Lob für Ordnungswidrigkeiten

Beispiel aus dem Arbeitsschutz: Ein Unternehmen bezog eine Gefährdungskategorie, zu deren Behandlung es verpflichtet ist, nachhaltig nicht in die Gefährdungsbeurteilung mit ein. Das ist mindestens eine Ordnungswidrigkeit. Bei einem ordentlichen Audit nach OHSAS 18001 würde das als Abweichung bewertet werden. Nun kam das Unternehmen auf die Idee, im Jahr 2012 ein Projekt aufzusetzen, mit dem eine Einhaltung der Vorschriften erst erreicht werden soll. Obwohl Konformität mit den Arbeitsschutzvorschriften noch nicht erreicht ist und der akkreditierte Zertifizierer von der noch nicht korrigierten Abweichung Kenntnis hat, bescheinigt er dem Unternehmen einen positiven Aspekt für das Projekt. Die vor Projektabschluss bis 2014 noch bestehende Ordnungswidrigkeit wird auch vom Auditor verschwiegen.
Statt den Schutz der Mitarbeiter sicherzustellen, hilft der Zertifizierer dem Unternehmen, die Unwahrheit zu behaupten, dass es die Bestimmungen des Arbeitsschutzes einhalte. So funktioniert das Zertifizierungsgeschäft eben in der Wirklichkeit. Wissen die DAkkS und die Gewerbeaufsicht, wie verrückt Audits tatsächlich laufen?

Hinterlistige Normenarbeit

http://www.concada.de/app/seminar/detail/1901/V4640_Ausbildung_zum_Auditor_fuer_Betriebliches_Gesundheitsmanagement_-_Spezielle_BGM_Kenntnisse_nach_DIN_SPEC_91020

Spezielle BGM Kenntnisse nach DIN SPEC 91020
[…]
Der Verband der deutschen Sicherheitsingenieure (VDSI) hat diesen Lehrgang mit einem Punkt im Bereich Arbeitsschutz und drei Punkten im Bereich Gesundheitsmanagement bewertet.

Concada und der VDSI wissen, dass die DIN SPEC 91020 gemäß DIN keine Aspekte des Arbeitsschutzes enthält. Warum bekommt das Seminar dann für den Arbeitsschutz einen Punkt des VDSI? Wie seriös sind ein Seminaranbieter und eine Sicherheitsingenieurs-Verband, wenn sie diese Möchtegern-Norm ohne einen Hinweis auf die vom DIN ausdrücklich vorgegebenen Einschränkungen mit dem Arbeitsschutz in Verbindung bringen?
Das DIN scheint tatenlos dabei zuzusehen, wie die DAkkS, Concada (B·A·D) und der VDSI diesen Aspekte des Arbeits- und Gesundheitsschutzes explizit auschließenden Standard trotzdem in den Arbeitsschutz einschmuggeln wollen. Kritik and diesem dubiosen Vorgehen zur Schwächung wirklicher Arbeitsschutznormen (die im Gegensatz zum freiwilligen Gesundheitsmanagement mehr Verantwortung vom Arbeitgeber verlangen) ist mir bisher nur von der KAN bekannt. Warum setzt das DIN diesem Treiben kein Ende? Wie geht das DIN in diesem SPEC-Geschäft mit seinen eigenen Regeln um?

