Nur 10% der Mittelständler nehmen psychische Erkrankungen ernst

“Doch trotz der hohen Kosten, die psychische Belastungen für das Unternehmen verursachen …” Selbst der TÜV SÜD pflegt dieses Mißverständnis. Es geht nicht um psychische Belastungen, sondern psychische Fehlbelastungen. Die Kosten für psychische Belastungen gehören zu den ganz normalen Arbeitskosten.
Ansonsten zeigt die folgende Pressemeldung, dass auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) systematisch an das Thema der psychischen Belastungen angehen müssen – und zum Markt des TÜV gehören, der auch hier beim Betrieblichen Gesundheitsmanagement beraten möchte.
http://www.tuev-sued.de/arbeitsmedizin-sicherheit-gesundheit/aktuelles/mittelstaendler-unterschaetzen-psychische-belastung-am-arbeitsplatz

13.04.2011
Mittelständler unterschätzen psychische Belastung am Arbeitsplatz
Unfälle und Verschleiß waren vor 50 Jahren noch die klassischen Erkrankungen am Arbeitsplatz. Heute ist bei jedem Vierten der Grund für einen Arbeitsausfall im Bereich der psychischen Störungen zu suchen. Darunter fallen Depressionen, Alkohol- und Drogenabhängigkeit sowie Panikstörungen. Doch trotz der hohen Kosten, die psychische Belastungen für das Unternehmen verursachen, fehlt bei vielen das Bewusstsein für diese Erkrankungen. Dies ergab eine aktuelle Studie von TÜV SÜD Life Service, an der 47 Experten, die zusammen mehrere hundert kleine und mittelständische Unternehmen im Bereich der Arbeitssicherheit betreuen, teilnahmen.
Arbeitnehmer sind in den vergangenen Jahren immer seltener wegen klassischer Erkrankungen oder Unfällen ausgefallen, sondern zunehmend aufgrund psychischer Erkrankungen. Im September 2010 befragte TÜV SÜD 47 Sicherheitsfachkräfte nach ihrer subjektiven Einschätzung zu psychischen Belastungen und Erkrankungen von Mitarbeitern in mittelständischen Unternehmen mit einer Größenordnung von 20 bis 1.000 Beschäftigten. Dabei gaben mehr als 60 Prozent der Befragten an, dass sie in den Unternehmen, die sie betreuen, bereits mit typischen psychischen Belastungsfaktoren konfrontiert wurden. Zu den häufigsten zählen zu enge Terminvorgaben und damit steigender Zeitdruck, Konflikte am Arbeitsplatz und Mobbing. Aber auch mangelnde Anerkennung und Wertschätzung der Leistung sowie die Angst um den Arbeitsplatz treiben bei vielen Angestellten den Stresspegel in die Höhe. Als gefährdetste Zielgruppe werden hierbei die Führungskräfte vor den Schichtarbeitern und den Mitarbeitern im Außendienst und Vertrieb gesehen. Jedoch wird die Gefährdung durch psychische Belastungsfaktoren von vielen Unternehmen noch nicht erkannt. So besitzen nach Auffassung der befragten Sicherheitsfachkräfte mehr als die Hälfte der betreuten Unternehmen ein schwaches Bewusstsein für die psychischen Belastungsfaktoren und Erkrankungen in ihrem Unternehmen. Nur etwa jeder zehnte Betrieb nimmt demnach psychische Erkrankungen wirklich ernst.
Dementsprechend niedrig ist auch die Bereitschaft, Geld in entsprechende Frühwarnsysteme und Präventivmaßnahmen zu investieren. Knapp zwei Drittel erwarten auch für die nähere Zukunft keine nennenswerten Investitionen in diesem Bereich.
Diese Zahlen sind jedoch insoweit erstaunlich, da psychische Erkrankungen für den Arbeitgeber enorme Kosten bedeuten. Neben verminderter Motivation und Leistungsfähigkeit sind auch die durchschnittlich 22,5 Ausfalltage ein großer wirtschaftlicher Faktor. In den Augen der Sicherheitsfachkräfte werden zum einen zu wenige Maßnahmen zur Prävention von psychischen Krankheiten angeboten und zum anderen ist die Wirksamkeit bestehender Angebote eher gering.
Der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft stellt den klassischen Arbeits- und Gesundheitsschutz vor ganz neue Herausforderungen. Die bisherige Verhinderung von Stürzen oder Atemwegserkrankungen ist in einigen Branchen zwar nach wie vor wichtig, in anderen jedoch kaum nützlich. Hier sind neue Lösungen erforderlich, die auch den Anstieg psychischer Belastungen berücksichtigen. So halten es die befragten Sicherheitsfachkräfte für sinnvoll, neue Angebote wie Führungskräfteschulungen in das betriebliche Gesundheitsmanagement zu integrieren. Denn das Ziel sollte immer sein, Bedingungen am Arbeitsplatz zu schaffen, die die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter schützen.
Die gesamte Studienauswertung ist Teil des Corporate Health Jahrbuch 2011. Dieses Jahrbuch liefert einen profunden Einblick in den Status Quo und die wichtigsten Entwicklungen Betrieblichen Gesundheitsmanagements in Deutschland. Hochranginge Autoren stellen besonders innovative und erfolgreiche Projekte und Strategien aus der Unternehmenspraxis vor. Das Corporate Health Jahrbuch umfasst 255 Seiten mit Fotos und Abbildungen und ist ab sofort zum Bezugspreis von 49,90 Euro im Buchhandel unter der ISBN-Nummer 978-3-941632-09-7 erhältlich.
Weitere Informationen für Medien zum Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement gibt es im Internet unter www.tuev-sued.de/presse/BGM.
Kontakt: Bettina Tillmanns

(Hervorhebungen nachträglich eingefügt)
Siehe auch Cardiff-Memorandum (zur betrieblichen Gesundheitsförderung in Klein- und Mittelbetrieben): http://www.infoline-gesundheitsfoerderung.de/ca/j/hgd/

Erst kommt die Gefährdungsbeurteilung!

