Mentale Belastung am Arbeitsplatz

Noch 19 Jahre Zeit
Der Streit um die Rente mit 67 wird zu einem Streit um Statistiken. Einerseits hat die Zahl derjenigen deutlich zugenommen, die zwischen 60 und 64 Jahren arbeiten. Das ist ein Erfolg und ein Indiz dafür, dass die Firmen zunehmend den Wert von älteren Arbeitnehmern erkennen, auf die sie in Zukunft wegen des Geburtenrückgangs und des Mangels an Fachkräften angewiesen sein werden. Andererseits ist die Arbeitslosigkeit in dieser Altersgruppe drastisch …
13.11.2010 Süddeutsche Zeitung | München, Bayern, Deutschland | Meinungsseite
268 Wörter | 1.50 EUR

Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz

Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI)
Konzept zur Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz und zu Möglichkeiten der Prävention
LV 28, 2002
http://blog.psybel.de/lasi-veroeffentlichungen/#LV28
Inhalt:


1 Einleitung und Zielstellung . .9
2 Rechtliche Einordnung . .10
3 Arbeitsbedingte psychische Belastungen .12
3.1 Belastungskonzepte und Belastungsquellen .12
3.2 Folgen psychischer Fehlbelastungen .13
4 Ermittlung psychischer Belastungen .15
4.1 Ermittlung und Beurteilung der Arbeitsbedingungen .15
4.2 Stufenkonzept zur Ermittlung psychischer Belastungen . .16
5 Maßnahmen der Prävention . .17
5.1 Zielkriterien menschengerechter Arbeitsgestaltung . .17
5.2 Ansatzpunkte zur Optimierung der Arbeitsbedingungen . .18
5.3 Wirksamkeitskontrolle . .18
6 Handlungsfelder der staatlichen Arbeitsschutzverwaltungen (ASV’en) .19
6.1 Anlässe für das Handeln der ASV’en .19
6.2 Aktivitäten der ASV’en . .20
6.3 Aufbau und Pflege von Kooperationsnetzwerken .22
6.4 Ansätze zur Kompetenzentwicklung .23
6.4.1 Aufbau von Kompetenzen bei den Mitarbeitern der ASV’en . .23
6.4.2 Ansätze zur Kompetenzentwicklung von Kooperationspartnern . .25
Anhang 1: Ansätze zur Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastungen .26
Anhang 2: Mögliche Beiträge der Arbeitsschutz-Akteure zu Kooperationsnetzwerken
zur „Ermittlung und Reduzierung psychischer
Fehlbelastungen“ . .28
Literaturverzeichnis . .31

Prüfliste

Prüfliste zum Erkennen psychischer Fehlbelastungen (für Betrieb/Abteilung _____, Tätigkeit _____, Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer: _____)
Welche Merkmale treffen zu?

  1. Tätigkeit, deren Ausführung durch technische/technologische Bedingungen oder organisatorische Regelungen detailliert festgelegt ist: Eine Einflussnahme durch den Beschäftigten ist kaum möglich.
  2. Tätigkeit, die auf Grund ihres hohen Arbeitsanfalls nur unter sehr hohem Einsatz und/oder erheblichem Zeit- bzw. Termindruck qualitätsgerecht ausgeführt werden kann.
  3. Tätigkeit, die aus extrem kurzen und gleichartigen Handlungen (Zyklus <3 Minuten) besteht und die eine ständige Aufmerksamkeit erfordert.
  4. Tätigkeit, bei der in extrem hoher oder in extrem niedriger Dichte anfallende Informationen zu erfassen sind.
  5. Tätigkeit mit sehr hoher Verantwortung für Leben und Gesundheit anderer Menschen und/oder für sehr hohe materielle Werte.
  6. Tätigkeit mit hoher emotionaler Inanspruchnahme z.B. durch
    1. den ständigen Umgang mit anderen Menschen (z.B. kunden, Patienten, Schüler), bei dem soziale Kontakte in der Regel konfliktbehaftet sind,
    2. Umgang mit Krankheit, Verletzung oder Tod,
    3. permanentes Zeigen positiver Emotionen.

Quelle: Bayrisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, 2009

Bildschirmarbeitsverordnung

Eine Arbeitnehmervertretung fragte eine Arbeitgeberin,

wie bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich psychischer Belastungen ermittelt und beurteilt werden, sowie welche konkreten Prozesse und Beispiele es dazu im Betrieb gibt.

Es geht längst nicht mehr nur um technische Parameter wie Bildschirmaufösingen, Bildwiederholfrequenzen, Bildschirmdiagonalen usw., sondern generell um die von Benutzerschnittstellen ausgehend auf Menschen wirkende Risiken, physische und psychische Schäden zu erleiden:

§ 3 Beurteilung der Arbeitsbedingungen:
Bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des Sehvermögens sowie körperlicher Probleme und psychischer Belastungen zu ermitteln und zu beurteilen. 

