Belastung und Belastbarkeit

http://www.bad-gmbh.de/de/newsletter/newsletter_archiv/ausgabe_02_16.html#c17183

Unternehmer im Gespräch am 20. April
Die psychische Belastbarkeit von Beschäftigten ist durch Stress, Termindruck und ständige Erreichbarkeit stark gefordert, viele werden darüber krank. Das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) leistet in diesem Zusammenhang einen wichtigen Beitrag zur Gesunderhaltung von Mitarbeitern. Welche Aspekte BGM erfolgreich machen – in einer zunehmend digitalisierten und entgrenzten Arbeitswelt – stellen Experten praxisnah auf der Tagung „Unternehmer im Gespräch“ am 20. April in Wiesbaden vor.
Mit dieser Veranstaltungsreihe bietet die B·A·D GmbH eine Plattform zum Netzwerken und zum Austausch über aktuelle Aspekte aus dem Arbeits- und Gesundheitsschutz. Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft, Industrie und Forschung erörtern Fragen, die den unternehmerischen Erfolg prägen.

 
http://info.bad-gmbh.de/uig2016-wiesbaden

„Arbeitswelt 4.0“
Chancen und Herausforderungen im modernen Arbeits- und Gesundheitsschutz
Werte schaffen, Ressourcen nutzen, Produktivität steigern – das sind die Schwerpunktthemen des Business-Netzwerkes “Unternehmer im Gespräch”.
Die Welt der Arbeit befindet sich in einem stetigen Wandel. Während früher vornehmlich technische Probleme im Vordergrund standen, wirken sich heute hoher Termindruck, Stress, ständige Erreichbarkeit, Arbeitsklima u. a. in immer stärkerem Maße auf die psychische Belastbarkeit der Mitarbeiter aus.
Psychische Erkrankungen machen heute etwa 10 Prozent der Erkrankungen aus und zeigen die höchsten Steigerungsraten. Dazu kommt, dass Ausfallzeiten aufgrund psychischer Faktoren besonders langwierig sind.

 
Solche Seminare von B.A.D. gehören zu einem den verhältnispräventiven Arbeitsschutz schwächenden Agenda-Setting, dass den Fokus auf die Verantwortung der Unternehmen für eine Minderung arbeitsbedingter Fehlbelastungen auf die “Belastbarkeit” der Mitarbeiter umlenkt. Vergleichen Sie die beiden Sätze:

  • Die psychische Belastbarkeit von Beschäftigten ist durch Stress, Termindruck und ständige Erreichbarkeit stark gefordert, viele werden darüber krank.
  • In Gefährdungsbeurteilungen nicht vorschriftsmäßig erfasste psychische Fehlbelastungen wie zu hoher Stress, zu großer Termindruck und ständige Erreichbarkeit fordern die Beschäftigten stark, viele werden darüber krank.

oder

  • Während früher vornehmlich technische Probleme im Vordergrund standen, wirken sich heute hoher Termindruck, Stress, ständige Erreichbarkeit, Arbeitsklima u. a. in immer stärkerem Maße auf die psychische Belastbarkeit der Mitarbeiter aus.
  • Während früher vornehmlich technische Probleme im Vordergrund der Gefährdungsbeurteilungen standen, steigern heute nicht vorschriftsgemäß erfasste, beurteilte und dokumentierte Eigenschaften von Arbeitsplätzen wie Termindruck, Stress, ständige Erreichbarkeit, Arbeitsklima u. a. in immer stärkerem Maße die auf die Mitarbeiter wirkende psychische Belastung.
  • Noch immer missachtet die Mehrheit (derzeit etwa drei Viertel) der deutschen Unternehmen die Vorschriften des Arbeitsschutzes, und zwar vorsätzlich, denn heute sind den Unternehmern ihre Pflichten im Arbeitsschutz genügend bekannt. Es gibt hier keine Entschuldigungen mehr. B.A.D. sollte sich ersteinmal darauf konzentrieren, den Unternehmer zu helfen, ihre Hausaufgaben bei der Minderung arbeitsbedingter psychischer Fehlbelastungen machen, bevor sie sich jener Belastbarkeit der Mitarbeiter zuwenden, die für die Bewältigung der zulässigen Arbeitsbelastung erforderlich ist.
    Bisher hatten psychische Erkrankungen den Vorteil für Unternehmen, dass sie nur in wenigen Fällen auf arbeitsbedingte psychische Fehlbelastungen zurückgeführt werden konnten, zumal auch die Untersuchung solcher Fehlbelastungen so gestaltet werden kann, dass sie Mitarbeiter zusätzlich unter Druck setzt. Gerade psychisch erkrankte Mitarbeiter möchten sich einem solchen Druck nicht aussetzen. Entsprechend schlecht ist die Beweislage für die Mitarbeiter und entsprechend günstig ist sie für die Unternehmer.

Gesundheitstraining für Azubis

Die Motio GmbH berät Arbeitgeber gerne über die nachhaltige Verankerung von “Gesundheitsthemen im komplexen politischen Umfeld einer Organisation”. Hilfe bietet Motio den Unternehmen auch dabei, im Arbeitschutz die Agenda zu bestimmen. Dazu gehören auch Trainings von Mitarbeitern und Azubis.
http://www.motio.de/index.php?id=79

Programme für Auszubildende 
[…] Das Motio-Azubi-Programm unterstützt die Auszubildenden, die eigenen Ressourcen zielgerichtet einzusetzen, um mit arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren und privaten Risikofaktoren sinnvoll umzugehen. Der Eintritt in das Berufsleben stellt dafür einen optimalen Zeitpunkt dar, weil sich negative Verhaltensmuster noch nicht durch jahrelange Praxis automatisiert haben. […]

