Insider packt aus: Falschspiel im Zertifizierungsgeschäft

Der folgende Artikel steht unter http://suite101.de/article/ein-insider-packt-aus-falschspiel-im-zertifizierungsgeschaeft-a112550 nicht mehr zur Verfügung. Ich veröffentliche ihn (ohne den Teil mit nicht mehr aktuellen Links) mit Genehmigung der Autoren.

Klaus Lohmann, in Kooperation mit Vera Kriebel, 2013-07-04
http://www.buendia.de/buendia.htm

TÜV, Bio, Öko, geprüfte Qualität – Zertifikate, Gütesiegel und Normen nach DIN oder ISO sollen Qualität und Sicherheit in der Wirtschaft gewährleisten und zum Beispiel Orientierung bieten, die Einhaltung von Qualitätsstandards besiegeln oder die Produktion sicherer machen. Doch die Zertifizierung läuft unsauber, sagt ein Insider, der ungenannt bleiben möchte, im Gespräch mit suite101.

Zertifikate: Gütesiegel für Qualität, Verantwortung und Sicherheit?

Redaktion: Warum wollen Sie Ihren Namen nicht nennen, wenn Sie so fragwürdige Abläufe im Zertifizierungsgeschäft schildern?
Experte: Ich möchte nicht an dem Ast sägen, auf dem ich sitze. Leider sind einige in der Zertifizierungsbranche dabei, den ganzen Baum zu schädigen. Wenn ich den Baum schütze, rette ich auch meinen Ast.
Redaktion: Zertifikate sollen für Qualität und Sicherheit sorgen, doch bestehen Zweifel, ob sie das tatsächlich leisten. Sie kritisieren in diesem Zusammenhang ganz grundsätzlich die Zertifizierungsbranche.

Das Zertifizierungsgeschäft ist hart

Experte: Der Wettbewerb ist hart. Problem: Zertifizierungsfirmen benötigen neue Kunden. Lösung: Beratungsfirmen empfehlen ihren Kunden bestimmte Zertifizierungsstellen. Die Berater erhalten von den Zertifizierern im Gegenzug

  • die Sicherheit, dass ihr Kunde zertifiziert wird,
  • Vermittlungsprovisionen,
  • Folgeaufträge: Im Rahmen der Zertifizierungen finden Untersuchungen – sie heißen im Fachjargon: Audits – statt. Werden dabei Mängel festgestellt, stehen Maßnahmen an, zum Beispiel Schulungen – die wiederum werden dankend durch die Beratungsfirmen durchgeführt.

Redaktion: Aber damit wird ja der Grundsatz, Beratung und Zertifizierung zu trennen, ausgehebelt.

Keine Trennung von Beratung und Zertifizierung

Experte: Natürlich. Es geht aber noch besser: Eine beliebte kick-back-Variante ist die Zertifizierung des Beraters oder der Beratungsgesellschaft durch die verbundene Zertifizierungsgesellschaft. Im einfachsten Fall läuft dies so ab: Die Zertifizierungsgesellschaft Schmidt-Cert zertifiziert den freiberuflich tätigen Berater Müller und die Beratungsgesellschaft Meier-Consult. Beide können danach auch Zertifizierungen vornehmen.
Schon mehr kriminelle Energie benötigt die Variante 2: Im Auftrag von Schmidt-Cert untersuchen (auditieren) sich Berater Müller und Mitarbeiter der Beratungsgesellschaft Meier-Consult gegenseitig – zumindest offiziell, praktisch passiert natürlich nichts, es sind reine Luft-Audits. Jeder erhält von der Schmidt-Cert das begehrte Zertifikat. Als I-Tüpfelchen und um das Ganze dann finanziell noch lukrativer zu gestalten, können die Zertifizierungskosten mit Vermittlungsprovisionen, die sonst ja “schwarz” über den Tisch gehen müssten, verrechnet werden. Die Vermittlungsprovisionen werden also offiziell als Zertifizierungskosten in Rechnung gestellt.

