Die Kür vor der Pflicht ist die verkehrte Reihenfolge

In https://www.xing.com/topics/de/betriebliches-gesundheitsmanagement-8826 weist Klaus Schomacker auf die DIN SPEC 91020 hin, eine größtenteils von Privatunternehmen vorangetriebene Spezifikation zum Betrieblichen Gesundheitsmanagemet (BGM). Sein Unternehmen bietet auch Betriebsräteschulungen an.

… Das Neueste dazu ist die DIN SPEC 91020, die die Einführung eines BGM in einem Betrieb umfassend beschreibt. Wie eine Norm es halt macht, Lücken in der Umsetzung inklusive. …

 
Ich meine, dass sich Betriebsräte zunächst mit der ILO-OSH und mit OHSAS 18001 (bzw. OHSAS 18002) befassen sollten, bevor sie sich der DIN SPEC 91020 zuwenden. Oder kürzer: Zuerst kommt der Arbeitsschutz als Pflicht, dann kommt das Betriebliche Gesundheitsmanagement als Kür. Solange beispielsweise ein Unternehmen mit einem mangelhaften Einbezug psychischer Belastungen gegen die Vorschriften des Arbeitsschutzes verstößt, hat das Unternehmen erst einmal seine Hausaufgaben zu erledigen, bevor freiwillige Wohltaten verteilt werden.
Außerdem gibt es in OHSAS 18001:2007 sogar einen Absatz zur Mitbestimung. In der DIN SPEC 91020 ist die Mitwirkung der Arbeitnehmer schwächer, was angesichts der fehlenden Konsensbildung bei der Entwicklung einer DIN SPEC im PAS-Verfahren ja auch nicht überraschend ist.
Eine Zertifizierung nach ILO-OSH oder OHSAS 18001 kann für international operierende Unternehmen wichtig sein. Wer noch genug Geld hat, kann dann mit einem Zertifikat zur die DIN SPEC 91020 noch ein Sahnehäubchen für sein Employer Branding draufsetzen. Außerdem gibt es hier auch eine Alternative: Der SCOHS.
Wirbt ein Unternehmen dagegen nur mit der DIN SPEC 91020 ohne sich dabei nach einem Standard für Arbeitsschutzmanagementsysteme zu richten, dann sollten sich Bewerber überlegen, ob das eher verhaltenspräventionsorientierte BGM eine Marginalisierung des verhältnispräventionsorientierten Arbeitsschutzes verschleiern soll.
Dann gibt es noch einen Unterschied zwischen Arbeitsschutz und BGM:

  • Pflicht: Im Arbeitsschutz zahlen die Mitarbeiter keinen Cent. Ihre Zeit für den Arbeitsschutz ist Arbeitsszeit.
  • Kür: Die praktischen Umsetzungen des BGM und der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) sollen die Mitarbeiter dagegen anregen, zur Erhaltung ihrer Arbeitsfähigkeit Freizeit und ggf. auch Geld in ihre Gesundheit zu inverstieren. Diese Art von Fürsorge bekommt allerdings ein ziemlich schales Geschmäckle, wenn der Arbeitsschutz noch nicht ausreichend implementiert ist.

http://bgm-eup.de/?p=39 (2012-11-29): Positiv ist, dass EWALD & Partner auch OHSAS 18001 als einen für das BGM relevanten Standard erwähnen. Die DIN SPEC 91020 als “relevante Norm” zu bezeichnen ist vielleicht etwas verfrüht. Ansonsten bringt Klaus Schomacker gut auf den Punkt, was auch mich an dieser DIN SPEC stört:

… Kommentar zur Norm: Die vorliegende DIN SPEC 91020 fasst den aktuellen Diskussionsstand im betrieblichen Gesundheitsmanagement zusammen und strukturiert die Fragestellung in sinnvoller Weise. Hervorzuheben ist der Ansatz Nachhaltigkeit durch die Implementierung des BGM in die ISO 9001 zu erreichen.
Die Bedeutung der Veränderung von Firmenkultur und wertschätzender Führung ist enthalten, aber aus meiner Sicht nicht der Bedeutung entsprechend gewürdigt.
Der größte Mangel besteht in der völlig offenen Gestaltung der nachhaltigen Partizipation der Mitarbeiter im BGM-Modell.
Nicht Aufgabe der Norm, aber dennoch gravierend fehlend, ist die Beteiligung der Interessenvertretungen! Insbesondere, da die Beteiligung in nahezu allen Element erforderlich ist, das Thema gleichzeitig sehr komplex ist, besteht hier der größte Handlungsbedarf bei der Konzeption einer Einführung eines BGM. …