Diese Bestimmung ermöglicht es, in Unternehmen mit Bildschirmarbeitsplätzen in einfacher Weise zu überprüfen, ob sie sich an die Regeln des Arbeitsschutzes halten. Anhand der Bildschirmarbeitsverordnung lässt sich konkret feststellen, welche Einstellung eine Arbeitgeberin zum Arbeitsschutz hat. Das betrifft nicht nur Bildschirmarbeitsplätze.
Gibt es keine Beurteilung psychischer Belastungen, begeht die Arbeitgeberin zunächst eine Ordnungswiedrigkeit. Wird in ihren Gefährdungsbeurteilungen sogar behauptet, dass die Bildschirmarbeitsverordnung eingehalten werde, obwohl es keine mitbestimmt geregelten Beurteilungen psychischer Belastungen gibt, könnte eine vorsätzliche Falschdarstellung in der Gefährdungsbeurteilung vorliegen.
Es ergäbe sich dann die Frage, wie sorgfältig die Gewerbeaufsicht Betriebe überprüft, in denen solche Falschdarstellungen in die Gefährdungsbeurteilung eingetragen werden können.
Natürlich ist es in einem solchen Fall auch möglich, dass Arbeitnehmervertretungen ihre in § 80 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes vorgegebene Pflicht missachtet haben, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften durchgeführt werden. Zudem könnte die Arbeitnehmervertretung § 89 des Betriebsverfassungsgesetzes missachtet haben.
Vor Allem hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften mitzubestimmen. Er darf es also nicht der Arbeitgeberin überlassen, sich schnell einmal einen Gefährdungsbeurteilungsprozess auszudenken, denn es gibt keine gesetzlichen Regelungen zur konkreten Gestaltung der Gefährdungsbeurteilung und zur Umsetzung der Bildschirmarbeitsverordnung im Betrieb.
Wie “nett” darf die Arbeitnehmervertretung sein? Weil es kein Mitbestimmungsrecht gibt, sondern eine Mitbestimmungspflicht, kann es sich die Arbeitnehmervertretung nicht entgegenkommenderweise aussuchen, ob sie fehlende oder sogar unrichtige Gefährdungsbeurteilung toleriert, sondern sie hat die Arbeitgeberin notfalls zur Pflichterfüllung zu zwingen, wenn sie im Arbeitsschutz Gefährdungen nicht oder dokumentiert oder falsche Angaben macht. Eine fehlende oder sogar nicht wahrheitsgemäße Beurteilung von Gefährdungen in der Dokumentation des Arbeitsschutzes (§ 6 des Arbeitsschutzgesetzes) erhöht selbst schon das Gefährdungsrisiko.
Also an die Arbeit, liebe Arbeitnehmervertreter!
Übrigens, nicht ernst genommen wird gerne auch der Anhang zur Bildschirmarbeitsverordnung. Auszug:

„Die Grundsätze der Ergonomie sind insbesondere auf die Verarbeitung von Informationen durch den Menschen anzuwenden.

  • Bei Entwicklung, Auswahl, Erwerb und Änderung von Software sowie bei der Gestaltung der Tätigkeit an Bildschirmgeräten hat der Arbeitgeber den folgenden Grundsätzen insbesondere im Hinblick auf die Benutzerfreundlichkeit Rechnung zu tragen:
    • Die Software muß an die auszuführende Aufgabe angepaßt sein.
    • Die Systeme müssen den Benutzern Angaben über die jeweiligen Dialogabläufe unmittelbar oder auf Verlangen machen.
    • Die Systeme müssen den Benutzern die Beeinflussung der jeweiligen Dialogabläufe ermöglichen sowie eventuelle Fehler bei der Handhabung beschreiben und deren Beseitigung mit begrenztem Arbeitsaufwand erlauben.
    • Die Software muß entsprechend den Kenntnissen und Erfahrungen der Benutzer im Hinblick auf die auszuführende Aufgabe angepaßt werden können.
  • Ohne Wissen der Benutzer darf keine Vorrichtung zur qualitativen oder quantitativen Kontrolle verwendet werden.“

Siehe auch: http://www.ergonomie-leitfaden.de/verordnung.htm
Die Wichtigkeit der Bildschirmarbeitsverordnung ist vielleicht einer der Gründe für den Versuch der “Stoiber-Kommission”, dieses wertvolle Instrument des Arbeitsschutzes auf europäischer Ebene zu schwächen.
Die Frage der Arbeitnehmervertretung an die Arbeitgeberin ganz am Anfang des Blog-Artikels ist noch offen. Was meinen Sie: Ist es möglich, dass die Arbeitgeberin keine Antwort gab, aber in der Gefährdungsbeurteilung für die Arbeitsplätze vieler Mitarbeiter behauptete, dass die Bildschirmarbeitsverordnung eingehalten werde? Lagen Belege vor, dass bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich psychischer Belastungen ermittelt und beurteilt werden, sowie konkreten Prozesse und Beispiele dazu im Betrieb dokumentiert sind? Glauben Sie, dass die Gewerbeaufsicht das geprüft hat?
 
Siehe auch: