Arbeitsschutzorganisation ist Pflicht

Grundsätze der behördlichen Systemkontrolle, LV 54, 2011-03
Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI)
http://blog.psybel.de/2011/12/29/grundsaetze-der-behoerdlichen-systemkontrolle/
S. 9:

2 .Ziele der behördlichen Systemkontrolle 
Die behördliche Systemkontrolle stellt das Instrumentarium dar, mit dem die zuständige Arbeitsschutzbehörde das Vorhandensein und das Funktionieren einer systematischen Arbeitsschutzorganisation hinsichtlich ihrer Eignung im Sinne des § 3 ArbSchG überprüft. Werden Defizite festgestellt, wirkt die zuständige Arbeitsschutzbehörde auf eine geeignete betriebliche Organisation hin.
Eine geeignete Organisation muss sicherstellen, dass:

  • die Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden,
  • Mängel im Arbeitsschutz festgestellt und beseitigt werden,
  • Schwachstellen in der Arbeitsschutzorganisation einschließlich der organisatorischen Ursachen konkreter Arbeitsschutzdefizite analysiert sowie Korrektur- und Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt werden,
  • die innerbetriebliche Kommunikation und die Zusammenarbeit sowie der innerbetriebliche Erfahrungsaustausch im Arbeitsschutz unter Einbeziehung aller Hierarchieebenen erfolgt,
  • die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten nachhaltig verbessert werden,
  • sicherheits- und gesundheitsgerechtes Verhalten dauerhaft ermöglicht und gefördert wird.

 
S. 37, Anlage:

4.1 Rechtsgrundlagen 
Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) regelt die Gewährleistung und Verbesserung der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten. Dabei stehen Prävention und Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Mittelpunkt. Die Verpflichtung des Arbeitgebers eine geeignete Organisation des Arbeitsschutzes zu schaffen ist in § 3 ArbSchG verankert.
Das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) regelt den Einsatz von Fachkräften für Arbeitssicherheit und
den Einsatz von Betriebsärzten. Damit soll erreicht werden, dass

  • die dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung dienenden Vorschriften den besonderen Betriebsverhältnissen entsprechend angewandt werden,
  • gesicherte arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Erkenntnisse zur Verbesserung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung verwirklicht werden und
  • die dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung dienenden Maßnahmen einen möglichst hohen Wirkungsgrad erreichen.

Rechtsgrundlagen für die Überwachung der Arbeitsschutzorganisation, die Beratung des Arbeitgebers, die Möglichkeit der Anordnung und weiterer Befugnisse sind das Arbeitsschutzgesetz (§ 21 (1), § 22 ArbSchG) und das Arbeitssicherheitsgesetz (§12, § 13 ASiG) sowie Einzelregelungen in den auf das Arbeitsschutzgesetz gestützten Rechtsverordnungen.
Für die Länderbehörden bedeutet dies, dass

  • die Überwachung der Erfüllung der Pflicht des Arbeitgebers zur Arbeitsschutzorganisation und die diesbezügliche Beratung Kernaufgaben sind,
  • die Erfüllung der rechtlich vorgegebenen Einzelverpflichtungen und deren betriebliche Wirksamkeit zu überprüfen ist und
  • im Rahmen der Beratung mindestens eine funktionierende Arbeitsschutzorganisation bis hin zu einem Arbeitsschutzmanagementsystem als kontinuierlicher Prozess im Betrieb anzustreben ist.

Das heißt für Arbeitnehmervertreter, dass die Implementierung der Gefährdungskategorie “psychische Belastungen” beim Arbeitsschutz ihres Betriebes schon irgendwie prozesshaft geregelt sein muss. Das Gesetz schreibt dem Arbeitgeber zwar nicht vor, wie er den Einbezug dieser Kategorie in den Arbeitsschutz umsetzt. Aber es muss eine nachvollziebar und prüfbare Organisation dafür aufgebaut werden.
Gibt es Betriebsräte oder Personalräte in dem Unternehmen, dann dürfen sie in die zu dieser Organisation notwendige Dokumentation nicht nur Einsicht nehmen, sondern Arbeitnehmervertreter haben dann sogar die Pflicht zur Mitbestimmung. Diese darf nicht durch eine intransparente Organisation des Arbeitsschutzes behindert werden.

