Altersmix

http://www.dgb.de/themen/++co++ca8dca2e-5c9c-11e1-6152-00188b4dc422

Ausgewogener Altersmix steigert Produktivität im Betrieb
Taskforce will die Beschäftigungssituation Älterer verbessern
Mit einer gemeinsamen “Taskforce” wollen Gewerkschaften, Arbeitgeber und das Bundesarbeitsministerium die Beschäftigungssituation Älterer verbessern. Das erklärten Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, der DGB-Vorsitzende Michael Sommer und der Vizepräsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) Otto Kentzler heute in Berlin.


Der vom Ministerium vorgestellte Fortschrittsreport zeigt aber auch: Ein guter Altersmix in der Belegschaft steigert nachweislich die Produktivität eines Betriebes. Nicht zuletzt deshalb wollen DGB, BDA und Bundesarbeitsministerium gemeinsam Lösungen für eine altersgerechte Arbeitswelt finden. Die Taskforce soll sich zunächst vor allem um die Themen „Arbeitszeitmanagement“ und „psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz“ kümmern.

 
http://www.taz.de/Regierung-strebt-Langzeit-Arbeitskonten-an/!88170/


Die Regierung will dabei zunächst mit den Tarifpartnern diskutieren, wie man psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz besser vorbeugen und flexiblere Ausstiege aus dem Berufsleben über Langzeitarbeitskonten fördern kann. …

… Ende März 2011 lag diese Beschäftigungsquote [der Vollzeitbeschäftigten] für die 60- bis 64-Jährigen bei 18,7 Prozent. Für die 64-Jährigen schrumpft sie auf 9,3 Prozent.

(Anmerkung in eckigen Klammern nachträglich eingefügt)

BMAS: Psychische Gesundheit im Betrieb

http://www.arbeitstattstress.de/2012/02/broschuere-psychische-gesundheit-im-betrieb/

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat eine arbeitsmedizinische Empfehlung zur psychischen Gesundheit im Betrieb veröffentlicht: Psychische Gesundheit im Betrieb – Arbeitsmedizinische Empfehlung.
Die Schrift wendet sich in erster Linie an Betriebsärzte. …

http://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/a450-psychische-gesundheit-im-betrieb.html, S. 23


Ebenso unverzichtbar für das Gelingen ist die gründliche Bedarfsanalyse im Vorfeld. Sie ermöglicht es erst, unternehmensspezifische Programme für alle Interventionsebenen „maßzuschneidern“, die nachweisbar effektiver und nachhaltiger sind. Das Arbeitsschutzgesetz hat 1996 die systematische Beurteilung der Arbeitsbedingungen als zentrale Verantwortung des Unternehmers herausgestellt. Die Gefährdungsermittlung und -beurteilung wird vom Gesetzgeber im § 5 des Arbeitsschutzgesetzes gefordert und ist Aufgabe des Arbeitgebers. Betriebs und Personalräte haben ein Recht auf Mitbestimmung. Unterstützend können betriebliche Experten mitwirken, insbesondere der Betriebsarzt, die Fachkraft für Arbeits-sicherheit und, sofern vorhanden, andere innerbetrieblichen Ratgeber (Sozialberatung, psychologischer Dienst, Sicherheitsbeauftragte, u.a.).

S. 33


Seit langem schon setzt sich der Staatliche Arbeitsschutz mit den Veränderungen in der Arbeitswelt auseinander und spricht die unterschiedlichen thematischen Aspekte psychischer Gesundheit im Betrieb aktiv an, zum Beispiel im Rahmen von Betriebsrevisionen. Der Staatliche Arbeitsschutz zielt im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes auf verhältnispräventive Maßnahmen, denn sein Adressat ist in erster Linie der Arbeitgeber, der seinerseits für eine gesundheitsgerechte und sichere Gestaltung der Arbeitsplätze und –abläufe in seinem Betrieb Sorge tragen muss. Entsprechend stehen Primär- und Sekundärprävention im Fokus. Im Blickfeld sind dabei innerbetriebliche Strukturen und Prozesse, die zu einer Verbesserung des Arbeitsschutzes führen. Der staatliche Arbeitsschutz kooperiert aber auch bei flankierenden verhaltenspräventiven Maßnahmen und Konzepten: er ermutigt zu innerbetrieblicher Gesundheitsförderung und dem Aufbau von Gesundheitskompetenz, um so den Präventionsgedanken zu stärken. Die Aufsichtspersonen werden in Zukunft noch stärker prüfen, ob in den Gefährdungsbeurteilungen die im Betrieb existierenden psychischen Belastungen angemessen aufgegriffen werden und die entsprechenden Maßnahmen veranlasst und umgesetzt sind.