Systematischer Betrug: Zertifikate, Provisionen, Aufträge

Das sind keine Einzelfälle, sondern so arbeitet das System! Auf diese Weise decken viele Unternehmen in Netzwerken beide Felder ab – Fahrschule und Führerscheinprüfung aus einer Hand. Möchten Sie weitere Beispiele? Bei mir hat sich ein Kunde letztens beschwert, weil ein Gutachter, der nun bei einer anderen Zertifizierungsgesellschaft arbeitet, ihn mit Abwerbeanrufen bombardiert und ihm dabei eine 50-€-Wechsel-Provision anbietet. Anderes Beispiel: Ein Berater beklagte die schlechte Zahlungsmoral einer Zertifizierungsgesellschaft. Seine zugesicherten Provisionen waren noch nicht auf dem Konto.
Oder Zertifizierungskunde und Zertifizierungsgesellschaft machen gemeinsame Sache. Ein offizielles Angebot und eine offizielle Rechnung über die Pflichteinsatzzeit von, sagen wir, vier Tagen. Der Auditor ist aber nur zwei Tage vor Ort. Die Differenz von zwei Tagen wird dem Kunden als Gutschrift ausgezahlt.
Redaktion: Das hört sich ja nach mafiösen Zuständen an …

Beratung und Zertifzierung: Verschlungene Netzwerke

Experte: Es haben sich hierzu Clan-ähnliche Netzwerke gebildet. Das Spiel läuft so: Sie, Herr Lohmann, vermitteln Beratungskunden an mich. Als Gegenleistung erhalten Sie einen Auditauftrag bei einem Beratungskunden eines anderen Beraters oder direkt Geld (etwa zehn Prozent der Zertifizierungskosten). Das wurde mir unverblümt ins Gesicht gesagt: “Du glaubst doch nicht, dass der Berater auf Dich Wert legt. Der kriegt Geld.” Wenn ich Kontakt mit einer anderen Zertifizierungsstelle habe, mache ich heute klar, dass ich keine “Mitgift” bringe. Ich möchte wegen meiner Qualifikation Geschäftspartner sein.
Mit all diesen kriminellen Machenschaften umgeht man Auditregeln und den Wettbewerb. Ohne echte Kontrollen werden Kunden, Berater und Auditoren, die nicht Teil des Netzwerks sind, und die Zertifizierungssysteme selbst geschädigt.

Ungenügende Überwachung durch DAkkS und Behörden

Die Akkreditierungsstelle DAkkS, die dem Bundeswirtschaftsministerium untersteht und an und für sich die Zertifizierer überprüfen und deren Qualität und Unabhängigkeit gewährleisten soll, ist aber hoffnungslos überfordert. Dass auch die Überwachung durch die Behörden nicht funktioniert, zeigt nicht nur das Prognos-Gutachten im Fall des Dortmunder Entsorgers Envio auf.
Mehrere Regierungspräsidien, das heißt die Zulassungsstellen für die Zertifizierer im Entsorgungsbereich, öffnen beispielsweise solchen unsauberen Netzwerken Tür und Tor, indem sie einem Inhaber einer Beratungsgesellschaft gestatten, stellvertretender Leiter einer Technischen Überwachungsorganisation (TÜO) zu sein. [Anmerkung: Eine TÜO ist eine staatlich anerkannte Zertifizierungsstelle für sensible Bereiche, wie zum Beispiel die Abfallwirtschaft.]
Redaktion: Die Behörden akzeptieren also ganz offen die Aufweichung der Trennung von Beratung und Zertifizierung?
Experte: Ja, genau. Beratung und Zertifizierung werden im Bereich der Entsorgung nicht mehr sauber getrennt! Bei den durch die DAkkS überwachten Zertifizierungsgesellschaften, die beispielsweise Zertifizierungen nach ISO 9001 oder 14001 durchführen, ist dies dagegen strengstens verboten.