2012-07-15:
BAG, Beschluss vom 8.11.2011, 1 ABR 42/10
Eine Arbeitgeberin wollte verhindern, dass eine Unterweisung ohne vorherige Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird. Das gelang ihr. Der Gesamtbetriebsrat verlor, aber das Urteil ist sehr hilfreich für Arbeitnehmervertreter, denn es bedeutet, dass allen Arbeitsschutzmaßnahmen eine Gefährdungsbeurteilung vorauszugehen hat. Die Unterweisung setzt eine Gefährdungsbeurteilung voraus, damit darin die in der Gefährdungsbeurteilung gewonnenen Erkenntnisse berücksichtigt werden können.
Jetzt führen viele Betriebe ein Gesundheitsmanagement ein und wollen damit auch den Arbeitsschutz rechtssicher machen. Gerne wird noch ein Zertifikat nach OHSAS 18001 besorgt, damit Berufsgenossenschaft und Gewerbeaufsicht milde gestimmt werden. Die Unternehmen zeigen ihre Einführungs-Projekte stolz vor und meinen, das könne bereits als Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes und der mit ihm verbundenen Vorschriften dargestellt werden. Solange diesen Maßnahmen aber keine mitbestimmt zustandegekommene Gefährdungsbeurteilung zugrunde liegen, sind das keine legitimen Arbeitsschutzmaßnahmen. Sollte versucht werden, Gesundheitsschutzmaßnahmen im Nachhinein als bereits implementierte Arbeitsschutzmaßnahmen zu darzustellen, müsste wohl auch überprüft werden, ob die Mitbestimmung behindert worden ist.
Ein Auszug aus dem BAG-Beschluss (http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&nr=15760):

16. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. Hierzu gehört auch die durch § 12 ArbSchG dem Arbeitgeber auferlegte Verpflichtung, die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu unterweisen (BAG 8. Juni 2004 – 1 ABR 13/03 – zu B I 2 b cc der Gründe mwN, BAGE 111, 36). Einigen sich die Betriebsparteien nicht über Art und Inhalt der Unterweisung, hat das die Einigungsstelle zu regeln. Hierbei hat sie die Erkenntnisse einer Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG) zu berücksichtigen und die konkrete arbeitsplatz- oder aufgabenbezogene Unterweisung daran auszurichten. Sie kann sich nicht darauf beschränken, allgemeine Bestimmungen über die Unterweisung zu Gefahren am Arbeitsplatz aufzustellen. Dies hat der Senat in einem Parallelverfahren mit denselben Verfahrensbevollmächtigten im Beschluss vom 11. Januar 2011 (- 1 ABR 104/09 – Rn. 17 ff., EzA BetrVG 2001 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 5) im Einzelnen begründet. Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Rechtsbeschwerde fest.

Parallelbeschlüsse des 1. Senats des BAG, ebenfalls 2011-01-08: 1 ABR 64/10, 1 ABR 14/11, 1 ABR 49/10, 1 ABR 1/11, 1 ABR 15/11, 1 ABR 13/11, 1 ABR 75/10, 1 ABR 80/10, 1 ABR 8/11
 


2011-04-14:
Anfang dieses Jahres fasste das Bundesarbeitsgericht einen für den Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz wichtigen Beschluss, nach dem die Arbeitnehmervertreter eines Unternehmens in dessen Betrieben Unterweisungen durchsetzen wollten, wie sie im Arbeitsschutz vorgeschrieben sind (§ 12 ArbSchG). Die Arbeitnehmervertreter erklärten (z.B. 3 TaBV 13/10, 4 BV 16/09, ArbG Chemnitz und 9 TaBV 39/10, 1 BV 33/09, ArbG Regensburg):

Ziel der Unterweisung der Beschäftigten ist die Vermittlung von Kenntnissen über Belastungen und Beanspruchungen durch die Arbeit sowie Entlastungsmöglichkeiten, die Vermittlung des ergonomisch richtigen Umgangs mit Arbeitsmitteln, die Gestaltung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsumgebung im Sinne der menschengerechten Gestaltung der Arbeit. Es sollen Grundlagen dafür geschaffen werden, dass die Beschäftigen ihre Beteiligungsrechte und -pflichten nach §§ 15 – 17 ArbSchG wahrnehmen können.

Das ist, was viele arbeitnehmerorientierte Berater heute beim Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz empfehlen.
Der Forderung der Arbeitnehmervertreter hat das Bundesarbeitsgericht allerdings im Januar auf Betreiben der Arbeitgeberseite widersprochen (Beschluss 1 ABR 104/09, 2011-01-11).
http://www.bundesarbeitsgericht.de/termine/januartermine.html (2011-04-14):

1. O. GmbH & Co. oHG (RAe. CMS Hasche, Siegle, Köln)
2. Betriebsrat der O. GmbH & Co oHG
3. Gesamtbetriebsrat der O. GmbH & Co. oHG
(zu 2) und zu 3) RAe. Bertelsmann und Gäbert, Hamburg) 
– 1 ABR 104/09 –
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle*.
Die Arbeitgeberin befasst sich in mehreren Betrieben mit der Herstellung, dem Einbau und der Wartung von Aufzügen, Fahrtreppen usf. Der Beteiligte zu 2) ist der Betriebsrat für den Betrieb der Region Berlin2/Brandenburg. Für diesen Betrieb wurde eine betriebsverfassungsrechtliche Einigungsstelle eingesetzt. Sie fasste zur “Umsetzung der Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes” am 30. April 2008 einen Spruch über Einzelheiten der in § 12 ArbSchG vorgesehenen Unterweisung der Beschäftigten. Der Beteiligte zu 3) ist der im Unternehmen gebildete Gesamtbetriebsrat.
Die Arbeitgeberin hält den Spruch der Einigungsstelle für unwirksam. Sie ist der Auffassung, für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sei nicht der örtliche Betriebsrat sondern der Gesamtbetriebsrat zuständig. Überdies könne die Unterweisung der Arbeitnehmer nach § 12 ArbSchG erst geregelt werden, wenn zuvor die in § 5 ArbSchG vorgeschriebene “Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung” stattgefunden habe. Mehrere Bestimmungen des Teilspruchs stellten schließlich eine unzulässige Rahmenregelung dar, durch welche das Mitbestimmungsrecht nicht ausgeübt und der Streit der Beteiligten insoweit nicht beigelegt worden sei. Der Betriebsrat und der Gesamtbetriebsrat sind der Ansicht, der Teilspruch der Einigungsstelle sei rechtswirksam.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihm entsprochen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehren der Betriebsrat und der Gesamtbetriebsrat die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.
LAG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 19. Februar 2009 – 1 TaBV 1871/08 –
* Nach § 76 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden, die aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern des Arbeitgebers und des Betriebsrats und einem unparteiischen Vorsitzenden besteht. Kommt eine einvernehmliche Regelung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle durch “Spruch”. Dieser “Spruch” kann vor dem Arbeitsgericht angefochten werden.