B·A·D macht verwirrende Angaben

Zur nach dem PAS-Verfahren erstellten DIN SPEC 91020 “Betriebliches Gesundheitsmanagement”
http://www.bgm.info/bgm_kampagne/zertifizierungsinitiative_bgm.html

… Das DIN sorgte weiter dafür, dass die bereits am Markt existierenden BGM-Systeme weitestgehend in der neuen finden und alle an dem Thema interessierten Kreise in den Erarbeitungsprozess eingebunden wurden. …

… Neben den konsensbasierte Normen bietet das DIN die Erarbeitung von Spezifikationen. Diese ermöglichen in Zeiten immer kürzerer Innovationszyklen, zusammenwachsender Technologien und globalen Wettbewerbs eine schnelle Veröffentlichung von Standards. Aufgrund des nicht zwingend erforderlichen Konsenses können DIN SPEC schneller im Markt erprobt und angewandt werden und so die Effektivität des Wissenstransfers nachhaltig steigern. …

Wieso sorgt dass DIN dafür, dass bei einer DIN SPEC alle an dem Thema interessierten Kreise in den Erarbeitungsprozess eingebunden wurden, wo doch der Vorteil der DIN SPEC darin liegt, keinen Konsens zu benötigen? Wenn das DIN für Konsens sorgen soll, dann hätte man doch gleich eine reguläre DIN-Norm erarbeiten können. Außerdem hat das DIN nicht für Konsens gesorgt, denn die Arbeitnehmer und ihre Vertreter (z.B. Gewerkschaften) fehlten.
Bereits am Markt existierenden BGM-Systeme (http://www.proproduction.de/pdf_firmenpraesentation_12_07_12.pdf, S. 17):
• SCOHS – Social Capital and Occupational Health Standard
• B·A·D Entwurf für ein Betriebliches Gesundheitsmanagement
• Kriterienkatalog des TÜV Nord
• Entwurf der DQS

Zu B·A·D: http://www.bad-gmbh.de/de/presse/pressemeldungen/meldung/artikel/rekordumsatz-fuer-die-bonner-bad-gruppe-1717-millionen-euro.html
 


Zur DIN SPEC 91020 fand ich auf S. 22 und S. 23 von http://www.concada.de/filestore/154/concadaseminare201347.pdf zwei Seminare von Concada, die für das Jahr 2013 vorgesehen sind:

  • Ausbildung zum Auditor für Betriebliches Gesundheitsmanagement – Spezielle BGM Kenntnisse nach DIN SPEC 91020 (V4120 und V4120)
  • Ausbildung zum Auditor für Betriebliches Gesundheitsmanagement – Spezielle AMS Kenntnisse nach DIN SPEC 91020 (V4341)

Das zweite Seminar wendet die DIN SPEC 91020 auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz an. Das geht zu weit, denn für diese Bereiche des Arbeitnehmerschutzes hätte das DIN einen Vorschlag für einen PAS-Standard grundsätzlich abgelehnt. Was beabsichtigt Concada (ein Tochterunternehmen von B·A·D) mit solch einem Vorgehen?
http://www.concada.de/app/seminar/detail/1882/V4341_Ausbildung_zum_Auditor_fuer_Betriebliches_Gesundheitsmanagement_-_Spezielle_AMS_Kenntnisse_nach_DIN_SPEC_91020 und http://www.concada.de/files/bgmauditoramskenntnisse2013.pdf (2012-09-26)