DAkkS-Beschwerdeverfahren

Unser heutiges Arbeitsschutzgesetz trat im Jahr 1996 in Kraft. Es war als Rahmengesetz konzipiert und sollte somit einen Freiraum für betriebsgerechte Lösungen bieten. Eine wichtige Grundlage war die Annahme, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander vereinbaren, wie der Arbeitsschutz in einem Betrieb konkret umgesetzt wird. Insbesondere im Bereich der psychischen Belastungen hat das nicht funktioniert. Es kann immer noch passieren, dass ein Betrieb sein Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) ohne Betriebsrat aufbaut und anschließend externen Auditoren angeblich bereits implementierte Prozesse zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz präsentiert, die die Betriebsleitung unter Umgehung der Mitbestimmung gestaltet hatte.
Wenn unkritische Auditoren trotz dieser strafbaren Missachtung des Betriebsverfassungsgesetzes ein Zertifikat nach OHSAS 18001 erteilen, kann der Arbeitgeber anschließend der immer noch überforderten Gewerbeaufsicht dieses Zertifikat vorlegen. Die Gewerbeaufsicht prüft dann nur “entlastet”. Sie merkt zum Beispiel nicht, dass der Betriebsrat dem AMS nicht zugestimmt hat. Zudem lassen sich unerfahrene Betriebsräte von dem Zertikat (sowie von der vom Zertifikat beeindruckten Gewerbeaufsicht) beeindrucken, obwohl sie ja gar nicht wissen, was der Arbeitgeber den Auditoren erzählt hatte.
Betriebsräte dürfen sich nicht von einem Zertifikat einschüchtern lassen, sondern gerade wenn es von bei der DAkkS akkreditierten Auditoren nach einer Missachtung der Mitbestimmung erteilt wurde, wird es Zeit, sich bei der DAkkS als Aufsicht der Auditoren zu beschweren.

 
Nehmen Sie (z.B. als Mitglied eines Betriebsrates oder eines Personalrates) einmal an, dass Ihre Betriebsleitung bei externen Audits ihres AMS darstelle, dass psychische Belastungen in dem Arbeitsschutz ihres Betriebes ordungsgemäß implementiert seien. Wenn Sie dem nicht zugestimmt haben und die Betriebsleitung trotzdem auf ihrer Position besteht, dann behindert die Betriebsleitung die Mitbestimmung. Rufen sie die Einigungsstelle an.
Damit Betriebs- und Personalräte kompetent mitbestimmen können, haben sie das Recht, sich von einem qualifizierten Sachverständigen ihrer Wahl beraten zu lassen. Die Kosten für solche Sachverständige trägt der Arbeitgeber. Erfahrene Sachverständige können der Arbeitnehmervertretung auch helfen, die Übernahme der Beratungskosten durch den Arbeitgeber bei einer Einigungsstellt oder vor Gericht durchzusetzen.
Erst wenn die Arbeitnehmervertretung zugestimmt hat oder der Spruch einer Einigungsstelle eine fehlende Zustimmung ersetzt hat, kann die psychische Belastung als in den Arbeitsschutz einbezogen dargestellt werden.
Selbst die Gewerbeaufsicht kann ohne vollzogene Mitbestimmung nicht behaupten, psychische Belastungen seien in den Arbeitsschutz eines Betriebes mit einbezogen. Natürlich muss die Arbeitnehmervertretung (oder die Einigungsstelle) das Urteil der Gewerbeaufsicht berücksichtigen. Aber die Gewerbeaufsicht darf nicht entscheiden, dass der Arbeitsschutz in dem Betrieb ausreichend vollständig implementiert sei, wenn die Mitbestimmung behindert wurde. Eine wichtige Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes ist doch, dass es betriebsnah umgesetzt wird. Dass können nur Leute machen, die sich in dem Betrieb auskennen. Darum hat der lokale Betriebsrat oder Personalrat mitzubestimmen.
Wenn die Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmervertretung im Arbeitsschutz von der Betriebsleitung missachtet wird, dann bricht die Betriebsleitung auch dann gesetzliche Vorschriften, wenn die Gewerbeaufsicht keine Abweichungen festgestellt hat. Darum darf der Betrieb nicht nach OHSAS 18001 zertifiziert werden. Außerdem: Ohne vollzogene Mitbestimmung darf sich die Gewerbeaufsicht nicht von AMS-Zertifikaten “entlastet” fühlen, an deren Zustandekommen der Betriebsrat nicht beteiligt war.
Eine Nachlässigkeit der Gewerbeaufsicht und der externen Auditoren kann man daran erkennen, dass sie sich nicht für eine Überprüfung der Mitbestimmtheit der Gestaltung und Durchführung des Arbeitsschutzes in einem Betrieb interessieren. Bei Audits nach OHSAS 18001 müsste die Mitbestimmung sogar Gegenstand der Audits sein. Auch bei großen Zertifizierungsgesellschaften ist hier Nachlässigkeit und Desinteresse nicht ausgeschlossen. So geht’s halt zu im Zertifizierungsgeschäft.
Sollte einem Betrieb trotz einer Missachtung der Mitbestimmungspflicht von einem bei der DAkkS akkreditierten Zertifikator ein AMS-Zertifikat erteilt worden sein, dann können sich Arbeitnehmer und ihre Vertretungen bei der DAkkS beschweren. In einem entsprechenden Verzeichnis der DAkkS finden sie eine Beschreibung des DAkkS-Beschwerdeverfahrens.