Auf dem Weg zum BAG-Beschluss gab es gute und fachkundige Anwälte auf beiden Seiten, und viele Gerichte hatten viel Arbeit. Die Angelegenheit war also ziemlich wichtig.
Inzwischen haben manche Betriebsräte es gelernt, die Gefährdungsbeurteilung als Voraussetzung für verschiedene Prozesse in den Betrieben zu durchzusetzen, aber hier griff nun die Arbeitgeberin diesen Ansatz auf und drehte den Spieß damit um: Ohne Gefährdungsbeurteilung keine Unterweisung. Der Arbeitgeberin war das Ziel der Unterweisung wohl zu breit angelegt. Das BAG stimmte dem im Januar 2011 zu:

Pressemitteilung Nr. 1/11
Unterweisung zum Arbeitsschutz
Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. Hierzu gehört auch die durch § 12 ArbSchG dem Arbeitgeber auferlegte Verpflichtung, die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu unterweisen. Einigen sich die Betriebsparteien nicht über Art und Inhalt der Unterweisung, hat das die Einigungsstelle zu regeln. Hierbei hat sie die Erkenntnisse einer Gefährdungsanalyse (§ 5 ArbSchG) zu berücksichtigen und die konkrete arbeitsplatz- oder aufgabenbezogene Unterweisung daran auszurichten. Sie kann sich nicht darauf beschränken, allgemeine Bestimmungen über die Unterweisung zu Gefahren am Arbeitsplatz aufzustellen.
Eine zum Regelungsgegenstand „Umsetzung der Anforderungen des Arbeitsschutzes“ eingesetzte Einigungsstelle hatte durch Teilspruch allgemeine Regelungen zur Unterweisung der Beschäftigten über die Belastungen bei der Arbeit, den richtigen Umgang mit Arbeitsmitteln und die Gestaltung der Arbeitsorganisation getroffen. Eine Gefährdungsbeurteilung lag zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht vor. Das hat die Arbeitgeberin beanstandet und den Teilspruch angefochten.
Das Landesarbeitsgericht hat die Unwirksamkeit des Teilspruchs festgestellt. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hatte keinen Erfolg. Die Einigungsstelle ist ihrem Regelungsauftrag nicht nachgekommen. Ihr Spruch ist unvollständig. Es fehlte an konkreten Anweisungen und Erläuterungen, die eigens auf den Arbeitsplatz oder den Aufgabenbereich der Beschäftigten ausgerichtet waren.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 1 ABR 104/09 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Februar 2009
1 TaBV 1871/08

Im Internet gab es dazu viele Kommentare. Mal sah es so aus, als habe die Arbeitgeberin gewonnen, mal wurde ein Sieg der Betriebsräte gesehen. Besonders interessant fand ich einen Eintrag im “Arbeitnehmeranwalt Stühler-Walters Blog“:

… In Zukunft ist also für die Betriebsräte darauf zu achten, dass noch vor Verhandlungen zu Maßnahmen des Arbeitsschutzes zunächst eine konkrete Gefährdungsanalyse erfolgen muss. Aus meiner Sicht folgt aus dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts, dass der Betriebsrat auch bei der Unterweisung mitzubestimmen hat, dass dieser auch bereits bei der Gefährdungsanalyse selber zu beteiligen ist. Erfolgt eine konkrete betriebliche Gefährdungsanalyse nicht, so hat dies zur Folge, dass möglicherweise eine gesamte Betriebsvereinbarung zum Arbeitsschutz unwirksam sein kann.

Noch einige Hinweise:

  • Unterweisung: Vor einer Unterweisung muss klar sein, um welche Gefährdungen in einem Betrieb es konkret geht. Also kommt die Beurteilung vor der Unterweisung. Die von den Arbeitnehmervertretern beabsichtigte Aufklärung macht zwar Sinn, aber diese Grundlagen kann man zum Beispiel sehr gut mit Vorträgen kompetenter Fachleute in Betriebsversammlungen vermitteln. Unterweisungen vor Gefährdungsbeurteilungen werden durch den BAG-Beschluss nicht in Frage gestellt, wenn sie z.B. zur Vorbereitung von Umfragen benötigt werden, auf denen Gefährdungsbeurteilungen dann aufbauen.
  • Konzentration auf das Wesentliche: Betriebsräte, die den Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz voranbringen wollen, müssen sich zunächst mit aller Kraft und all ihren begrenzten Ressourcen auf  ihre Mitbestimmungspflicht (Gestaltungsimperativ) bei der Gefährdungsbeurteilung konzentrieren. Es wäre insbesondere unklug, wenn sich Betriebsräte über die Mitbestimmungsaufgaben hinausgehend  vom Arbeitgeber in die Details eines umfangreichen und komplexen Gesundheitsmanagements einbinden ließen, bevor es eine Beurteilung der betriebsspezifischen Risiken psychischer Fehlbelastungen gibt. Ohne eine solche Beurteilung fehlt dem Arbeitsschutz im Gesundheitsmanagement nämlich genau so die notwendige Grundlage, wie sie der Unterweisung ohne vorherige Gefährdungsbeurteilung fehlen würde.
  • Zusammenfassung von Arbeitsplätzen: Das BAG verlangt eine konkrete Beurteilung von Arbeitsplätzen im Betrieb. Unternehmen, die bei Gefährdungsbeurteilungen dadurch Kosten sparen wollen, dass sie nur wenige Gruppen von Arbeitsplätzen mit vielen Mitarbeitern pro Gruppe beurteilen, weil aus ihrer Sicht gleichartige Arbeitsbedingungen bestehen (§ 5 Abs. 2 ArbSchG), müssen in den entsprechenden Unterweisungen auch einen größeren Bereich der Thematik der psychisch wirksamen Belastung abdecken. Werden beispielsweise alle “Büroarbeitsplätze” zusammengefasst, muss die Beurteilung den unterschiedlichen Belastungen an diesen Arbeitsplätzen gerecht werden. Der BAG-Beschluss hilft Betriebsräten, den Arbeitgeber dazu anzuregen, bei der Festlegung der “Gleichartigkeit” von Arbeitsplätzen nicht zu weit zu gehen.
  • Gesundheitsmanagement: Ohne Gefährdungsbeurteilung kann ein Unternehmen nicht legitim erklären, dass ein “betriebliches Gesundheitsmanagement” den Arbeitsschutz mit einschlösse. Es scheint gelegentlich so, dass falsch herum begonnen wird: Erst wird mit werbewirksamen Maßnahmen die Kür versucht, dann erst kommt die Pflicht der Gefährdungsbeurteilung, obwohl ohne sie keine Arbeitsschutzmaßnahmen definiert und umgesetzt werden können.
    • Kür: Der Schwerpunkt liegt hier oft bei der Verhaltensprävention. Die Verhältnisprävention ist dagegen Pflicht. Im Rahmen eines umfassenden betrieblichen Gesundheitsmanagements können generell Maßnahmen im Bereich der psychischen Belastung und Beanspruchung so definiert und umgesetzt werden, dass ein Unternehmen sogar werbewirksam behaupten kann, dass es “über die gesetzlichen Vorschriften hinaus” ginge.
    • Pflicht: Aber ohne mitbestimmt erstellte Gefährdungsbeurteilungen erfüllen die Maßnahmen des Gesundheitsmanagements die Vorschriften des Arbeitsschutzes (sowie der Bildschirmarbeitsverordnung, der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge, des Sozialgesetzbuches usw.) noch lange nicht! Eine solche Maßnahme ist beispielsweise die Schulung von Führungskräften zum Thema der psychischen Belastung und Beanspruchung. Nach dem BAG-Beschluss ist nun klar, dass solche Schulungen ohne vorhergehende Gefährdungsbeurteilungen die Vorschriften des Arbeitsschutzes nicht erfüllen können.
      Arbeitnehmervertreter müssen darauf achten, dass vor der Verhaltensprävention die vorgeschriebene Verhältnisprävention kommt. Ganz in diesem Sinn ist auch der BAG-Beschluss: Eine korrekte Gefährdungsbeurteilung beschreibt vor der Unterweisung den Zustand der Arbeitsbedingungen. Das hilft zu vermeiden, dass Unterweisungen über den Umgang mit “auffälligen” Mitarbeitern (Verhaltensprävention und -modifikation individueller Mitarbeiter) die eigentlich geforderten Unterweisungen zur Vermeidung (durch Verhältnisprävention) von arbeitsbedingten Fehlbelastungen verdrängen.

Einfach gesagt: In diesem Fall haben die Arbeitnehmervertreter nur insofern “verloren”, als dass einem Einspruch der Arbeitgeber stattgegeben wurde und nun die Arbeitnehmervertreter die Verfahrenskosten tragen müssen. (Ich vermute, dass hier eine Gewerkschaft geholfen hat.) Das war es wert, denn mit dem Beschluss des BAG können innovative Betriebsräte sehr gut leben.
 
Anmerkung: In http://blog.psybel.de/unterweisung/ ist die Qualität der Unterweisung Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung, hier folgt die Gefährdungsbeurteilung also der Unterweisung. Das macht bei einem schon laufenden und zyklischen Arbeitsschutzprozess Sinn. Auch kann es nötig sein, schon vor der Gefährdungsbeurteilung Schulungen durchzuführen, wenn Gegenstand der Schulung die Gestaltung, Durchführung und Zielsetzung der Gefährdungsbeurteilung ist.
Siehe auch: http://blog.psybel.de/arbeitsschutztraining-von-leitenden-angestellten/

Work Performance and Health Policies in Enterprises

http://www.pargema.de/files/ws2_par080922_nickkratzer_confrome_sept09_e7englisch.pdf

Nick Kratzer, ISF München
Work performance and health policies in enterprises – new areas for the cooperation
of direct and representative participation?
Paper for the Presentation in Workshop 2
“Direct and representative participation – conflicting relationship or co-ordination?
Third European Conference of the Work and Labour Network – “European Workplace Participation
Forum: New Ways to Effective Forms of Worker Participation”
24. bis 26. September 2008-03-18

Empirical studies show that these employee groups [white collar employees, especially high skilled white collar employees] are more and more under pressure; time stress, work load and psychological strains are increasing. At the same time, the chances of participation presently seem to dwindle rather than to grow, at least in the perception of a part of these employees. And there is also a clear indication that works councils find positive resonance by this group especially if the culture of individual participation and informal “self representation” is addressed and not only negative experiences and disappointments. Thus, “cooperation” between both concepts of participation will probably be the (only?) way to approach these groups of employees.

