Im Arbeitsschutz ungeeignete Werkzeuge

  1. Verhaltensprävention (Stärkung der individuellen Beanspruchbarkeit) und Verhältnisprävention (im Arbeitsschutz vorgeschriebene Vermeidung von Fehlbelastungen) überlappen sich.
  2. Verfahren zur Verhaltensprävention kann man indirekt zur Verhältnisprävention verwenden. Von der Beanspruchungsanalyse kann man indirekt auf Belastungen zurückschließen. Rechtlich ist das wegen der komplizierten Beweislage aber kaum möglich.
  3. Verfahren zur Verhältnisprävention kann man direkt zur Verhältnisprävention verwenden. Von der Beanspruchungsanalyse kann man direkt auf Belastungen zurückschließen. Das ist wohl ziemlich einfach zu verstehen.
  4. Der Arbeitsschutz verlangt Verhältnisprävention. Hinsichtlich der Prävention ist das Arbeitsschutzziel die Vermeidung von Fehlbelastungen.
  5. Der ABI/WAI misst Beanspruchungen und dient gemäß BAuA der Verhaltensprävention.
  6. Belastungen messen beispielsweise ISTA und COPSOQ. Solche Verfahren dienen gemäß BAuA der Verhältnisprävention.
  7. Also ist es nicht so optimal, im Arbeitsschutz den ABI/WAI einzusetzen, wenn doch geeignetere Verfahren verfügbar sind. (Mit Anonymisierung und zusammen mit einem verältnisorientierten Verfahren sind Nutzungen in der Verhältnisanalyse möglich.)

So, das sollte jetzt verstanden worden sein.
Aber trotzdem mögen Arbeitgeber Verhaltensprävention lieber als Verhältnisprävention. Man kann Belegschaften mit fürsorglichen Fragebögen zur Verhaltensprävention so beschäftigen, dass für die Verfahren für die im Arbeitsschutz vorgeschriebene Verhältnisprävention keine Lust übrig bleibt.
Testanbieter bewerben ihre scheinfürsorglichen Testverfahren intensiv und sprechen damit Unternehmen auf deren Flucht vor der ungeliebten Verantwortung an:

Fazit: Verhaltensprävention kann eine freiwillige Leistung der Arbeitgeber sein, aber Verhältnisprävention ist vorgeschrieben. Verhaltensprävention ohne Verhältnisprävention ist ein Indikator für Verantwortungsflucht des Arbeitgebers. Unternehmen, die ihr Gesundheitsmanagement mit Verfahren der Verhaltensprävention (z.B. ABI/WAI) beginnen, fangen bewusst am falschen Ende an. Kompetente Betriebsräte lassen sich hier nicht einseifen, sondern achten darauf, dass sich kein Unternehmen mit fürsorglich aussehenden (aber dem Individuum die Verantwortung zuweisenden) Verfahren zur Verhaltensprävention seinen Pflichten zur Verhältnisprävention entziehen kann.

BAuA: Verhältnisprävention hat Vorang

http://www.baua.de/de/Presse/Pressematerialien/Dresdner-Treffpunkt/Psychische-Belastung.pdf?__blob=publicationFile&v=2

… „Maßnahmen der Verhältnisprävention am Arbeitsplatz sollten dabei Vorrang vor Maßnahmen der Verhaltensprävention beim Beschäftigten haben, am besten ist eine Kombination“, so Dr. Richter. Dafür sollten Betriebe ihre Beschäftigten in Planungs-und Entscheidungsprozesse einbinden, starre und autoritäre Strukturen aufheben, mit flexiblen Arbeitszeiten unterstützen und Neuorganisationen sowie die Einführung neuer Hard- und Software mit Schulungen und Weiterbildung begleiten. Neben einem guten Projekt- und Zeitmanagement werden die sozialen und kommunikativen Kompetenzen der Beschäftigten in allen Bereichen der Wirtschaft zunehmend wichtiger. Auch sei es flankierend wichtig, mit betrieblichem Gesundheitsmanagement einen gesunden Lebensstil zu vermitteln. … 

(Hervorhebungen nachträglich eingefügt)
Siehe auch: Verhältnisprävention ist wirksamer

Kandidatenpositionen zur Gefährdungsbeurteilung

Ich hatte 14 Listen, die bei der Sozialwahl 2011 kandidieren, diese Frage gestellt: “Für Entscheidungen zur Sozialwahl 2011: Ist es ein Verstoß gegen die Vorschriften des Arbeitsschutzes, wenn ein Arbeitgeber psychische Belastungen *nicht* in die Gefährdungsbeurteilung mit einbezieht? (Ja/Nein)”
Vier haben bisher geantwortet.

  • Drei von ihnen gaben Antworten, die “Ja” bedeuten.
  • Eine wollte nicht Position beziehen und verwies mich an die BAuA.

Präventiver Arbeits- und Gesundheitsschutz II

2011-05-18, PAGS-Forum II in Dresden
http://www.baua.de/de/Aktuelles-und-Termine/Veranstaltungen/2011/05.18-PAGS-Forum.html
 
Faltblatt:
http://www.baua.de/de/Aktuelles-und-Termine/Veranstaltungen/2011/pdf/Programm-PAGS-II.pdf?__blob=publicationFile&v=3

  • 16:30 – 18:00
    Projektvorstellung
    Möglichkeiten der Erfassung der psychischen Belastungen der Mitarbeiter
    Dr. Wolfgang Tittes, Infineon
  • 18:30 – 20:00
    Projektvorstellung
    Gefährdungsbeurteilung mit Schwerpunkt „psychische Belastung“,
    Helmut Lutzmann, Vandemoorteele
  • 20:00 – 21:00
    Diskussion, Fragen, Hinweise aus der eigenen Arbeit der Teilnehmer, Ausblick auf das PAGS-Forum III „Führungskräfteschulung“

Kein Stress mit dem Stress

2012-07-20:
Schon ziemlich stressig, den Aktualisierungen bei psyGa-transfer zu folgen.
Kann auch sein, dass ich diese sehr übersichtliche Seite jetzt erst entdeckt habe: http://psyga-transfer.de/medien/

 


2012-07-06:
http://www.bkk.de/presse-politik/presse/bkk-pressemitteilungen/itemId/118, Neuauflage (im Wesentlichen wegen kleiner Änderungen bei den Kooperationspartnern):

Burnout muss nicht sein: Handlungshilfe für Führungskräfte zur Förderung der psychischen Gesundheit erschienen…
…Unter dem Titel „Kein Stress mit dem Stress – Lösungen und Tipps für Führungskräfte und Unternehmen“ zeigt die neue Publikation auf, was Vorgesetzte tun können, um Umfang und Ursachen psychischer Belastungen zu identifizieren. Sie gibt Führungskräften konkrete Tipps und Lösungsansätze, wie die psychische Gesundheit von Beschäftigten in Unternehmen durch einen gesundheitsgerechten Führungsstil gefördert werden kann. Von Burnout über Arbeitsverdichtung bis hin zur Work-Life-Balance bietet der Sammelordner konkrete Praxishilfen, ergänzt durch bewährte Lösungsbeispiele aus Unternehmen. …

Inhalt:

• Stress mit dem Stress? Oder: Warum Sie diese Broschüre lesen sollten
• Stress und psychische Gesundheit
• Daten und Fakten
• Selbst-Test: Wie belastet bin ich?
• Schnell-Test: Wie belastet sind meine Mitarbeiter?
• Führung und psychische Gesundheit: Wie Sie die Ressourcen Ihrer Mitarbeiter ausbauen und Stress aktiv abbauen
• Checkliste: Stärken aufbauen
• Psychische Belastungen verringern, begrenzen und vermeiden: Schluss mit dem Dauerstress
• Checkliste zum Stressabbau: So können Sie Stress bei Ihren Mitarbeitern vermeiden
• Der gesetzliche Rahmen für die Förderung der psychischen Gesundheit

Die o.g. Handlungshilfe bitte nicht verwechseln mit dem folgenden Leitfaden der Arbeitgeberseite:
http://blog.psybel.de/leitfaden-zum-umgang-mit-psychisch-beanspruchten-mitarbeitern/
“Mit psychisch beanspruchten Mitarbeitern umgehen – ein Leitfaden für Führungskräfte und Personalmanager”

Siehe auch: http://psyga-transfer.de/praxishilfen/handlungshilfen/
 


2011-05-02 (erste Version dieses Artikels):
http://www.move-europe.de/, BKK, INQA, DNBGF:

News im Mai

 
Kein Stress mit dem Stress – Eine Handlungshilfe für Führungskräfte
Nach der erfolgreichen Handlungshilfe für Beschäftigte ist nun auch die Handlungshilfe für Führungskräfte erschienen. Diese Handlungshilfe beschäftigt sich mit der Frage, was Führungskräfte gegen den ständig steigenden Stress den Druck tun können. Für sich selbst genauso wie für Ihre Mitarbeiter. Wie Sie dafür sorgen können, dass Sie und Ihre Mitarbeiter im komplexen Arbeitsalltag erfolgreich agieren, ohne ständig über die Grenzen der Belastbarkeit gehen zu müssen. Studien und die Erfahrungen aus der Praxis in Unternehmen zeigen: Um als Führungskraft erfolgreich zu sein, ist die Kompetenz im Umgang mit psychischer Belastung und Stress unverzichtbar. mehr
 
Qualitätskriterien für das betriebliche Gesundheitsmanagement im Bereich der psychischen Gesundheit
Das Dokument stellt den gegenwärtigen Stand der Arbeiten zur Entwicklung
von Qualitätskriterien für das betriebliche Gesundheitsmanagement im Bereich der psychischen Gesundheit vor. Diese Entwicklungsarbeiten sind Teil des Projektes „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – psyGA-transfer“, mit dem die Verbreitung guter Praxis in diesem Handlungsfeld in Betrieben und Organisationen in Deutschland unterstützt werden soll.
mehr
 
Selbsteinschätzungsinstrument für das betriebliche Gesundheitsmanagement im Bereich der psychischen Gesundheit
Das in dieser Broschüre enthaltene Instrument soll Praktiker dabei unterstützen, den ISTStand von Organisationen im Bereich der Förderung psychischer Gesundheit einzuschätzen und daraus Anhaltspunkte für die Verbesserung der Praxis ableiten zu können. mehr

(Der DNBGF-Server hatte beim Download der PDF-Dateien gelegentlich Schluckauf. Darum sind die Dateien hier in meinem Blog abgespeichert.)
 
In http://www.arbeitstattstress.de/2011/04/factsheets-zum-thema-stress/ (ein anderes Blog) gibt es zum Thema Stress noch Links zur Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.

Daimler: Nachhaltigkeitsbericht 2010 – hohe Anforderungen des Unternehmens und des Gesamtbetriebsrats

http://nachhaltigkeit.daimler.com/reports/daimler/annual/2010/nb/German/405010/unser-health-_amp_-safety-report-sowie-weitere-kennzahlen-und-projekte.html

Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung
Im Blick auf die gesetzlichen Anforderungen hat sich Daimler frühzeitig mit möglichen Ansatzpunkten zur Ermittlung psychischer Belastungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung auseinandergesetzt. Eine intensive Beschäftigung mit bestehenden Verfahren zur Erkennung psychischer Belastungen ergab, dass es kein geeignetes Instrument gab, das den hohen Anforderungen des Unternehmens und des Gesamtbetriebsrats entsprach. Daher wurde gemeinsam mit der Abteilung Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Heidelberg ein Verfahren entwickelt, das es einem interdisziplinären Expertenteam ermöglicht, die Arbeitsbedingungen objektiv auf mögliche psychische Fehlbelastungen hin zu untersuchen. Dies bietet kein bisher bekanntes Verfahren. Basierend auf einer gründlichen Pilotierung wird das Verfahren nun seit dem Jahr 2008 flächendeckend eingesetzt. Damit nimmt Daimler weiterhin eine Vorreiterrolle in dem zunehmend an Bedeutung gewinnenden Themenfeld der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz ein.