Gegen arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren hat zunächst der Arbeitgeber eigene Ressourcen zielgerichtet einzusetzen. Das sollte inzwischen doch klar sein.
Hinsichtlich negativer Verhaltensmuster im Arbeits- und Gesundheitsschutz mag man vielleicht die Vergangenheit ruhen lassen wollen. Konzentrieren wir uns auf die Zukunft. Gut gemeint, aber leider geht das nicht, wenn sich die negativen Verhaltensmuster der Arbeitgeber in der Gegenwart fortsetzen, zum Beispiel der Fokus auf negative Verhaltensmuster der Arbeitnehmer.
Zum Training: Nehmen wir einmal an, dass sich ein Unternehmen aufbauend auf dem Motio-Konzept ein eigenes Pflicht-Training für Azubis entwickelt. Das Training der Azubis widmet sich zum größeren Teil den privaten Risikofaktoren und zum viel kleineren Teil den arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren. Bei beiden Teilen dominiert die Verhaltensprävention; der ohnehin schon magere verhältnispräventive Teil wurde noch weiter verschlankt. Gegenüber dem Betriebsrat wird dargestellt, dass das Training keine Arbeitsschutzmaßnahme sei, damit der Betriebsrat nicht nach § 89 BetrVG mitbestimmt, z.B. bei der inhaltlichen Gestaltung und Durchführung des Trainings. Als Arbeitsschutzthema bleibt nur noch “Arbeitsplatzbeurteilung” übrig. Das wird in weniger als 5% der Gesamtdauer des Trainings abgehandelt.
Zum Schluss sollen die Azubis einen Fragebogen anonym ausfüllen. Der erste Block enthält Fragen, in denen die Azubis subjektiv bewerten können, ob ihnen das Training weitergeholfen hat, Arbeitsplätze beurteilen zu können. Jedoch werden sie nicht gefragt, ob ihnen das Training weitergeholfen hat, mit privaten Risikofaktoren sinnvoll umzugehen. Das stimmt doch etwas nicht:

  • Training:
    95% Verhaltensprävention, 5% Verhältnisprävention
  • Fragen nach subjektiv eingeschätztem Lernerfolg:
    0% Verhaltensprävention, 100% Verhältnisprävention

Offensichtlich dient der Fragebogen gar nicht dazu, festzustellen, ob der Hauptgegenstand des Trainings von den Azubis verstanden wurde. Soll der Fragebogen dem Unternehmer, der das Training durchführt, eben doch der Erhöhung der Rechtssicherheit im Arbeitsschutz dienen, aber ohne lästige Mitbestimmung? Soll mit dem Fragebogen nach Umgehung der Mitbestimmung gegenüber der behördlichen Aufsicht doch vorgezeigt werden können, dass den Azubis im Arbeitsschutzgesetz gefordertes Wissen vermittelt wurde? Ohne Mitbestimmung kann es aber passieren, dass die Azubis bei der Arbeitsplatzbeurteilung vorwiegend lernen, wie sie ihren “Arbeitsplatz” selbst aufräumen sollen. In nicht mitbestimmt gestalteten Unterweisungen wird zu leicht “vergessen”, den Mitarbeitern zu vermitteln, für welche Gefährdungsminderungen der Arbeitgeber verantwortlich ist und dass auch die mentale Arbeitsbelastung zu beurteilen ist.
Die Firma Motio wird übrigens immer gerne von der SBK empfohlen. Es ist für Motio-Mitarbeiter, die zur SBK wechseln und dort Unternehmen (nicht nur Siemens) betreuen, sicherlich nicht einfach, bei der Empfehlung von Gesundheitsdienstleistern an diese Unternehmen neutral zu bleiben.

Institut zur Zukunft der Arbeit

Im September 2013 forderte Prof. Dr. Klaus Zimmermann, Direktor des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), die Redaktion der Blätter für Deutsche und internationale Politik sowie den Autor Werner Rügemer auf, folgende Aussagen zu unterlassen:

  • „faktenwidrig bezeichnet sich das Institut als »unabhängig«“
  • „Von »freier Wissenschaft« kann hier allerdings beim besten Willen nicht gesprochen werden“
  • das IZA betreibt Lobbying
  • (durch eine bestimmte Berichterstattung) den Eindruck zu erwecken, dass das IZA nicht über ihre private Finanzierung informiere.

Quelle (zum Weiterlesen empfohlen): http://www.nachdenkseiten.de/?p=21447
Dank der Aufforderung des IZA wurde ich auf Werner Rügemers Artikel aufmerksam. Der Titel des Artikels ist „Die unterwanderte Demokratie – Der Marsch der Lobbyisten durch die Institutionen“. Darin hat der Verlag leider nicht angegeben, wo er mit Streichung von Textstellen den Forderungen des IZA nachgekommen ist.
Rügemer selbst kam den Forderungen nicht nach. Deswegen gibt es einen Verhandlungstermin: 2014-05-09, 11 Uhr. Die Verhandlung soll in der Pressekammer des Landgerichts Hamburg stattfinden. In Rolf Schälikes aktionskünstlerischer „Bukeismus“-Website findet man auch das Aktenzeichen: Az. 324 O 19/14.
Agenda-setting: Nach meinem Eindruck versucht das Institut tatsächlich, Politik zu beeinflussen, z.B. mit den IZA-Standpunkten. Beispiel (IZA Standpunkte Nr. 56, Reflektionen zur Zukunft der Arbeit, Klaus F. Zimmermann, 2013, http://ftp.iza.org/sp56.pdf):

[…] Es wäre deshalb falsch, an dieser Stelle nur die Nachteile in Form eines zweifellos komplexer werdenden Erwerbslebens zu sehen und somit neuen politischen Regulierungsbedarf in Sachen Arbeitnehmerschutz zufordern. Unsere Ansprüche an den eigenen persönlichen Nutzen lassen sich ebensowenig wieder „zurückdrehen“ wie wir die Hoffnung nähren sollten, dass die allgegenwärtigen globalen Wettbewerbsbedingungen und die daraus entstehenden Flexibilisierungsnotwendigkeiten jemals wieder „verschwinden“ werden. […]

Agenda-Setting bei der INQA

http://www.inqa.de/DE/Mitmachen-Die-Initiative/Unser-Netzwerk/Gremien-Koepfe/Themenbotschafter/Themenbotschafter.html

Themenbotschafter 
Für die Weiterentwicklung der Themenfelder engagieren sich vier erfahrene Expertinnen und Experten.
[Gruppenfoto der Themenbotschafter mit Bundesministerin von der Leyen (Thomas Sattelberger, Natalie Lotzmann, Ursula von der Leyen, Jutta Rump, Rudolf Kast)]
Mit den Themen