4.3 Zielsetzung
Zielsetzung der behördlichen Systemkontrolle ist die

  • Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Arbeitsprozessen in Betrieben,
  • Stärkung der unternehmerischen Eigenverantwortung,
  • Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften in Betrieben,
  • Feststellung und Abstellung von Mängeln,
  • Verbesserung der betrieblichen Aufbau- und Ablauforganisation,
  • Integration von Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit in die Geschäftsprozesse der Organisation,
  • Förderung der systematischen Wahrnehmung des Arbeitsschutzes in Betrieben,
  • Nachhaltigkeit der behördlichen Überwachungstätigkeit im Betrieb.

 
Siehe auch: http://www.gda-portal.de/de/Betreuung/Leitlinie-Organisation-AS.html

OHSAS 18001 Guide

http://coss.net/Docs/cosm/StrategicPlanningandProgEval/OSHAS18001NQA-HandSGuide.pdf, 2009 (Backup):

In a climate of increasing health and safety legislation and liabilities, organizations of all sizes and industry sectors are now looking at management systems as a framework for improving their health and safety performance.

Following the success of ISO 14001 (Environmental Management Systems) and ISO 9001 (Quality Management Systems), and in response to a demand for a recognisable OHS Management System ‘standard’ against which organizations could be assessed and certificated, OHSAS (Occupational Health and Safety Assessment Series) 18001:1999 and the accompanying guide OHSAS 18002:2000 were published.
Reviewed and revised in 2007, BS OHSAS 18001 is now fully compatible with ISO 9001 and ISO 14001 in order to facilitate the integration of quality, environmental and occupational health and safety management systems by organizations, should they wish to
do so. …

Content:

OHSAS 18001
Guide to implementing a Health & Safety Management System
A Introduction 4
A1 Benefits of BS OHSAS 18001 5
A2 BS OHSAS 18001 and correspondence with other management syandards 6
A3 Similarities between the three major management system standards 7
A4 How to use this guide 9
B Terms & Definitions 10
C Principles of BS OHSAS 18001 12
C1 “A Journey of Continuous Health & Safety Improvement” 12
D OH&S Management System elements 15
D1 4.1 General requirements 16
D2 4.2 OH&S Policy 16
E What the law requires 18
E1 Hints for implementation 20
E2 Developing a H&S Policy Statement 21
F Planning 26
F1 Planning for hazard identification, risk assessment and risk control 26
F2 What the law requires 27
F3 Interpretation – how to assess the risks in your workplace 29
F4 Interpretation – risk assessment methodologies 31
F5 Identifying hazards and assessing risks 34
F6 Legal and other requirements 36
F7 Objective programme(s) 38
F8 Management programme(s) 40
F9 Example OH&S management programme 41
G Implementation and operation 43
G1 Structure and responsibility 43
G2 Competence, training and awareness 46
G3 Communication, participation and consultation 49
G4 Documentation 51
G5 Control of documents 52
G6 Operational control 54
G7 Emergency preparedness and response 56
H Checking and corrective action 59
H1 Performance measurement and monitoring 59
H2 Evaluation of compliance 62
H3 Incident investigation, nonconformity, corrective action and preventative action 63
H4 Records and record management 66
H5 Audit 67
H6 Management review 70
I Helpful sources of information 72

NQA
Warwick House, Houghton Hall Park, Houghton Regis, Dunstable, Beds. LU5 5ZX
Tel: +44 08000 522 424 | Fax: +44 (0)1582 539090
E-mail: ohsas@nqa.com | Website: www.nqa.com

Dieser Leitfaden gibt OHSAS 18001:2007 größtenteils wieder und lehnt sich dabei an OHSAS 18002:2008 an.

Gefährdungsbeurteilung:Eine Gefahr für den Arbeitgeber?

http://www.arbeitsrechtsforum-hannover.de/JH_Gefaehrdungsbeurteilung_ArbSchG_190110.htm (nicht mehr aktiv)

Die Gefährdungsbeurteilung nach dem ArbSchG
– eine Gefahr für den Arbeitgeber? – 
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Dr. Jörn Hülsemann, Hameln
Was wir heute besprechen wollen:

  • Die rechtliche Verpflichtung zur Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen.
  • Die rechtliche Verpflichtung zur Dokumentation dieser Gefährdungsbeurteilungen.
  • Die arbeitsrechtlichen Rechtsfolgen einer unterbliebenen Gefährdungsbeurteilung
  • Die weiteren Rechtsfolgen einer unterbliebenen Gefährdungsbeurteilung bzw. deren Dokumentation.
  • Bußgeldrechtliche Folgen
  • Strafrechtliche Folgen

 
http://www.hwk-bremen.de/fileadmin/user_upload/PDF/Arbeits-_u._Umweltschutzberatung/01.03.2011_-_Haftung_Arbeitsschutz/Praesentation_-_Haftung_Arbeitsschutz_-_von_Dr._Huelsemann.pdf (nicht mehr aktiv)
Pflichten und Handlungsrisiken im Arbeitsschutz
Dateititel: Der Arbeitgeber zwischen Pflicht und Kür  – Wege zur Rechtssicherheit
Dateidatum: 2011-02-03
58 Seiten

Wie arbeitsbedingten Depressionen vorbeugen?

http://www.sifatipp.de/fachwissen/fachartikel/arbeitsschutzmanagement/wie-arbeitsbedingten-depressionen-und-suiziden-vorbeugen/ (2009-11-18)

Die durch schwer belastende Arbeitsbedingungen verursachten Suizide in Frankreich machen Schlagzeilen – und das nicht erst seit der jüngsten Krise. In Japan hat das traurige Phänomen schon seit den 80er Jahren einen eigenen Namen: Karojisatsu, übersetzt: Suizid als Folge von Depressionen durch Überarbeitung und Stress. …

Trotz allen Verantwortungsgedöns ist Deutschland hinter Frankreich, Großbritannien und Japan zurückgeblieben:

… Die Haftungsfrage
Anders als in Frankreich oder Großbritannien [oder Japan] werden arbeitsbedingte Suizide in Deutschland (noch) nicht statistisch erfasst. Das heißt nicht, dass es sie nicht gibt. Für Angehörige ist die Frage nach der Ursache auch eine wichtige Haftungsfrage. Wird ein Suizid wie ein Tod durch einen Arbeitsunfall anerkannt, bestehen auch entsprechende Versorgungsansprüche. Auch wenn dieser Nachweis äußerst schwierig ist, haben in der Vergangenheit deutsche Gerichte den klagenden Angehörigen in einigen Einzelfällen Recht gegeben und Versorgungsansprüche gesichert. …

(Anmerkung in eckigen Klammern nachträglich eingefügt)
Siehe auch: Jan von Trotha: Stress am Arbeitsplatz – Haftung des Arbeitgebers auf Schadensersatz für hieraus resultierende Gesundheitsschäden?, 2009, ISBN 978-3-428-13105-1

Gefährdungsbeurteilung: Frage an den Arbeitgeber

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, psychisch wirksame Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung mit einzubeziehen. Wenn es keine solchen Belastungen gibt, kann das ja in der Gefährdungsbeurteilung nachvollziehbar dokumentiert werden. Trotzdem gibt es bei vielen Unternehmen, in denen Arbeitnehmervertreter das Thema des Einbezugs psychisch wirksamer Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung aufgreifen, zähe Diskussionen um die Notwendigkeit eines solchen Einbezugs.
In Betrieben, in denen es viel Bildschirmarbeit gibt, kann es deswegen zur Vermeidung unnötiger Diskussionen pragmatisch sein, sich auf eine Vorschrift zu konzentrieren, in der der Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung ganz unmißverständlich vorgeschrieben ist: Stellen Sie die Frage an den Arbeitgeber, „wie bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich psychischer Belastungen ermittelt und beurteilt werden, sowie welche konkreten Prozesse und Beispiele es dazu im Betrieb gibt.”
Kann der Arbeitgeber das nicht erläutern, dann kann eine Missachtung der Arbeitsschutzbestimmungen vorliegen, also mindestens eine Ordnungswidrigkeit und eine Erhöhung seines Haftungsrisikos. Überrascht er jedoch den Betriebsrat mit einer Darstellung, dass psychisch wirksame Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung einbezogen seien, dann könnte er die Mitbestimmung der Arbeitnehmervertretung umgangen haben. Dann läge eine Straftat vor.