Offener Brief an den ANP des DIN und an die DAkkS

An

Sehr geehrter Herr Dr. Gindele, sehr geehrter Herr Hissnauer,
Die DIN SPEC 91020 geht als Standard für das betriebliche Gesundheitsmanagemen (BGM) über die Forderungen des Arbeitsschutzes hinaus. Was in der intensiven Werbung für die DIN SPEC 91020 jedoch oft nicht deutlich wird: Im Gegensatz zum BGM, dass den Arbeitsschutz durchaus einbeziehen kann, umfasst die DIN SPEC 91020 weder den Arbeitsschutz, noch den Gesundheitsschutz. Bitte stellen Sie sicher, dass die Gewerbeaufsichten und andere von Zertifizierungen Betroffene sehr gut verstehen, dass eine Zertifizierung (so es eine solche geben wird) nach der DIN SPEC 91020 den Arbeits- und Gesundheitsschutz *nicht* umfasst.
Gewerbeaufsichten können also einen nach DIN SPEC 91020 zertifizierten Betrieb *nicht* entlastet prüfen, nur weil ein Zertifikat nach der DIN SPEC 91020 vorliegt. Erst Zertifikate nach Standards wie OHSAS 18001, ILO-OSH, OHRIS usw., die unter Einhaltung des Betriebsverfassungsgesetzes mit Teilnahme der Arbeitnehmervertretungen auditiert wurden, bestätigen ein ordentlich implementiertes Arbeitsschutzmanagementsystem.

Instrumentalisierung der DAkkS für's Zertifizierungsgeschäft

http://www.haward.de/haward_bgm_interaktiv/Special.php

Wissen Sie, dass die DIN SPEC 91020 BGM auf dem Weg zum akkreditierten Standard ist und sich aktuell eine Arbeitsgruppe der Akkreditierungsstelle DAkkS damit beschäftigt? Wir bieten Ihnen bereits jetzt die passende und derzeit einzigartige Software-Lösung. […]

Steht nun schon fest, dass die DIN SPEC 91020 auf dem Weg zum “akkreditierten Standard” ist? Die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) akkreditiert Zertifizierer. Weiß die DAkkS, dass sie jetzt auch Privatstandards wie die DIN SPEC 91020 “akkreditieren” wird?
Die DIN SPEC 91020 ist ein privater Standard für das betriebliche Gesundheitsmanagement. Das Deutsche Institut für Normung (DIN) kann helfen, solche Standards in eine korrekte Form zu bringen. Das DIN veröffentlicht den Standard auch, übernimmt aber keine Verantwortung dafür.
Das Marketing für die DIN SPEC 91020 bleibt dreist. Selbst im ansonsten seriösen haufe.de wird die DIN SPEC 91020 ohne Warnung, dass die Spezifikation keine Aspekte des Arbeitsschutzes enthält, neben einen Artikel gestellt, der BGM mit dem Arbeitsschutz in einen Zusammenhang stellt. Das DIN macht aber explizit klar, dass im PAS-Verfahren erstellte DIN SPECs nichts mit dem Arbeitsschutz zu tun haben. Wenn Haufe das BGM schon mit dem Arbeitsschutz in Verbindung bringt, dann ist es irreführend, nur zur DIN SPEC 91020 zu verlinken. Es hätte auch auf Standards wie OHSAS 18001 hingewiesen werden müssen.
Mit dieser im Schnellgang durchgedrückten Privatnorm basteln sich hier einige Firmen ihren eigenen Markt zusammen, und die DAkkS macht da mit? Die DAkkS sollte doch eigentlich genug damit zu tun haben, darauf zu achten, dass die nach OHSAS 18001 zertifizierten Unternehmen kritisch auditiert werden. Da haben z.B. Unternehmen über Jahre hinweg Zertifikate bekommen, die in Missachtung der Arbeitsschutzvorschriften psychische Belastungen so gut wie überhaupt nicht in ihren Arbeitsschutz einbezogen hatten. Und Audits nach OHSAS 18001 ohne Beteiligung von Betriebsräten sind eine Behinderung der Betriebsratsarbeit. Es gibt also noch ein großes Verbesserungspotential. Erst wenn hier die Hausaufgaben gemacht sind, kann man sich mit der Kür im freiwilligen Gesundheitsmanagement vergnügen.
Wie “unabhängig” ist die DAkkS wirklich? Wenn man sich die Gesellschafter der DAkkS ansieht, dann fehlt u.A. eine Vertretung der Arbeitnehmerseite. Da haben die Menschen, zu deren Schutz die Aufsicht (DAkkS) der Auditoren (Zertifizierer) beitragen sollten, wohl schlechte Karten. Ist dieses strukturelle Problem ein Zufall?
Beim Zustandekommen und der Weiterentwicklung von OHSAS 18001 durften Arbeitnehmer intensiver mitwirken, als bei der DIN SPEC 91020. Vielleicht ist es aber gerade der bei anständigen Normen und Standards erforderliche Konsens, der die Unternehmen stört.
 