(Links und Hervorhebungen nachträglich eingefügt)
Diese Veröffentlichung des BMAS behandelt auch den Arbeitsschutz recht ausführlich.
Siehe auch:

Politischer Druck verängstigt Arbeitgeber?

Eine Entspannungstherapeutin reagierte auf Ursula von der Leyens etwas schärfere Gangart im Arbeitsschutz. Sehen wir uns das mal an:
http://www.no-burn-out.de/2012/02/auf-der-richtigen-faehrte/

… Nach meiner Ansicht schürt der politische Druck auf Arbeitgeber das Klima von Druck, Stress und Angst, das letztlich an die Arbeitnehmer weiter gegeben wird. Hilfe und Unterstützung wird in einem solchen Klima sehr schwer möglich.
Nach meiner Beobachtung und Erfahrung im Umgang mit Betroffenen des Burnout Syndroms spielt neben dem Arbeitsklima sehr häufig auch eine persönliche (bereits mitgebrachte) Prädisposition, sowie ganz alltägliche (und häufig unvermeidliche) private Probleme zum Ausbruch einer Stresserkrankung eine entscheidende Rolle. …

Es soll kein Druck darauf ausgeübt werden, dass Arbeitgeber keinen unangemessenen Druck auf Arbeitnehmer ausüben? Irgendwo ist diese Rücksichtnahme auf Arbeitgeber ja rührend. Das funktioniert aber offensichtlich nicht: 15 Jahre ohne Druck auf die Unternehmen sind genug. Die Rücksichtnahme hat nicht geholfen. Leider ist es nun einmal so, dass die “Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen” erwiesenermaßen der stärkste Motivator für Unternehmer ist, “sich mit psychosozialen Risiken zu befassen”. Der Druck auf Arbeitgeber kann Arbeitnehmern (bzw. ihren Vertretern) zumindest am Anfang helfen, auf Augenhöhe zu einer Zusammenarbeit zu kommen – die dann durchaus ohne Gesetzeskeule konstruktiv weitergeführt werden kann.
http://www.no-burn-out.de/aboutme
Gabriele Bauer (“Entspannungstherapeutin, Heilpraktiker Psych. und Supervisor und Trainer für das UltraMind ESP System”) meint:

Entspannung auf der Alpha-Ebene lässt sich in kurzer Zeit lernen und einfach (weil zeitsparend) in den Alltag integrieren. Sinnliche Erfahrungen erzeugen positive Selbstwahrnehmung und gute Gefühle. Der Vorteil dieser Therapie ist Verbesserung, die sofort spürbar wird.

Kann sein, aber vielleicht gibt es wirksamere Ansätze. Bei einer individuellen Therapie bezahlt ein Betroffener die Entspannungstherapeutin. Den Arbeitsschutz dagegen müssen die Arbeitgeber bezahlen. Auch hier hat Gabriele Bauer etwas im Angebot, das bei kleinen und mittleren Unternehmen vielleicht sogar ganz gut funktionieren kann.
Noch ein Hinweis auf eine gute Seite in Gabriele Bauers no-burn-out.de: http://www.no-burn-out.de/arbeitgeber/juristischelinks/.
Den Esoterik-Tag gab es wegen des Schöpfers des “UltraMind ESP Systems”: http://de.wikipedia.org/wiki/José_Silva_(Parapsychologe)

Das Gesetz ist hier knallhart

Aus einem Interview in BILD am SONNTAG (2012-02-11): http://www.bild.de/geld/wirtschaft/ursula-von-der-leyen/wann-kommen-die-rekordgewinne-der-wirtschaft-22589168.bild.html

Als ich junge Ärztin war, hingen die Telefone noch fest an der Wand. Es gab kein Internet, nur Papierakten. Die Verdichtung und Geschwindigkeit der Arbeitsabläufe, das Zusammenfließen von Privat und Arbeit hat enorm zugenommen.