SICK ist gesund

Aktualisierung: 2011-08-30
SICK AG: Für das Unternehmen ist die ganzheitliche Gefährdungsbeurteilung zur Erfassung vor allem der psychischen Gefährdungen das wichtigste Instrument im betrieblichen Gesundheitsmanagement. Frank Hauser (Great Place to Work® Institute Deutschland) und Friederike Pleuger (SICK AG), Einleitung zum Kapitel 20 im Fehlzeitenreport 2009, Springer 2009 (ISBN 9783642010774):

“… Mit gutem Beispiel voran geht die SICK AG, der diesjährige Preisträger des Great Place to Work® Sonderpreises Gesundheit: Die SICK AG verfolgt ein umfassendes Konzept zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM). Als wichtigstes Instrument dient dabei die ganzheitliche Gefährdungsbeurteilung zur Erfassung vor allem der psychischen Gefährdungen. Unter wissenschaftlicher Begleitung wird mit aktiver Beteiligung u. a. von Geschäftsleitung, Betriebsrat und Betriebsärztlichem Dienst ein Instrument zur Erfassung der psychischen Gefährdungen am Arbeitsplatz entwickelt. Nach der Ableitung von Maßnahmen und deren Umsetzung wird der gesamte Prozess durch Wirksamkeitskontrollen evaluiert.”

Der Betriebsrat des SICK AG war hier zunächst die treibende Kraft. Er schaltete anfangs eine Einigungsstelle ein, um mit einer kurzen Betriebsvereinbarung (2004) zu Gefährdungsbeurteilungen usw. die Voraussetzung für eine später (2007) folgende ausführliche Betriebsvereinbarung zum ganzheitlichen Gesundheitsmanagement zu schaffen. (Ich schreibe das nicht als Kritik an SICK. Sondern zu oft wird in Belegschaften gefragt, was ein Betriebsrat eigentlich macht. An diesem Beispiel sieht man: Ein guter Betriebsrat hilft dem ganzen Unternehmen.) Inzwischen kann man wohl sagen, dass hier sowohl die Arbeitgeber wie auch die Arbeitnehmer Pionierarbeit geleistet haben. Und es gab eine gute wissenschaftliche Begleitung. So sieht professionelle Arbeit aus:

 
Zum Erfolg der ganzheitliche Gefährdungsbeurteilung in einer Abteilung (F. Pleuger, Betriebsärztin):

  • Verbesserung der Arbeitsplatzsituation und des subjektiven Wohlbefindens seit der GGB: 50%
  • Verbesserung der Zusammenarbeit in der Abteilung seit der GGB: 78%
  • GGB hat sich gelohnt: 72%
  • Verbesserung der eigenen Arbeitsqualität und der Arbeitsergebnisse seit der GGB: 33%
  • Durch die GGB mehr über mögliche Belastungen am Arbeitsplatz und mögliche Gegenmaßnahmen gelernt: 33%
  • Raumsituation (Platzmangel) hat sich verbessert: 68%
  • Lärmbelastung konnte deutlich reduziert werden: 50%
  • Verbesserungen hinsichtlich Arbeitsmenge/ Zeitdruck: 28%

 
Siehe auch: Büro für Arbeitsschutz: Liste von Betriebsvereinbarungen verschiedener Unternehmen

Wie die Aufsicht prüft

 
2014-06-16: Die DGUV hat umgeräumt: http://blog.psybel.de/dguv-raeumt-um/
 


DGUV, 2004:
Erkennen psychischer Belastungen in der Arbeitswelt – ein Leitfaden für Aufsichtspersonen der gewerblichen Berufsgenossenschaften, zu finden in einem Kasten “weitere Informationen” auf der rechten Seite unter “psychische Belastungen in der Arbeitswelt” in:
http://www.dguv.de/inhalt/praevention/aus_weiter/aufsichtsperson/ (nicht mehr online)
Direkte Links:

  • Psychische Belastungen in der Arbeitswelt – ein Leitfaden für Aufsichtspersonen der gewerblichen Berufsgenossenschaften (Stand: Juli 2004)
    (Backup 2004: Erkennen…, Anlage 1, Anlage 2)