The problems of performance pressure as well as occupational health are clearly of increasing relevance, also in the perception of the employees themselves. And both problems can only be addressed by a combination of individual and collective participation. For as an effect of the new forms of “indirect”, so called participative work regulation and control, the employees have become essential actors of work design – a mere representation by an institution is neither favoured by the employees nor effective. And the chances for such a combination of individual and collective participation in these fields are also promoted by legal and institutional supports, as the law for occupational health and safety and the collective labour agreement ERA.
Moreover, the subjects of performance regulation and occupational health and safety are apt to “transport” central issues of interest articulation. Discussions about performance-linked payment can be turned into discussions about work and performance conditions in general, about the forms of work control and regulation, about leadership culture and personnel policy. And the question of psychological stress or an unbalanced work-life-relationship leads to questions about its causes and about participation in order to reduce them – and thus again to questions of performance regulation and control.
However, works councils often hesitate to take action. One reason is that these issues (and also this group of employees) are no familiar ground for them. But they also tend to interpret the notion of “participation” rather narrowly: sometimes participation is understood as a short-term involvement of employees in projects conducted by the works council. There is often no culture or structure of participation designed for permanence. Participation is – if at all – a project but not a process.

Arbeitsschutzmanagement

Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen (2005)
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Christopher Schlick
http://www.iaw.rwth-aachen.de/download/lehre/vorlesungen/2005-ws-aw3/skript_aw3_ws2005_druck_teil2.pdf, PDF S. 117 (in der PDF-Datei):


4.2 Veränderung des Verständnisses von ASGS
Mit der Verabschiedung des Arbeitsschutzgesetzes 1996 wurde ein traditionell ordnungsrechtlich geprägtes Leitbild der Gefahrabwendung um ein präventionsorientiertes Leitbild ergänzt. Diese Neuausrichtung zielt nicht nur auf die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ab, sondern bezieht auch Belastungen und Gefährdungen bei der Arbeit mit ein, welche unterhalb der unmittelbaren Schädigungsschwelle bleiben und erst langfristig wirken. Zugleich wurde auch das Verständnis von Gesundheit bei der Arbeit erweitert. Es bezieht neben der körperlichen Unversehrtheit auch gesundheitsrelevante psychische Faktoren, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit stehen, mit ein. In den letzen Jahren zeichnet sich der Trend zu einer umfassenden Integration des Arbeitsschutzes in die betrieblichen Aufbau- und Ablaufstrukturen ab.

(Hervorhebungen nachträglich eingefügt.
ASGS = Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz)

Verhältnisprävention wirksamer

http://gesundheitsmanagement.kenline.de/html/konzepte_zur_bewegungsfoerderung.htm

Konzepte gesundheitsförderlicher Arbeitsgestaltung:
Verhaltens- versus Verhältnisprävention
Gesundheitspräventive Maßnahmen können danach unterschieden werden, auf wen oder was sich diese beziehen:

  • Verhaltensprävention beruht auf der Annahme, dass jeder Mensch mit Hilfe seines eigenen Verhaltensrepertoires Krankheiten und Stress vorbeugen kann. Die Maßnahmen richten sich demnach mit einer zur Vermittlung geeigneter Präventionstechnik an den einzelnen Mitarbeiter, durch Angebote wie beispielsweise Kurse zu rückengerechtem Arbeiten, Entspannungs- und Fitnesstraining und Ernährungsberatung.
  • Durch die Maßnahmen der Verhältnisprävention wird andererseits versucht, die Ursachen von Krankheiten und Stress in der Arbeitssituation selbst zu beseitigen bzw. zu vermeiden. Es ist damit an Maßnahmen der Gestaltung von Arbeitsplätzen, Arbeitsaufgaben oder Arbeitsorganisation gekoppelt.

Die betriebliche Gesundheitsförderung wird meist mit Maßnahmen der Verhaltensprävention gleichgesetzt, ohne dabei eine Verhältnisprävention weiter in Betracht zu ziehen. Dies liegt vor allem daran, dass verhaltenspräventive Maßnahmen kostengünstiger erscheinen und in der Regel schneller umgesetzt werden können. Zum anderen bleibt damit die Verantwortung für die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden bei jedem Beschäftigtem selbst und die möglichen Ursachen im Unternehmen können ausgespart werden. Ein Problem der einseitig verhaltenspräventiven Maßnahmen ist, dass sie kompensatorisch ausgerichtet sind, wenn gesundheitsrelevante betriebliche Schwachstellen weiter bestehen. Die Verhältnisprävention als gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung, die an den Wurzeln gesundheitsrelevanter Probleme ansetzt, dürfte die wirksamere Form der Verbesserung sein, denn ihre Wirkung bietet mehr Aussicht auf Nachhaltigkeit. …

http://gesundheitsmanagement.kenline.de/html/gesundheitsfoerderung_im_unternehmen.htm

Gesundheitsförderung – Umsetzung im Unternehmen
Ernährungsseminare und Rückenschulen werden häufig in Unternehmen als ausschließliche Maßnahmen zur Gesundheitsförderung angesehen, allerdings kommt dabei die verhältnisbezogene Perspektive zu kurz. Werden in einem Unternehmen mehrere Rückenschulkurse durchgeführt, so besitzen die Mitarbeiter ein umfangreiches theoretisches Wissen über die Grundlagen der gesunden und damit physiologischen Haltung. Wenn nun aber die organisatorische Seite nicht für die entsprechenden Rahmenbedingungen sorgt, kann das theoretische Wissen der Mitarbeiter nicht erfolgreich umgesetzt werden, da dazu auch Änderungen am Arbeitsplatz jedes Einzelnen notwendig sind. Wenn das nicht beachtet wird, kann nicht von einer dauerhaft erfolgreichen Verhaltensänderung ausgegangen werden. Das zeigt die Notwendigkeit, dass Maßnahmen zur Gesundheitsförderung des Einzelnen an dessen Verhalten, an die Umgebungsbedingungen im Arbeitsumfeld und im Sinne der Worklife-Balance darüber hinaus ansetzen müssen.

Anmerkung: Die Bulletpoints und Hervorhebungen sind nicht im Originaltext von Ken Erdrich. Ich habe die Texte aus gesundheitsmanagement.kenline.de zitiert, einem sehr empfehlenswerten Webprojekt zum Thema “Betriebliche Gesundgeitsförderung”. Es geht um Web-Design, aber nicht nur im Optik, sondern auch um Inhalt. Das ist einmal etwas Anderes als der übliche Augenzucker in der Branche. Kompliment!