Das Gesetz ist hier knallhart. So wie der Bauarbeiter einen Helm tragen muss, ist im Arbeitsschutzgesetz auch verankert, dass die psychische Belastung eines jeden Arbeitsplatzes beurteilt werden und Erkrankungen wie Burnout vorgebeugt werden muss.
Das Problem: die allermeisten wissen nichts davon. Deshalb wünsche ich mir auch von den Tarifverhandlungen, dass es nicht nur ums Portemonnaie geht, sondern auch um gesündere Arbeitsbedingungen.

Ursula von der Leyen, Bundesarbeitsministerin, 2012-02-11
(Burnout kann zwar nicht als Krankheit diagnostiziert werden. Aber der Begriff hat sich als ganz hilfreich erwiesen, auf das Thema der Fehlbelastungsfolgen aufmerksam zu machen. Ursula von der Leyen ist ja nicht nur Ärztin, sondern auch Politikerin. Die darf das.)

Siehe auch: http://blog.psybel.de/knallharter-strafenkatalog-seit-1996-ungebraucht/ und http://blog.psybel.de/motivierendevorschriften/

Wenn Fehlbelastungen Kakerlaken wären

http://www.nibelungen-kurier.de/?t=news&s=Aus aller Welt&ID=42207

… Mit Blick auf die aus Hygienegründen vorübergehend stillgelegte Großbäckerei Müller-Brot (Landkreis Freising) hat die Verbraucherschutzbeauftragte der Unionsfraktion im Bundestag, Mechthild Heil, eine zu laxe Lebensmittelaufsicht in Bayern kritisiert. …

(Quelle für den Nibelungen Kurier: FOCUS)
Ich dachte, dass Politiker eigentlich einen nicht ganz unerheblichen Einfluss auf die Ausstattung und Kompetenzen der Aufsichtsbehörden haben. Mit der Lebensmittelsicherheit kenne ich mich nicht so aus, aber im Arbeitsschutz ist es die Politik, die die Aufsicht ausbremst. Hoffen wir, dass nicht nur Mechtild Heil (CDU), sondern auch Christine Hadertauer (CSU) und Ursula von der Leyen (CDU) mal ein bisschen Forensik betreiben: Die Politik hat bisher auch billigend zugesehen, wie Unternehmen unter den schläfrigen Augen der Gewerbeaufsicht ganz entspannt den vorgeschriebenen Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz vernachlässigen durften.
Wenn arbeitsbedingte psychische Fehlbelastungen Kakerlaken wären, würden sich Politiker vielleicht intensiver damit befassen müssen.

Staatlich behinderte Gewerbeaufsicht

http://www.igmetall.de/cps/rde/xbcr/SID-577D2ED4-F01794B3/internet/Tipp43_V6_Finale_Screen_0180513.pdf

Gegenwärtig entscheidet jedes Bundesland nach Kassenlage und eigenem Gutdünken, wie viel Personal es für die Gewerbeaufsicht einsetzt. Ich dachte früher, dass eine Steuerprüfung das seltenste Ereignis ist, das einem Betrieb passieren kann. Aber der staatliche Arbeitsschutz schlägt das noch um Längen!