Was kann man tun zur Verbesserung des Zertifizierungssystems?

Redaktion: Was könnte man denn zur Änderung dieses Systems unternehmen?
Experte: Zertifizierungen müssen schärfer überwacht werden. Es gibt sehr einfache Möglichkeiten, die Überwachung zu verbessern. Die Aufsichtsbehörden und die DAkkS sollten

  1. von Zertifizierungsstellen und Sachverständigen eidesstattlich versicherte Angaben über ihre Tätigkeiten fordern;
  2. Unterlagenstichproben nehmen und wie die Plagiatsjäger prüfen;
  3. unangemeldet in Betrieben und Zertifizierungsstellen Vor-Ort-Prüfungen durchführen und dabei die Plausibilität der Angaben der Sachverständigen prüfen.

Voraussetzung ist natürlich der Wille, die bestehenden Zustände zu ändern. Die Behörden und die Akkreditierungsstelle müssen dies nur wollen.

Im Zertifizierungsgeschäft für Arbeitsschutzmanagementsysteme mag es etwas anders zugehen, aber die Zertifizierer, die DAkkS und die behördliche Aufsicht sind (um es sehr freundlich auszudrücken) sehr zurückhaltend mit Kritik an Unternehmen, die sich sogar offensichtlich nicht an den Standard halten, nach dem sie zertifiziert sind. Zertifizierer, die schlampig und unaufmerksam auditieren, werden bei Auditüberprüfungen (z.T. unter Umgehung der Arbeitnehmervertretung) von der DAkkS meiner Ansicht nach nicht streng genug begleitet.

Unabdingbare Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmervertretung im Arbeitsschutz

Das Arbeitsschutzgesetz ist ein Rahmengesetz. Was im Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht bereits gesetzlich geregelt ist und wo betriebsspezifische Ausgestaltungen von Rahmenvorschriften erfolgen, hat vom Betriebsrat mitbestimmt zu werden. Auf die Erfüllung dieser Pflicht darf auch die Arbeitnehmervertretung nicht verzichten.
Aus einem Beschluss des BAG vom 8.11.2011 (1 ABR 42/10):

[…] Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. […]

Wenn standortübergreifende Regelungen in die Betriebe hineingreifen und somit die Wirkung betrieblicher Regelungen haben, dann sind z.B. mindestens die Gesamtbetriebsräte mitbestimmungspflichtig. Sie können von den lokalen Betriebsräten entspechend beauftragt werden. Betriebsräte bei der Mitzbestimmung zu behindern, ist strafbar.
 
Die Grundlage dieses BAG-Beschlusses ist das Betriebsverfassungsgesetz. Nicht nur Arbeitgeber könnten gegen dieses Gesetz verstoßen, sondern es kann auch Arbeitnehmervertretungen geben, die ihrer Mitbestimmungspflicht nicht gerecht werden. Es gibt Zertifizierer, die an der Überprüfung der Einhaltung der folgenden Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes und an der Zusammenarbeit zwischen der Betriebsleitung und der Arbeitnehmervertretung (siehe z.B. OHSAS 18001:2007, Absatz 4.4.3.2) nicht sonderlich interessiert sind.
 

§ 80 BetrVG, Allgemeine Aufgaben
(1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:
1. darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;
2. Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen;
[…]
9. Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern.
(2) Zur Durchführung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz ist der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten; die Unterrichtung erstreckt sich auch auf die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen. Dem Betriebsrat sind auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist, hat der Arbeitgeber ihm sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen; er hat hierbei die Vorschläge des Betriebsrats zu berücksichtigen, soweit betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen.
(3) Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.
(4) Für die Geheimhaltungspflicht der Auskunftspersonen und der Sachverständigen gilt § 79 entsprechend.