Ausbildung zum Auditor für Betriebliches Gesundheitsmanagement – Spezielle AMS Kenntnisse nach DIN SPEC 91020
Seminarbeschreibung:
Basierend auf der neuen DIN SPEC 91020 „Betriebliches Gesundheits-management“ werden im Rahmen dieses Lehrgangs die angehenden BGM Auditoren hinsichtlich der speziellen Arbeitsschutzmanagement-system- (AMS-) Kenntnisse geschult. Dabei werden neben der Vorstellung der relevanten rechtlichen Forderungen die wesentlichen Prozesse im Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie relevante Analyseinstrumente und Kennzahlensysteme erläutert und besprochen. Ein weiterer Schwerpunkt des Seminars liegt auf der Unter-nehmensführung und Prozesslenkung unter Arbeits- und Gesundheits-schutzbezug.
Themenschwerpunkte

  • Aneignung von Kenntnissen in den Arbeits- und Gesundheitsschutz relevanten nationalen Normen, Gesetzen und Vorschriften
  • Unternehmensführung und Prozesslenkung unter Arbeits- und Gesundheitsschutzbezug
  • Basisprozesse im Arbeits- und Gesundheitsschutz
  • Kenntnisse zu Arbeits- und Gesundheitsschutz – relevante Analyseinstrumente und Kennzahlensysteme
  • Weitere ausgewählte Unternehmensprozesse mit besonderer Arbeits- und Gesundheitsschutzrelevanz


Referenten: Mitarbeiter der B•A•D Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH

(Die concada GmbH ist ein Tochterunternehmen der B·A·D Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH)
In der oben stehende Seminarbeschreibung wird der Eindruck erweckt, es gäbe “spezielle AMS Kenntnisse nach DIN SPEC 91020”. Aber es wird nicht klargestellt, dass die DIN SPEC 91020 unter der Voraussetzung erarbeitet wurde, dass sie keine Aspekte des Arbeits- und Gesundheitsschutzes enthält. Das DIN stellt nämlich klar:

Ausgangspunkt für die Erarbeitung einer DIN SPEC (PAS) ist eine Anfrage durch eine Person, Organisation oder einen Normenausschuss an den Bereich Innovation (I) des DIN. Die Initiierung des Projektes erfolgt somit durch den Kunden (Initiator). Eine Anfrage, die Aspekte des Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Brandschutzes enthält, wird vom DIN grundsätzlich abgelehnt. 

WARNING: DIN SPEC 91020 is not a safety standard!

Update 2015-12:
As with BS PAS 1010:2011, the German certification industry uses the DIN SPEC 91020 to introduce such a “standard light” to occupational health and saftey. On December 2015 the DAkkS accredits CABs who issue certificates for “health management”. Even though DIN SPEC 91020 is not a safety standard, I fear that it will misused for claims of certified enterprises to have a certified OH&S management.
 
Update 2014-10:
The PAS procedure is described here: http://www.spec.din.de/cmd?level=tpl-rubrik&menuid=81501&cmsareaid=81501&menurubricid=87633&cmsrubid=87633. But DIN changed the content of that page. Previously (2012-08-17), DIN clearly stated that requests to create a DIN SPEC for OHS would be rejected: “Eine Anfrage, die Aspekte des Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Brandschutzes enthält, wird vom DIN grundsätzlich abgelehnt.” However, DIN doesn’t mention that anymore (since mid 2013). Seemingly, the DIN wants to drive their SPEC-business ahead in the first place.
For the CWA procedure you still will find that warning.
For the PAS procedure, the Hamburg University offers the original version.
 


DIN SPEC 91020 is a helpful Publicly Available Specification (PAS) for Occupational Health Management (OHM). However, the specification does not apply to Occupational Health and Safety (OH&S).
The DIN SPEC 91020 has been initiated by B·A·D, a private company operating in the occupational health market. Later a working group had been established (2012-05):

In http://www.beuth.de/en/technical-rule/din-spec-91020/153182508, “Environmental protection, Occupational safety, Safety DIN-SPEC-91020” is misleading. A DIN SPEC is a Publicly Available Specification. This is why DIN categorically rejects applications for DIN SPECs related to work safety. (“Eine Anfrage, die Aspekte des Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Brandschutzes enthält, wird vom DIN grundsätzlich abgelehnt.”)
Also, “management requirements such as quality, OHS and environmental protection” in http://www.din.de/cmd?level=tpl-artikel&menuid=49589&cmsareaid=49589&cmsrubid=56731&menurubricid=56731&cmstextid=170285&2&languageid=en is misleading, even though that page had been published by DIN. The DIN SPEC 91020 is not “OHS”. It is “OH” only. It does not have the same rank as ISO 9001 and ISO 14001. For safety you rather want to use standards like OHSAS 18001 or ILO-OSH.
DIN claims: “DIN also saw to it that operational health management systems already on the market were taken into account in the new DIN SPEC 91020 and that all stakeholders in the field were involved in the development process.” This is quite wrong. Actually, the most important stakeholders had been ignored. Strangely, even though the standard is about the health of employees, representatives of employees were not involved in the development process.
 