  • Personalführung,
  • Chancengleichheit & Diversity,
  • Gesundheit und
  • Wissen & Kompetenz

hat die Initiative vier zentrale personalpolitische Handlungsfelder identifiziert, die ein wettbewerbsfähiges Unternehmen der Zukunft auszeichnen. Die strategischen Themenfelder werden durch vier unabhängige Themenbotschafterinnen und Themenbotschafter repräsentiert, die ihre Expertise in die Arbeit der Initiative einbringen und die Initiative in der Öffentlichkeit vertreten. Mit ihrer langjährigen Praxiserfahrung in den jeweiligen Themenfeldern sorgen die vier Themenbotschafter/innen für neue Impulse im Steuerkreis und geben wertvolle Anregungen für die Unternehmenspraxis.
Als Themenbotschafterinnen und Themenbotschafter engagieren sich:

  • Thomas Sattelberger, ehemals Vorstand Personal und Arbeitsdirektor, Deutsche Telekom AG (Themenfeld Personalführung
  • Prof. Dr. Jutta Rump, Leiterin des Instituts für Beschäftigung und Employability IBE an der Hochschule Ludwigshafen (Themenfeld Chancengleichheit & Diversity)
  • Dr. Natalie Lotzmann, Leitung Globales Gesundheitsmanagement, SAP AG (Themenfeld Gesundheit)
  • Rudolf Kast, Vorstandsvorsitzender des Demographie-Netzwerks (ddn) (Themenfeld Wissen & Kompetenz)

(kleine Layoutänderung um Zitat)
Die Auswahl der vier Themenbotschafter erscheint mir als etwas einseitig.
Natalie Lotzman fragt:

Wie ist also das optimale Zusammenspiel zwischen betrieblicher Förderung (Bereitstellung von Möglichkeiten) und individueller Eigenverantwortung in Abhängigkeit von Branche, Größe und Kultur konkret gestaltbar?

Das ist das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) bzw. die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) ohne Arbeits- und Gesundheitschutz, also ein inzwischen eher unüberraschender Ansatz der Gesundheitsmanager. “Betriebliche Förderung (Bereitstellung von Möglichkeiten)” reicht aber als Leistung des Arbeitgebers nicht aus. Natalie Lotzman erwähnt nicht, dass der Arbeitgeber nicht nur Möglichkeiten anbieten kann, sondern im Arbeits- und Gesundheitsschutz Strukturen zu schaffen hat, die effektiv die Gesundheit schützen. Es geht um das optimale Zusammenspiel zwischen

  • unternehmerischer Verantwortung für die vorgeschriebene und vom Unternehmer bezahlte Verhältnisprävention im Arbeits- und Gesundheitsschutz einerseits und
  • Eigenverantwortung der Mitarbeiter bei der verhaltenspräventiven und von ihnen teilweise selbst bezahlten Erhaltung ihrer Gesundheit (ggf. mit Nutzung freiwilliger Angebote der Arbeitgeber) andererseits.

B·A·D macht verwirrende Angaben

Zur nach dem PAS-Verfahren erstellten DIN SPEC 91020 “Betriebliches Gesundheitsmanagement”
http://www.bgm.info/bgm_kampagne/zertifizierungsinitiative_bgm.html

… Das DIN sorgte weiter dafür, dass die bereits am Markt existierenden BGM-Systeme weitestgehend in der neuen finden und alle an dem Thema interessierten Kreise in den Erarbeitungsprozess eingebunden wurden. …

… Neben den konsensbasierte Normen bietet das DIN die Erarbeitung von Spezifikationen. Diese ermöglichen in Zeiten immer kürzerer Innovationszyklen, zusammenwachsender Technologien und globalen Wettbewerbs eine schnelle Veröffentlichung von Standards. Aufgrund des nicht zwingend erforderlichen Konsenses können DIN SPEC schneller im Markt erprobt und angewandt werden und so die Effektivität des Wissenstransfers nachhaltig steigern. …

Wieso sorgt dass DIN dafür, dass bei einer DIN SPEC alle an dem Thema interessierten Kreise in den Erarbeitungsprozess eingebunden wurden, wo doch der Vorteil der DIN SPEC darin liegt, keinen Konsens zu benötigen? Wenn das DIN für Konsens sorgen soll, dann hätte man doch gleich eine reguläre DIN-Norm erarbeiten können. Außerdem hat das DIN nicht für Konsens gesorgt, denn die Arbeitnehmer und ihre Vertreter (z.B. Gewerkschaften) fehlten.
Bereits am Markt existierenden BGM-Systeme (http://www.proproduction.de/pdf_firmenpraesentation_12_07_12.pdf, S. 17):
• SCOHS – Social Capital and Occupational Health Standard
• B·A·D Entwurf für ein Betriebliches Gesundheitsmanagement
• Kriterienkatalog des TÜV Nord
• Entwurf der DQS

Zu B·A·D: http://www.bad-gmbh.de/de/presse/pressemeldungen/meldung/artikel/rekordumsatz-fuer-die-bonner-bad-gruppe-1717-millionen-euro.html
 


Zur DIN SPEC 91020 fand ich auf S. 22 und S. 23 von http://www.concada.de/filestore/154/concadaseminare201347.pdf zwei Seminare von Concada, die für das Jahr 2013 vorgesehen sind:

  • Ausbildung zum Auditor für Betriebliches Gesundheitsmanagement – Spezielle BGM Kenntnisse nach DIN SPEC 91020 (V4120 und V4120)
  • Ausbildung zum Auditor für Betriebliches Gesundheitsmanagement – Spezielle AMS Kenntnisse nach DIN SPEC 91020 (V4341)

Das zweite Seminar wendet die DIN SPEC 91020 auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz an. Das geht zu weit, denn für diese Bereiche des Arbeitnehmerschutzes hätte das DIN einen Vorschlag für einen PAS-Standard grundsätzlich abgelehnt. Was beabsichtigt Concada (ein Tochterunternehmen von B·A·D) mit solch einem Vorgehen?
http://www.concada.de/app/seminar/detail/1882/V4341_Ausbildung_zum_Auditor_fuer_Betriebliches_Gesundheitsmanagement_-_Spezielle_AMS_Kenntnisse_nach_DIN_SPEC_91020 und http://www.concada.de/files/bgmauditoramskenntnisse2013.pdf (2012-09-26)