 

§ 81 Betrvg, Unterrichtungs- und Erörterungspflicht des Arbeitgebers
(1) Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über dessen Aufgabe und Verantwortung sowie über die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs zu unterrichten. Er hat den Arbeitnehmer vor Beginn der Beschäftigung über die Unfall- und Gesundheitsgefahren, denen dieser bei der Beschäftigung ausgesetzt ist, sowie über die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren und die nach § 10 Abs. 2 des Arbeitsschutzgesetzes getroffenen Maßnahmen zu belehren.
(2) Über Veränderungen in seinem Arbeitsbereich ist der Arbeitnehmer rechtzeitig zu unterrichten. Absatz 1 gilt entsprechend.
(3) In Betrieben, in denen kein Betriebsrat besteht, hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmer zu allen Maßnahmen zu hören, die Auswirkungen auf Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer haben können.
(4) Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über die aufgrund einer Planung von technischen Anlagen, von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen oder der Arbeitsplätze vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf seinen Arbeitsplatz, die Arbeitsumgebung sowie auf Inhalt und Art seiner Tätigkeit zu unterrichten. Sobald feststeht, dass sich die Tätigkeit des Arbeitnehmers ändern wird und seine beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung seiner Aufgaben nicht ausreichen, hat der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer zu erörtern, wie dessen berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten den künftigen Anforderungen angepasst werden können. Der Arbeitnehmer kann bei der Erörterung ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen.

 

§ 87 Mitbestimmungsrechte
(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
[…]
1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
[…]
7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8. Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
[…]

 

§ 89 Arbeits- und betrieblicher Umweltschutz
(1) Der Betriebsrat hat sich dafür einzusetzen, dass die Vorschriften über den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb sowie über den betrieblichen Umweltschutz durchgeführt werden. Er hat bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen.
(2) Der Arbeitgeber und die in Absatz 1 Satz 2 genannten Stellen sind verpflichtet, den Betriebsrat oder die von ihm bestimmten Mitglieder des Betriebsrats bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen und Fragen und bei Unfalluntersuchungen hinzuzuziehen.
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat auch bei allen im Zusammenhang mit dem betrieblichen Umweltschutz stehenden Besichtigungen und Fragen hinzuzuziehen und ihm unverzüglich die den Arbeitsschutz, die Unfallverhütung und den betrieblichen Umweltschutz betreffenden Auflagen und Anordnungen der zuständigen Stellen mitzuteilen.
(3) Als betrieblicher Umweltschutz im Sinne dieses Gesetzes sind alle personellen und organisatorischen Maßnahmen sowie alle die betrieblichen Bauten, Räume, technische Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitsplätze betreffenden Maßnahmen zu verstehen, die dem Umweltschutz dienen.
(4) An Besprechungen des Arbeitgebers mit den Sicherheitsbeauftragten im Rahmen des § 22 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch nehmen vom Betriebsrat beauftragte Betriebsratsmitglieder teil.
(5) Der Betriebsrat erhält vom Arbeitgeber die Niederschriften über Untersuchungen, Besichtigungen und Besprechungen, zu denen er nach den Absätzen 2 und 4 hinzuzuziehen ist.
(6) Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Durchschrift der nach § 193 Abs. 5 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch vom Betriebsrat zu unterschreibenden Unfallanzeige auszuhändigen.

 
Links:

Zertifizierer wehrt sich gegen Betriebsratsthemen

In Facebook hatte ein bei der Deutschen Akkreditierungsstelle akkreditierter Zertifizierer im letzten Jahr einen Lehrgang “Auditor für Arbeitsschutzmanagementsysteme nach BS OHSAS 18001:2007” angeboten. Ich stellte ihm in einem Kommentar zu seiner Seminar-Ankündigung in Facebook die kurze Frage: “Wurde in dem Seminar die Mitwirkung von Betriebsräten an Audits thematisiert?” Nicht mehr, nicht weniger. Das Zertifizierungsunternehmen löschte diesen Frage.
Viel professioneller und hilfreicher reagiert die TÜV-SÜD-Akademie: https://www.facebook.com/tuevsuedakademie/posts/10152225658444595.