"Das Leben ist einfach wunderbar zu mir"

Maßnahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM), die mit Hilfe von Beratern definiert und implementiert werden, sind können keine Arbeitsschutzmaßnahmen sein, wenn ihnen keine Gefährdungsbeurteilung zugrunde liegt. Wichtig: Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen für eine solche Gefährdungsbeurteilung Prozesse und Kriterien vereinbart haben. Der Arbeitsschutz ist mitbestimmt durch die Arbeitnehmer. Er ist kein Nebenprodukt des Gesundheitsmanagements, sondern ein glaubwürdiges Gesundheitsmanagement muss auf Gefährdungsanalysen aufbauen. Das gilt nicht nur aus rechtlichen, sondern insbesondere auch aus logische nachvollziehbaren Gründen.
Fragen Sie potentielle Berater, ob sie zeigen können, wie sie die Erarbeitung einer Betriebsvereinbarung zur Gefährdungsbeurteilung mit Einbezug psychischer Belastungen in anderen Betrieben unterstützt haben. Lassen sie sich von anderen Betriebsräten über die Erfahrungen mit diesen Beratern berichten.
Motio ist ein typischer Berater im Bereich des BGM. Motio zufolge soll gelernt werden, Selbstverantwortung für die Erhaltung der eigenen Gesundheit zu übernehmen, aber für ein Gleichgewicht zwischen Verhaltensprävention und Verhältnisprävention wäre eben auch die Forderung notwendig, dass Unternehmen lernen müssen, Verantwortung für den Arbeitsschutz zu übernehmen. Das diese Forderung fehlt, mag an der Zielgruppe liegen, die Motio vorwiegend ansprechen will.
http://www.motio.de/Unsere_Kompetenzbereiche/
Betriebliches_Gesundheitsmanagement/Arbeitsplatzprogramme/
:


Ziele

  • Die Teilnehmer lernen ihre Belastungen zu managen und Selbstverantwortung für die Erhaltung ihrer Gesundheit zu übernehmen
  • Die Arbeitsplätze werden unter Einbeziehung der Mitarbeiter und unter Berücksichtigung des Kosten-Nutzen-Aspektes optimiert
  • Die Kommunikation unter den Teilnehmern verbessert sich deutlich
  • Die Leistungs- und Kooperationsbereitschaft wird erhöht

2011 Motio GmbH

 
Aus einer Besprechung des Buches “Burn-Out” der Motio-Geschäftsführerin Ilse Goldschmid und Claudia Fiedler: http://motio.de/AktuellesDownloads/ (2011-04):

Das Formulieren positiver Glaubenssätze wie „Das Leben ist einfach wunderbar zu mir“ oder „Das schaffe ich“, sowie bewusstes Nein-Sagen, sind gute Methoden einem Burn-out vorzubeugen. Aber auch ein optimiertes Zeitmanagement hilft, das Energie-Gleichgewicht aufrecht zuhalten. Die Autorinnen empfehlen: „Halten Sie regelmäßig inne und fragen Sie sich: Was ist wirklich wichtig in meinem Leben?“

Das ist nicht wirklich falsch, aber im Arbeitsschutz hilft das nicht viel weiter.
Mehr zur Orientierung von Motio finden sie in deren Newsletter-Archiv: http://motio.de/AktuellesDownloads/Newsletter-Archiv/
Klar in die Schublade der rein arbeitgeberorientierten Berater kann man Motio allerdings auch nicht stecken. So kritisiert dieser Berater beispielsweise den Vorschlag des DIHK (2005), die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu kürzen.
 
Schlüsselworte, die ich in Veröffentlichungen von Beratern suche, die ernsthaft Interesse am Arbeitsschutz haben:

  • psychische Belastung
  • Arbeitsschutz, Arbeitsschutzgesetz, Bildschirmarbeitsverordnung
  • Betriebsrat, Betriebsvereinbarung, Personalrat, Dienstvereinbarung
  • Mitbestimmung (“Einbeziehung” und “Mitwirkung” reicht nicht)
  • Gefährdungsbeurteilung, Unterweisung, Wirksamkeitskontrolle, Dokumentation
  • Eigenverantwortung bzw. Selbstverantwortung der Mitarbeiter, Verantwortung des Arbeitgebers
  • Verhaltensprävention, Verhältnisprävention

 

  • psychische Belastung

Centrum für Disease Management

http://www.cfdm.de/index.php?option=com_content&task=view&id=17&Itemid=31:
CFDM, TU München:

Über ein Viertel der Bevölkerung leidet im Laufe eines jeden Jahres an einer psychischen Erkrankung. Dazu zählen z.B. Depressionen, Burnout, Angsterkrankungen, Psychosen, Essstörungen und Suchterkrankungen. In Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen gehören psychische Erkrankungen inzwischen mit zu den häufigsten Ursachen für Fehltage der Mitarbeiter.
Die meisten Unternehmen stehen dieser Entwicklung unvorbereitet gegenüber. Führungskräfte sind für den Umgang mit psychisch kranken Mitarbeitern nicht ausreichend geschult, was zu zusätzlichen Belastungen und Konflikten und letztendlich zu einer Verschlechterung der Gesamtsituation führen kann.
Was können Unternehmen tun?
Erfahrungen aus anderen Ländern wie beispielsweise USA haben gezeigt, dass sich viele dieser Probleme vermeiden lassen, wenn man Vorgesetzte und Mitarbeiter über psychische Erkrankungen aufklärt und ihnen praktische Hilfestellungen für den Umgang mit psychisch kranken Mitarbeitern gibt.
Um dies zu ermöglichen, haben wir in enger Zusammenarbeit mit Unternehmen das Trainingsprogramm „Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz” entwickelt. Vorgesetzte, Betriebsräte, Mitarbeiter der Personalabteilung etc. bekommen hier in Workshops Hintergrundwissen über psychische Erkrankungen und praktische Hilfestellung für den Umgang mit psychisch erkrankten Mitarbeitern vermittelt.
Die Teilnehmer lernen in praktischen Übungen wie sie Schritt für Schritt vorgehen können, um Probleme im Zusammenhang mit psychischen Störungen am Arbeitsplatz zu lösen. So können sie später in jedem Einzelfall passende Lösungen erarbeiten und dazu beitragen, dass ein betroffener Mitarbeiter leistungsfähig bleibt
Unser Angebot für Unternehmen
Wir bieten Unternehmen deutschlandweit maßgeschneiderte Lösungen zum Thema „Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz” an.
Zum Beispiel Schulungen/Workshops:

  • E-Learning
  • Informationsmaterialien
  • Beratungsservice
  • Betriebsinterne Gesundheitskampagnen zum Thema „Psychische Gesundheit”

Langer Weg zur Betriebsvereinbarung

http://www.slidefinder.net/N/Nick_Kratzer_Fallbeispiel_Konsumelektronik_Ein/22993502 (bzw. http://www.pargema.de/files/par090621_konferenz2009_wsiii_konsumelektronik_e2.ppt)

PARGEMA – Partizipatives Gesundheitsmanagement

Meine kritische Haltung zum Gesundheitsmanagement gilt jenen Umsetzungen eines solchen Managements, die Mängel im Arbeitsschutz überdecken sollen. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Unternehmen ein Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement (BEM) einrichten wollen, sich aber dagegen sperren, zuvor den Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung zu vereinbaren.
Natürlich gibt es auch glaubwürdige Ansätze, z.B. PARGEMA.
http://www.pargema.de/:

PARGEMA ist ein öffentlich gefördertes Projekt mit der Laufzeit 06/2006 bis 11/2009, das gesundheitliche Gefährdungen im Zusammenhang mit neuen Organisations- und Steuerungsformen untersucht. Die Beschäftigten werden dabei als Experten ihrer eigenen Gesundheit ernst genommen, sie werden selbst zu aktiv Beteiligten. Es geht um dauerhafte Lösungen, die in den Betrieben weiterentwickelt werden können. Das ist PARtizipatives GEsundheitsMAnagement.

Siehe auch Nick Kratzers Präsentation Arbeit und Gesundheit in schwierigen Zeiten – Das Projekt PARGEMA: www.pargema.de/files/pargema_01_kratzer_eroeffnung.pdf

Wie aus dem Problem der Organisation ein Problem der Beschäftigten wird

  1. Schritt: Verschränkung von Unternehmens- und Beschäftigtenperspektive
    Arbeitsplatzverlust bei Misserfolg, Erfolgsbeteiligung, (interne) Konkurrenz, Koppelung von Entgelt und Leistung, Zielvereinbarungen, Motivierung …
  2. Schritt: Verschränkung von Fremd- und Selbststeuerung
    Hierarchieabbau, „partizipatives Management“, Transparenz über Prozesse und Kennzahlen, Controlling …
  3. Schritt: Verschränkung von Leistung und Leben
    „Entgrenzung“ der individuellen Potenziale und lebensweltlichen Ressourcen: Zeit, Motivation, Engagement, Verhältnis von Arbeit und Leben, Gesundheit …

In einer Veranstaltung zum Thema Arbeit und Gesundheit war Kratzers Antwort auf die Frage, warum Arbeit und Gesundheit in Konflikt geraten:

  • Weil die Unternehmen sich (selbst) systematisch überlasten und
  • die systematische Überlastung an die Beschäftigten weiterreichen

(Link in den Zitaten nachträglich eingefügt)
 
Das Projekt PARGEMA führt zu weiteren Ansprechpartnern:

8. Euroforum-Jahrestagung “Betriebliches Gesundheitsmanagement”

Auch im April 2011 werden Unternehmen im Rahmen einer Tagung soziales Engagement im “betrieblichen Gesundheitsmanagement” zeigen, in dem der vorgeschriebene Arbeitsschutz als Teilbereich kleiner gehalten werden kann. So kann, ohne direkt zu lügen, dargestellt werden, dass Unternehmen freiwillig über die gesetzlichen Forderungen hinausgehen. Wohl nicht ganz ohne Absicht lenkt das von dem Versagen der Mehrheit der Arbeitgeber ab, von den Arbeitnehmern mitbestimmt, psychisch wirksame Belastungen in die im Arbeitsschutz vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung und die Unterweisung einzubeziehen. Die Unternehmer fürchten den mitbestimmten Arbeitsschutz und versuchen es nun per Agenda Setting mit einer Umdeutung der Aufgabenstellung.
In der unten beschriebenen Veranstaltung spielen Betriebsärzte eine wichtige Rolle. Eine Anmerkung dazu: Auch manche Betriebsärzte geraten in Gefahr, beim Thema des mitbestimmten Arbeitsschutzes ihre Neutralität zu verlieren. Obwohl nach ArbMedVV eine vollständige Gefährdungsbeurteilung eine wichtige Grundlage ihrer Arbeit ist, soll es Ärzte geben, die sich gegen eine Betriebsvereinbarung aussprechen, in der solche Beurteilungen geregelt sind. Zur Erinnerung: Betriebsärzte haben keine Arbeitgeberfunktion! Verantwortlich für die Umsetzung des Arbeitsschutzes ist der Arbeitgeber. Es kann die Neutralität der Betriebsärzte beeinträchtigen, wenn der Arbeitsschutz als Teil des Gesundheitsmanagements an sie delegiert wird. Häufig werden (im Widerspruch zum Betriebsverfassungsgesetz) Betriebsräte bei der Übertragung von Arbeitsschutzaufgaben an den Betriebsarzt vor Tatsachen gestellt. Betriebsräte müssen lernen, schon beim Aufbau der Arbeitsschutzorganisation sehr aktiv mitzubestimmen. Das Recht dazu haben sie seit 1996.

http://www.innovations-report.de/html/berichte/veranstaltungen/roesler_weniger_fehlzeiten_gesundheitsmanagement_170494.html
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Rösler: Weniger Fehlzeiten durch Gesundheitsmanagement
Gesundheitsmanagement
05.04.2011 – 06.04.2011
8. Euroforum-Jahrestagung “Betriebliches Gesundheitsmanagement”
5. und 6. April 2011, Novotel Düsseldorf City-West
Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) ist in der Bundespolitik angekommen: Gesundheitsminister Philipp Rösler warb Ende 2010 für mehr präventive Maßnahmen in Unternehmen.