Hier ist endlich einmal ein Unternehmen, das klar das Thema der Gefährdungsbeurteilung anspricht. Das gehört zur Verhältnisprävention, in der der Arbeitsschutz nicht nach “auffälligen” Mitarbeitern fragt, sondern nach auffälligen Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingungen. Bei Daimler wird das Thema nicht in einem komplexen Projekt zur Gesundheitsförderung versteckt. Und auch das Wort “Betriebsrat” ist kein Tabu.
Aber natürlich gibt es auch ein Gesundheitsmanagement bei Daimler. Darin bietet das Unternehmen unter Anderem ein interessantes Konzept im Bereich der Verhaltensprävention an, das nicht-privat versicherten Mitarbeitern bei der Lösung des Wartezeitenproblems bei der Behandlung psychischer Erkrankungen hilft. So sieht ein gutes Beispiel für eine glaubwürdige Ausgewogenheit zwischen Verhältnisprävention und Verhaltensprävention aus.
Siehe auch http://www.baua.de/de/Bibliothek/Informationsdienste/Gefaehrdungsbeurteilung.pdf, BAuA 2005-2008, S. 6

ND: 061315 AU: Braun, P.
TI: Psychische Belastungen werden bei der Daimler AG jetzt systematisch erhoben
SO: Gute Arbeit CN: ZS0845 IM: 20 (2008) Nr. 4, S. 30‐31 (1 Abb.)
CT: Automobilindustrie; Gefährdungsbeurteilung; Psychische Belastung 
Seit 2008 werden bei der Daimler AG in Deutschland psychische Belastungen am Arbeitsplatz nach einheitlichen Kriterien systematisch erfasst. Grundlage hierfür ist eine Rahmenbetriebsvereinbarung. Zuvor wurden psychische Belastungen nicht oder nur teilweise z.B. bei der Suche eines passenden Arbeitsplatzes für leistungsgewandelte Mitarbeiter berücksichtigt. In Zusammenarbeit mit der Universität Heidelberg wurde ein Fragenkatalog zur Erfassung der psychischen Belastung entwickelt, der für einzelne Standorte und Arbeitsbereiche angepasst werden kann. Neben Arbeitsanforderungen bei geringem Handlungsspielraum werden weitere Stressindikatoren wie Zeitregime, Rate der Arbeitsunterbrechungen, Kooperationserfordernisse usw. erfasst. Die Universität Heidelberg begleitet den Prozess der Erfassung und wertet die Daten aus. Am Verfahren beteiligt sind daneben der Gesamtbetriebsrat, der werksärztliche Dienst, Fachkräfte für Arbeitsschutz und die Daimler‐Sozialberatung. Erste Erfahrungen mit aus den Daten abgeleiteten Maßnahmen liegen noch nicht vor

 
Siehe aber auch: http://www.labournet.de/diskussion/arbeitsalltag/gh/daimler.html

… Gesundheitsmanagement der Daimler AG weist datenschutzrechtliche Mängel auf
“Die Aufsichtsbehörde für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich hat die datenschutzrechtliche Überprüfung des Gesundheits- und Fehlzeitenmanagements (im folgenden: Gesundheitsmanagement) der Daimler AG im Werk Untertürkheim Ende letzten Jahres abgeschlossen. (…) Die Aufsichtsbehörde hat im Rahmen ihrer Zuständigkeit folgende datenschutzrechtliche Mängel festgestellt: 1. Die Daimler AG hat im Zuge der Rückkehrgespräche wegen auffälliger Fehlzeiten zum Teil Daten erhoben, die sie nicht hätte erheben dürfen, beispielsweise konkrete Krankheitsdiagnosen und Befunde sowie Krankheitsursachen, die im privaten beziehungsweise persönlichen Bereich wurzeln und keinen betrieblichen Bezug aufweisen….“ Pressemitteilung der Aufsichtsbehörde für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich vom 05.01.2009 …

 

BAuA

Das Webangebot der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zum Thema der psychischen Belastung und Beanspruchung im Berufsleben (ISO 10075) ist sehr hilfreich. Bekannt sind insbesondere die Checklisten zur Erfassung von Fehlbeanspruchungsfolgen (ChEF) und die Toolbox.
 