Das meinte Hans-Jürgen Urban (IG-Metall) zur Gewerbeaufsicht. Nun fordert er strengere Durchführungsverordnungen. Ich sehe das kritisch, aber vielleicht hat er leider doch recht.
Während Ursula von der Leyen (CDU) beklagt, dass die Unternehmen den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz schleifen lassen und Christine Haderthauer (CSU) sogar nach Burnout-Detektiven ruft, versucht Edmund Stoiber (CSU) den Arbeitsschutz noch zusätzlich zu schwächen. Edmund Stoiber arbeitet auf europäischer Ebene daran, ein Instrument zu blockieren, mit dem sich Pflichtverletzungen der Arbeitgeber sehr konkret prüfen lassen. Die Bildschirmarbeitsverordnung ist Edmund Stoiber ein Dorn im Auge. In Betrieben mit Bildschirmarbeit kann man pflichtverletzenden Arbeitgebern mit den Kriterien der Bildschirmarbeitsverordnung sehr leicht ihre Vergehen nachweisen. Es geht da längst nicht mehr nur um Pixelauflösungen, Bildschirmflimmern und technische Parameter. Sondern es geht um die Benutzerfreundlichkeit von Software und die Belastung von Menschen durch Interaktion mit Benutzerschnittstellen. Wenn Arbeitgeber trotz Forderung beispielsweise des Betriebsrates keine Beurteilung der psychischen Belastung durch die Benutzerschnittstellen durchführen, kann auch gezeigt werden, dass sie eine Vorschrift des Arbeitsschutzes vorsätzlich missachten.
Auffallend ist auch die Zurückhaltung der Krankenkassen mit Kritik an der offensichtlichen Missachtung der Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz bei einer Mehrheit der Unternehmen. Das Bundesarbeitsministerium stellte fest: Die psychische Belastung ist unabdinbarer Bestanddteil des Arbeitsschutzes. Die Pflichten der Arbeitgeber sind klar, aber die Kassen trauen sich nicht, die Versäumnisse der Arbeitgeber bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten als Rechtsbruch zu kritisiern.
Jetzt wird über eine Verpflichtung der gesetzlichen Kassen diskutiert, ihren Versicherten bei ärztlichen Fehlern zu helfen. Die Kassen sollten auch verpflichtet werden, ihrer Versicherten zu helfen, wenn deren Arbeitgeber gegen die Vorschriften des Arbeitsschutzes verstoßen. Was können wir hier von von den Krankenversicherern erwarten, wenn sie schon klaren Rechtsbruch nicht klar ansprechen? Mit Samthandschuhen gehen auch die Berufsgenossenschaften mit Unternehmen um, die den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz schleifen lassen. Unternehmern, die Körperverletzungen ihrer Mitarbeiter schon so lange riskieren, das Vorsatz deutlich wird, wird mehr Verständnis entgegengebracht, als Kleinkriminellen. (Entschuldigung bitte, aber wenn Sie diesen Vorwurf zu krass finden, dann denken Sie bitte einmal darüber nach, was die Gewöhnung an Rechtsbruch mit uns selbst anrichtet.)
Die Aufsichtspersonen auf der unteren Ebene kann man für die Sabotage der Arbeitsschutzaufsicht übrigens nicht haftbar machen. Politiker behindern die Arbeitsschutzaufsicht ja nicht durch offene Anweisungen, aktiv wegzusehen. Sondern sie begrenzen einfach die Ressourcen der Aufsicht. Die kann dann erst aktiv werden, wenn sich die Wahrnehmung von Mängeln überhaupt nicht mehr vermeiden lässt. Auf einer Tagung meinte einmal eine Psychologin (die für eine Organisation im Bereich der Arbeitssicherheit Unternehmen beobachtet) zu mir, dass sie erst tätig werden dürfe, “wenn in einem Unternehmen Zustände herrschen wie bei France Télécom”.
Es muss also erst Tote geben. Und dann lassen sich Ursachenzusammenhänge immer noch kaum nachweisen. Als Haftungsgrund müsste ausreichen, mangelnde Prävention nachzuweisen. Dafür ist eine ausreichend mit Ressourcen und Sanktionsmitteln ausgestattete Aufsicht erforderlich. Das kann von der Zielvereinbarung mit kooperativen Unternehmen bis hin zur Einschaltung des Staatsanwalts reichen.

Erst einmal die vorhandenen Arbeitsschutzregeln durchsetzen

http://www.igmetall.de/cps/rde/xchg/SID-4C613046-9BAEA969/internet/style.xsl/psychische-belastung-am-arbeitsplatz-9358.htm

Psychische Belastung am Arbeitsplatz
Wir brauchen Schutz vor Stress
24.01.2012 – Die IG Metall ist ein wesentlicher Treiber beim Thema Arbeitsstress. Sie fordert mit ihrer Anti-Stress-Initiative, dass es endlich eine verbindliche Verordnung gibt, an die sich die Unternehmen halten müssen. Denn die Erfahrung zeigt: Die bisherige “freiwillige Rahmenvereinbarung” bringt so gut wie nichts.

Das Arbeitsschutzgesetz setzt bereits den heute von der IGM geforderten vorgeschriebenen Rahmen. An den haben wir uns zu halten. Das ist nicht freiwillig.