Da es einfach undenkbar ist, dass Unternehmer Schutzrechte missachten, ist nachvollziehbar, dass z.B. Ladendiebe strafrechtlich verfolgt werden, wer aber durch Missachtung des Arbeitsschutzes riskiert, dass Menschen verletzt werden, der wird freundlich umworben und mit Aussichten auf wirtschaftlichen Erfolg animiert, wenn er damit einverstanden ist, sich entgegenkommenderweise an die Vorschriften des ganzheitlichen Arbeitsschutzes zu halten.

“Betriebliche Gesundheitsförderung ist ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen”, sagte Rösler in Berlin. Er verwies auf Studien, wonach durch Gesundheitsmanagement Krankheitskosten und Fehlzeiten um mehr als 25 Prozent verringert werden können.
Auf der 8. Euroforum-Jahrestagung “Betriebliches Gesundheitsmanagement” (5. und 6. April 2011, Düsseldorf) sprechen unter dem Vorsitz von Prof. Bernhard Badura, Gesundheitswissenschaftler an der Universität Bielefeld, Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen über ihre Erfahrungen mit der Etablierung und dem Ausbau eines BGM-Systems.

Ich nehme an, dass sich hier ein Fehler in die Ankündigung eingeschlichen hat. Vermutlich wurde vergessen, die Teilnahme von Arbeitnehmern an dieser Veranstaltung zu erwähnen. Es kann ja nicht sein, dass an einer Veranstaltung über die Gesundheit von Arbeitnehmern keine Arbeitnehmer dabei sind.

Weg von Einzelmaßnahmen, hin zu ganzheitlichem System ThyssenKrupp Steel Europe verfolgt mit seinem Gesundheitsmanagement einen ganzheitlichen Ansatz. Der Stahlhersteller, der 2010 mit dem Corporate Health Award ausgezeichnet wurde, bezieht neben den Arbeitsbedingungen und dem Gesundheitsverhalten auch die Führung und die Unternehmenskultur mit ein. Führungskräfte werden durch Schulungen für die gesundheitlichen Belange ihrer Mitarbeiter sensibilisiert, Schichtarbeiter können sich zudem freiwillig medizinisch durchchecken lassen.

Hier wurde vermutlich ganz versehentlich vergessen, zu erwähnen, dass der Arbeitgeber nicht nur Führungskräfte zu schulen, sondern natürlich vor Allem die Mitarbeiter zu unterweisen hat. Eine Betriebsvereinbarung zur Unterweisung der Mitarbeiter bei Thyssen könnte hier vorgestellt werden, die vorschriftsgemäß den Mitarbeitern den Vorrang der Verhältnisprävention im Arbeitsschutz gegenüber der Verhaltensprävention erläutert. Ich nehme mal an, dass es bei Thyssen eine solche Betriebsvereinbarung gibt.

“Ein nachhaltiges und niedrigschwelliges Gesundheitsförderungsprogramm”, sagt Dr. Werner Mölders, leitender Betriebsarzt des Konzerns. Auf der Euroforum-Jahrestagung stellt er das BGM seines Unternehmens vor und zeigt, wie Firmen durch eine nachhaltige Präventionskultur ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern können.

Ein interessanter Nebeneffekt der BGM kann auch sein, dass die Vorschriften des ganzheitlichen Arbeitsschutzes eingehalten werden.

Auch der Deutsche Wetterdienst hat einzelne Gesundheitsmaßnahmen zu einem strukturierten System verknüpft. Wie die Organisation die bestehenden Ansätze für ihre bundesweit rund 2300 Mitarbeiter sinnvoll verbindet und dabei auf Effektivität prüft, berichtet Gerlinde Hemmerling. Barbara Wahl (Siemens AG) spricht über die Herausforderungen beim Aufbau eines globalen Gesundheitsmanagements.
Jeder fünfte Arbeitnehmer ist psychisch krank Bei jedem fünften Erwerbstätigen ist mittlerweile eine psychische Erkrankung diagnostiziert worden, so das Ergebnis einer aktuellen Studie der Techniker Krankenkasse (TK). Die Fehlzeiten aufgrund psychischer Störungen stiegen demnach in den letzten vier Jahren um 33 Prozent.
Die Commerzbank präsentiert auf der Jahrestagung Ergebnisse ihres Projekts “Im Lot – ausgeglichen bei der Arbeit” und zeigt, welche Maßnahmen sie daraus ableitet.

Wird hier vorgestellt, wie Banken mit der psychischen Belastung umgehen, die auf Mitarbeiter beim Verkauf von Finanzprodukten wirken? Es soll ja vorkommen, dass von den Mitarbeitern (“Beratern”) verlangt wird, z.B. bei der Alterssicherung von Bankkunden zuerst an die Bank zu denken und nicht so sehr an die Sicherung des Kunden.

Die Deutsche Telekom und der kommunale Energieversorger enercity berichten, wie sie psychische Belastungen in ihren Unternehmen erfassen und ihre Mitarbeiter vor arbeitsbedingtem Burnout schützen wollen.
Mitarbeiter zu BGM motivieren: Nicht alle Mitarbeiter lassen sich auf Gesundheitsprogramme ein, manche müssen besonders animiert werden.

Nicht alle Unternehmen lassen sich auf den gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsschutz ein, die große Mehrzahl muss wohl erst noch besonders animiert werden.

Die Gothaer Krankenversicherung setzt dafür auf mitarbeiterzentrierte und arbeitsplatznahe Konzepte. Dr. Volkmar Benner gibt einen Einblick in das BGM der Versicherung und spricht über Möglichkeiten, Mitarbeiter zur Teilnahme zu motivieren.
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Julia Batzing
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Julia Batzing | Quelle: Euroforum Deutschland SE
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