Zertifizierer für OHSAS 18001 in Deutschland

In Deutschland akkreditierte Zertifizierer für Arbeitsschutzmanagementsysteme nach OHSAS 18001:


Profil der DAkkS (http://www.dakks.de/content/profil):

Die DAkkS ist die nationale Akkreditierungsstelle der Bundesrepublik Deutschland. Sie handelt nach der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 und dem Akkreditierungsstellengesetz (AkkStelleG) im öffentlichen Interesse als alleiniger Dienstleister für Akkreditierung in Deutschland. 
Die DAkkS arbeitet nicht gewinnorientiert. Gesellschafter der GmbH sind zu gleichen Teilen die Bundesrepublik Deutschland, die Bundesländer und die durch den Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) vertretene Wirtschaft.
Um ihre hoheitlichen Akkreditierungsaufgaben ausfüllen zu können, wurde die DAkkS vom Bund beliehen. Als beliehene Stelle untersteht die DAkkS der Aufsicht des Bundes. Bei ihrer hoheitlichen Akkreditierungstätigkeit wendet die DAkkS das deutsche Verwaltungsrecht an.

http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Akkreditierungsstelle

Die DAkkS ist eine privatwirtschaftliche Organisation die beliehene hoheitliche Aufgaben wahrnimmt. Bei Tätigkeiten der hoheitlichen Akkreditierung unterliegt die DAkkS dem deutschen Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und weiteren verwaltungsrechtlichen Vorgaben.
Die GmbH-Anteilseigner der DAkkS sind jeweils zu einem Drittel:

Die Bundesländer wurden primär beteiligt, um die bestehenden Organisationen der Länder leichter in die DAkkS zu überführen, „wodurch parallele Strukturen und Aktivitäten auf Landesebene verzichtbar werden“.

Interessant: Die staatliche Aufsicht der Zertifizierung auch von Umwelt- und Arbeitsschutzmanagementsystemen wurde teilprivatisiert. Die DAkkS beaufsichtigt die Zertifizierer, deren Kunden die privaten Unternehmen sind. Der BDI darf bei der DAkkS mitmachen, die Gewerkschaften nicht. Die Rolle der Länder ist auf eine Übergangsphase beschränkt. Und seitens der Regierung ist nur das Wirtschaftsministerium dabei (bisher FDP), das Umweltministerium und das Arbeitsministerium bleiben draußen. Da die überforderte Gewerbeaufsicht in den Betrieben kaum noch die Bereiche prüft, die durch Zertifikate der bei der DAkkS akkreditierten Zertifizierer abgedeckt sind, ist es der Industrie geschickt gelungen, die praktische Gewerbeaufsicht privatwirtschaftlich besser in den Griff zu bekommen.
 
Wie man die Akkreditierung und Audits (etwas) besser organisieren kann, sieht man in den Niederlanden: SCCM

DNV berücksichtigt psychische Belastungen

Det Norske Veritas (DNV) gehört zu den bei der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) akkreditierten Zertifizierern für Arbeitsschutzmanagementsysteme von Betrieben nach OHSAS 18001.
http://www.dnvba.com/de/News-Events/News/Pages/Gefaehrdungsbeurteilung-schlie%C3%9Ft-psychische-Belastungen-ein.aspx (Pressemeldung von DNV):