Die “Anti-Stress-Initiative” der IG Metall hat das Ziel, den Schutz vor psychischer Gefährdung in der Arbeit in eine konkrete Verordnungen zu fassen. Das Arbeitsschutzgesetz gibt dafür den Rahmen vor. “Ich fordere Arbeitsministerin Ursula von der Leyen auf, die Schutzlücke bei psychischen Gefährdungen zu schließen”, sagte Hans-Jürgen Urban auf einer Pressekonferenz in Berlin. Es geht Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, um eine Verbindlichkeit, an die sich Arbeitgeber halten müssen.

(Links nachträglich in das Zitat eingefügt)
Die Verbindlichkeit gibt es doch schon längst. Neue und zusätzliche betriebsübergreifende Regelungen bergen die Gefahr in sich, dass man sich hier auf niedrigstem Niveau einigt und dann Alle meinen, ihre Hausaufgaben gemacht zu haben. Gewerkschaften, Arbeitgeber, Bundesarbeitsministerin usw. sehen dann gut aus, aber den Menschen in den Unternehmen hilft das nicht.
Hier verstehe ich die Forderungen meiner Gewerkschaft nicht (oder ich verstehe sie vielleicht auch nur falsch). Der Schwerpunkt der Arbeit muss doch darauf liegen, dass überhaupt erst einmal die bestehenden Arbeitsschutzregeln eingehalten werden und genügend Aufsichtspersonal zur Verfügung steht. Diese Fachleute müssen dann den Arbeitsschutz in den Betrieben wirklich aufmerksam und nachhaltig beaufsichtigen dürfen. Auch müssen die Arbeitnehmervertreter (Betriebs- und Personalräte) verstehen, dass Arbeitsschutzrechte unabdingbar sind. Arbeitnehmervertreter haben beim Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz die Pflicht zur Mitbestimmung.
Die IGM schreibt doch selbst:


Der Gesundheitswissenschaftler und Leiter der Forschungsgruppe Public Health, Rolf Rosenbrock, erklärt: “Das zentrale Problem ist nicht das Fehlen von allgemeinen gesetzlichen Vorschriften oder Mängel an gesichertem Wissen. Sondern der Unwille in der Mehrzahl der Unternehmen in Deutschland, den Vorschriften zu folgen und das Wissen zu nutzen.” Aus seiner gesundheitswissenschaftlichen und -politischen Sicht begrüßt er jede Initiative, die die Thematik auf die betriebliche und politische Tagesordnung bringt.

Aber dann wieder:

…Ohne Regeln und Kontrolle passiert zu wenig. 68 Prozent der IG Metall-Betriebsräte gaben in einer Umfrage an, dass seit der Wirtschaftskrise Stress und Leistungsdruck stark oder sehr stark zugenommen haben. Ein wirklich wirksamer Schutz der Beschäftigten kann nur zustande kommen, wenn es Regeln gibt, die zum Handeln führen. Alle Akteure brauchen dafür einen verbindlichen Rahmen.

Die fehlende Kontrolle ist aus meiner Sicht das Hauptproblem. Es ist einfach so, dass der Zwang zur Erfüllung gesetzlicher Regeln das wichtigste Motiv von Unternehmern ist, sich mit psychosozialen Risiken im Betrieb zu befassen. Die Regeln gibt es, den Zwang nicht. Ohne Durchsetzung sind die Regeln für die Tonne. Gesetze zum Vorzeigen haben wir schon genug. Nicht die Regeln fehlen, sondern ihre Durchsetzung in einem Land, in dem wir uns schon zu sehr an einen sehr “flexiblen” Umgang mit rechtlichen Verpflichtungen gewöhnt haben. Der “Unwille in der Mehrzahl der Unternehmen in Deutschland, den Vorschriften zu folgen” sollte in einem Rechtsstaat keine unüberwinbare Hürde sein.
Falls Sie es in diesem Blog noch nicht gelesen haben sollten: Die Mehrheit der Arbeitgeber durfte seit 1996 (und auch nach der Konkretisiertung im Jahr 2004 durch das BAG) ohne ein Einschreiten der Gewerbeaufsicht und der Berufsgenossenschaften straflos ihre Pflicht zum Einbezug psychisch wirksamer Belastungen missachten.
Die mangelnde Thematisierung dieser Tatsache in den Medien zeigt aber, dass diese Art der Rechtsbruchs bei uns heute schulterzuckend toleriert wird. Unternehmer, die die Schutzrechte von Arbeitnehmern ignorieren, gehören wohl zur akzeptierten Lebenswirklichkeit und scheinen journalistisch uninteressant zu sein.
Siehe auch: http://blog.psybel.de/petition20090202/