DIN lite
B·A·D’s clever promotion (German and English) of the DIN SPEC 91020: http://www.bad-gmbh.de/fileadmin/user_upload/BAD InForm 03/HTML/files/assets/basic-html/page11.html

… The major difference between OSH management systems and occupational health management is that the former covers risks at the workplace but OHM is generally about preserving or promoting employees’ health. …

At the first glance, preserving or promoting employees’ health sounds well intended. That was the old approach which too often also interferes with the employees’ private life. That is why the european guidelines on work safety took a different approach. In accordance with these guidelines, standards like OHSAS 18001 aim at preserving or promoting healthy workplaces.
 
http://www.bad-gmbh.de/fileadmin/user_upload/BAD InForm 03/HTML/files/assets/basic-html/page12.html

… Why a DIN SPEC?
Dr Andrea Fluthwedel commented that one of DIN’s goals was to ensure protection targets were met, including those in the fields of consumer protection, safety and environmental protection. “We work in cooperation with a whole range of interest groups, including political representatives, businesses, NGOs, users, religious institutions, trade unionists, social accident insurance institutions and testing bodies – essentially, anyone interested in standards. So you can imagine it’s not always easy to reach a consensus,” she said.
The first DIN SPECs came on the scene in the mid-1990s, with the aim of getting innovative products to market quickly. The process can take three years, from the application until the final document. As Dr Fluthwedel explained: “A DIN SPEC isn’t a standard, it’s a specification. …

Read this carefully. This means: “The goals of regular standards are to ensure protection targets were met, including those in the fields of consumer protection, safety and environmental protection. However, in case of a DIN SPEC some of the interest groups (e.g. trade unionists) can be neglected. That is why for a DIN SPEC, DIN explicitely excludes goals in the fields of consumer protection, safety and environmental protection. Consequently, DIN SPEC 91020 is not a safety standard!”
Interestingly, of all the relevant interest groups, the workers and their representatives had been excluded from working on this specification for the safety of workers. You can imagine that this makes it much easier to reach a consensus.
 
http://www.bad-gmbh.de/fileadmin/user_upload/BAD InForm 03/HTML/files/assets/basic-html/page13.html

… There were already various documents concerning OHM – one from B·A·D GmbH, one from TÜV Nord and OHSAS [sic!] 18001 – and they all had to be taken into consideration. …

As for e.g. communication, the definition of incidents, risk management, incident investigation and management responsibility, OHSAS 18001 seems to be more advanced. The focus on workplace health is much stronger than in case of the DIN SPEC 91020. This is specially important if it comes to mental workload issues: Instead of workers seeing the shrink, the shrink looks at their workplace. Thus, OHSAS 18001 doesn’t interfere too much with the lifestyle of employees.
Of course it took more time to develop OHSAS 18001, but as the relevant interested parties had been involved, acceptance is better than for a standard driven into the market mainly by employers. As a side effect of weak consensus building, comparing OHSAS 18001 and DIN SPEC 91020 can help to understand which parts of OHSAS 18001 do not go down well with employers.
Conclusion: Use OHSAS 18001 (or ILO-OSH etc.) for OH&S management. On top of that, DIN SPEC 91020 can be a nice add on. DIN SPEC 91020 alone does not meet the requirements of safety management systems.

