DEKRA prüfte Zalando

http://www.zalando.de/zalando-logistik/

[…] Zusätzlich lassen wir einmal pro Quartal an allen unseren Logistikzentren sowie an den Standorten unserer Dienstleistungspartner die Arbeitsbedingungen und Sozialstandards durch die DEKRA als unabhängiges Institut überprüfen. Diese Überprüfungen haben uns in den letzten Jahren stets sehr gute Arbeitsbedingungen bescheinigt. So ergab der letzte DEKRA-Bericht am Standort Erfurt beispielsweise ein Gesamtergebnis von 1,3 (von 1 – sehr gut bis 4 – nicht akzeptabel). […]

Welche Meßlatte verwendet die DEKRA bei ihren Audits? Zalando arbeitet mit “eigenen Sozialstandards” für die eigenen Standorte und externe Logistik-Dienstleister (dpa 2013-02-18). DEKRA prüfte also nur das, was die Zalando-Unternehmensleitung für nötig hält. Bereiche wie der Arbeits- und Gesundheitsschutz wurden nicht gemäß weitgehend anerkannten Standards geprüft, die Absprachen mit den Mitarbeitern bei der Umsetzung der Standards fordern. Schafft Zalando es nicht, sich an anerkannten Standards zu orientieren?
Außerdem können die DEKRA-Auditoren nur beurteilen, was das Unternehmen ihnen zeigt. Auditoren könnten die Darstellungen der Arbeitgeberseite mit Arbeitnehmervertretern verifizieren, aber nach meiner Erfahrung suchen externe Auditoren leider nur sehr selten das Gespäch mit Arbeitnehmern bzw. Arbeitnehmervertretern. Hier sollten Auditoren von sich aus mehr Eigeninitiative entwickeln.
Welchen Wert hat eine Überprüfung durch DEKRA überhaupt? Ist sie hilfreich für das auditierte Unternehmen oder kann das auditierte Unternehmen dem Ruf der DEKRA-Auditoren auch Schaden zufügen? Wofür geben sich Zertifizierer wie DEKRA her? Zalando hat in Erfurt nicht einmal einen Betriebsrat, mit dem die DEKRA-Auditoren ihre Beobachtungen hätte verifizieren können (wenn sie das überhaupt gewollt hätten). Bei einem derart großen Betrieb schadet das Fehlen einer Arbeitnehmervertretung der Glaubwürdigkeit von Audits sozialer Standards. Kleiner Hinweis: Das Arbeitsschutzthema “psychische Belastungen” war der Anlass für die Gründung des ersten Betriebsrates in einem Apple-Store.
Und welchen Wert hat eine Überprüfung durch die behördlichen Aufsicht? Kann man von der Gewerbeaufsicht und der Berufsgenossenschaft erwarten, dass sie von ihr übersehene Mängel nachträglich überprüfen oder wird ihnen zur Gesichtswahrung die Verteidigung ihrer bisherigen Beurteilungen wichtiger sein? Wer kümmert sich wirklich um die Arbeitnehmer?

Zalando, gewallrafft und "bestürzt"

http://www.thueringer-allgemeine.de/startseite/detail/-/specific/Thueringens-Wirtschaftsminister-fordert-Betriebsrat-bei-Zalando-1790394505

Thüringens Wirtschaftsminister fordert Betriebsrat bei Zalando
03.11.2013 – 17:14 Uhr
Erfurt/Berlin. Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) hat die Arbeitsbedingungen im Erfurter Logistikzentrum des Online-Modehändlers Zalando kritisiert.
“Es muss Verbesserungen bei der Arbeitsdichte und Kontrolle der Mitarbeiter geben”, sagte Machnig dem Nachrichtenmagazin “Der Spiegel”. Der Minister forderte mehr Mitbestimmung für die Mitarbeiter, etwa durch die Wahl eines Betriebsrates. […]

Jetzt hat eine RTL-Reporterin bei Zalando gewallraft und dann über die dortigen Arbeitsbedingungen berichtet. Da Zalando keinen Betriebsrat in Erfurt hat, halte ich die RTL-Reportage für plausibel. Das Fehlen eines Betriebsrates ist einfach eine Tatsache, die schon viele Probleme erklärt, die nun an die Öffentlichkeit gelangt sind.
Interessant ist die Krisenkommunikation, mit der das “bestürzte” Unternehmen jetzt versucht, sich herauszuwinden. (Auch Kreischen würde hier nichts mehr retten.) Mit Betriebsräten wäre Zalando glaubwürdiger. Zalando kommuniziert sinngemäß, dass man der Belegschaft keine Betriebsräte verordnen könne. Solch eine eristische Kommunikation ist zu durchschaubar.
 
Siehe auch:

Einbindung der Mitarbeiter

http://www.forum-institut.de/de/veranstaltungen/personal/veranstaltung/details/1411465-gefaehrdungsfaktor-psychische-belastung/

Datum: 18.11.2014
Ort: Düsseldorf 

Die Gefährdungsbeurteilung mit dem Focus “Psyche”
Eines der heute bedeutsamsten Faktoren im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung ist die “psychische Belastung”. Wie Sie richtig beurteilen, Schutzmaßnahmen festlegen und damit Ihr unternehmensinternes Risiko managen, erfahren Sie in diesem Praxisseminar.
Die Themen

  • Verpflichtung der Unternehmen zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung bereits seit dem Jahr 1996 (!)
  • Bedeutung und Chancen einer betrieblichen Gefährdungsbeurteilung
  • Vorbereitung und Durchführung: Gefährdungen ermitteln, beurteilen und Maßnahmen des Arbeitsschutzes einleiten
  • Einbindung der Mitarbeiter
  • Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats, Personalrats oder sonstiger Mitarbeitervertretungen

[…]

Ihre Referenten:

  • Reinhard Walleter
    Sicherheitsingenieur, Südwestmetall – Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V., Stuttgart
  • Lothar A. Jordan
    Vizepräsident des Arbeitsgerichts Mannheim/Heidelberg