Suche: “DIN SPEC 91020” und “Arbeitsschutzgesetz”. – Ein Trick in der irreführenden Werbung für die DIN SPEC 91020 besteht häufig darin, zu behaupten, dass das BGM über den Arbeitsschutz hinausginge. Das mag sein, wenn der Arbeitsschutz in das BGM eingebettet ist. In die DIN SPEC 91020 ist der Arbeitsschutz aber nicht eingebettet, denn gemäß DIN kann die im PAS-Verfahren erstellte DIN SPEC 91020 kein für den Arbeitsschutz relevanter Standard sein. Ohne z.B. OHSAS 18001 macht eine Zertifizierung nach DIN SPEC 91020 also keinen Sinn, wenn ein Unternehmer auch im Arbeitsschutz ein Zertifikat zum Vorzeigen haben will. Es gibt hier übrigens sogar Unternehmer, die ernsthaft meinen, dass sie externe Audits abwehren können, wenn sie Zertifikate an der Wand hängen haben. Willkommen im Zertifizierungsgeschäft.
2015-12-01: Spezielle Anforderungen zur Akkreditierung von Zertifizierungsstellen, die Managementsysteme nach DIN SPEC 91020:2012 „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ zertifizieren

DNV berücksichtigt psychische Belastungen

Det Norske Veritas (DNV) gehört zu den bei der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) akkreditierten Zertifizierern für Arbeitsschutzmanagementsysteme von Betrieben nach OHSAS 18001.
http://www.dnvba.com/de/News-Events/News/Pages/Gefaehrdungsbeurteilung-schlie%C3%9Ft-psychische-Belastungen-ein.aspx (Pressemeldung von DNV):