DIN SPEC 91020 ist kein Arbeitssicherheitsstandard

Die Werbung für die DIN SPEC 91020 scheint ohne Unwahrheiten nicht auskommen zu können. Es wird behauptet, die Spezifikation gehe über rechtliche Verpflichtungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz und Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung hinaus. Diese Behauptung ist irreführen. Arbeitsschutz ist kein Gegenstand dieser DIN SPEC, denn sonst wäre sie gar nicht Zustande gekommen.
Erst tut sich zu wenig im Arbeitsschutz. Und jetzt tut sich zu viel.
http://www.lrqa.de/aktuelle-themen/Arbeitssicherheit/standards-und-vorgaben/206773-din-spec-91020-scohs.aspx

Arbeitssicherheit 
DIN SPEC 91020 / SCOHS
Neuer Standard DIN SPEC 91020 veröffentlicht
Das Deutsche Institut für Normung (DIN) hat die Bedeutung des Themas Betriebliches Gesundheitsmanagement erkannt und hat einen entsprechenden Standard entwickelt, der im Juli 2012 als Spezifikation DIN SPEC 91020 veröffentlicht wurde. LRQA war im Arbeitskreis des DIN an der Entwicklung des Standards beteiligt, in den auch die Anforderungen des SCOHS aufgenommen wurden. …


Zertifizierung Ihres Betrieblichen Gesundheitsmanagements – Ihr Nutzen

  • Höhere Leistungsfähigkeit durch gesunde und motivierte Mitarbeiter
  • Optimierte Unternehmensprozesse durch eine gesunde Organisation
  • Höhere Attraktivität Ihres Unternehmens bei der Rekrutierung neuer Führungskräfte und Mitarbeiter
  • Stärkere Bindung Ihrer Kunden durch verbesserte Qualität bei den Prozessen
  • Weniger Fehlzeiten ersparen Ihrem Unternehmen Ersatzpersonal und Lohnfortzahlung

Hier wird die DIN SPEC noch nicht mit Arbeitsschutz assoziiert. Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit sehen ja auch anders aus. Höhere Leistungsfähigkeit, optimierte Unternehmensprozesse, Employer Branding, Kundenbindung und niedrigere Personalkosten sind schön und gut, aber dafür brauchen Sie sich nicht dem Normengeschäft und irgendwelchen Audits auszuliefern. Diese Ziele sind nicht die primären Ziele der Arbeitssicherheit bzw. des Arbeitsschutzes.
Außerdem: Nicht das Deutsche Institut für Normung (DIN) hat die Bedeutung des Themas Betriebliches Gesundheitsmanagement erkannt und einen entsprechenden Standard entwickelt, sondern einige Leute aus der Gesundheitsbranche haben diese “DIN SPEC” ohne die für reguläre deutsche Normen erforderliche mühevolle Arbeit in etwa neun Monaten zusammengeschrieben und vermarkten diesen Standard nun über die DIN-Organisation.
“Das Ziel des Arbeitsschutzes ist, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern.” (LV 54, S. 7). Für den Arbeits- und Gesundheitsschutz konzentrieren Sie sich besser auf Standards wie OHSAS 18001 oder ILO-OHS. Dafür gibt es auch Zertifikate. Mehr brauchen Sie sich nicht aufzuhalsen.
Es ist sinnvoll, einen zertifizierten Arbeits- und Gesundheitsschutz in ein Gesundheitsmanagement und/oder eine Gesundheitsförderung einzubetten. Aber außerhalb des Arbeitsschutzes sind Audits und externe Spezifikationen nicht nötig. Vergeuden Sie kein Geld für das Geschäft von Unternehmen, die sich mit ihren Gesundheitsmanagementstandards einen Markt mit von den Dienstleistungsanbietern selbst bestimmten Regeln entwickeln wollen.
 
Hier nun ein hübsches Beispiel, wie man die DIN SPEC mit dem Begriff “Arbeitsschutz” verknüpfen kann: http://www.gesundheitsmanagement.com/aktuelles/news/ab_sofort_erhaeltlich_din_spec_91020.html

Ab sofort erhältlich: DIN SPEC 91020 „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ …
… Die Spezifikation geht über rechtliche Verpflichtungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz und Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung hinaus …

Das ist irreführend. Eine Spezifikation, die über den Arbeitsschutz hinausgeht, schließt den Arbeitsschutz mit ein. Das trifft auf die DIN SPEC 91020 aber nicht zu. Wenn diese Spezifikation mit Arbeitsschutz zu tun hätte, dann hätte sich das DIN-Institut nicht dafür einspannen lassen.
 