    Vorwort
    1. Einführung
    2. Rechtliche Grundlagen
    2.1 Sozialgesetzbuch VII
    2.2 Arbeitsschutzgesetz
    3. Psychische Belastungen und ihre Auswirkungen
    3.1 Erweitertes Belastungs-Beanspruchungs-Modell
    3.2 Einteilung psychischer Belastungen
    3.3 Spezielle Formen psychischer Belastungen
    3.3.1 Traumatische Ereignisse
    3.3.2 Mobbing
    3.4 Kurz- und langfristige Folgen psychischer Beanspruchungen
    3.5 Klassifikation der Folgen von Beanspruchungen
    4. Praktische Vorgehensweise im Betrieb
    4.1 Mögliche Vorbehalte seitens der Betriebe
    4.2 Mögliche wirtschaftliche Vorteile für den Betrieb
    4.3 Erkennen psychischer Fehlbeanspruchungen im Betrieb
    4.3.1 Einführungsgespräch mit dem Unternehmer
    4.3.2 Arbeitsplatz-, Betriebsbesichtigung
    4.3.3 Unfalluntersuchung
    4.3.4 Weitere mögliche Informationsquellen
    4.4 Bewertung der ermittelten Informationen
    4.5 Präventionsmaßnahmen
    4.6 Weitere Maßnahmen
    5. Weiterführende Literatur
    6. Vorhandene Instrumente
    Glossar

Der Leitfaden wurde zwar für “Aufsichtspersonen der gewerblichen Berufsgenossenschaften” geschrieben, aber natürlich hilft er auch Kontrolleuren der Gewerbeaufsicht, Arbeitssicherheitsfachkräften, Auditoren, Führungskräften sowie Arbeitnehmern und ihren Vertretern (Betriebs- und Personalräte). Auch im Top-Management der Unternehmen kann der Leitfaden helfen, zu verstehen, über welche Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten die Akteure im Arbeitsschutz verfügen müssen.
Das im Leitfaden empfohlene Vorgehen ist ganz nett. Unternehmer brauchen nicht zu zittern. Allerdings sind die Berufsgenossenschaften auch keine Gewerbeaufsichten. Sie strafen nicht, sondern erhöhen gegebenenfalls halt die Beiträge, die ihre Mitgliedsunternehmen zu zahlen haben.
Der Leitfaden für Betriebsärzte zu psychischen Belastungen ist ähnlich strukturiert, aber ausführlicher.
 
Selbst diesen zahmen und mit Unternehmern geradezu zärtlich einfühlsam umgehenden Leitfaden mögen die Arbeitgeber nicht (BDA: Mai 2005, Position der Arbeitgeber zur Bedeutung psychischer Belastungen bei der Arbeit, Link in http://blog.psybel.de/hauptsache-gesundheit/):
S. 7:

… Der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften hat 2002 einen Leitfaden “Psychische Belastungen” für Aufsichtspersonen der gewerblichen Berufsgenossenschaften entwickelt und in einer einjährigen Erprobungsphase auf Plausibilität und Praktikabilität getestet. Der Leitfaden, der derzeit aufgrund der Erfahrungen aus der Erprobungsphase überarbeitet wird, soll die Aufsichtspersonen in die Lage versetzen, die Unternehmen im Rahmen allgemeiner Betriebsbesichtungen auch im Hinblick auf psychische Belastungen zu beraten. Der Leitfaden, wie auch zahlreiche andere existierende Handlungshilfen, ist aus Sicht der BDA nur bedingt als Instrument geeignet. Problematisch sind die darin enthaltenen Hinweise zur Personalführung und Arbeitsorganisation. Dies ist kein Bereich, in dem die Berufsgenossenschaften Erfahrungen und Expertise besitzen. Es muss berücksichtigt werden, dass Personalführung und Arbeitsorganisation zum Kernbereich unternehmerischer Verantwortung gehören. Eine Beratung in Fragen psychischer Belastungen kann nur sinnvoll sein, sofern sie lösungsorientiert und nicht problemorientiert die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt. …

(Links nachträglich in das Zitat eingefügt)
Ist das so? “Lösungsorientiert und nicht problemorientiert” ist Unsinn. Vor der Lösung schaut man sich das Problem an, macht also eine Gefährdungsbeurteilung. Die BDA versteht die einfachsten Grundlagen nicht und ignoriert außerdem das Arbeitsschutzgesetz: Es geht bei der Verhaltensprävention gerade nicht um den Einzelfall. Im Gesetz steht: Individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen. Das gilt auch für BDA-Mitglieder. Immerhin verrät dieser Absatz viel über das Problem, das die Arbeitgeber mit dem ganzheitlichen Arbeitsschutz haben.
S. 12:

… Die Arbeitgebervertreter in den Selbstverwaltungsorganen der Berufsgenossenschaften sollten sich aufgrund der o. g. [siehe S. 11 – 12] Argumente auch dementsprechend grundsätzlich gegen eine Regelung des Themas psychische Belastungen in berufsgenossenschaftlichen Regelwerken aussprechen. …

Nachtrag (2013-04-24): Später kamen die Arbeitgeber mit der dreisten Ausrede, dass es keine Leitlinien gebe, mit deren Hilfe sie psychische Belastungen beurteilen können.
 