Ausbildung zum Auditor für Betriebliches Gesundheitsmanagement – Spezielle AMS Kenntnisse nach DIN SPEC 91020
Seminarbeschreibung:
Basierend auf der neuen DIN SPEC 91020 „Betriebliches Gesundheits-management“ werden im Rahmen dieses Lehrgangs die angehenden BGM Auditoren hinsichtlich der speziellen Arbeitsschutzmanagement-system- (AMS-) Kenntnisse geschult. Dabei werden neben der Vorstellung der relevanten rechtlichen Forderungen die wesentlichen Prozesse im Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie relevante Analyseinstrumente und Kennzahlensysteme erläutert und besprochen. Ein weiterer Schwerpunkt des Seminars liegt auf der Unter-nehmensführung und Prozesslenkung unter Arbeits- und Gesundheits-schutzbezug.
Themenschwerpunkte

  • Aneignung von Kenntnissen in den Arbeits- und Gesundheitsschutz relevanten nationalen Normen, Gesetzen und Vorschriften
  • Unternehmensführung und Prozesslenkung unter Arbeits- und Gesundheitsschutzbezug
  • Basisprozesse im Arbeits- und Gesundheitsschutz
  • Kenntnisse zu Arbeits- und Gesundheitsschutz – relevante Analyseinstrumente und Kennzahlensysteme
  • Weitere ausgewählte Unternehmensprozesse mit besonderer Arbeits- und Gesundheitsschutzrelevanz


Referenten: Mitarbeiter der B•A•D Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH

(Die concada GmbH ist ein Tochterunternehmen der B·A·D Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH)
In der oben stehende Seminarbeschreibung wird der Eindruck erweckt, es gäbe “spezielle AMS Kenntnisse nach DIN SPEC 91020”. Aber es wird nicht klargestellt, dass die DIN SPEC 91020 unter der Voraussetzung erarbeitet wurde, dass sie keine Aspekte des Arbeits- und Gesundheitsschutzes enthält. Das DIN stellt nämlich klar:

Ausgangspunkt für die Erarbeitung einer DIN SPEC (PAS) ist eine Anfrage durch eine Person, Organisation oder einen Normenausschuss an den Bereich Innovation (I) des DIN. Die Initiierung des Projektes erfolgt somit durch den Kunden (Initiator). Eine Anfrage, die Aspekte des Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Brandschutzes enthält, wird vom DIN grundsätzlich abgelehnt. 

Ministerium hilft Arbeitgebern bei der Prioritätenverwirrung

http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsschutz/Meldungen/Fachtagung-Gesundheit-Erfolgsfaktor-Arbeitswelt-VW.html (zur bundesweiten Fachtagung “Erfolgsfaktor Gesundheit: Gesundheit in einer sich wandelnden Arbeitswelt” am 9. und 10. Mai 2012 im MobileLifeCampus in Wolfsburg):

… Bei Volkswagen wird Gesundheitsmanagement groß geschrieben. Mit einem freiwilligen Gesundheits-Checkup ermöglicht das Unternehmen jedem Mitarbeiter eine einstündige kostenlose Untersuchung zur Früherkennung gesundheitlicher Risiken. ,,Dieses Angebot wird sehr stark angenommen: Mehr als 74.000 Mitarbeiter im Konzern haben sich schon untersuchen lassen”, so Volkswagen Personalvorstand Dr. Neumann. …

Von der Leyens Ministerium hilft der Industrie offensichtlich gerne beim Agendasetting: Herausgestellt wird die Untersuchung von Mitarbeitern. Das ist verkehrt. Dr. Neuman weiß, dass die Untersuchung der Arbeitsplätze Primärprävention ist. Das heißt, dass sie Vorrang vor der Untersuchung von individuellen Personen hat. Warum stellt er die durchaus vorhandenen Leistungen von VW im Arbeitsschutz nicht heraus?
Es geht ja nicht darum, die Arbeitgeber alleine für die Gesundheit der bei ihnen beschäftigten Menschen veranwortlich zu machen. Genau so falsch ist es aber, die individuelle Verfasstheit von Arbeitnehmern in den Vordergrund zu stellen. Im “Gesundheitsmanagement” rücken die Arbeitgeber diesen Menschen gerne mit individuellen Untersuchungen zu Leibe, und das Bundesarbeitsministerium hilft den Arbeitgebern auch noch dabei, die Prioritäten verkehrt darzustellen.
In einer demokratisch beschlossenen Norm vorgeschrieben (aber missachtet von der Mehrheit der Arbeitgeber) ist, dass die an den Arbeitsbedingungen ansetzende Verhältnisprävention Vorrang vor der am Individuum ansetzenden Verhaltensprävention hat. Die Arbeitsministerin und der Personalvorstand von VW wissen das. Dass sie die Prioritäten verkehren ist also kein Versehen mehr.

Die drei Selektionen von Wissenschaft

Es geht um die interessengesteuerte Selektion von Resultaten wissenschaftlicher Forschung:

  • Vorselektion
  • Nachselektion
  • Wegselektion

 

Vorselektion

Zwar fand ich beim Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (kurz ZAAR) in München keine Veröffentlichungen zum Thema der psychischen Belastungen, aber das Institut zeigt, wie die Wirtschaft Wissenschaft beeinflusst. Der Stand der Wissenschaft ist bei der Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes (ausfüllungsbedürftiges Rahmengesetz) ein wichtiges Kriterium. Achten Sie beim Hinzuziehen wissenschaftlicher Sachverständiger darauf, von wem und unter welchen Bedingungen deren Forschung finanziert wird.
Dabei ist es nicht so, dass sich die Arbeitgeber Forschungsergebnisse kaufen. Das ZAAR ist tatsächlich unabhängig. Aber die Glaubensrichtung der Wissenschaftler muss stimmen:
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=a2&dig=2011%2F07%2F02%2Fa0034&cHash=bcc251bf29