Psychische Belastungen müssen in Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden
Am 20. September 2013 hat der Bundesrat dem „Gesetz zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen“ zugestimmt. Den Entwurf hatte der Bundestag bereits am 27. Juni 2013 verabschiedet. Das Gesetz umfasst auch Ergänzungen des Arbeitsschutzgesetzes. Unter anderem wird die Formulierung „psychische Belastungen“ mit aufgenommen.
Das Arbeitsschutzgesetz regelt die grundlegenden Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers sowie auch die Pflichten und Rechte der Beschäftigten. Jetzt wurde es an mehreren Stellen um den Aspekt der psychischen Belastungen ergänzt. Der Gesetzgeber reagiert damit auf aktuelle Entwicklungen und verdeutlicht, dass psychische Belastungen gleichwertig zu physischen zu beurteilen sind.
Zunächst wurde § 4 Nummer 1 angepasst. Dieser lautet nun wie folgt: „Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird.“ Außerdem wird mit den Änderungen die Pflicht des Arbeitgebers, Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen, präzisiert. § 5 Absatz 3 des Arbeitschutzgesetzes wird um eine Nummer 6 „psychische Belastungen bei der Arbeit“ ergänzt. Die Ergänzung fordert nun explizit, dass psychische Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung mit aufzunehmen sind und räumt damit jegliche Diskussion aus, ob psychische Belastungen überhaupt zum gesetzlich verpflichteten Arbeitsschutz gehören. Der Arbeitgeber ist demnach dazu verpflichtet, sowohl physische als auch psychische Gefährdungen zu beurteilen und aus der Beurteilung die entsprechenden Maßnahmen abzuleiten.
Bereits Anfang des Jahres verdeutlichte die Veröffentlichung des Stressreports 2013 von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) die Bedeutung von psychischen Belastungen bei der Arbeit. So waren laut Vorwort des Stressreports allein 2012 in Deutschland psychische Störungen für mehr als 53 Millionen Krankheitstage verantwortlich.
„Der Stressreport 2012 belegt in Zahlen, dass wir psychische Belastungen bei der Arbeit ernst nehmen müssen“, erklärt Beatrice Maier, Senior Consultant und Auditorin u.a. für Arbeits- und Gesundheitsschutz bei DNV Business Assurance. „Das deckt sich auch mit den Erfahrungen, die wir im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes mit unseren Kunden machen. Durch die Anpassungen des Arbeitsschutzgesetzes, die die Berücksichtigung von psychischen Belastungen nun auch explizit fordern, wird für alle Beteiligen Klarheit hinsichtlich der Rechtslage geschaffen. Unklar ist für die Unternehmen jedoch noch wie das praktisch umzusetzen ist. Die herkömmlichen Vorgehensweisen zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen sind nur bedingt für die Ermittlung von psychischen Belastungen geeignet.“
Um unseren Kunden Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie psychische Belastungen in ihrem Unternehmen erkennen können, plant DNV Business Assurance für das erste Quartal 2014 Veranstaltungen zu diesem Thema. Unter anderem wird es darum gehen, welche Herausforderungen psychische Belastungen in der Arbeitswelt für die Führungsverantwortung bedeuten.
Haben Sie Interesse an einer Veranstaltung zu dem Thema? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail unter dialog@dnv.com. Wir senden Ihnen zeitnah nähere Informationen und eine Anmeldemöglichkeit zu.
Datum: 10 Oktober, 2013
Author: Meike Pörschke