Aus Fünf mach Vier

Arbeitgeber halten sich jetzt beim Einbezug psychischer Belastungen zunehmend an vier “psychischen Faktoren” fest, die man in einer Leitlinie der GDA findet:

  • Arbeitsaufgabe und deren Auswirkungen auf die Mitarbeiter,
  • Arbeitsorganisation und Arbeitszeiten,
  • sozialen Bedingungen,
  • Arbeitsplatz‐ und Arbeitsumgebungsbedingungen,

Wie man sieht, sind das aber fünf Faktoren. Es geht nicht, den Arbeitnehmervertretern einfach die ersten vier Faktoren aus der Leitlinie in irgendeiner Checkliste zum Abhaken vorzulegen und dann zu behaupten, man habe damit alle Kategorien vollständig erfasst. Der fünfte Punkt muss mit den Arbeitnehmervertretern betriebsbah vereinbart werden: “Die Aufzählung ist nicht abschließend.”
Ich verstehe nicht, dass Arbeitgeber jetzt einfach vier Punkte aus einer Liste abschreiben. Erst jammern sie, ihnen würden zu viele Vorschriften gemacht. Gibt man ihnen aber einen Gestaltungsspielraum (Punkt 5), dann füllen sie ihn nicht aus. Liegt das daran, dass die Gestaltung mitbestimmungspflichtig ist?
Auch bei der Ausfüllung der ersten vier Punkte besteht Mitbestimmungspflicht. Ausführlicher findet man die vier Punkte in der LV 52 des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit (LASI), und zwar schon im Jahr 2009. Man hätte hier nicht erst auf die GDA warten müssen.

Offensive betriebliche Mitbestimmung

Aus einer praxisnahen Mitbestimmungsperspektive wird mit interessenpolitischer Absicht in einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung die gute Arbeit von Betriebsräten verdeutlicht. Diese Arbeit setzt aus Sicht der Stiftung das Zusammenwirken mit den Gewerkschaften im dualen System deutscher Arbeitsbeziehungen voraus. Gemeinsam mit dem DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften, gestützt auf Wissenschaft und externen Sachverstand, werden die Herausforderungen für die Zukunft der betrieblichen Mitbestimmung beschrieben. Die Studie möchte den Betriebsräten eine wirksame praktische Unterstützung bieten, alle Akteure der Mitbestimmung zur Diskussion anregen und damit die konzeptionelle Weiterentwicklung der Mitbestimmung vorantreiben.
http://www.boeckler.de/pdf/p_betriebl_mitbestimmung_online.pdf, S. 26ff:

[…]
Betriebsräte gestalten gute Arbeit mit betrieblichen Vereinbarungen
Betriebsräte machen den Unterschied. Zu diesem Ergebnis kommt unter anderem eine repräsentative Beschäftigtenbefragung des DGB-Index „Gute Arbeit“ aus dem Jahr 2009. Danach gefragt, ob der Betriebsrat für die Beschäftigten wichtig oder sehr wichtig sei, antworteten 60 % der Arbeitnehmer mit „ja“. In Betrieben mit Betriebsrat beurteilten Beschäftigte insgesamt ihre Arbeitsbedingungen besser als in Betrieben ohne Betriebsrat. Im Einzelnen wird die Einkommenssituation mit Betriebsrat besser bewertet, ebenso die Arbeitsplatzsicherheit. In Betrieben mit Betriebsrat sei außerdem mehr Leistungsgerechtigkeit vorhanden und der Anteil von befristet Beschäftigten in niedrigen Lohngruppen sei deutlich geringer als in Betrieben ohne Betriebsrat.
[…]
Andere aktuelle Herausforderungen für die Gestaltung guter Arbeitsbedingungen sind die verstärkte Arbeitsverdichtung, die zunehmend fließende Grenze zwischen der Privatsphäre und dem beruflichen Alltag sowie die wachsenden psychischen Belastungen. Diverse Befragungen ergeben, dass Stress, Zeitdruck und ständige Erreichbarkeit zu Fehlbelastungen führen. Deshalb müssen Wege gefunden werden, um Fehlbelastungen zu verringern und somit auch alter(n)sgerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Relevant hierfür sind beispielsweise Gefährdungsbeurteilungen. Der Arbeitgeber muss sie durchführen, das ist seit 1996 gesetzlich geregelt. Doch bislang haben sehr viele Unternehmen und Verwaltungen keine Verfahren für aussagekräftige Gefährdungsbeurteilungen etabliert. Ein positives Beispiel ist im Container Terminal Tollerort des Hamburger Hafens zu finden. Dort befasst man sich auf der Basis eines Konzerntarifvertrages aus dem Jahr 2007 mit dem demografischen Wandel, mit globalem Wettbewerb und betrieblicher Sozialpolitik. Altersstrukturanalysen und Qualifizierungsbedarfe werden jährlich erhoben. Auf diese Weise wird erkannt, wie Arbeit organisiert, gestaltet und die Personalentwicklung aussehen muss. Hinzu kommen Arbeitszeitmodelle für eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Pflege sowie ein ausgereiftes Präventionssystem zum Arbeits- und Gesundheitsschutz. Die Details werden in Betriebsvereinbarungen geregelt. Inzwischen gibt es auch Gefährdungsbeurteilungen für psychische Belastungen.
Ein weiteres Beispiel ist die Rheinbahn in Düsseldorf. Dort entwickelten Betriebsräte gemeinsam mit dem Arbeitgeber eine Dienstplanregelung zur Entlastung der Kolleginnen und Kollegen im Fahrdienst. Im vergangenen Jahr wurden sie vom Deutschen Betriebsrätepreis dafür mit dem Sonderpreis für Gute Arbeit ausgezeichnet. Überstunden, Krankenstand und demografischer Wandel waren die Auslöser für die Initiative. Im Zentrum steht eine „Belastungsampel“ für die Gestaltung des Dienstplanes. Für jede Schicht wird die Gesamtbelastung anhand eines Kriterienkataloges mit Punkten bewertet. Bereits in der Schichtplanung ist schnell ersichtlich welcher Dienst „rot“ und somit stark belastend ist. Ziel ist, die roten Schichten zu eliminieren. Zusätzlich konnte Personal eingestellt werden.
Viele aktuelle Ansatzpunkte für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen liegen im klassischen Feld der Arbeitszeitgestaltung. Gerade flexible Arbeitszeitmodelle (Arbeitszeitkonten, Arbeitszeitkorridore, Gleitzeiten, Rufbereitschaften, Wochenendarbeit etc.) sind Hauptgegenstand in Betriebsvereinbarungen. Vor allem die Rücksichtnahme auf private und nicht der ausschließliche Vorrang betrieblicher Belange ist regelmäßig umkämpftes Terrain. Aber heute ist nicht mehr nur die Arbeitszeit flexibel, sondern in zunehmendem Maß auch der Arbeitsort und selbst die Inhalte der Arbeit. Wachsende Digitalisierung und Vernetzung in die Arbeitswelt, Fragen des Datenschutzes sowie Stress und psychische Fehlbelastungen sind aktuelle „Begleiterscheinungen“ und neue Themenfelder. DGB-Bundesvorstandsmitglied Annelie Buntenbach (2012) mahnt daher einen Stresstest nicht nur für Bahnhöfe, Atomkraftwerke oder Banken an, sondern auch „für die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen.“ In diesem Zusammenhang machte im Dezember 2011 eine Nachricht hinsichtlich des Umgangs mit mobilen Endgeräten Schlagzeilen. Es ging um die Regelung zur zeitlichen Beschränkung der Smartphone-Nutzung für Tarifbeschäftigte bei
Volkswagen: „Das Smartphone wird grundsätzlich während der Anwesenheit im Betrieb genutzt, außerhalb der Anwesenheit im Betrieb sind die Nutzungsmöglichkeiten eingeschränkt. Während des Zeitfensters von 18.15 Uhr bis 7.00 Uhr und an Wochenenden steht die Telefonfunktion zur Verfügung, alle anderen Anwendungen nicht.“ Der Betriebsrat hatte diese Regelung durchgesetzt, um die ständige Erreichbarkeit einzudämmen.
Zentrale Handlungsfelder zur Verringerung von Stress sind Arbeitszeitregelungen und Arbeitsüberlastung, Gesundheitsschutz, Kompetenzentwicklung und Personalpolitik. Entsprechende Ideen von Betriebsräten werden in verbindlichen Regelungen mit dem Arbeitgeber vereinbart: der Zugriff auf das Firmennetz für die Zeit der betrieblichen Gleitzeit wird begrenzt. Andere Regelungen betonen die Freiwilligkeit und legen fest, dass Beschäftigte außerhalb ihrer Arbeitszeit nicht erreichbar sein müssen. Oder Vorgesetzte werden verpflichtet, der Erwartungshaltung einer ständigen Erreichbarkeit der Beschäftigten entgegenzuwirken. Weitere Regelungen befassen sich mit transparenten Vertretungsregelungen für den E-Mail-Verkehr bei Krankheit und Urlaub. In einigen Bereichen wird zusätzlich bezahlte und geplante Rufbereitschaft eingerichtet, verbunden mit Sonderurlauben. Neue Regelungen sehen Kompetenzschulungen für die mobile Arbeitswelt und den angemessenen Umgang mit mobilen Endgeräten vor. Derlei Regelungen müssen ein Mindestmaß an Schutz bieten und zugleich Bedürfnisse von sehr unterschiedlichen Beschäftigtengruppen berücksichtigen. Ein solches Dilemma ist nicht immer lösbar. Um Konflikte mit Beschäftigten zu vermeiden, ist deren Beteiligung an der Gestaltung von Regelungen und Verfahrensweisen wichtig.
Betriebsräte sorgen für gute Arbeit und Arbeitsbedingungen. Weil technologischer Fortschritt, Digitalisierung, Vernetzung und Mobilität das Arbeitsleben verdichten und beschleunigen, entstehen neue Handlungsfelder für die betriebliche Mitbestimmung beim Thema gute Arbeit. Das bedeutet auch Mitbestimmung im Datenschutz und bei Leistungs- und Verhaltenskontrollen.
Für viele Beschäftigte wachsen individuelle Freiräume. Aber nicht für alle verbessern sich auch ihre Arbeitsbedingungen. Für Betriebsräte entsteht eine Zwickmühle: Einerseits geht es um den Schutz vor zu viel Arbeitsverdichtung und überhöhten betrieblichen Flexibilitätsanforderungen. Andererseits müssen wichtige individuelle Freiräume erhalten bleiben für Arbeitsorganisation und Zeitarrangements.[…]
[…]
Betriebsräte kämpfen für internationale Standards guter Arbeit