Der Vertrag [mit einer Siftung der Arbeitgeber] sieht ein “koordiniertes Berufungsverfahren” vor, bei dem zunächst die Hochschule nach ihren Regeln Arbeitsrechtsprofessoren beruft. Die Professoren werden dann sofort beurlaubt und gewissermaßen als Leiharbeiter an die Stiftung weitergereicht, die sie wieder anstellt. Zu welchen Konditionen, darüber verhandelt der Kandidat allerdings ausschließlich mit dem Stiftungsrat. Weitergedacht heißt das: Selbst wenn die Universität der abwegigen Idee verfallen sollte, einen arbeitnehmerfreundlichen Professor zu berufen, könnten die Stifter ihm die Stelle mit einem unattraktiven Vertrag madig machen. “Es wurden natürlich von vornherein nur Leute berufen, die der Arbeitgeberseite nahestehen”, sagt der Arbeitsrechtsprofessor Wolfgang Däubler von der Universität Bremen.
Das Ergebnis ist also ähnlich wie bei den theologischen Fakultäten – auch dort darf als Professor nur arbeiten, wer sich eindeutig zum entsprechenden Glaubenssystem bekennt. …

(Bernd Kramer, Abhängig Beschäftigt – LOBBYISMUS: Arbeitgeberverbände leisten sich für 55 Millionen Euro deri Lehrstühle an der Universität München, die tageszeitung, 2011-07-02, S. 30)
Wie unabhängig und überparteilich das ZAAR ist, bestimmt, wer es finanziert.
Volker Rieble ist Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in  München. Er wird gerne von der Süddeutschen Zeitung zitiert. Sein An-Institut wird direkt von den Arbeitgeberverbänden der bayerischen und baden-württembergischen Metallindustrie sowie der Bundesarbeitgeberverband Chemie finanziert. Mit einem Stiftungsvermögen von 55 Millionen Euro ausgestattet, entstand im Jahr 2004 das ZAAR an der LMU. Zwei weitere Professuren beim ZAAR haben Andrea Angleitner und Abbo Junker.

 

Nachselektion

Neben der Vorselektion der “richtigen” Wissenschaftler gibt es noch die Nachselektion der “richtigen” Forschungsergebnisse:

… Wie stark die Wissenschaft dabei geknebelt werden kann, zeigt das Beispiel zweier Berliner Universitäten, die sich in einem Vertrag mit der Deutschen Bank sogar verpflichteten, Forschungsveröffentlichungen vorab abzustimmen. …

(TAZ, ebd.)
 

Wegselektion

Der Dritte Weg ist der brutalste: Unerwünschter Wissenschaft wird der Geldhahn zugedreht. Es fällt in diesem Zusammenhang auf, dass ausgerechnet in einer Zeit steigender Aufmerksamkeit für organisationspsychologische Fragestellen die Forschung dazu an der Universität Oldenburg einfach dichtgemacht wurde. Da dort bei Friedhelm Nachreiner anscheinend weder Vor- noch Nachselektion funktionierte, blieb wohl nur noch die Wegselektion: Die Uni Oldenburg entfernte seinen Lehrstuhl. Daneben wurde in Lüneburg eine den Niedersachsen genehmere Forschung aufgebaut.

8. Euroforum-Jahrestagung “Betriebliches Gesundheitsmanagement”

Auch im April 2011 werden Unternehmen im Rahmen einer Tagung soziales Engagement im “betrieblichen Gesundheitsmanagement” zeigen, in dem der vorgeschriebene Arbeitsschutz als Teilbereich kleiner gehalten werden kann. So kann, ohne direkt zu lügen, dargestellt werden, dass Unternehmen freiwillig über die gesetzlichen Forderungen hinausgehen. Wohl nicht ganz ohne Absicht lenkt das von dem Versagen der Mehrheit der Arbeitgeber ab, von den Arbeitnehmern mitbestimmt, psychisch wirksame Belastungen in die im Arbeitsschutz vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung und die Unterweisung einzubeziehen. Die Unternehmer fürchten den mitbestimmten Arbeitsschutz und versuchen es nun per Agenda Setting mit einer Umdeutung der Aufgabenstellung.
In der unten beschriebenen Veranstaltung spielen Betriebsärzte eine wichtige Rolle. Eine Anmerkung dazu: Auch manche Betriebsärzte geraten in Gefahr, beim Thema des mitbestimmten Arbeitsschutzes ihre Neutralität zu verlieren. Obwohl nach ArbMedVV eine vollständige Gefährdungsbeurteilung eine wichtige Grundlage ihrer Arbeit ist, soll es Ärzte geben, die sich gegen eine Betriebsvereinbarung aussprechen, in der solche Beurteilungen geregelt sind. Zur Erinnerung: Betriebsärzte haben keine Arbeitgeberfunktion! Verantwortlich für die Umsetzung des Arbeitsschutzes ist der Arbeitgeber. Es kann die Neutralität der Betriebsärzte beeinträchtigen, wenn der Arbeitsschutz als Teil des Gesundheitsmanagements an sie delegiert wird. Häufig werden (im Widerspruch zum Betriebsverfassungsgesetz) Betriebsräte bei der Übertragung von Arbeitsschutzaufgaben an den Betriebsarzt vor Tatsachen gestellt. Betriebsräte müssen lernen, schon beim Aufbau der Arbeitsschutzorganisation sehr aktiv mitzubestimmen. Das Recht dazu haben sie seit 1996.

http://www.innovations-report.de/html/berichte/veranstaltungen/roesler_weniger_fehlzeiten_gesundheitsmanagement_170494.html
:

Rösler: Weniger Fehlzeiten durch Gesundheitsmanagement
Gesundheitsmanagement
05.04.2011 – 06.04.2011
8. Euroforum-Jahrestagung “Betriebliches Gesundheitsmanagement”
5. und 6. April 2011, Novotel Düsseldorf City-West
Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) ist in der Bundespolitik angekommen: Gesundheitsminister Philipp Rösler warb Ende 2010 für mehr präventive Maßnahmen in Unternehmen.

Da es einfach undenkbar ist, dass Unternehmer Schutzrechte missachten, ist nachvollziehbar, dass z.B. Ladendiebe strafrechtlich verfolgt werden, wer aber durch Missachtung des Arbeitsschutzes riskiert, dass Menschen verletzt werden, der wird freundlich umworben und mit Aussichten auf wirtschaftlichen Erfolg animiert, wenn er damit einverstanden ist, sich entgegenkommenderweise an die Vorschriften des ganzheitlichen Arbeitsschutzes zu halten.