Mehr zu DIN SPEC 91020: http://blog.psybel.de/2012/08/12/din-spec-nach-pas-verfahren/
 


2012-11-21:
“Wenn diese Spezifikation mit Arbeitsschutz zu tun hätte, dann hätte sich das DIN-Institut nicht dafür einspannen lassen.” Das war leider ein Irrtum: http://blog.psybel.de/2012/11/21/b-a-d-macht-verwirrende-angaben/

DIN SPEC 91020 nach PAS-Verfahren

http://www.psychologie-aktuell.com/news/aktuelle-news-psychologie/news-lesen/article/2012/08/08/1344397801-betriebliche-gesundheitsfoerderung-neue-herausforderungen-fuer-fuehrungskraefte.html


Orientierungshilfe: Neuer Standard zur Zertifizierung
Verbindliche Regeln für Betriebliches Gesundheitsmanagement fehlten bislang. Auf Initiative der Firma BAD Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik ist jetzt ein wichtiger Schritt dazu getan: Das Unternehmen hat beim Deutschen Institut für Normung e.V. angeregt, eine DIN SPEC nach PAS-Verfahren zu erstellen. Denn mithilfe einer Zertifizierung erfährt ein Unternehmer von unabhängiger Stelle, wo er steht und wie er sein Angebot verbessern kann. Prof. Dr. Bernd Siegemund, Vorsitzender der BAD-Geschäftsführung, erläutert den Entwurf auf der Messe. [Zukunft Personal vom 25. bis 27. September]

(Link nachträglich eingetragen)
 
http://www.spec.din.de/cmd?level=tpl-rubrik&menuid=81501&cmsareaid=81501&menurubricid=87633&cmsrubid=87633

PAS-Verfahrensregeln
Eine DIN SPEC nach dem PAS-Verfahren ist eine öffentlich verfügbare Spezifikation (PAS, Publicly Available Specification), die Produkte, Systeme oder Dienstleistungen beschreibt, indem sie Merkmale definiert und Anforderungen festlegt.
DIN SPEC (PAS) werden durch temporär zusammengestellte Gremien unter Beratung des DIN erarbeitet. Konsens der Beteiligten und die Einbeziehung aller interessierten Kreise ist nicht zwingend erforderlich.
Ausgangspunkt für die Erarbeitung einer DIN SPEC (PAS) ist eine Anfrage durch eine Person, Organisation oder einen Normenausschuss an den Bereich Innovation (I) des DIN. Die Initiierung des Projektes erfolgt somit durch den Kunden (Initiator). Eine Anfrage, die Aspekte des Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Brandschutzes enthält, wird vom DIN grundsätzlich abgelehnt.

(Hervorhebungen und Link nachträglich eingefügt)
Siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Publicly_Available_Specification
Wenn ich das richtig verstehe, würde Siegemunds Vorschlag also abgelehnt werden, wenn die Norm den Anspruch haben würde, für den Arbeits- und Gesundheitsschutz zu gelten. Für den Arbeitsschutz (der auch wegen staatlicher Beihilfen im Gesundheitsschutz untergebracht werden kann) ist das kein großes Problem, denn es gibt ja zum Beispiel die OHSAS 18001, ILO-OSH usw.
Ein Vorteil der ILO-OSH ist, dass der Standard der ILO ist im Gegensatz zu der OHSAS kostenlos heruntergeladen werden kann. Er bietet also eine Norm, den Arbeitnehmer (ohne finanzielle Hürden überwinden zu müssen) so lesen können, wie aushangpflichtige Gesetze. Andererseits muss ich zugeben, dass ich die OHSAS für eine Serie von sorgfältig entwickelten und aktuell überarbeiteten Standards halte, die ihren Preis wert sind. In der OHSAS wurden viele Aspekte von ILO-OSH berücksichtigt. Die DIN SPEC 91020 dagegen ist keine Spezifikation für den Arbeitsschutz. Wenn das nicht verstanden wird, dann besteht die Gefahr, dass Ressourcen für ein Vorzeige-Gesundheitsmanagement (Kür) vergeudet werden, bevor ein Unternehmen im Arbeitsschutz (Pflicht) seine Hausaufgaben gemacht hat,
 