40 Jahre Mitbestimmung

http://www.bmas.de/DE/Service/Presse/Pressemitteilungen/novelliertes-betriebsverfassungsgesetz.html


Vor 40 Jahren, am 19. Januar 1972, trat die Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes in Kraft. Die Gesetzesänderung brachte die Mitbestimmung der Beschäftigten im Betrieb auf den noch heute gültigen, hohen Standard und entwickelte ihre Mitwirkungsrechte entscheidend weiter. Das novellierte Betriebsverfassungsgesetz ist ein Meilenstein der deutschen Sozialgeschichte.
Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Arbeit und Soziales:

Die Partnerschaft von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in den Betrieben macht Deutschland stark. Das hat sich gerade in der Krise wieder eindrucksvoll gezeigt. Zusammenstehen, Kooperation statt Konfrontation: Das zahlt sich bei allen Interessensunterschieden im Einzelfall am Ende für alle aus. Zusammen mit der Tarifpartnerschaft ist die Mitbestimmung eine unentbehrliche Bedingung für den Erfolg der deutschen Wirtschaft in der Welt.

(Link nachträglich in das Zitat eingefügt)
Na ja, gelegentlich ist auch in einer Kooperation eine Konfrontation nötig. Der Arbeitsschutz ist ein gutes Beispiel: 15 Jahre lang setzten wir auf die Illusion, dass Unternehmer sich im Großen und Ganzen an die Regeln des Arbeitsschutzes halten. Aber bis heute zieht es eine Mehrheit der Unternehmer vor, sich nach Lust und Laune auszusuchen, welche Regeln des Arbeitsschutzes respektiert werden sollen und welche nicht. Mehr als ein Drittel der deutschen Arbeitgeber beurteilt nicht einmal die Risiken der Körperverletzung, die ihre Arbeitsplätze ihren Mitarbeitern durch psychische Fehlbelastungen zugefügt werden können. Statt der ihnen zugewiesenen Verantwortung gerecht zu werden, basteln sich viele Arbeitgeber lieber ein Gesundheitsmanagement zusammen, dass zuerst den Mitarbeitern die Verantwortung zuschiebt.
Wir haben uns an den täglichen Rechtsbruch durch Unternehmer gewöhnt. Wir haben uns daran gewöhnt, dass staatliche Aufsicht einerseits in den Kleiderschränken und Betten von Sozialhilfeempfängern herumschnüffelt, um herauszufinden, ob sie heimlich in Lebensgemeinschaften leben und damit ihre Kosten um ein paar Euro senken. Andererseits müssen unterbesetzte und schwache Aufsichtsbehörden zulassen, dass Unternehmer, denen persönlich es in der Mehrzahl ohnehin schon gut geht, munter die Gesetze brechen, um in den Betrieben ihre Kosten zu drücken. Diese Toleranz zeigt der Staat ja nicht nur im Arbeitsschutz, sondern z.B. auch gegenüber den Pharmaherstellern und Fleischproduzenten, die seit langer Zeit gesetzeswidrig in Massen Antibiotika verfüttern lassen. Als Nebenprodukt entstehen dadurch resistente Krankheitserreger, die uns zunehmend gefährlicher werden. Aber die Aufsicht ist hilflos. Was für ein Wahnsinn! Bei der Wahl der Prioritäten staatlicher Aufsicht sind wir im wahren Sinne des Wortes verrückt geworden.
In den Betrieben ist die Mitbestimmung ein mögliches Gegenmittel gegen unverantwortliches Wirschaften. Sowohl die staatlichen Aufsichtsbehörden wie auch viele Betriebsräte haben beim ganzheitlichen Arbeitsschutz viel zu lange auf eine zu weiche Kooperation gesetzt und dadurch zugelassen, dass Arbeitnehmer psychisch und physisch verletzt werden konnten. Kooperation und Konfrontation sind aber kein Gegensatz. Wir brauche eine noch aktivere Mitbestimmung, die zum Wohl der Kooperation auch die Konfrontation nicht scheut.