Es ist gut, wenn ein Zertifikator wie DNV sich intensiver mit dem Thema der psychischen Belastungen befasst.
Man könnte aus dem Artikel den Eindruck gewinnen, als sei das Gesetz erweitert worden. Tatsache ist jedoch, dass mit dieser Gesetz nur bestehende Regelungen klargestellt werden.
Auch in einem weiteren Punkt muss ich aber widersprechen: Es ist nicht unklar, wie die Forderung nach dem Einbezug psychischer Belastungen praktisch umzusetzen ist. Im Gegenteil war den Unternehmen klar, dass die herkömmlichen Vorgehensweisen zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen nur bedingt für die Ermittlung von psychischen Belastungen geeignet sind. Die Unternehmen ahnten durchaus, dass die Umstellung vom konventionellen “technischen” Arbeitsschutz auf den seit 1996 vorgeschriebenen ganzheitlichen Arbeitsschutz viel Geld kosten und Führungsstrukturen in Frage stellen wird. Darum saßen sie das Thema erst einmal so lange wie möglich aus. An eine unfreiwillige Unwissenheit und Hilflosigkeit von Arbeitgebern, die in ihren Unternehmen viel komplexere Themen gut im Griff haben, kann doch hier kaum jemand ernsthaft glauben.
Brauchbare Leitlinien und Handlungsanweisungen beispielsweise der Gewerbeaufsichten, der Berufsgenossenschaften und der Gewerkschaften gibt es bereits seit einigen Jahren! Das ist in meinem Blog gut dokumentiert. Schon im Jahr 2000 gab es auch vom Arbeitgeberverband brauchbare Informationen. Was bisher fehlte, war der Wille der Mehrheit der Betriebsleitungen, die Vorschriften des Arbeitsschutzes vollständig einzuhalten und die Vorschläge der Arbeitnehmervertretungen ernst zu nehmen. Freundlich ausgedrückt: Arbeitnehmervertreter und Mitarbeiter, die Vorschläge zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz machten, stießen nicht auf Dankbarkeit.
Arbeitgeber hätten beispielsweise in den LASI-Veröffentlichungen nachlesen können, wie die Gewerbeaufsichten im Gefährdungsbereich “psychische Belastungen” vorgehen sollten. Da die Gewerbeaufsichten aber wegen (zufällig?) mangelnder Ressourcen überfordert waren, wurde nicht ausreichend geprüft. Darum waren die Unternehmen kaum motiviert, mit den an die Gewerbeaufsichten gerichteten Handlungshilfen eigene Wege für eine Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes zu finden, mit der auch psychische Belastungen berücksichtigt werden.
Es konnte in der Vergangenheit passieren, dass es Betriebe gab, die nach OHSAS 18001 zertifiziert wurden, obwohl sie keine mitbestimmt gestalteten Prozesse für den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz vorweisen konnten. Diese Betriebe nutzten ihr Zertifikat dann auch noch dafür, Kritik von Mitarbeitern und Arbeitnehmervertretern an einenem nachhaltig unvollständigen Arbeitsschutz abzuwehren. Mitarbeiter, die Fehlbelastungen meldeten, wurden in zertifizierten Betrieben sogar bedroht oder erlitten sonstige Nachteile. Das ist regel- und gesetzeswidrig, womit eine wichtige Grundlage für eine Zertifizierung entfällt. Die unter Vernachlässigung der psychischen Belastungen erteilten Zertifikate schadeten also den Arbeitnehmern anstatt ihren Schutz zu sichern.
Weil auch heute noch viele Unternehmen psychische Belastungen nicht mitbestimmt in den Arbeitsschutz einbeziehen, verstoßen sie gegen das Arbeitsschutzgesetz und das Betriebsverfassungsgesetz. Das ist natürlich ein Problem im Zertifizierungsgeschäft, denn vielen Betrieben dürfte deswegen kein Zertifikat erteilt werden. Das beeinträchtigt die Geschäftsgrundlage der Zertifizierer. Darum besteht die Gefahr, dass Betrieben, die zwar auf dem Weg zu einem vorschriftsmäßigen Arbeitsschutz sind, aber die gesetzlichen Vorgaben (Arbeitsschutzgesetz und Betriebsverfassungsgesetz) derzeit noch nicht erfüllen, trotz eines bestehenden gesetzeswidrigen Mangels Zertifikate für ihr Arbeitsschutzmanagementsystem erteilt werden. In den Auditberichtungen werden dann Verbesserungsbestrebungen gelobt, aber Mängel nicht erwähnt.
Die Zertifizierer schwächen in solchen Fällen die Rechtsposition jener Mitarbeiter, denen in der Übergangszeit noch keinen ausreichender Schutz gewährt wird – und denen beispielsweise nach von ihnen abgegebenen Fehlbelastungsmeldungen ohne eine mitbestimmt und gemäß OHSAS 18001 durchgeführte Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsbedingungen sogleich ein niedriger dotierter Job angeboten wird.

Zertifizierungsgeschäft: Beruf&Familie

Ein berufundfamilie-Zertifikat kann so aussehen:

Die berufundfamilie gemeinnützige GmbH bescheinigt hiermit die erfolgreiche Durchführung des audit berufundfamilie.
Im Rahmen der Auditierung wurden der Bestand der Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie begutachtet und weiterführende Ziele einer familienbewussten Personalpolitik definiert. Die daraus resultierenden Maßnahmen werden innerhalb der nächsten drei Jahre umgesetzt.

