Standardsoftware befreit nicht von Beurteilungspflicht

Die Pflicht zur Beurteilung psychischer Belastungen bleibt auch an ergonomisch gut ausgestatteten Bildschirmarbeitsplätzen bestehen.
Ergonomisch gut gestaltete Bildschirmarbeitsplätze und der Einsatz von Standardsoftware begründen nicht, dass Gefährdungen durch Bildschirmarbeit bereits vom Gerätehersteller und vom Hersteller der Software gemindert worden seien, denn aus dem Zusammenwirken von Standardsoftware mit anderen Belastungen am Bildschirmarbeitsplatz können sich arbeitsplatzspezifische Gefährdungen und Fehlbelastungen ergeben, die ein Softwarehersteller natürlich nicht zu verhindern vermag. Außerdem kann z.B. ein Standard-Email-Programm noch so gut sein; wenn zu viele Mails zu bearbeiten sind, nützt Software-Ergonomie hier überhaupt nichts.
In einem Betrieb ohne Verfahren zur Beurteilung psychischer Belastungen wird daher bezüglich seiner Bildschirmarbeitsplätze nicht nur gegen das Arbeitsschutzgesetz verstoßen, sondern trotz des Einsatzes von Standardsoftware und ergonomisch einwandfreier technischer Einrichtungen wird auch § 3 der Bildschirmarbeitsverordnung nicht eingehalten.
Siehe auch: http://blog.psybel.de/bildscharbv-als-umzetzunganweisung-fuer-arbschg/.

BildschArbV als Umzetzunganweisung für das ArbSchG

  1. § 3 der Bildschirmarbeitsverordnung fordert die Beurteilung psychischer Belastungen an Bildschirmarbeitsplätzen:

    Bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des Sehvermögens sowie körperlicher Probleme und psychischer Belastungen zu ermitteln und zu beurteilen.

  2. In der LV 14 wird ausgeführt:

    … Entsprechend der am Bildschirmarbeitsplatz auszuführenden Arbeitsaufgabe stellt die Bildschirmarbeit eine psychische Belastung für den Beschäftigten dar. Sie kann in der Vielzahl unter Zeitdruck zu verarbeitender Informationen begründet sein. Häufig ist ein hohes Maß an Konzentration und psychischer Anspannung über lange Zeiträume erforderlich. Langanhaltende, reine Überwachungsaufgaben am Bildschirm ohne die Möglichkeit, aktiv eingreifen zu können, werden ebenso als belastend empfunden, wie z.B. das einförmige Eingeben von Datensätzen.
    Eine zusätzliche Belastung (Beeinträchtigung der Konzentration und der Sprachkommunikation) kann sich durch Lärm ergeben, der durch die zum Bildschirmarbeitsplatz gehörenden Arbeitsmittel sowie durch benachbarte Gespräche oder Arbeitsmittel verursacht wird. …
    … Die Menge und die Darbietung der zu verarbeitenden Informationen kann zu Über- und Unterforderungserscheinungen führen. Mitunter erfordert Bildschirmarbeit die Fähigkeit, Handlungs- und Problemlösungsstrategien auf abstrakter Ebene zu finden. Geistige Tätigkeit, langandauernde Phasen hoher Anspannung oder Arbeiten unter Zeitdruck bzw. bei Störgeräuschen können Streßreaktionen hervorrufen. Im Fall von längerdauernden einförmigen Tätigkeiten bei zu starker Arbeitsteilung (z.B. reine Dateneingabe) können neben zunehmender Ermüdung auch Monotoniezustände auftreten.
    Individuelle Faktoren wie mangelnde Ausbildung und unzureichendes Training können die Beanspruchung zusätzlich erhöhen. …

  3. Dazu passt auch noch die EN ISO 9241, die sich nicht nur auf die technischen Aspekte der Bildschirmarbeit und anderer Mensch-Maschine-Schnittstellen beschränkt, sondern zu achten ist auf:
    • den Erhalt sozialer Kontakte,
    • die Vermeidung eines unangemessenen Zeitdrucks,
    • die Förderung des Wohlbefindens
  4.  
    Es gibt also keine Einschränkung, dass am Arbeitsplatz nur bildschirmarbeitsspezifische psychische Belastungen zu beurteilen seien. Sondern es wird verlangt, dass bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach Arbeitsschutzgesetz auf drei Gefährdungskategorien besonders zu achten ist, wenn es an dem Arbeitsplatz Bildschirmarbeit gibt. Darunter ist auch die Kategorie der psychischen Belastungen.
    Im § 3 der Bildschirmarbeitsverordnung ist Bildschirmarbeit ein Indikator für das Vorliegen psychischer Belastungen (mental workload). Der Paragraph ist eine Anweisung zur Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes.
     