Psychische Belastungen müssen in Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden
Am 20. September 2013 hat der Bundesrat dem „Gesetz zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen“ zugestimmt. Den Entwurf hatte der Bundestag bereits am 27. Juni 2013 verabschiedet. Das Gesetz umfasst auch Ergänzungen des Arbeitsschutzgesetzes. Unter anderem wird die Formulierung „psychische Belastungen“ mit aufgenommen.
Das Arbeitsschutzgesetz regelt die grundlegenden Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers sowie auch die Pflichten und Rechte der Beschäftigten. Jetzt wurde es an mehreren Stellen um den Aspekt der psychischen Belastungen ergänzt. Der Gesetzgeber reagiert damit auf aktuelle Entwicklungen und verdeutlicht, dass psychische Belastungen gleichwertig zu physischen zu beurteilen sind.
Zunächst wurde § 4 Nummer 1 angepasst. Dieser lautet nun wie folgt: „Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird.“ Außerdem wird mit den Änderungen die Pflicht des Arbeitgebers, Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen, präzisiert. § 5 Absatz 3 des Arbeitschutzgesetzes wird um eine Nummer 6 „psychische Belastungen bei der Arbeit“ ergänzt. Die Ergänzung fordert nun explizit, dass psychische Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung mit aufzunehmen sind und räumt damit jegliche Diskussion aus, ob psychische Belastungen überhaupt zum gesetzlich verpflichteten Arbeitsschutz gehören. Der Arbeitgeber ist demnach dazu verpflichtet, sowohl physische als auch psychische Gefährdungen zu beurteilen und aus der Beurteilung die entsprechenden Maßnahmen abzuleiten.
Bereits Anfang des Jahres verdeutlichte die Veröffentlichung des Stressreports 2013 von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) die Bedeutung von psychischen Belastungen bei der Arbeit. So waren laut Vorwort des Stressreports allein 2012 in Deutschland psychische Störungen für mehr als 53 Millionen Krankheitstage verantwortlich.
„Der Stressreport 2012 belegt in Zahlen, dass wir psychische Belastungen bei der Arbeit ernst nehmen müssen“, erklärt Beatrice Maier, Senior Consultant und Auditorin u.a. für Arbeits- und Gesundheitsschutz bei DNV Business Assurance. „Das deckt sich auch mit den Erfahrungen, die wir im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes mit unseren Kunden machen. Durch die Anpassungen des Arbeitsschutzgesetzes, die die Berücksichtigung von psychischen Belastungen nun auch explizit fordern, wird für alle Beteiligen Klarheit hinsichtlich der Rechtslage geschaffen. Unklar ist für die Unternehmen jedoch noch wie das praktisch umzusetzen ist. Die herkömmlichen Vorgehensweisen zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen sind nur bedingt für die Ermittlung von psychischen Belastungen geeignet.“
Um unseren Kunden Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie psychische Belastungen in ihrem Unternehmen erkennen können, plant DNV Business Assurance für das erste Quartal 2014 Veranstaltungen zu diesem Thema. Unter anderem wird es darum gehen, welche Herausforderungen psychische Belastungen in der Arbeitswelt für die Führungsverantwortung bedeuten.
Haben Sie Interesse an einer Veranstaltung zu dem Thema? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail unter dialog@dnv.com. Wir senden Ihnen zeitnah nähere Informationen und eine Anmeldemöglichkeit zu.
Datum: 10 Oktober, 2013
Author: Meike Pörschke