“Betriebliche Gesundheitsförderung ist ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen”, sagte Rösler in Berlin. Er verwies auf Studien, wonach durch Gesundheitsmanagement Krankheitskosten und Fehlzeiten um mehr als 25 Prozent verringert werden können.
Auf der 8. Euroforum-Jahrestagung “Betriebliches Gesundheitsmanagement” (5. und 6. April 2011, Düsseldorf) sprechen unter dem Vorsitz von Prof. Bernhard Badura, Gesundheitswissenschaftler an der Universität Bielefeld, Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen über ihre Erfahrungen mit der Etablierung und dem Ausbau eines BGM-Systems.

Ich nehme an, dass sich hier ein Fehler in die Ankündigung eingeschlichen hat. Vermutlich wurde vergessen, die Teilnahme von Arbeitnehmern an dieser Veranstaltung zu erwähnen. Es kann ja nicht sein, dass an einer Veranstaltung über die Gesundheit von Arbeitnehmern keine Arbeitnehmer dabei sind.

Weg von Einzelmaßnahmen, hin zu ganzheitlichem System ThyssenKrupp Steel Europe verfolgt mit seinem Gesundheitsmanagement einen ganzheitlichen Ansatz. Der Stahlhersteller, der 2010 mit dem Corporate Health Award ausgezeichnet wurde, bezieht neben den Arbeitsbedingungen und dem Gesundheitsverhalten auch die Führung und die Unternehmenskultur mit ein. Führungskräfte werden durch Schulungen für die gesundheitlichen Belange ihrer Mitarbeiter sensibilisiert, Schichtarbeiter können sich zudem freiwillig medizinisch durchchecken lassen.

Hier wurde vermutlich ganz versehentlich vergessen, zu erwähnen, dass der Arbeitgeber nicht nur Führungskräfte zu schulen, sondern natürlich vor Allem die Mitarbeiter zu unterweisen hat. Eine Betriebsvereinbarung zur Unterweisung der Mitarbeiter bei Thyssen könnte hier vorgestellt werden, die vorschriftsgemäß den Mitarbeitern den Vorrang der Verhältnisprävention im Arbeitsschutz gegenüber der Verhaltensprävention erläutert. Ich nehme mal an, dass es bei Thyssen eine solche Betriebsvereinbarung gibt.

“Ein nachhaltiges und niedrigschwelliges Gesundheitsförderungsprogramm”, sagt Dr. Werner Mölders, leitender Betriebsarzt des Konzerns. Auf der Euroforum-Jahrestagung stellt er das BGM seines Unternehmens vor und zeigt, wie Firmen durch eine nachhaltige Präventionskultur ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern können.

Ein interessanter Nebeneffekt der BGM kann auch sein, dass die Vorschriften des ganzheitlichen Arbeitsschutzes eingehalten werden.

Auch der Deutsche Wetterdienst hat einzelne Gesundheitsmaßnahmen zu einem strukturierten System verknüpft. Wie die Organisation die bestehenden Ansätze für ihre bundesweit rund 2300 Mitarbeiter sinnvoll verbindet und dabei auf Effektivität prüft, berichtet Gerlinde Hemmerling. Barbara Wahl (Siemens AG) spricht über die Herausforderungen beim Aufbau eines globalen Gesundheitsmanagements.
Jeder fünfte Arbeitnehmer ist psychisch krank Bei jedem fünften Erwerbstätigen ist mittlerweile eine psychische Erkrankung diagnostiziert worden, so das Ergebnis einer aktuellen Studie der Techniker Krankenkasse (TK). Die Fehlzeiten aufgrund psychischer Störungen stiegen demnach in den letzten vier Jahren um 33 Prozent.
Die Commerzbank präsentiert auf der Jahrestagung Ergebnisse ihres Projekts “Im Lot – ausgeglichen bei der Arbeit” und zeigt, welche Maßnahmen sie daraus ableitet.

Wird hier vorgestellt, wie Banken mit der psychischen Belastung umgehen, die auf Mitarbeiter beim Verkauf von Finanzprodukten wirken? Es soll ja vorkommen, dass von den Mitarbeitern (“Beratern”) verlangt wird, z.B. bei der Alterssicherung von Bankkunden zuerst an die Bank zu denken und nicht so sehr an die Sicherung des Kunden.

Die Deutsche Telekom und der kommunale Energieversorger enercity berichten, wie sie psychische Belastungen in ihren Unternehmen erfassen und ihre Mitarbeiter vor arbeitsbedingtem Burnout schützen wollen.
Mitarbeiter zu BGM motivieren: Nicht alle Mitarbeiter lassen sich auf Gesundheitsprogramme ein, manche müssen besonders animiert werden.

Nicht alle Unternehmen lassen sich auf den gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsschutz ein, die große Mehrzahl muss wohl erst noch besonders animiert werden.

Die Gothaer Krankenversicherung setzt dafür auf mitarbeiterzentrierte und arbeitsplatznahe Konzepte. Dr. Volkmar Benner gibt einen Einblick in das BGM der Versicherung und spricht über Möglichkeiten, Mitarbeiter zur Teilnahme zu motivieren.
Pressekontakt:
Julia Batzing
Euroforum Deutschland SE
Prinzenallee 3
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Telefon: +49 (0)2 11/ 96 86 – 33 81
Telefax: +49 (0)2 11/ 96 86 – 43 89
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EUROFORUM steht in Europa für hochwertige Kongresse, Seminare und Workshops. Ausgewählte, praxiserfahrene Referenten berichten zu aktuellen Themen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung. Darüber hinaus bieten wir Führungskräften ein erstklassiges Forum für Informations- und Erfahrungsaustausch. Unsere Muttergesellschaft, die Informa plc, ist ein in London börsennotiertes Medienunternehmen und erzielte in 2009 einen Umsatz von 1,2 Mrd. GBP. Informa beschäftigt über 8.000 Mitarbeiter an 150 Standorten in mehr als 40 Ländern. Mit 55.000 Büchern und über 2.100 Fachpublikationen sowohl in Print- als auch in digitalen Formaten verfügt Informa über ein umfangreiches Portfolio für die akademischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Märkte. Die international renommierte Unternehmensgruppe organisiert und konzipiert darüber hinaus weltweit über 8.000 Veranstaltungen.
Julia Batzing | Quelle: Euroforum Deutschland SE
Weitere Informationen: www.iir.de
www.euroforum.com