2012-08-17
Hier strickt sich die B.A.D. (Mitglied im Bundesverbandes Betriebliches Gesundheitsmanagement (BBGM)) eine Norm für ihr Geschäft zusammen. Konsens der Beteiligten (also auch der Arbeitnehmer) und die Einbeziehung aller interessierten Kreise (z.B. Gewerkschaften) ist ja nicht zwingend erforderlich.
http://osha.europa.eu/fop/germany/de/news/neues/3_quartal_2012/article.2012-07_12

DIN SPEC 91020 erschienen – B·A·D GmbH und DIN stellen neuen Standard zur Zertifizierung von Betrieblichem Gesundheitsmanagement vor 12.07.2012
[Quelle/Urheber: Deutsches Institut für Normung e. V. (DIN), 4. Juli 2012]
Mit der neuen DIN SPEC 91020 „Betriebliches Gesundheitsmanagement”, die von der B·A·D Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH und dem DIN Deutsches Institut für Normung e. V. in Berlin vorgestellt wurde, gibt es erstmalig einen allgemein akzeptierten Standard für den Bereich Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM). Die Spezifikation legt Anforderungen an ein BGM-System fest und gibt Organisationen jeglicher Art, Branche und Größe damit Hilfestellung bei Aufbau und Einführung eines solchen BGM-Systems. …

(Link nachträglich eingefügt)
http://www.din.de/cmd?level=tpl-artikel&menuid=47387&cmsareaid=47387&cmsrubid=47393&menurubricid=47393&cmstextid=169307&2&languageid=de

DIN SPEC 91020 erschienen
B·A·D GmbH und DIN stellen neuen Standard zur Zertifizierung von Betrieblichem Gesundheitsmanagement vor
(2012-07-04) Zufriedenere Mitarbeiter, eine erhöhte Produktivität und ein besseres Image sind nur eine Auswahl der Vorteile eines Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM). …

Da Anfragen an das DIN-Institut, die Aspekte des Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Brandschutzes enthalten, wird vom DIN grundsätzlich abgelehnt werden, wird sich diese SPEC-Norm wohl auf die freiwilligen Leistungen der Arbeitgeber im Gesundheitsschutz beziehen. Das Ziel des Standards ist “Zufriedene Mitarbeiter, eine erhöhte Produktivität und ein besseres Image”. Die beiden letzten Punkte sind im Arbeits- und Gesundheitsschutz uninteressant. OHSAS 18001 beispielsweise bezieht sich explizit “auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz und nicht auf solche Bereiche wie Programme zum Wohlbefinden/zur Wellness der Mitarbeiter, Produktsicherheit, Schäden an Eigentum oder Umweltschäden.”
Die Koordinierungsstelle Managementsystemnormung (KoSMaS) im DIN versucht trotzdem, den Anspruch, mit dem eine Standardisierung abgelehnt werden würde, in das Spiel zu bringen: (http://www.kosmas.din.de/cmd?artid=153182508&bcrumblevel=1&contextid=kosmas&subcommitteeid=144596636&level=tpl-art-detailansicht&committeeid=90708147&languageid=de):

Diese Spezifikation legt Anforderungen an ein Betriebliches Gesundheitsmanagementsystem fest, die es einer Organisation ermöglichen, ihre betrieblichen Rahmenbedingungen, Strukturen und Prozesse so zu entwickeln und umzusetzen, dass das Arbeitssystem und die Organisation gesundheitsgerecht und leistungsfördernd gestaltet und die Mitglieder der Organisation zum gesundheitsfördernden Verhalten befähigt werden. Die Spezifikation geht über rechtliche Verpflichtungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz und Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung hinaus …


Auch die Wikipedia wurde für das Normen-Marketing eingespannt (ab 2012-07-10):
http://de.wikipedia.org/wiki/DIN_SPEC_91020

… Im Rahmen der Entwicklung der Spezifikation wurde erwogen, spezifische Aktivitäten, Maßnahmen und Module des Betrieblichen Gesundheitsmanagements, aber auch benachbarte Themen in der DIN SPEC 91020 zu formulieren, wie beispielsweise Mitarbeiterbefragung, Aktivitäten der betrieblichen Gesundheitsförderung (Stressbewältigung, Ernährung etc.) oder betriebliches Eingliederungsmanagement. Über die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen bestand Einigkeit. Jedoch entschied man sich dazu, die DIN SPEC 91020 allgemeingültig zu verfassen, um auch den Unternehmen Aktivitätsspielräume in der Umsetzung zu geben. Ein nachfolgender Handlungsleitfaden, aufbauend auf der DIN SPEC 91020 soll den Unternehmen weitere Beispiele, Handlungsempfehlungen sowie Handlungssicherheit geben. …