Es ist gut, wenn ein Zertifikator wie DNV sich intensiver mit dem Thema der psychischen Belastungen befasst.
Man könnte aus dem Artikel den Eindruck gewinnen, als sei das Gesetz erweitert worden. Tatsache ist jedoch, dass mit dieser Gesetz nur bestehende Regelungen klargestellt werden.
Auch in einem weiteren Punkt muss ich aber widersprechen: Es ist nicht unklar, wie die Forderung nach dem Einbezug psychischer Belastungen praktisch umzusetzen ist. Im Gegenteil war den Unternehmen klar, dass die herkömmlichen Vorgehensweisen zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen nur bedingt für die Ermittlung von psychischen Belastungen geeignet sind. Die Unternehmen ahnten durchaus, dass die Umstellung vom konventionellen “technischen” Arbeitsschutz auf den seit 1996 vorgeschriebenen ganzheitlichen Arbeitsschutz viel Geld kosten und Führungsstrukturen in Frage stellen wird. Darum saßen sie das Thema erst einmal so lange wie möglich aus. An eine unfreiwillige Unwissenheit und Hilflosigkeit von Arbeitgebern, die in ihren Unternehmen viel komplexere Themen gut im Griff haben, kann doch hier kaum jemand ernsthaft glauben.
Brauchbare Leitlinien und Handlungsanweisungen beispielsweise der Gewerbeaufsichten, der Berufsgenossenschaften und der Gewerkschaften gibt es bereits seit einigen Jahren! Das ist in meinem Blog gut dokumentiert. Schon im Jahr 2000 gab es auch vom Arbeitgeberverband brauchbare Informationen. Was bisher fehlte, war der Wille der Mehrheit der Betriebsleitungen, die Vorschriften des Arbeitsschutzes vollständig einzuhalten und die Vorschläge der Arbeitnehmervertretungen ernst zu nehmen. Freundlich ausgedrückt: Arbeitnehmervertreter und Mitarbeiter, die Vorschläge zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz machten, stießen nicht auf Dankbarkeit.
Arbeitgeber hätten beispielsweise in den LASI-Veröffentlichungen nachlesen können, wie die Gewerbeaufsichten im Gefährdungsbereich “psychische Belastungen” vorgehen sollten. Da die Gewerbeaufsichten aber wegen (zufällig?) mangelnder Ressourcen überfordert waren, wurde nicht ausreichend geprüft. Darum waren die Unternehmen kaum motiviert, mit den an die Gewerbeaufsichten gerichteten Handlungshilfen eigene Wege für eine Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes zu finden, mit der auch psychische Belastungen berücksichtigt werden.
Es konnte in der Vergangenheit passieren, dass es Betriebe gab, die nach OHSAS 18001 zertifiziert wurden, obwohl sie keine mitbestimmt gestalteten Prozesse für den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz vorweisen konnten. Diese Betriebe nutzten ihr Zertifikat dann auch noch dafür, Kritik von Mitarbeitern und Arbeitnehmervertretern an einenem nachhaltig unvollständigen Arbeitsschutz abzuwehren. Mitarbeiter, die Fehlbelastungen meldeten, wurden in zertifizierten Betrieben sogar bedroht oder erlitten sonstige Nachteile. Das ist regel- und gesetzeswidrig, womit eine wichtige Grundlage für eine Zertifizierung entfällt. Die unter Vernachlässigung der psychischen Belastungen erteilten Zertifikate schadeten also den Arbeitnehmern anstatt ihren Schutz zu sichern.
Weil auch heute noch viele Unternehmen psychische Belastungen nicht mitbestimmt in den Arbeitsschutz einbeziehen, verstoßen sie gegen das Arbeitsschutzgesetz und das Betriebsverfassungsgesetz. Das ist natürlich ein Problem im Zertifizierungsgeschäft, denn vielen Betrieben dürfte deswegen kein Zertifikat erteilt werden. Das beeinträchtigt die Geschäftsgrundlage der Zertifizierer. Darum besteht die Gefahr, dass Betrieben, die zwar auf dem Weg zu einem vorschriftsmäßigen Arbeitsschutz sind, aber die gesetzlichen Vorgaben (Arbeitsschutzgesetz und Betriebsverfassungsgesetz) derzeit noch nicht erfüllen, trotz eines bestehenden gesetzeswidrigen Mangels Zertifikate für ihr Arbeitsschutzmanagementsystem erteilt werden. In den Auditberichtungen werden dann Verbesserungsbestrebungen gelobt, aber Mängel nicht erwähnt.
Die Zertifizierer schwächen in solchen Fällen die Rechtsposition jener Mitarbeiter, denen in der Übergangszeit noch keinen ausreichender Schutz gewährt wird – und denen beispielsweise nach von ihnen abgegebenen Fehlbelastungsmeldungen ohne eine mitbestimmt und gemäß OHSAS 18001 durchgeführte Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsbedingungen sogleich ein niedriger dotierter Job angeboten wird.

