. Die heute unterzeichnete gemeinsame Erklärung ist ein großartiges Signal. Dass die Arbeitgeber und Gewerkschaften das wichtige Thema psychischer Arbeitsschutz gemeinsam voranbringen wollen, ist der beste Garant für einen wirksamen Schutz vor den zunehmenden psychischen Gefahren im Arbeitsalltag. Beide wissen exakt, wie es in den Betrieben und Branchen zugeht. Sie sind unmittelbar betroffen, wenn Krankheitstage aufgrund psychischer Belastung zunehmen oder sogar Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer frühzeitig in Rente gehen. Die Sozialpartner sind die besten Verbündeten für einen wirksamen Arbeitsschutz, denn die Konzepte sollen ja nicht nur alltagstauglich sein, sondern auch in den Betrieben gelebt werden. Politik, Arbeitgeber und Gewerkschaften werden nun auf einer gemeinsamen Basis Methoden und Wege erarbeiten, die Widerstandsfähigkeit gegen Stress und Burnout zu stärken. Es zahlt sich sowohl für die Betriebe als auch die Menschen aus, den Schutz vor seelischen Gefahren ernst zu nehmen. Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz bleibt für das Bundesarbeitsministerium Schwerpunktthema. Die Sozialpartner können sich darauf verlassen, dass wir den Prozess mit aller Kraft unterstützen und insbesondere Forschung wie Information zum Thema psychische Gesundheit in der Arbeitswelt vorantreiben.“

Politik, Arbeitgeber und Gewerkschaften haben zunächst die gesetzliche Pflicht zu beachten, Belastungen durch schädlichen Stress zu mindern.
Die Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegen Stress und Burnout zu stärken ist eine feine Sache. Voraussetzung ist aber, dass das Arbeitsschutzgesetz von der Mehrheit der Arbeitgeber nicht mehr missachtet wird. Also lasst uns den Widerstand gegen Stress, Burnout und Rechtsbruch stärken.
Gemäß dem Arbeitsschutzgesetz hat die Minderung von schädlichem Stress Vorrang. Das ist Verhältnisprävention. Individuelle verhaltenspräventive Maßnahmen wie die Steigerung der Widerstandsfähigkeit sind nachrangig. Wir haben hier eine Ministerin, die die Prioritäten im Arbeitsschutz nicht kennt. Kein Wunder, dass etwa 80% der Arbeitgeber unter solchen “rücksichtsvollen” Politikern ihre Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutzgesetz ungestraft missachten und ihre Mitarbeiter dadurch einem unzulässig hohen Verletzungsrisiko aussetzen durften.

Unsinn vom Professor

Die Saarbrückener Zeitung meldet heute, dass Joachim Malter, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung Saarländischer Unternehmensverbände (VSU), sich gegen das Argument wehre, das Fehlzeiten in den Betrieben vor allem von den Gewerkschaften mit der Belastung am Arbeitsplatz erklärt werde. Vielmehr wirke sich Arbeit in der Regel positiv auf die psychische Gesundheit aus.
Nun hören wir auch von Joachim Malter diese triviale Tatsache. Den Arbeitgebern scheint nichts Intelligenteres mehr einzufallen. Was Malter sagt, ist doch kein Gegenargument. Keiner bestreitet, dass sich gesunde Arbeit positiv auf die Gesundheit auswirkt. Hier ist es nun Malters Eristik, die davon ablenken soll, dass die Gewerkschaften nichts gegen die Arbeit haben. Allerdings kämpfen sie gegen schlechte Arbeit. Vermutlich weiß Joachim Malter das auch. Aber eine korrekte Darstellung der Gewerkschaftspositionen korrekt liegt möglicherweise nicht im Interesse der von Joachinm Malter vertretenen Arbeitgeber.
Für ein noch unintelligenteres Argument bemüht Walter einen Unsinn, den Professor Sascha Stowasser vom Düsseldorfer Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) von sich gegeben haben soll: Die Arbeit habe zu Unrecht „den Schwarzen Peter“, denn schließlich litten Arbeitslose drei Mal so häufig an psychischen Krankheiten wie Erwerbstätige.
Bisher habe ich solche Dummheiten vorwiegend vom ehemaligen Arbeitgeberpräsidenten Hundt zitieren können.
Kaum jemand bestreitet, dass es Arbeitslosen in der Regel schlechter geht, als Menschen mit einem guten Arbeitsplatz. Das ist aber doch gar nicht das Thema: Es geht um den Unterschied zwischen

  • gesunden Erwerbstätigen und
  • fehlbelasteteten Erwerbstätigen.

So einfach ist das. Es muss schon sehr anstrengend sein, das nicht verstehen zu wollen. Stohwasser begeht mit dem Vergleich von Arbeitslosen und Erwerbstätigen einen vorsätzlichen Kategorienfehler, denn er ist Wissenschaftler genug, um zu wissen, dass er diesen Fehler begeht.
Stohwassers Eristik wäre (wenn er richtig zitiert wurde) also kein Versehen. Und außerdem wäre sie auch noch leicht zu erklären: Träger seines Instituts sind die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie. Das beweist zwar noch nicht zwingend, dass sich die Wissenschaft hier für die Arbeitgeber prostituiert, könnte aber durchaus erklären, wieso aus dem Institut Stohwassers die gleichen Dummheiten kämen, wie aus den Arbeitgebervereinigungen.
 
In der Diskussion um die Ursachen der Zunahme psychischer Erkrankungen darf insbesondere eine Tatsache nicht vergessen werden: Seit 1996 gelingt es der großen Mehrheit der Unternehmen, die Arbeit zu verdichten und gleichzeitig ihre Pflicht zur Beurteilung psychischer Gefährdungen straflos zu missachten. Diesen Gesetzesbrechern half eine Bundesministerin von der Leyen, die auf strenge Arbeitsschutzgesetze verwies, deren Strenge aber dank einer systematisch überforderten Gewerbeaufsicht kein Arbeitgeber zu spüren bekam. Kein Wunder, wenn dann Arbeitgeberverbände mit dieser Unterstützung dreist behaupten können, es sei nicht erwiesen, dass arbeitsbedingte psychische Belastungen zunähmen. Sie haben ja schon die Beobachtung arbeitsbedingter psychischer Belastungen und damit die von ihnen geforderte Verhältnisprävention sabotiert.

Arbeitsrecht im Wahlprogramm

http://www.der-betrieb.de/content/arbeitsrecht/arbeitnehmerueberlassung/arbeitsvertragsrecht/befristeter-arbeitsvertrag/betriebsverfassungsrecht/entgeltrecht/aufsatz/dft,203,600336

Ar­beits­recht­li­che Vor­ha­ben der Bun­des­tags­par­tei­en –
Über­blick über die Wahl­pro­gram­me
Jörn A. Schneider, Köln

(Da wird aber nur angefüttert. Wer den ganzen Artikel haben will, muss löhnen.)

GRÜNE: Psychische Gefährdungen mindern

Http://www.gruene-bundestag.de/parlament/sitzungswoche/psychische-belcccastung-am-arbeitsplatz_ID_4389141.html

Psychische Gefährdungen mindern – Alters- und alternsgerecht arbeiten
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Aufgefrischter Link der GRÜNEN. Dokumentendatum: 2012-09-12. Lesenswert. Ich fürchte aber, dass das Thema für viele Wähler zu kompliziert ist.