Der Einsatz von Betriebsräten für gute Arbeit und faire Arbeitsbedingungen endet längst nicht mehr am Werkstor oder an den nationalen Grenzen. Immer wieder machen Unfälle durch verheerende Arbeitsbedingungen Schlagzeilen: z. B. der Großbrand in einer Textilfabrik in Bangladesh im November 2012. Bereits im September 2012 waren 289 Arbeiter in Pakistan in einer Textilfabrik verbrannt. Aus der zynischen Sicht mancher Unternehmen, die gern in Entwicklungsländern produzieren lassen, sind diese Nachrichten schlecht fürs Geschäft. Deshalb bekennen sich gerade große Bekleidungshersteller seit Jahren zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, ihrer Corporate Social Responsibility (CSR). Es ist die freiwillige Selbstverpflichtung von Unternehmen, sich im Kerngeschäft über das gesetzliche Maß hinaus für die Umsetzung sozialer und ökologischer Standards einzusetzen. Und in solchen Firmen es ist nicht selten der Druck von Betriebsräten, die aus Solidarität mit ihren Kollegen in den Entwicklungsländern vom eigenen Unternehmen eine wirkungsvolle Übernahme der Verantwortung für gute Arbeitsbedingungen vor Ort und bei den Lieferanten einfordern.
CSR ist seit Jahren in aller Munde: Die Bundesregierung hat 2009 ein „Nationales CSR-Forum“ eingerichtet. In der Europäischen Union gibt es Diskussionen, in den Geschäftsberichten neben finanziellen Kennzahlen auch Angaben zur sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung verpflichtend zu machen. Die Vereinten Nationen bieten mit Global Compact ein Programm an, bei dem sich Unternehmen auf eine sozial verantwortliche Unternehmensstrategie verpflichten können.
Beispiele wie in Bangladesh oder Pakistan zeigen jedoch, dass CSR oft nur auf dem Papier existiert und es ein weiter Weg von der Selbstverpflichtung zur konkreten Umsetzung ist. Gelingen kann die Umsetzung nur, wenn die Interessenvertretungen der Beschäftigten in diesen Prozess einbezogen sind. Auch die Betriebsräte in Deutschland können dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Das haben viele Unternehmensleitungen inzwischen selbst erkannt. Seit einigen Jahren erklären sich mehr und mehr international tätige Unternehmen bereit, mit den globalen Gewerkschaftsverbänden internationale Rahmenvereinbarungen auszuhandeln, die Unternehmen auf die Einhaltung sozialer Mindeststandards verpflichten. Auch in Bangladesh haben die meisten großen Handelsketten im Mai 2013 eine Vereinbarung mit den Gewerkschaftsverbänden UNI Global und IndustriALL unterzeichnet, um Arbeitsbedingungen, Brandschutz und Gebäudesicherheit in den Fabriken verbessern zu müssen.
Grundbestandteil solcher Regelungen ist die Verpflichtung der Unternehmen auf die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation: Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Kollektivverhandlungen, Verbot von Zwangsarbeit und Kinderarbeit sowie das Verbot von Diskriminierung und die Pflicht zur gleichen Bezahlung für gleichwertige Arbeit für Männer und Frauen. Darüber hinaus enthalten sie im Idealfall konkrete Pflichten für den Arbeits- und Gesundheitsschutz, zur Aus- und Weiterbildung, für Mindestlöhne und zur Vermeidung exzessiver Arbeitszeiten. Für die Umsetzung dieser Mindeststandards werden Verfahren zur Durchsetzung und Sanktionen geregelt sowie teilweise auch die Ausdehnung und Verpflichtung auf Zulieferer.
Aber auch bei diesen internationalen Rahmenvereinbarungen ergibt sich die Umsetzung nicht von selbst. Sie setzt voraus, dass an allen Standorten Personen existieren, die gegenüber der Konzernleitung für die Umsetzung verantwortlich sind, und auch eine Interessenvertretung der Beschäftigten vorhanden ist, die in die Umsetzung einbezogen ist. Internationale Rahmenvereinbarungen sind dann erfolgreich, wenn von Anfang an eine enge Verbindung zwischen den globalen Gewerkschaftsverbänden und den Interessenvertretungen vor Ort besteht. Hier kommen auch die Betriebsräte in Deutschland ins Spiel. Sie verfügen über Kenntnisse zu internen Prozessen und Strukturen im Unternehmen, die nötig sind, um Ansatzpunkte zu finden, Abteilungen einzubeziehen, Zulieferbeziehungen und Geschäftsprozesse zu beachten.
Wie mühsam die Umsetzung internationaler Rahmenvereinbarungen sein kann, zeigt sich aktuell am Beispiel Volkswagen. Der Weltbetriebsrat kämpft darum, die Rahmenabkommen in allen Standorten weltweit umzusetzen. In den USA stößt der Versuch, mit der US-Gewerkschaft UAW gemeinsam die Einrichtung einer betrieblichen Interessenvertretung im Werk Chattanooga anzustoßen, auf massiven Widerstand. In Italien dagegen wird die Umsetzung der VW-Charta der Arbeitsbeziehungen als Gegenmodell zu FIAT begrüßt. Dort werden von den Gewerkschaften drastische Zugeständnisse verlangt und trotzdem wird ein italienisches Werk nach dem anderen geschlossen.
Globale Rahmenvereinbarungen gibt es nicht nur in globalen Konzernen, sondern auch in deutlich kleineren. So hat die IG Metall gemeinsam mit der Bau- und Holzarbeiter Internationale und deutschen Schreibwarenherstellern wie Faber-Castell, Staedler und Schwan-Stabilo internationale Rahmenvereinbarungen getroffen, die weltweit nur wenige Tausend Beschäftigte haben. Hier übernehmen die deutschen Betriebsräte zum Teil selbst die Aufgabe, die Umsetzung der Vereinbarung in den ausländischen Standorten zu prüfen. Sie tun dies, weil sie wissen, dass die Existenz ihres Unternehmens in Deutschland auch davon abhängt, dass es weltweit als sozial verantwortliches Unternehmen wahrgenommen wird. In den internationalen Standorten gibt es bislang keine Interessenvertretung der Beschäftigten, sondern muss erst noch aufgebaut werden.
Gute Arbeitsbedingungen zu entwickeln, ist Bestandteil einer gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmensführung. Es ist ein mühseliges Unterfangen für Betriebsräte, entlang weltweiter und grenzüberschreitender Wertschöpfungsketten Standards für gute Arbeit zu erkämpfen. Dabei liegt ein weiteres Motiv für deutsche Betriebsräte im Gedanken des Schutzes der eigenen Standards der Arbeitsbedingungen. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen weltweit hilft womöglich auch, Standortkonkurrenzen zu verringern.
Es ist mühselig für Betriebsräte, entlang weltweiter und grenzüberschreitender Wertschöpfungsketten Standards für gute Arbeit zu erkämpfen. Aber gute Arbeit an weniger sozial geschützten Arbeitsplätzen hilft auch guter Arbeit an besser geschützten Orten. Betriebsräte in Deutschland machen sich deshalb mehr und mehr auch im eigenen Interesse auf den Weg, über ihre Europäischen Betriebsräte und mit den internationalen Gewerkschaftssekretariaten verbindliche internationale Rahmenabkommen zu erreichen. Der Anspruch muss sein, die Einhaltung der international vereinbarten ILO-Menschenrechte umzusetzen.
Für bessere Handlungsfähigkeit von Betriebsräten
Zwanzig Jahre geübte Praxis der Interessenvertretung in Europäischen Betriebsräten machten sie zu einem selbstverständlichen Element der Interessenvertretung in grenzüberschreitenden Unternehmen. Sie haben sich auf den Weg gemacht, mit den europäischen und internationalen Gewerkschaftssekretariaten gemeinsam verbindliche internationale Rahmenabkommen zu erreichen. Den Kernarbeitsnormen der ILO-Menschenrechte soll damit Geltung verschafft werden. Denn: Jeder Arbeitsplatz hat ein Gesicht, wo auch immer auf der Welt.