Angeboten wird auch ein Überblick über die wichtigsten Vorschriften:

 

2010: Ganzheitlicher Arbeitsschutz nur bei 16% der Betriebe

Die Ergebnisse aktueller Forschungsprojekte zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung (aus einem Bericht von Ina Krietsch und Thomas Langhoff, Prospektiv GmbH, Dortmund für BAuA/GRAziL, 2007-09 – 2010-04) sehen immer noch so aus:

  1. Fehlende Handlungsbereitschaft: Unternehmen greifen ohne die Impulsgebung durch Gewerkschaften, Betriebsräte bzw. Arbeitsschutzbehörden (vereinzelt) das Thema “Psychische Belastungen” als Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung (GB) i. d. R. nicht auf.
  2. Geringe Handlungskompetenz: Weder bei betrieblichen noch bei überbetrieblichen Arbeitsschutzakteuren ist in der Breite eine ausreichende Kompetenz zum Umgang mit dem Thema “Psychische Belastungen” vorhanden.
  3. Schwierige Kooperation: Von Betriebsrat, Arbeitgeber und betrieblichen Arbeitsschutzakteuren bei der GB zu psychischen Belastungen bzw. unzureichende Abstimmung der Akteure untereinander.

(Siehe dazu auch http://www.arbeitstattstress.de/2011/01/inwieweit-werden-psychische-gefaehrdungen-in-den-betrieben-beurteilt/.)
Die einzige Krankheitskategorie, in der von den Versicherungen eine Zunahme von Fehlzeiten am Arbeitsplatz beobachtet wird, ist die Kategorie der psychischen Erkrankungen. Aber ausgerechnet in diesem Bereich werden in Deutschland die Arbeitsschutzvorschriften nicht durchgesetzt:

Obwohl die Betriebe seit 1996 durch das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet sind, körperliche wie auch psychische Arbeitsbelastung am Arbeitsplatz im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln und sie so gering wie möglich zu halten, ist dies in vielen Betrieben immer noch nicht umgesetzt. Vor allem werden psychische Arbeitsbelastungen dabei nach wie vor kaum berücksichtigt.
(inqa.de, BAuA: Unterweisung, 2006, S. 8)

Aus der Betriebsrätebefragung 2008/06 des WSI (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung) ergibt sich:

Psychische Gefährdungen werden kaum berücksichtigt
Trotzdem steht es um die Gefährdungsbeurteilung und insbesondere um die Berücksichtigung der psychischen Belastungen in den Betrieben nicht gut, wie die WSI- Betriebsrätebefragung 2008/09 ebenfalls zeigt:

  • Gefährdungsbeurteilungen nach dem Arbeitsschutzgesetz werden nur von einer Minderheit der Betriebe (46%) durchgeführt.
  • Aus dieser Teilgruppe berücksichtigen nur 29% der Betriebe auch psychische Belastungen.
  • Also haben nur 16% aller befragten Betriebe in ihren Gefährdungsbeurteilungen auch psychische Arbeitsbelastungen berücksichtigt.

Die entsprechenden Vorschriften des Arbeitsschutzes gibt es seit 1996. Gestärkt wurden sie in den Entscheidungen AZ 1 ABR 4/03 (siehe insbes. Punkte 12 und 33) und AZ 1 ABR 13/03 des Bundesarbeitsgerichtes zur Mitbestimmung aus dem Jahr 2004.