Nordwestradio: Gespräch mit Ursula von der Leyen

http://www.radiobremen.de/nordwestradio/sendungen/nordwestradio_journal/depression102.html, 2012-01-06

Nordwestradio Journal 
Psychische Belastungen am Arbeitsplatz
Gespräch mit Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen will das Thema in diesem Jahr zum Schwerpunkt machen. Der Fokus liegt dabei auf der Vorbeugung. Unternehmen müssten lernen, Warnsignale zu erkennen. So seien Konflikte am Arbeitsplatz häufig Ausdruck psychischer Belastungen. Doch dahinter liegen Fehler in der Arbeitsorganisation und -belastung des Einzelnen. Menschen brauchen Rückhalt im Betrieb, Wertschätzung und möglichst geringe Fremdbestimmung. Für viele Betriebe sei das Thema Neuland, so von der Leyen. Nordwestradio-Moderatorin Nicole Nelhiebel hat mit ihr gesprochen.
Psychische Belastungen am Arbeitsplatz, [5:28]

Von der Leyen im Interview:

“… Aber es gibt ein zweites Standbein im Arbeitsschutz. Das ist die psychische Erkrankung, der vorgebeugt werden soll. … Wer den Arbeitsschutz nicht einhält, der bekommt empfindliche Strafen. … Das gilt nicht nur für die körperlichen Gefahren, sondern auch für die psychischen Gefahren. …”

Die Bundesarbeitsministerin spricht frei im Interview, da werde ich jetzt nicht an Details herumkritisieren. Sie spricht aber im gleichen Interview auch von “völligem Neuland”, was angesichts der seit 1996 geltenden Regeln des Arbeitsschutzes, einer Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 1997 und der BAG-Beschlüsse aus dem Jahr 2004 nicht so recht nachvollziehbar ist. Von ihrem eigenen Verband wurden die Unternehmen außerdem noch im Jahr 2005 auf das Thema aufmerksam gemacht, allerdings mit einem etwas desinformierenden Positionspapier (siehe “BDA” oben in http://blog.psybel.de/hauptsache-gesundheit/). Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung kennt sich auch schon lange mit dem Thema aus. Und den Fehlzeitenreport 1999 kann man heute als Sammlerstück kaufen. Sein Thema: Psychische Belastungen am Arbeitsplatz.
Mit empfindlichen Strafen zu drohen, halte ich für problematisch, weil sich dann Mängel im Arbeitsschutz mit verängstigten Unternehmern nicht ausreichend offen besprechen lassen. Wirksamer wäre eine Stärkung der Betriebsräte, Gewerkschaften und Arbeitsschutzbehörden, die bisher die bedeutensten Impulsgeber in diesem “zweiten Standbein des Arbeitsschutzes” waren. Gut ist es auch, wenn Aufsichtspersonen mit Unternehmern Zielvereinbarungen treffen.

Frührente wegen Überlastung

http://www.wdr5.de/sendungen/echo-des-tages/s/d/28.12.2011-18.30.html

… Die psychische Belastung der Beschäftigten hat inzwischen derart große Ausmaße angenommen, dass selbst die Politik sie zur Kenntnis nehmen muss. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen will im kommenden Jahr eine Kommission mit der Aufgabe betrauen, Maßnahmen gegen die psychische Überlastung im Beruf zu entwickeln. Nach ihren Angaben scheidet jeder dritte Frührentner deshalb aus dem Erwerbsleben aus. Mit der Verlängerung der Lebensarbeitszeit um zwei Jahre, die im kommenden Jahr beginnt, wird sich das Problem eher noch vergrößern. …

… Wer mit 50 oder 60 aus gesundheitlichen Gründen erwerbsunfähig wird, muss Abstriche von über 10 % in Kauf nehmen. Heute erhält ein Neurentner im Schnitt um die 800 € pro Monat, Frauen um die 500 €. Wenn davon dann ein Zehntel und mehr abgezogen wird, bleibt nicht mehr viel übrig. Damit ist die Armut im Alter programmiert. Sie bedroht vor allem die Bezieher von Erwerbsminderungsrenten. Davor warnen Gewerkschaften und Sozialverbände schon seit langem. Bisher leider ungehört.