  • Betriebsräte sorgen für gute Arbeit und faire Arbeitsbedingungen. Weil technologischer Fortschritt, Digitalisierung, Vernetzung und Mobilität das Arbeitsleben verdichten und beschleunigen, entstehen neue Handlungsfelder für betriebliche Mitbestimmung und gute Arbeit. Die klassischen Schutzinteressen stehen demgegenüber jedoch nicht zurück.
  • Für viele Beschäftigte wachsen individuelle Freiräume. Aber nicht für alle verbessern sich auch ihre Arbeitsbedingungen. Für Betriebsräte entsteht eineZwickmühle: Einerseits geht es um den klassischen Schutz vor Überforderung. Andererseits muss die betriebliche Mitbestimmung den Autonomiewünschen der Beschäftigten stärker entgegenkommen. Auch deshalb muss der Betriebsrat neue Kommunikationsformen in der direkten und unmittelbaren Beteiligung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern finden.
  • Die betriebliche Mitbestimmung leistet konstruktive Beiträge, um die Innovationskraft von Unternehmen zu erhöhen. Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen verbessern sich. „Gute Arbeit“ entsteht. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Betriebsrat klar Stellung bezieht und auch bereit ist, Konflikte mit dem Management einzugehen, um seine Ziele zu erreichen.
  • Die Kurzfristigkeit von Renditeanforderungen internationaler Kapitalgeber hat das Handeln und Spielräume für das Management verändert. Damit muss auch der Betriebsrat umgehen. Der Umgang mit Maßnahmen mit kurzfristigen Kostensenkungseffekten oder zur Restrukturierung ganzer Bereiche ist mehr und mehr zum Alltag von Betriebsrat und Gewerkschaften geworden.
  • Die Unternehmensmitbestimmung ist eine Erfolgsgeschichte, weil Betriebsratsmitglieder über ihr Mandat im Aufsichtsrat die betriebliche Mitbestimmungsagenda voranbringen können. Idealtypisch wird mit der Montanmitbestimmung vorgelebt, wie paritätische Mitbestimmung erfolgreich zum Wohl von Arbeitnehmern und Unternehmen praktiziert werden kann.
  • Professionalität des Betriebsrates kombiniert sich aus Erfahrung, erworbenen Fähigkeiten, Kompetenzen und Qualifikationen. Eine entsprechende formale Anerkennung und Vergütung entlang transparenter Grundsätze wäre ein Signal von Wertschätzung für das Wahlamt Betriebsrat.

 
Links:

TAZ zur "Anti-Stress-Verordnung"

Die TAZler finden sich wohl zu cool für eine ernsthaftere Berichterstattung zum Thema. http://www.taz.de/!135121/
Siehe auch zu einem wichtigen Thema bei den anstehenden Betriebsratswahlen: http://www.morgenweb.de/nachrichten/wirtschaft/regionale-wirtschaft/mitarbeiter-wahlen-ihre-vertreter-1.1427675
BMAS zum Thema “Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt”: http://www.bmas.de/DE/Themen/Schwerpunkte/Psychische-Gesundheit-Arbeitsplatz/inhalt.html
 


2014-06-04
Nach dem Artikel von Eva Völpel hat Barbara Dribbusch versucht, nachzubessern: http://www.taz.de/!117359/

[…] Eine neue Anti-Stress-Verordnung im Arbeitsschutzgesetz, die auch mehr Gewicht auf die Wiedereingliederung von psychisch Labilen legt, ist zu begrüßen. […]

Das ist zwar gut gemeint, aber dass es beim Thema der arbeitsbedingten psychischen Arbeitsbelastung um “psychisch Labile” geht, spukt anscheinend immer noch in vielen Köpfen herum. Es geht jedoch nicht um den Schutz nur von “psychisch Labilen”, sondern der Gesetzgeber verlangt die Reduzierung von psychischen Fehlbelastungen für alle Arbeitnehmer! Seit 1996 scheiterte das aber an der Umsetzung des Gesetzes. Diesen jämmerliche Zustand soll die Anti-Stress-Verordnung beenden. Darum wird es auch keine Anti-Stress-Verordnung “im Arbeitsschutzgesetz” geben, sondern benötigt wird eine Durchführungsverordnung zur deutlich konsequenteren Umsetzung des Gesetzes.
Das muss nicht umbedingt zu neuen Vorschriften für die Arbeitgeber führen, sondern so eine Verordnung könnte auch die behördliche Aufsicht verbessern. Man kann eigentlich nicht sagen, dass die Forderungen nach einer Verbesserung der Aufsicht übereilt wäre. Blicken wir hier doch einmal in das Jahr 1927 zurück:
Das Problem ist seit etwa 2004 bei den Arbeitgebern (wieder) gut bekannt, theoretisch schon seit 1996. Aber erst jetzt beginnen genügend viele Betriebsräte, durchzublicken. Sie sind zwar der Haupttreiber des Themas in den Betrieben, aber im Jahr 2013 gab auch die Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA) eine lesenswerte Handlungshilfe heraus: »Die Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz - Besonderer Schwerpunkt: Psychische Belastung - Ein Praxisleitfaden für Arbeitgeber«. Betriebsräte sollten diese Veröffentlichung wenigstens kennen. Leider sind die Gewerbeaufsichten bei diesem Thema immer immer noch unterausgestattet und überfordert (siehe Bundestagsdrucksache 17/10229 vor etwa zwei Jahren). Oft werden sie auch politisch ausgebremst. Dabei forderte schon der fränkische Abgeordnete Müller »die Einstellung einer größeren Anzahl speziell ausgebildeter Gewerbeärzte..., die die Schädigung durch physische und psychische Ermüdungserscheinungen besonders zu beobachten hätten.« (Müller und Genossen, Reichstag Berlin, 10. März 1927.)