Welchen Wert haben diese Zertifikate wirklich? Im wesentlichen bestätigen sie nur, dass ein Unternehmen sich so mit dem Thema befasst, wie es das Unternehmen für richtig hält.
http://www.beruf-und-familie.de/

Outokumpu VDM wirbt mit DIN SPEC 91020

http://www.come-on.de/lokales/altena/erhaelt-gesundheitszertifikat-3040754.html

[…] „Die Din Spec 91020 gilt als erster allgemein akzeptierter Standard für den Bereich BGM“, erklärt Michael Baar, Leiter Arbeitswirtschaft und Arbeitssicherheit. […] 

Outokumpu VDM Altena wurde vom TÜV Nord nach der DIN SPEC 91020 zertifiziert. Schlau: Der Standard wird nicht als Arbeitsschutznorm verkauft, aber über den “Leiter Arbeitswirtschaft und Arbeitssicherheit” wird doch eine Verknüpfung dazu versucht.
Damit es klar ist: Das DIN akzeptiert für den Arbeitsschutz keine Vorschläge von nach dem PAS-Verfahren entwickelten DIN SPECs. Außerdem kann eine DIN SPEC kein “allgemein” akzeptierter Standard für den Bereich BGM sein, denn um allgemein akzeptiert zu werden, muss es einen Konsens geben. Und genau die bei ordentlichen Normen erforderliche Konsensbildung fehlt im PAS-Verfahren.
Das Edelstahl-Unternehmen ist auch nach OHSAS 18001 zertifiziert. Diesen Arbeitsschutz-Standard sollten die VDM-Betriebsräte gut verstehen.

Evaluierungserkenntnisse im Ordner

http://www.report.at/home/aufmacher/item/84485-die-große-report- -plus-umfrage-psychische-belastungen

Die große Report (+) PLUS-Umfrage: Psychische Belastungen
Donnerstag, 23 Mai 2013 09:53
[…]
Eckehard Bauer, Leitung Business Development bei Quality Austria
[…]
Der beste Weg, Fehlbeanspruchungen vorzubeugen, ist der langfristige und nachhaltige Weg, beginnend bei der verpflichtenden Evaluierung. Die Evaluierung kann jedoch nur dann vorbeugend wirken, wenn diese systematisch und kontinuierlich durchgeführt wird. Durch die Einführung eines Managementsystems (z.B. ISO 9001, OHSAS 18001, usw.) kann der Nachhaltigkeitsansatz die gesamte Organisationen durch klare Strukturen, Zuständigkeiten, effektive, effiziente und optimierte Arbeitsabläufe sowie eine Weiterentwicklung der MitarbeiterInnen-Kompetenzen systematisch positiv beeinflussen. Das Managementsystem soll verhindern, dass Evaluierungserkenntnisse in einem Ordner verschwinden. […]

Eckehard Bauer hat völlig recht.
Leider hat zumindest in Deutschland die große Mehrheit der Unternehmen nicht einmal einen Ordner, in dem Evaluierungsergebnisse verschwinden könnten. Wozu auch, wenn es keine Evaluierungsergebnisse für psychische Belastungen gibt und die Gewerbeaufsicht überlastet ist? Für ein OHSAS 18001 Zertifikat kann man das Audit gelegentlich ja auch ohne Betriebsrat und ohne die Beurteilung psychischer Belastungen bestehen. Außerdem gibt es fast so gut wie keine Betriebsräte, die sich mit OHSAS 18001 auskennen – obwohl auch auditiert werden müsste, wie sich Betriebsräte um den Arbeitsschutz kümmern.

Samsung, das Reich der Angst

Gefunden in Le monde diplomatique, 2013-07,
Samsung ou l’empire de la peur (S. 1, 10, 11):
http://stopsamsung.wordpress.com/
SHARPS = Supporters for the Health and Rights of People in the Semiconductor Industry

[…] Global Outcry Pressures TCO To Reconsider Sustainability Certification of Samsung Smartphone
June 5, 2013 by stopsamsung
[…]
Image: JK Shin, CEO and president of Samsung’s mobile unit, unveiled GALAXY S4 in New York in March 2013.
[…]
TCO Development, a global sustainability certification agency of information technology, has launched a probe into its decision to accord sustainability certification to the GALAXY S4, the flagship smartphone of Samsung Electronics Co., Ltd., the Stockholm-based agency said in a press release on June 5. […]

Auch hier blühte das Zertifizierungsgeschäft nicht zum Vorteil der eigentlich zu schützenden Arbeitnehmer.