Unterweisung an Mitarbeiter und Führungskräfte

Chr. Eggerdinger, M. Giesert, hg. V. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), INQA Bericht Nr. 7, Unterweisung: Führen, Beteiligen, Erkennen und Vermindern von psychischen Belastungen, Düsseldorf 2004
Kurzbeschreibung (Quelle: INQA, Januar 2011):

Handlungshilfe “Unterweisung”
Regelmäßige und umfassende Unterweisungen sind die Grundlage für einen modernen Arbeitsschutz im Betrieb und damit gleichzeitig eine wichtige Voraussetzung für eine gute Produktivität und Qualität der Arbeit im Unternehmen sowie für gesundheitsgerechtes und sicheres Arbeiten der Belegschaft.
Der INQA-Bericht Nr. 7 “Unterweisung: Führen, Beteiligen, Erkennen und Vermindern von psychischen Belastungen” gibt die Vorgehensweise, die Ergebnisse und Erfahrungen wieder, die im Rahmen eines praxisbezogenen INQA-Projektes gemacht wurden.
Als Arbeitsergebnis in diesem Projekt ist eine Handlungshilfe entstanden,

  • die Vorgesetzten helfen soll, Unterweisungen zu einem effektiven Instrument der Führung für Arbeitssicherheit und Gesundheit zu machen,
  • die Betriebsleitungen helfen kann, das Unterweisungswesen an die gesetzlichen Vorgaben anzupassen und entsprechend zu reorganisieren,
  • die anregen soll, das Unterweisungsgespräch nicht mehr als eine lästige, formale Pflichterfüllung zu betrachten, sondern als wirksames Instrument der Beziehung zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitern,
  • die ermöglicht, die Beschäftigten mit einzubeziehen und damit Voraussetzungen schafft, den kontinuierlichen Prozess der Gefährdungsbeurteilung zu gestalten.

Damit richtet sich diese Borschüre in erster Linie an:

  • Geschäfts- und Betriebsleitungen,
  • Führungskräfte,
  • Sicherheitsfachkräfte,
  • Betriebsärzte und
  • betriebliche Interessensvertretungen (Betriebs- und Personalräte).

Diese Handlungshilfe ist sehr praktisch: Sie zeigt nicht nur, wie Unterweisungen aussehen müssen, die über reine Pflichtübungen hinausgehen. Sondern man bekommt auch gleich einen Überblick über den Lernstoff und die Lernziele.
(In das gleiche Horn stößt http://www.arbeitstattstress.de/2011/01/psychische-belastungen-richtig-unterweisen/.)
Übrigens, das Unterweisungswesen über körperliche und psychische Belastungen unterliegt der Mitbestimmungspflicht. Schon die ungenügende Unterweisung und Qualifikation von Führungskräften und Mitarbeitern ist eine Gefährdung. Besteht eine solche Gefährdung, so muss sie in der Gefährdungsbeurteilung dokumentiert werden. Noch zwei Zitate aus der Handlungshilfe:

  • „Die Gefährdungsbeurteilung ist gemäß §5 Arbeitsschutzgesetz durchzuführen. … Als Gefährdung ist dabei mit einzubeziehen, wie gut die Qualifikation und die Unterweisung der Beschäftigten ist und wie gut das Unterweisungswesen im Betrieb funktioniert. Es kommt darauf an, die Abläufe und die Organisation der Unterweisung sowie die gelebte Praxis zu untersuchen.“
  • „Die Unterweisung muss ausreichend und umfassend sein, d.h. die Beschäftigten müssen danach in der Lage sein, Gefährdungen zu erkennen, d.h. körperliche und psychische, um dann entsprechend zu handeln.“

Vor der Unterweisung kommt allerdings erst die Gefährdungsbeurteilung. Wenn es noch keine Gefährdungsbeurteilungen (auch mit Einbezug psychischer Belastungen) gibt, dann muss das eben das Fehlen einer ausreichend vollständigen Gefährdungsbeurteilung in einer ersten Gefährdungsbeurteilung (ggf. für einen bisher nicht beurteilten Gefährdungsbereich) beschrieben werden, denn ein mangelhafter Arbeitsschutz gefährdet die Mitarbeiter. Diese Gefährdungsbeurteilung liefert dann Grundlagen, auf denen ein Unterweisungswesen aufbauen und somit eine Verbesserung der Prozesse zur Gefährdungsbeurteilung fördern kann.
Siehe auch: http://blog.psybel.de/ohne-wissen-keine-verantwortung/