Praxisleitfaden der Arbeitgeber: Psychische Belastung in der Gefährdungsbeurteilung

Aktualisierung eines Beitrages vom 30. September 2013
http://www.arbeitgeber.de/www/arbeitgeber.nsf/res/BDA-Gefaehrdungsbeurteilung.pdf/$file/BDA-Gefaehrdungsbeurteilung.pdf (2013-08, 21 Seiten)

Die Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz
Besonderer Schwerpunkt: psychische Belastung
Ein Praxisleitfaden für Arbeitgeber
[…]

D. Gefährdungsbeurteilung und freiwillige betriebliche Gesundheitsförderung
Bei der Diskussion um psychische Belastung werden vielfach die sehr unterschiedlichen Handlungsfelder Gefährdungsbeurteilung und betriebliche Gesundheitsförderung vermischt. Während es sich bei der Gefährdungsbeurteilung um eine gesetzliche Aufgabe nach dem ArbSchG handelt, sind Aktivitäten in der Gesundheitsförderung ein freiwilliges Angebot des Arbeitgebers. Eine Trennung beider Bereiche im Unternehmen ist daher sinnvoll. […]

E. Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung
Gesundheit ist nicht teilbar, körperliche und seelische Gesundheit hängen zusammen und bedingen einander. Deshalb gibt es keine Pflicht zu einer gesonderten Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung, wie sie gelegentlich in Unternehmen gefordert wird. Vielmehr gilt, dass der Arbeitgeber im Rahmen der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung auch zu prüfen hat, ob eine Gefährdung durch psychische Belastung besteht.
        Zur Klarstellung dieses bereits heute geltenden Grundsatzes soll das ArbSchG in § 5 Abs. 3 Nr. 6 künftig ausdrücklich um den Gefährdungsfaktor „psychische Belastungen bei der Arbeit“ ergänzt werden. Der Bundestag hat den entsprechenden Gesetzentwurf am 27. Juni 2013 verabschiedet. Das nicht zustimmungspflichtige Gesetz wird voraussichtlich Ende September 2013 den Bundesrat passieren.
        Durch die Formulierung „bei der Arbeit“ wird – so die Begründung des Gesetzentwurfs – deutlich gemacht, dass die Klarstellung nicht bezweckt, den Gesundheitszustand der Beschäftigten generell im Hinblick auf alle Lebensumstände zu verbessern. Die Schutzmaßnahmen betreffen ausschließlich Gefährdungen für die physische oder die psychische Gesundheit der Beschäftigten durch die Arbeit. Andere Beeinträchtigungen liegen außerhalb des Schutzzwecks des ArbSchG und können daher nur Gegenstand freiwilliger Maßnahmen des Arbeitgebers sein. […]

H. Mitbestimmung
Existiert im Unternehmen ein Betriebsrat, steht ihm bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zu. […]

“Deshalb gibt es keine Pflicht zu einer gesonderten Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung, wie sie gelegentlich in Unternehmen gefordert wird. Vielmehr gilt, dass der Arbeitgeber im Rahmen der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung auch zu prüfen hat, ob eine Gefährdung durch psychische Belastung besteht.” Was bedeutet das?
Richtig ist, dass psychische Belastungen eine Belastungsart unter vielen anderen Belastungen sind, die die Gesundheit beeinträchtigen könnten. Allerdings werden mit den anstehenden Änderungen im Arbeitsschutzgesetz physische und psychische Belastungen nun getrennt benannt. Und wenn im Arbeitsschutzsystem eines Betriebes Gefährdungsbereiche explizit benannt werden, dann wäre es etwas erstaunlich, wenn der Bereich der psychischen Belastungen fehlt.

  • Richtig ist auch, dass es keine Pflicht zu einer gesonderten Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung gibt.
  • Aber es gibt keinen Grund, psychische Belastungen gegenüber anderen Belastungen gesondert zu vernachlässigen.

Die BDA verschweigt in ihrem ansonsten sehr gut gemachten Leitfaden den Grund für die “gelegentlichen” Forderungen in den Unternehmen: In Betrieben, in denen es einerseits Gefährdungsbeurteilungen für verschiedene Gefährdungskategorien gibt, aber andererseits die Gefährdungskategorie der psychischen Belastungen fehlt, fordern Betriebsräte konsequenterweise, dass es für psychische Belastungen genau so eine gesonderte Beurteilung gibt, wie für die anderen Belastungskategorien. Gerade wenn ein Betrieb einen guten Arbeitsschutz mit verschiedenen Prozessen für die verschiedenen körperlichen Belastungen hat, fällt nämlich gemessen an den eigenen Maßstäben des Arbeitgebers ein Fehlen der Kategorie ausgerechnet der psychischen Belastungen besonders auf, und zwar mindestens als Ordnungswidrigkeit.
Es gab leider Gewerbeaufsichten und Zertifizierungsunternehmen, die das Fehlen eines Prozesses für die Beurteilung psychischer Belastungen neben den vorhandenen anderen Prozessen wiederholt übersahen und Betrieben trotz dieses auffälligen Mangels sogar noch gute Bewertungen gaben. Sie ließen damit besonders in Betrieben mit vielen Bildschirmarbeitsplätzen eine klare Ordnungswidrigkeit zu. Diesen Systemfehler im Aufsichtswesen gibt es seit vielen Jahren. Das ging so weit, dass Arbeitnehmer, die auf diesen Missstand hinwiesen, unter den Augen der Gewerbeaufsicht und der Zertifizierer Nachteile erleiden konnten. Solch eine Aufsicht schützte die Arbeitgeber und nicht die Arbeitnehmer. Und wo jetzt der Mangel auf Betreiben vor allem der Arbeitnehmervertretung behoben wird, interessieren sich die Gewerbeaufsicht und die Zertifizierer nicht dafür, ob der Mangel in der Vergangenheit Mitarbeitern Schaden zugefügt hat. Diese Auditoren müssten dann ja selbst Fehler in der Vergangenheit zugeben.