DNV: Gesunde Mitarbeiter – Gesundes Unternehmen

http://www.dnvba.com/de/News-Events/Events/Pages/Innovation-Lab-Arbeitsschutz.aspx

Innovation Lab “Gesunde Mitarbeiter – Gesundes Unternehmen”
Datum: 30 September, 2013
Standort: Park in by Radisson Bochum
Stadt: Bochum 
[…]
Folgende Themenkomplexe werden im Rahmen der Veranstaltung besprochen:

  • Entwicklung von Risikokompetenz im betrieblichen Gesundheitsschutz
  • Gesundheitsschutz unter Berücksichtigung von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz
  • Gefährdungsbeurteilungen von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz

[…]

Zertifizierungsschema für OHSAS 18001

In den Niederlanden gibt es die SCCM, eine Organisation zur Koordination der Zertifizierung von Umwelt- und Arbeitsschutzsystemen. Diese Organisation hat ein Zertifizierungs-Schema veröffentlicht, nach dem in den Niederlanden akkreditierte Zertifizierungsgesellschaften vorgehen können. Man kann daraus (auf Englisch) viel über Zertifizierungsaudits für OHSAS 18001 und den Einbezug von Betriebsräten in solche Audits lernen. In Deutschland wäre es hilfreich, wenn die DAkkS soetwas veröffentlichen könnte.
http://www.sccm.nl/sites/default/files/O11-SCCM_N110830_cert.schema_OHSAS_18001_ENG_7Feb13.pdf (2013-02)

Certification scheme for occupational health and safety (OHS) management systems according to OHSAS 18001
[…]
By entering into an agreement with SCCM (the Association for the Coordination of Certification of Environmental and Occupational Health and Safety Management Systems in the Netherlands), accredited certification bodies can use this certification scheme, which is based on the worldwide standard OHSAS 18001:2007 (OHSAS: Occupational Health and Safety Assessment Series). The certification scheme was developed by a Central Committee of Experts (CCE) operating within SCCM and approved by the board of SCCM. SCCM qualifies as scheme supervisor in conformance with the requirements set by the Council for Accreditation. Certification bodies (CBs) associated with SCCM are obliged to follow the scheme drawn up by the CCE for certification based on the OHSAS 18001 standard. […]

 
Was ist die SCCM?
http://english.sccm.nl/content/background-and-goal

Background
SCCM was founded in 1995 by the Netherlands Ministry of Infrastructure and Environment (previously VROM), the employers’ organization VNO-NCW, the certification bodies and the environmental movement, in order to arrive at a uniform procedure for the certification bodies, and an unambiguous interpretation of the ISO 14001 standard for environmental management systems. Since 2006, the foundation has also coordinated the certification of occupational safety/health (OHS) management systems (according to OHSAS 18001). At the request of the Ministry of Infrastructure and Environment, SCCM has also taken care of registration for the Eco Management and Audit Scheme (EMAS) since 1995. SCCM has a unique position, as there are no comparable organizations in other countries.
Goal
The objective of SCCM is that the ISO 14001, OHSAS 18001 and ISO 50001 certificates have added value in the relations between organizations and their neighbours and other parties such as the government. If this added value is lacking, it can be cause to modify the ‘ground rules’ as laid down in the certification schemes. The certification bodies use the relevant SCCM certification scheme to evaluate the implementation of the standards by organizations.

 
Links:

 
Anmerkungen:

  • SCCM = Stichting Coördinatie Certificatie Milieu- en arbomanagementsystemen: Das ist eine Stiftung zur Koordination der Zertifizierung von Umwelt- und Arbeitsbedingungs-Managementsystemen. Arbo ist eine Kurzform des niederländischen Begriffs Arbeidsomstandigheden (Arbeitsbedingungen) und wird auch mit “Arbeits- und Gesundheitsschutz” übersetzt. Die Kurzform für das Arbeitsschutzgesetz ist Arbowet.
  • Auf das SCCM-Schema bin ich mit der Suche https://www.google.de/search?q=”OHSAS+18001″+”works+council” gestoßen.