    Siehe auch zu Standardsoftware am Bildschirmarbeitsplatz: http://blog.psybel.de/standardsoftware-befreit-nicht-von-beurteilungspflicht/

Psychische Belastungen kommen ins Arbeitsschutzgesetz

Jedenfalls in Österreich.
http://arbeitundtechnik.gpa-djp.at/2012/07/11/psychische-belastungen-am-arbeitsplatz/

… Nun hat der Gesetzgeber im ASCHG nachgebessert. Bei der Evaluierung der Gefahren im Rahmen der jährlichen Präventionszeiten ist jetzt explizit die psychische Belastung zu evaluieren – und Gegenmaßnahmen sind vorzuschlagen. “Psychische Belastungen müssen erhoben werden.” freut sich daher die ÖGB-Expertin für den ArbeitnehehmerInnenschutz, Ingrid Reifinger. Die ArbeitsinspektorInnen können Unterlagen verlangen, ob diese Evaluierungen tatsächlich statt gefunden haben und welche Maßnahmen ergriffen wurden.
Die Novelle bringt außerdem Arbeits- und OrganisationspsychologInnen als fixe Größe in die Betriebe. Sie sind bei der systematischen Erfassung von psychischen Belastungen durch die Arbeit hinzuzuziehen. …

Unter “Besondere Maßnahmen bei Bildschirmarbeit” wurde im § 68 die Bildschirmarbeitsverordung in das Gesetz eingebaut: “Im Rahmen der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren ist auch auf die mögliche Beeinträchtigung des Sehvermögens sowie auf physische und psychische Belastungen besonders Bedacht zu nehmen. Auf Grundlage dieser Ermittlung und Beurteilung sind zweckdienliche Maßnahmen zur Ausschaltung der festgestellten Gefahren zu treffen, wobei das allfällige Zusammenwirken der festgestellten Gefahren zu berücksichtigen ist.”
Während Edmund Stoiber in Brüssel versucht, insbesondere die Anlage zur Bildschirmarbeitsverordnung aufzuweichern, wandert bei den Österreichern auch die Software-Ergonomie aus der Anlage in den Absatz 2 des § 68 des österreichischen Arbeitsschutzgesetzes ein.
Im § 76 wird vorgeschrieben, dass Arbeitgeber Sicherheitsfachkräfte und erforderlichenfalls weitere geeignete Fachleute hinzuzuziehen haben, z.B. auch “in arbeitsphysiologischen, arbeitspsychologischen und sonstigen ergonomischen sowie arbeitshygienischen Fragen, insbesondere der Gestaltung der Arbeitsplätze und des Arbeitsablaufes.”
Im § 81 müssen Arbeitgeber die Arbeitsmediziner und erforderlichenfalls weitere geeignete Fachleute hinzuziehen, z.B. “in arbeitsphysiologischen, arbeitspsychologischen und sonstigen ergonomischen sowie arbeitshygienischen Fragen, insbesondere des Arbeitsrhythmus, der Arbeitszeit- und Pausenregelung, der Gestaltung der Arbeitsplätze und des Arbeitsablaufes.”
Der Präventionszeit widmet sich der § 82a. Darin ist auch festgehalten: “Der Arbeitgeber hat pro Kalenderjahr die Sicherheitsfachkräfte im Ausmaß von mindestens 40 v. H. und die Arbeitsmediziner im Ausmaß von mindestens 35 v. H. der gemäß Abs. 2 und 3 ermittelten Präventionszeit zu beschäftigen. Zumindest im Ausmaß der restlichen 25 v. H. der jährlichen Präventionszeit hat der Arbeitgeber je nach der in der Arbeitsstätte gegebenen Gefährdungs- und Belastungssituation gemäß § 76 Abs. 3 bzw. § 81 Abs. 3 beizuziehende sonstige geeignete Fachleute, wie Chemiker, Toxikologen, Ergonomen, insbesondere jedoch Arbeitspsychologen, oder die Sicherheitsfachkräfte und/oder die Arbeitsmediziner zu beschäftigen.”
Vielleicht sollten wir in Deutschland die Arbeitsschutzgesetzgebung bei den Österreichern abschreiben, auch wenn es immer noch Klärungsbedarf geben könnte. So verwirrt mich im § 82a das “… oder die Sicherheitsfachkräfte …” ein bisschen. Und im § 68 steht: “Auf tragbare Datenverarbeitungsgeräte, die nicht regelmäßig am Arbeitsplatz eingesetzt werden, ist Abs. 2 [darin ist die Software-Ergonomie ein Thema] nicht anzuwenden.” Da ist die Frage interessant, was ein “Arbeitsplatz” ist.
Das Gesetz finden Sie hier: http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10008910.