 
Bedeutung der Arbeitnehmerertretungen
Mit Blick auf die Geschichte der Positionen der BDA ist der Praxisleitfaden der BDA und ihres Instituts (ifaa) aber nun ein deutlicher Fortschritt. Betriebs- und Personalräte sollten sich diesen hilfreichen Leitfaden genau ansehen. Hier verdient die Arbeitgebervereinigung ein Kompliment. Der Abschnitt H zur Mitbestimmung wird Arbeitnehmervertreter besonders interessieren. Er zeigt deutlich, wie wichtig ein Betriebsrat bzw. ein Personalrat ist.
Was machen Arbeitnehmer, wenn es keinen Betriebs- oder Personalrat gibt? Mitbestimmung im Arbeitsschutz kann sogar ein Grund für Betriebsratsgründungen sein. Psychische Fehlbelastungen waren beispielsweise beim Apple Store in München der Auslöser für die Einrichtung eines Betriebsrates im bis dahin in Deutschland “betriebsratsfreien” Konzern.
Das Arbeitsschutzgesetz gibt übrigens von § 15 bis § 17 allen “Beschäftigten” Rechte und Pflichten. Diese Rechte und Pflichten bestehen auch ohne dass ein Betriebsrat existiert, sind aber ohne Betriebsrat in der Praxis natürlich schwerer umzusetzen. Das gilt auch für den § 3:

[Der Arbeitgeber hat] Vorkehrungen zu treffen, daß die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können.

Ohne einen Betriebs- oder Personalrat kann schon die Feststellung der Erforderlichkeit zu einem Problem für die Arbeitnehmer werden.
 
Gesundheitsförderung als freiwillige Leistungen des Arbeitgebers
Zum Schluss muss noch ein Irrtum korrigiert werden, der sowohl Arbeitgebern wie auch Arbeitnehmervertretern immer wieder gerne unterläuft (Tabelle auf S. 7):

Betriebliche Gesundheitsförderung […] ist eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers und daher nicht mitbestimmungspflichtig.

Das ist falsch.
Richtig und logisch zwingend ist nur, dass ein Betriebsrat freiwillige Maßnahmen nicht erzwingen kann, sonst wären sie ja nicht freiwillig. Werden sie jedoch in den Bereichen umgesetzt, die insbesondere in den §§ 87 und 89 BetrVG definiert sind, dann gelten die Mitbestimmungsrechte und Mitbestimmungspflichten des Betriebsrates. Der Betriebsrat kann sich z.B. mit Wohltaten wie Fitness-Trainings oder Psycho-Workshops befassen, wenn sie z.B. als Maßnahmen des Arbeitsschutzes dargestellt werden und/oder wenn damit auch die körperliche oder mentale Leistungsfähigkeit von einzelnen Mitarbeitern erfasst werden soll. Und wo die betriebliche Gesundheitsförderung Schnittmengen mit dem Arbeitsschutz hat, muss der Betriebsrat ebenfalls nach § 89 BetrVG mitbestimmen.
Freiwillige Leistungen, die den Arbeits- und Gesundheitsschutz betreffen, sind zwar nicht erzwingbar, aber trotz Freiwilligkeit mitbestimmungspflichtig. Das gilt für alle Maßnahmen, die der Arbeitgeber der behördlichen Aufsicht als Beitrag zum Arbeits- und Gesundheitsschutz darstellt.
Wer meint, dass die freiwillige Teilahme an einem Spiel berechtigt, die Spielregeln missachten zu können, ist noch nicht so richtig erwachsen.

When do audits interfere with the law?

BS OHSAS 18001 is a standard for Occupational Health & Safety (OH&S) management systems. Conformity assessment bodies (CAB) conduct audits at the sites of clients who applied for a certification or who want to get re-certified. In Germany the CABs are accredited by the Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS).
Accredited CABs in Germany for OHSAS 18001: http://www.dakks.de/en/content/directories-accredited-bodies. Leave all selections to “ALL” except “Certification for Managementsystem 2”, where you select “T64=Occupational Health and safety managementsystem: BS OHSAS 18001”.
Auditing is about assessing conformity. Strangely, in Germany it may occur that CABs support clients in acting against the law. When auditing the OH&S management system at your client’s site based on OHSAS 18001, the client may try

  • to take confidentiality as an excuse to hide findings concerning OH&S from the works council and
  • to exclude the works council from audits in order to prevent employee representatives from reporting OH&S issues to the auditor.

CABs should try to avoid this. Even best audit practices are not above the law!
Audits require confidentiality, but with regard to occupational health & safety issues, confidentiality does not allow clients of CABs to lock the work council out. CABs should not support clients in hiding information in a way which interferes with the duties of works council in Germany. Interfering with the legitimate work of the works council is a penal offence in Germany. Don’t issue certificates to clients, who act against the German Works Constitution (and against OHSAS 18001:2007 4.4.3.2).
The following exerpt from the German Works Constitution tells you which information on OH&S issues the works council of your client’s sites are entitled to ask for and where and when the works councils are entitled to participate in the audit.
The German Works Constitution (excerpt for OHSAS 18001 Auditors)