Siehe auch: > BGMEUROFORUM-JahrestagungFehlzeitGesundheitsmanagementInformapsychische Belastung

Arbeitsschutz ist ein vorgeschriebenes Element der betrieblichen Gesundheitsförderung

Zum Netzwerk Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) in der Europäischen Union e.V. gibt es eine Broschüre des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) mit dem Titel: Unternehmen unternehmen Gesundheit. Darin geht es um betriebliche Gesundheitsförderung (BGF; auch betriebliches Gesundgeitsmanagement, BGM) und unter Anderem auch um die Zusammenarbeit mit den Krankenkassen.
Eine Vorbemerkung: Die große Mehrheit der Unternehmen hält es nicht für erforderlich, in der vorgeschriebenen Weise psychisch wirksame Arbeitsbelastungen in die Beurteilung der von Arbeitsplätzen ausgehenden Gefährdungsrisiken einzubeziehen. Die in einem Rechtsstaat naheliegende Maßnahme zur Verringerung psychisch wirksamer Fehlbelastungen bestünde also konsequenterweise darin, die seit 1996 bestehenden Vorschriften des ganzheitlichen Arbeitsschutzes auch wirklich durchzusetzen, denn das Verbesserungspotential ist riesig. Erstaunlicherweise gibt das Ministerium hier aber wenig Anregungen. Es müsste deswegen geprüft werden, inwieweit bei der Erstellung der Broschüre Vertreter der Unternehmen mitgewirkt haben, die es selber nicht für erforderlich halten, sich nach dem Arbeitsschutzgesetz und den Betriebsverfassungsgesetz zu richten. Die Toleranz der Politiker gegenüber Schutzrechte missachtenden Unternehmen muss schon seit vielen Jahren recht groß sein, denn sie sorgen seit 1996 nicht dafür, dass die Gewerbeaufsichten die Unternehmen ausreichend proaktiv und sorgfältig kontrollieren können. Angesichts der Offensichtlichkeit und der Nachhaltigkeit der tolerierten Missachtungen ist es direkt anstrengend, die Untätigkeit der Politik für einen Zufall zu halten.
Nun zur Broschüre selbst: Im Vorwort von Unternehmen unternehmen Gesundheit schreibt Dr. Philipp Rösler (Bundesgesundheitsminister):

Denn wenn die körperliche und psychische Arbeitsbelastung, Krankheits- und Burn-out-Quoten sinken und gleichzeitig die Motivation, die Leistungsfähigkeit und die Kreativität der Belegschaft steigen, profitieren alle im Unternehmen davon.

Das klingt gut, zeigt aber auch den populärpsychologischen Ansatz der Broschüre, denn auch zu wenig Arbeitsbelastung kann eine Fehlbelastung sein. Die Aufgabe der Arbeitgeber besteht nämlich nicht im Senken von psychischen Belastungen, sondern die Arbeitgeber haben psychische Fehlbelastungen zu beseitigen oder zu mindern. Arbeitnehmer brauchen Belastungen, denn für den Umgang damit werden sie bezahlt. Nicht bezahlt werden sie für Fehlbelastungen.
Was sind nun Fehlbelastungen? In Betrieben mit Arbeitnehmervertretungen (Betriebsräte, Personalräte) vereinbaren diese Vertretungen mit dem Arbeitgeber, was in einem gegebenen Betrieb Fehlbelastungen sind. Die Arbeitnehmer werden hier nicht entgegenkommenderweise einbezogen, sondern sie bestimmen mit. Der Minister hat möglicherweise Hemmungen, das zu verdeutlichen. Das ist problematisch, denn Mitbestimmung ist eine kennzeichnende Voraussetzung für innerbetrieblich vereinbarte Kriterien und Prozesse des Arbeitsschutzes.
Ganz ordentlich aber klärt das BMG die “gesetzlichen Regelungen”:

Der Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) sind für Arbeitgeber verpflichtend geregelt:

  • Als Arbeitgeber tragen Sie die Hauptverantwortung für die Überprüfung, Umsetzung und Verbesserung aller erforderlichen Maßnahmen zum Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz (ArbSchG, ASiG).
  • Zudem sind Sie als Arbeitgeber seit 2004 (laut § 84 Abs. 2 SGB IX) gesetzlich dazu verpflichtet, unabhängig von der Betriebsgröße, Maßnahmen des BEM durchzuführen, wenn ein Beschäftigter mehr als 42 Tage innerhalb von 12 Monaten arbeitsunfähig ist. Dies gilt sowohl für länger andauernde Arbeitsunfähigkeit als auch für viele aufeinanderfolgende Kurzzeiterkrankungen.

Die betriebliche Gesundheitsförderung ist eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Allerdings ist sie für die Krankenkassen verpflichtend geregelt:

  • Gemäß § 20a SGB V sind die Krankenkassen verpflichtet, Leistungen der betrieblichen Gesundheitsförderung zu erbringen.
  • Gemäß § 65a Absatz 2 SGB V kann die Krankenkasse in ihrer Satzung vorsehen, dass bei Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung sowohl der Arbeitgeber als auch die teilnehmenden Versicherten einen Bonus erhalten.

Im Zusammenhang mit anderen Ausführungen in der Broschüre entsteht allerdings dann doch Verwirrung, denn auf der Seite vor dieser Erklärung der gesetzlichen Regeln schreibt das Ministerium:

Die betriebliche Gesundheitsförderung umfasst Maßnahmen, die auf das Verhalten von Menschen ausgerichtet sind (Verhaltensprävention), und Maßnahmen, die Arbeitsbedingungen analysieren (Verhältnisprävention). Oftmals ist eine klare Trennung in der Praxis nicht möglich und auch nicht sinnvoll, da die Bereiche sich gegenseitig beeinflussen. So verursachen z. B. Über- und Unterforderung von Beschäftigten Stress und Demotivation. Um diese Auswirkungen zu vermeiden, sind neben Kursen zur Stressbewältigung auch Änderungen der Arbeitsbedingungen notwendig. Nachfolgend sind mögliche Maßnahmen beispielhaft dargestellt.