Agile Software-Entwicklung

http://www.heise.de/developer/artikel/Agile-Software-Entwicklung-braucht-auch-ein-agiles-Projektmanagement-1598135.html

… Die Managementkultur in Unternehmen muss sich wandeln
Es ist viel zu oft Gang und Gebe, dass agile Verfahren auf klassische Projektmanagementmethoden wie PMI oder Prince2 stoßen, die auf einer starreren Planung und einem klaren Prozessdenken basieren. Hier besteht enormes Konfliktpotenzial. Denn viele Verantwortliche verkennen, dass die Umsetzung agiler Ansätze nicht nur aus dem Lernen und Anwenden handwerklicher Tools und Techniken besteht. Agilität erfordert gravierende Anpassungen in der Kultur der Organisation, um wirklich zu funktionieren. Die Managementkultur des Unternehmens muss auf die Anforderungen von Agilität eingerichtet sein. Die Projektmanager müssen sich wirklich – nicht nur formal – darauf einlassen. Dazu gehört beispielsweise, dass die Menschen mit ihren individuellen Ideen und Methoden einen größeren Stellenwert als das Befolgen von Abläufen besitzen (“People over Process”, wie im agilen Manifest gefordert). Die damit verbundene Freisetzung von Zeit und kreativer Kraft wird jedoch nicht gelingen, wenn die tatsächlichen Entscheidungen dann doch nach strengen Vorgaben des Projektmanagementhandbuches fallen und kreative Querdenker kaum Chancen haben, sich durchzusetzen, sondern eher ihre Karriere gefährden. …

Normen und Gesetze zur Softwaregestaltung

Hildegard Schmidt, ErgonomieCampus, http://ergonomiecampus.de/bildschirmarbeit/normen-gesetze/software.html
Thema: Software-Gestaltung

  • Bildschirmarbeitsverordnung – Anhang Nr. 20 – 22
  • BGI 650 – Sicherheitsregeln der Berufsgenossenschaften
  • Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse
  • Bildschirmarbeit – Berufsgenossenschaftliche Anwendungshinweise
  • Normen und Standards
  • Beschaffungspraxis

Projektleitfaden Software-Ergonomie

http://www.ergonomie-leitfaden.de/

Projektleitfaden Software- Ergonomie.
Lothar Bräutigam, Wolfgang Schneider.
ISBN 3-936598-43-6.
Hg.: Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung.
Wiesbaden 2003
Der vorliegende praxisorientierte Leitfaden soll die Umsetzung der Ergonomie (Usability) in Software-Entwicklungsprojekten fördern. Er soll Projektverantwortliche unterstützen, ergonomische Aktivitäten in Software-Entwicklungsprojekten effizient und ökonomisch zu organisieren und umzusetzen. …