Section 2 – Status of trade unions and employers’ associations
(1) The employer and the works council shall work together in a spirit of mutual trust having regard to the applicable collective agreements and in co-operation with the trade unions and employers’ associations represented in the establishment for the good of the employees and of the establishment.
Section 80 – General duties
(1) The works council shall have the following general duties:
1. to see that effect is given … safety regulations … for the benefit of the employees;
[…]
Section 87 – Right of co-determination
(1) The works council shall have a right of co-determination in the following matters in so far as they are not prescribed by legislation or collective agreement:
1. matters relating to the rules of operation of the establishment and the conduct of employees in the establishment;
[…]
7. arrangements for the prevention of accidents at work and occupational diseases and for the protection of health on the basis of legislation or safety regulations;
8. the form, structuring and administration of social services whose scope is limited to the establishment, company or combine;
[…]
Section 89 – Health and safety as well as environmental protection at work
(1) The works council shall endeavour to ensure that the provisions on safety and health at work and accident prevention as well as environmental protection are observed in the establishment. It shall support the competent occupational safety and health authorities, the statutory accident insurance institutions and other relevant bodies in their efforts to eliminate safety and health hazards by offering suggestions, advice and information
(2) The employer and the bodies referred to in the second sentence of subsection (1) shall be obliged to invite the works council or the members it delegates for that purpose to participate in all inspections and issues relating to safety and health at work or the prevention of accidents and inquiries into accidents. The employer shall also consult the works council concerning all inspections and issues relating to environmental protection in the company, and shall immediately inform it of any conditions imposed and instructions given by the competent bodies relating to safety and health at work, the prevention of accidents, or environmental protection in the establishment.
(3) For the purposes of this Act, environmental protection in the establishment comprises all personnel and organisational measures as well as all measures relating to the establishment’s buildings, rooms, technical equipment, working methods, working processes and work places that serve the protection of the environment.
(4) Members delegated by the works council shall take part in discussions between the employer and the safety delegates within the context of section 22 (2) of the Seventh Book of the Social Code.
(5) The works council shall receive from the employer the minutes of inquiries, inspections and discussions in respect of which subsections (2) and (4) provide for its participation.
(6) The employer shall supply the works council with a copy of the accident notification to be signed by the works council under section 193 (5) of the Seventh Book of the Social Code.
Section 119 – Offences against bodies established under this Act and their members
(1) The following offences shall be punishable by a term of imprisonment not exceeding one year or a fine, or both:
[…]
2. Obstructing or interfering with the activities of the works council, the central works council, the combine works council, the youth and trainee delegation, the central youth and trainee delegation, the combine youth and trainee delegation, the ship’s committee, the fleet works council, the representative bodies of the employees referred to in section 3 (1), the conciliation committee, the arbitration body referred to in section 76 (8), the grievance committee referred to in section 86 or the finance committee,
[…]
(2) Proceedings concerning the offence shall be instituted only on application by the works council, the central works council, the combine works council, the ship’s committee, the fleet works council, the representative bodies of the employees referred to in section 3 (1), the electoral board, the employer or a trade union represented in the establishment. The application may be withdrawn.

Source:
   Co-determination 2013,
   Federal Ministry of Labour and Social Affairs,
   Information, Publication and Editorial Office
   53107 Bonn, Germany

Gesundheitsförderung bei VW in Kassel

http://www.focus.de/regional/hessen/gesundheit-von-steh-sitz-arbeitsplatz-bis-rundum-check-gesundheit-bei-vw_id_3593472.html

[…] Doch was sagt der bei Europas größtem Autobauer traditionell einflussreiche Betriebsrat zu den Angeboten? „Wir sind der Treiber für eine betriebliche Gesundheitsförderung“, betont Betriebsratsmitglied Thomas Frye. „Die Menschen nehmen das an.“ Denn solche Untersuchungen machten dem Arbeitgeber deutlich, dass die Belastung gestiegen sei. „Die Frage ist, was wir mit den Ergebnissen machen. Das ist die Herausforderung der nächsten Monate und Jahre.“ […]

In vielen Fällen sind die Arbeitnehmervertreter tatsächlich die Treiber.
 

[…] Das BGM ist freiwillig, es gibt keine gesetzliche Grundlage. Doch es gebe Berührungspunkte mit dem Arbeitsschutz bei der psychischen Gefährdungsbeurteilung von Arbeitsplätzen, betont Walle. Erst 2013 sei das Thema psychische Belastung im Arbeitsschutzgesetz an eine prominente Stelle gehoben worden. Seitdem seien Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitsbedingungen auch daraufhin zu beurteilen. […]

Gute Darstellung des Verhältnisses von Arbeitsschutz und BGM (Betriebliches Gesundheitsmanagement). Aber die Darstellung, dass die Arbeitgeber erst seit 2013 zur Beurteilung psychischer Belastungen verpflichtet sind, ist schlicht falsch: Sowohl der Gesetzgeber wie auch die BDA (Arbeitgebervereinigung) haben genügend deutlich gemacht, dass die Hinzunahme psychischer Belastungen im Arbeitsschutzgesetz nur eine Klarstellung bereits geltenden Rechts ist. Die Erweiterung des Arbeitsschutzgesetzes kann daher nicht als Ausrede für Versäumnisse in der Vergangenheit mißbraucht werden.
 

[…] Eine reelle psychische Gefährdungsbeurteilung werde allerdings noch Jahre dauern, betont VW-Werkarzt Nöring. Es gebe noch keine Normwerte, zudem sei beispielsweise nicht objektiv zu ermitteln, wann eine Erschöpfung eintrete und welche Folgen diese habe. „Das ist pures Empfinden.“ […]

Auch das ist so nicht richtig. Es gibt seit vielen Jahren Testverfahren, die ihrerseits auch wissenschaftlich getestet wurden. Außerdem: Gerade wenn Normen fehlen, entsteht ein Gestaltungsspielraum, in dem der Mensch situationsgerecht entscheidet, was eine Fehlbelastung ist und was nicht. Dafür entstand das Arbeitsschutzgesetz im Jahr 1996 als Rahmengesetz. Innerhalb dieser Vorschrift müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam betriebsgerechte Lösungen erarbeiten, und zwar auch für den Umgang mit psychischen Belastungen seit 1996 (höchstrichterlich bestätigt im Jahr 2004), nicht erst seit 2013. Genau dafür ist die Mitbestimmung der Arbeitnehmer als Pflicht vorgeschrieben. Das Fehlen gesetzlicher Regeln und das Fehlen von Normen ist in der Rechtsprechung sogar ein wesentlicher Bestandteil der Begründung der Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmervertretungen: Wo im Arbeitsschutz Regeln gestaltbar sind, hat der Arbeitgeber sie zu gestalten und dabei die Mitbestimmung zu respektieren.