“Maßnahmen, die Arbeitsbedingungen analysieren (Verhältnisprävention)” sind vorgeschriebene Arbeitsschutzmaßnahmen. (Die Analyse ist übrigens nur ein kleiner Teil der Maßnahmen der Verhältnisprävention! Vergessen hat das BMG die Maßnahmenfestlegung, die Implementierung der Maßnahmen, die Wirksamkeitskontrolle der Implementierung sowie die all das begleitende Dokumentation und Unterweisung.) Wenn also Arbeitsschutz Teil der BGF ist, dann ist die BGF eben nicht in allen Teilen “freiwillig”. Und Verhältnisprävention geschieht nicht “neben” Verhaltensprävention, sondern im Arbeitsschutz hat Verhältnisprävention ganz klar Vorrang vor der Verhaltensprävention. Es ist verwunderlich, dass das ausgerechnet in einem Bundesministerium nicht verstanden wird.
Außerdem ist es mit “Kursen zur Stressbewältigung” ganz sicher nicht getan. Das Ministerium weiß das anscheinend auch nicht. Die vorgeschriebenen Unterweisungen gehen viel weiter. Dass die Broschüre das nicht darzustellen vermag, legt ebenfalls die Vermutung nahe, dass die Broschüre des BMG mit nicht unwesentlicher Hilfe der Arbeitgeber erstellt wurde.
Gelegentlich ist die Ansprache “persönlicher Probleme” von Mitarbeitern auch ein Mittel von Arbeitgebern, die “Ursachen” der “Auffälligkeit” des Verhaltens von Mitarbeitern bei diesen zu verorten und eine mitbestimmte Beurteilung der Arbeitsbedingungen zu vermeiden. Das war schon immer der leichteste Weg für diese Sorte von Arbeitgebern, denn damit entlasten sie sich  und halten die Mitarbeiter gleichzeitig davon ab, Probleme offen anzusprechen. Genau aus diesem Grund konzentriert sich der Arbeitsschutz auf die Verhältnisprävention. Das ist einer der vom Bundesgesundheitsministerium nicht verstandenen Gründe für die Trennung von Verhältnisprävention und Verhaltensprävention. Die Gerichte dagegen verstehen diese Gründe. Betriebsräte haben hier die wichtige Aufgabe, diese Trennung im Sinn des Arbeitsschutzes zu verteidigen.
Wird aus den Fehlern und den Schwerpunkktsetzungen des BGM bei der Darstellung der Sachverhalte ein Desinteresse des BGM am Arbeitschutz und an der Mitbestimmung durch die Arbeitnehmer deutlich? Es muss auch die Möglichkeit erwogen werden, dass die Broschüre von den Arbeitgebern selbst geschrieben wurde: In der Broschüre wird die Mitbestimmung ignoriert. Auch die Priorität der Verhältnisprävention (gegenüber der Verhaltensprävention) im Arbeitsschutz und die Tatsache, dass ein Großteil der Betriebe seit vielen Jahren versäumt hat, psychisch wirksame Arbeitsbelastungen in Gefährdungsbeurteilungen zu berücksichtigen. Der Minister und Arzt sieht zu, wie Arbeitgeber den Arbeitnehmern ihre Schutzrechte seit 1996 verweigern. Was er dagegen tun könnte, tut er nicht.
Arbeitgeber lenken die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit  auf ihre freiwilligen Leistungen im “betrieblichen Gesundheitsmanagement” (BGM) bzw. in der “betrieblichen Gesundheitsförderung”. Das ist werbewirksamer als die Befolgung der Vorschriften des ganzheitlichen Arbeitsschutzes, deren Initiator dann in vielen Fällen auch noch die Arbeitnehmervertretung des Unternehmens ist. Betriebsräte können das Interesse der Unternehmen an einer werbewirksamen BGF aber durchaus nutzen: Wie glaubwürdig betriebliche Gesundheitsförderung ist, kann mit einer einfachen Frage an Unternehmen, die mit ihrer BGF werben, überprüft werden: “Ist der Einbezug psychische wirksamer Belastungen in arbeitsschutzrechtlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilungen und Unterweisungen bei Ihnen mit einer Betriebsvereinbarung geregelt worden?”
Für Betriebsräte nutzbar ist zum Beispiel auch der Qualitätsfragebogen zum betrieblichen Gesundheitsmanagememt (PDF, 189 KB). Fragen 3b und 3c:

Basieren die Maßnahmen zur BGF auf einer sorgfältigen und regelmäßig aktualisierten Ist-Analyse, die sich auf wichtige gesundheitsrelevante Informationen stützt: Arbeitsbelastungen, Gesundheitsindikatoren, subjektiv wahrgenommene Beschwerden, Risikofaktoren, Unfallgeschehen, Berufskrankheiten, krankheitsbedingte Fehlzeiten, Erwartungen aller betrieblichen Akteure, insbesondere der Beschäftigten? Sind alle Mitarbeiter durch geeignete Mittel der internen Öffentlichkeitsarbeit über die Vorhaben im Bereich BGF informiert?

Das geht ein bisschen in Richtung Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung. Arbeitgeber werden diesen Fragebogen zur Selbstbewertung der Qualität der BGF akzeptieren. Damit ist schon einmal ein Mindeststandard gesetzt. Um mit dem Fragebogen umgehen zu können, müssen Betriebsräte allerdings auch wissen, was ihm noch fehlt.
Wenn Arbeitsschutz ein Teil des BGM und/oder der BGF ist, dann ist der Arbeitsschutz zunächst die Pflicht. Der Rest ist Kür. Die Aufgabe der Betriebsräte wird sein, dafür zu sorgen, dass die Pflicht erledigt ist, bevor der Arbeitgeber zur werbewirksamen Kür schreitet.
 
Siehe auch: http://blog.psybel.de/2011/05/13/unerhoert/ (2011-05-13)