Unternehmer haben erst einmal ihre Hausaufgaben im Arbeitsschutz zu machen, bevor sie Ressourcen für Vorzeigeveranstaltungen im Gesundheitstheater verwenden. Das Normengeschäft mit der DIN SPEC 91020 lenkt vom Arbeitsschutz (und den Verstößen vieler Arbeitgeber gegen das Arbeitsschutzgesetz) eher ab.

  • Standards wie OHSAS 18001 oder ILO-OSH helfen bei der Pflichterfüllung.
  • DIN SPEC 91020 ist Kür für’s Employer Branding usw.


 
Nicht alle BBGM-Mitglieder unterstützen die DIN SPEC: Personalmagazin 05/12 (S. 44-45), Katherina Schmitt: Standards für die Gesundheit. Lässt sich Gesundheitsmanagement standardisieren? Eine DIN-Norm will die Voraussetzungen dafür schaffen. Ob das nötig war, wird sich zeigen. (http://www.bgm-bv.de/fileadmin/dokumente/BBGM/personalmagazin-05_12-Standards-der-Gesundheit.pdf oder http://zeitschriften.haufe.de/ePaper/personalmagazin/2012/C72E5BFB/files/assets/seo/page45.html):

… Als „vollkommen unnötig” bezeichnet auch … Dr. Dirk Lümkemann, Geschäftsführer von padoc, Standards und DIN-Normen für BGM. „In meiner ganzen Laufbahn als Gesundheitsberater hat noch kein einziges Unternehmen nach Gesundheitsmanagement-Zertifikaten gefragt.” …

Lümkemann meint zudem, dass standardisierten Abläufe in Gesundheitsprozessen “ausnahmslos ihre Berechtigung im Arbeitsschutz haben”.
Eine Stimme aus der Wirtschaft:

… „Keinerlei Bedarf” für einen neuen DIN Standard sieht dagegen Dr. Andreas Tautz, Chief-Medica-Officer der Deutschen Post: „Gesundheitsmanagement findet immer im Kern des Unternehmens statt, orientiert an der individuellen Unternehmensstruktur. Es erfordert primär Investitionen in Führungskompetenz, nicht in den Einkauf von Gesundheitsdienstleistungen oder Zertifizierungsmaßnahmen.” Sicherlich sei es hilfreich, das betriebliche Gesundheitsmanagement tiefer in international etablierte Arbeits- und Gesundheitsschutzstandards, wie zum Beispiel OHSAS 18001 (Occupational Health- and Safety-Assessment-Series), zu integrieren.

(Hervorhebung nachträglich eingetragen)
Neuer “DIN Standard”? Wie der Artikel im Personalmagazin zeigt, funktioniert das Spiel mit der DIN SPEC (PAS) also sogar bei Kritikern:

Badura [Universität Bielefeld] bleibt diplomatisch, der Markt werde entscheiden. „Ich bin der Ansicht, dass unser SCOHS die ausgereiftere Version ist. Doch die DIN-Organisation spielt natürlich in Deutschland eine wichtige Rolle – es gibt eine gewisse institutionsbedingte Autorität, die von einer solchen Norm ausgeht. Der Kunde soll sich überlegen, ob er organisationsbezogene Standards oder andere möchte.”

(Links nachträglich eingefügt)
Hinter der DIN SPEC (PAS) 91020 steht seit September 2011 jedoch nur deren Verfasser (Entwurf: 2012-02-08), also eben nicht die institutionsbedingte Autorität der DIN-Organisation. Diese liefert nur die Struktur, in der DIN SPECs eine einheitliche Form bekommen und aus der heraus diese Standards mit einem eindrucksvollen DIN-Logo verbreitet werden sollen.
Siehe auch: http://blog.psybel.de/gesundheitsmanagement-als-schleier/