Siehe auch: http://blog.psybel.de/bildschirmarbeitsverordnung/

Gefährdungsbeurteilung nicht dem Arbeitgeber überlassen

http://www.djv.de/fileadmin/DJV/betriebsrat/BR-Info/br_06_04.pdf, 2004-09-14

Gesundheitsschutz/Gefährdungsanalyse
Die Bildschirmarbeitsrichtlinie verpflichtet den Arbeitgeber, eine so genannte Gefährdungsanalyse durchzuführen, mit der psychische und körperliche Belastungen auf Grund der Arbeitsorganisation und der Softwareergonomie beurteilt werden sollen. Der Betriebsrat hat insoweit ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Das Bundesarbeitsgericht hob den Spruch einer Einigungsstelle in einer derartigen Angelegenheit auf, da dem Arbeitgeber durch die Einigungsstelle zu viele Kompetenzen zugewiesen worden waren. Es könne nicht dem Arbeitgeber überlassen bleiben, das Konzept für eine derartige Gefährdungsanalyse zu erstellen. Der Betriebsrat war durch die Einigungsstelle auf ein Beratungsrecht beschränkt worden. Das Bundesarbeitsgericht kritisierte, der Spruch der Einigungsstelle enthalte nur allgemeine Vorgaben an die Arbeitgeberin zu den Themen der Unterweisung, den möglichen Gegenständen und Methoden der Gefährdungsbeurteilung. Die Anwendung auf die einzelnen, unterschiedlichen Arbeitsplätze im Betrieb sei dagegen ausschließlich dem Arbeitgeber überlassen worden (BAG 1 ABR 4/03 vom 8. Juni 2004).

Das BAG-Urteil hatte ich bereits früher in diesem Blog angesprochen, aber dank Google fand ich eine Darstellung der Gewerkschaft der Journalisten und Journalistinninnen (Deutscher Journalisten-Verband), auf die ich hier doch aufmerksam machen möchte.
Die Darstellung macht eine wichtige Aufgabe von Betriebs- und Personalräten deutlich: Es kann nicht dem Arbeitgeber überlassen bleiben, das Konzept für eine Gefährdungsanalyse zu erstellen, mit der psychische und körperliche Belastungen auf Grund der Arbeitsorganisation und der Softwareergonomie beurteilt werden sollen. Die Arbeitnehmer bzw. innovative und kreative Arbeitnehmervertretungen bestimmen das Konzept mit.
Das war eigentlich schon seit 1996 klar. Aber viele Arbeitnehmervertretungen kennen ihre Pflicht zur Mitgestaltung auch heute noch nicht. Auch die meisten Arbeitnehmer kennen diese Pflicht ihrer Vertretung nicht. Selbst von einer “Gefährdungsbeurteilung” haben noch Viele nichts gehört. Sie können sich garnicht vorstellen, wie das funktioniert. (Es funktioniert.)
Angesichts dieser Uninformiertheit ist es leider noch notwendig, immer wieder an die Pflichten der Arbeitnehmervertretungen im ganzheitlichen Arbeitsschutz zu erinnern. Und klar ist auch: Betriebs- und Personalräte werden nicht gnädig in die Gestaltung von Konzepten zur Gefährdungsbeurteilung “einbezogen”, sondern die Arbeitnehmervertretungen bestimmen mit!
Dis ist ja auch verständlich: Wer entscheidet, ob die von einem Arbeitsplatz auf einen Mitarbeiter wirkende Belastung eine legitime Belastung oder eine Fehlbelastung ist? Dass man das tatsächlich nicht den Arbeitgebern alleine überlassen kann, sondern dass die Belasteten hier mitbestimmen müssen, wenn keine gesetzlichen Regeln bestehen, sondern das Gesetz einen Gestaltungsspielraum gibt, ist eine gut nachvollziehbare Entscheidung.

Usability in Deutschland

http://www.usability-in-germany.de/

Das Forschungsprojekt “Usability in Germany” erfasst den aktuellen Stand der Verbreitung von Usability-Praktiken in mittelständischen Unternehmen. Parallel dazu wird versucht, zentrale Begriffe wie Usability und User Experience zu definieren sowie einen Überblick über Usability-Experten in Wissenschaft und Praxis zu geben. 

  • Macht Usability Mittelständler erfolgreicher?
  • Durch welche Maßnahmen wird Software „usable“?
  • Wo finden Unternehmen Unterstützung?
  • Welche Trends gibt es beim Thema Usability?
  • Und: Wo sitzen die Experten in Deutschland?

Autoren von www.usability-in-germany.de:

Institut für Mittelstandsforschung Universität Mannheim
Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik IV – Enterprise Systems Universität Mannheim
Fachhochschule Kaiserslautern – Fachbereich Informatik und Mikrosystemtechnik
ERGOSIGN GmbH