(Aktualisierung: 2012-07-12)
LASI, LV 52, 2009:
Integration psychischer Belastungen in die Beratungs- und Überwachungspraxis der Arbeitsschutzbehörden der Länder
http://lasi.osha.de/de/gfx/publications/lv52_info.htm
http://lasi.osha.de/docs/lv52.pdf, Inhalt:

Vorwort.
1 Grundverständnis und Zielrichtung 6
2 Aufgaben und Funktionen des Managements der Arbeitsschutzverwaltungen der Länder bei der Umsetzung des Themas 7
2.1 Psychische Belastungen – ein Querschnittsthema für die Aufsicht 7
2.2 Fachliche und methodische Kompetenzen der Beschäftigten in der Arbeitsschutzverwaltung erweitern 8
2.3 Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen 9
3 Grundsätze der Beratung und Überwachung 10
3.1 Handlungsfelder der Arbeitsschutzverwaltung 10
3.2 Durchführung der Betriebsbesichtigung 11
3.3 Nachbereitung, Verwaltungshandeln 13
4 Kooperationsmöglichkeiten im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie1 4
Anhang 1 Rahmenkonzept Qualifizierung 15
Anhang 2 Curriculum für die Qualifizierung von Aufsichtskräften zum Thema „psychische Belastungen“ 19
Anhang 3 Übersicht: Berücksichtigung psychischer Belastungen im Aufsichtshandeln 23
Anhang 4 Ablauf: Prüfung von Gefährdungsbeurteilungen im Hinblick auf angemessene Berücksichtigung psychischer Belastungen 24
Anhang 5 Prüfliste zum Erkennen psychischer Belastungen (PEP) 25
Anhang 6 GB-Check Prozessqualität – Arbeitshilfe Interviewleitfaden zur Bewertung des Prozesses der Gefährdungsbeurteilung 26
Anhang 7 GB-Check Inhalt – Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung „psychische Belastungen“ auf inhaltliche Plausibilität und angemessene Umsetzung 29

S. 4:

… Denn trotz vielfältiger Aktivitäten ist es auch für die Aufsichtsbeamtinnen und –beamten der Arbeitsschutzbehörden noch nicht selbstverständlich, bei der Bewertung betrieblicher Gefährdungsbeurteilungen auch psychische Faktoren zu berücksichtigen. Diese werden nicht selten als „Extra“ betrachtet, auf die eingegangen werden kann, wenn alle anderen Arbeitsschutzaspekte erledigt wurden. Eine solche Prioritätensetzung erfolgt oft mit dem Hinweis, dass gezieltes Aufsichtshandeln zur Reduktion psychischer Belastungen nur sehr eingeschränkt möglich sei, da der Rückgriff auf Normen und Sanktionen schwierig ist. Demzufolge beschränkt sich die staatliche Aufsicht in der Regel auf reines Beratungshandeln.
Diese Sichtweise geht am zentralen Ziel des Arbeitsschutzgesetzes vorbei, das eine umfassende Prävention von gesundheitlichen Risiken einfordert. Hier müssen staatliche Arbeitsschutzbehörden den Erfordernissen moderner Arbeitswelten nachkommen und ihrer institutionellen Schutzfunktion gerecht werden. Der Fokus des Aufsichtshandelns ist dabei auf Tätigkeiten zu legen, in denen in besonderem Ausmaß mit gesundheitlichen Folgen psychischer Belastungen zu rechnen ist. …

S. 28:

Die Gefährdungsbeurteilung ist nicht angemessen – lt. Leitlinie so zu bewerten wenn:

  • Gefährdungssituation unzutreffend bewertet
  • wesentliche Arbeitplätze/Tätigkeiten nicht ermittelt
  • wesentliche Arbeitplätze/Tätigkeiten nicht beurteilt
  • besondere Personengruppen nicht berücksichtigt
  • keine Wirksamkeitskontrolle
  • Beurteilung nicht aktuell
  • Dokumentation nicht plausibel

 


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