EU: Working environment/employment relations

Heute wird in den Nachrichten über einen Bericht der europäischen Stoiber-Kommission berichtet, in dem etwa 70 Punkte aufgelistet seien, mit man 40 Milliarden Euro einsparen könne. Auch im Arbeitsschutz und bei der Mitbestimmung will die Stoiber-Kommission “entbürokratisieren” und “vereinfachen”.
http://ec.europa.eu/enterprise/policies/smart-regulation/administrative-burdens/high-level-group/index_en.htm


High Level Group activities
In the context of its extended mandate the HLG had called upon national governments, regional and local authorities as well as business organisations and other stakeholders to submit examples for best practice in Member States to implement EU legislation in the least burdensome way.
detailed questionnaire with explanations

Report on best practice in Member States to implement
EU legislation in the least burdensome way
Questionnaire

Working environment/employment relations

  • 69. Council Directive 89/391/EEC of 12 June 1989 on the introduction of measures to encourage improvements in the safety and health of workers at work
  • 70. Directive 92/57/EEC of 24 June 1992 on the implementation of minimum safety and health requirements at temporary or mobile construction sites
  • 71. Directive 94/45/EC on the establishment of a European Works Council or a procedure in Community-scale undertakings and Community-scale groups of undertakings for the purposes of informing and consulting employees; now Directive 2009/38/EC of the European Parliament and of the Council of 6 May 2009 on the establishment of a European Works Council or a procedure in Community-scale undertakings and Community-scale groups of undertakings for the purposes of informing and consulting employees (Recast)
  • 72. Directive 2004/37/EC of the European Parliament and of the Council of 29 April 2004 on the protection of workers from the risks related to exposure to carcinogens or mutagens at work

Siehe auch: http://blog.psybel.de/2011/06/21/stoiber-kommission-arbeitsschutz-unter-beschuss/

Staatlich behinderte Gewerbeaufsicht

http://www.igmetall.de/cps/rde/xbcr/SID-577D2ED4-F01794B3/internet/Tipp43_V6_Finale_Screen_0180513.pdf

Gegenwärtig entscheidet jedes Bundesland nach Kassenlage und eigenem Gutdünken, wie viel Personal es für die Gewerbeaufsicht einsetzt. Ich dachte früher, dass eine Steuerprüfung das seltenste Ereignis ist, das einem Betrieb passieren kann. Aber der staatliche Arbeitsschutz schlägt das noch um Längen!

Das meinte Hans-Jürgen Urban (IG-Metall) zur Gewerbeaufsicht. Nun fordert er strengere Durchführungsverordnungen. Ich sehe das kritisch, aber vielleicht hat er leider doch recht.
Während Ursula von der Leyen (CDU) beklagt, dass die Unternehmen den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz schleifen lassen und Christine Haderthauer (CSU) sogar nach Burnout-Detektiven ruft, versucht Edmund Stoiber (CSU) den Arbeitsschutz noch zusätzlich zu schwächen. Edmund Stoiber arbeitet auf europäischer Ebene daran, ein Instrument zu blockieren, mit dem sich Pflichtverletzungen der Arbeitgeber sehr konkret prüfen lassen. Die Bildschirmarbeitsverordnung ist Edmund Stoiber ein Dorn im Auge. In Betrieben mit Bildschirmarbeit kann man pflichtverletzenden Arbeitgebern mit den Kriterien der Bildschirmarbeitsverordnung sehr leicht ihre Vergehen nachweisen. Es geht da längst nicht mehr nur um Pixelauflösungen, Bildschirmflimmern und technische Parameter. Sondern es geht um die Benutzerfreundlichkeit von Software und die Belastung von Menschen durch Interaktion mit Benutzerschnittstellen. Wenn Arbeitgeber trotz Forderung beispielsweise des Betriebsrates keine Beurteilung der psychischen Belastung durch die Benutzerschnittstellen durchführen, kann auch gezeigt werden, dass sie eine Vorschrift des Arbeitsschutzes vorsätzlich missachten.
Auffallend ist auch die Zurückhaltung der Krankenkassen mit Kritik an der offensichtlichen Missachtung der Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz bei einer Mehrheit der Unternehmen. Das Bundesarbeitsministerium stellte fest: Die psychische Belastung ist unabdinbarer Bestanddteil des Arbeitsschutzes. Die Pflichten der Arbeitgeber sind klar, aber die Kassen trauen sich nicht, die Versäumnisse der Arbeitgeber bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten als Rechtsbruch zu kritisiern.
Jetzt wird über eine Verpflichtung der gesetzlichen Kassen diskutiert, ihren Versicherten bei ärztlichen Fehlern zu helfen. Die Kassen sollten auch verpflichtet werden, ihrer Versicherten zu helfen, wenn deren Arbeitgeber gegen die Vorschriften des Arbeitsschutzes verstoßen. Was können wir hier von von den Krankenversicherern erwarten, wenn sie schon klaren Rechtsbruch nicht klar ansprechen? Mit Samthandschuhen gehen auch die Berufsgenossenschaften mit Unternehmen um, die den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz schleifen lassen. Unternehmern, die Körperverletzungen ihrer Mitarbeiter schon so lange riskieren, das Vorsatz deutlich wird, wird mehr Verständnis entgegengebracht, als Kleinkriminellen. (Entschuldigung bitte, aber wenn Sie diesen Vorwurf zu krass finden, dann denken Sie bitte einmal darüber nach, was die Gewöhnung an Rechtsbruch mit uns selbst anrichtet.)
Die Aufsichtspersonen auf der unteren Ebene kann man für die Sabotage der Arbeitsschutzaufsicht übrigens nicht haftbar machen. Politiker behindern die Arbeitsschutzaufsicht ja nicht durch offene Anweisungen, aktiv wegzusehen. Sondern sie begrenzen einfach die Ressourcen der Aufsicht. Die kann dann erst aktiv werden, wenn sich die Wahrnehmung von Mängeln überhaupt nicht mehr vermeiden lässt. Auf einer Tagung meinte einmal eine Psychologin (die für eine Organisation im Bereich der Arbeitssicherheit Unternehmen beobachtet) zu mir, dass sie erst tätig werden dürfe, “wenn in einem Unternehmen Zustände herrschen wie bei France Télécom”.
Es muss also erst Tote geben. Und dann lassen sich Ursachenzusammenhänge immer noch kaum nachweisen. Als Haftungsgrund müsste ausreichen, mangelnde Prävention nachzuweisen. Dafür ist eine ausreichend mit Ressourcen und Sanktionsmitteln ausgestattete Aufsicht erforderlich. Das kann von der Zielvereinbarung mit kooperativen Unternehmen bis hin zur Einschaltung des Staatsanwalts reichen.

FOCUS widmet der Fürsorgepflicht keine Silbe

http://netkey40.igmetall.de/homepages/koeln_neu/hochgeladenedateien/pdf/
Gute%20Arbeit/Leserbrief%20Focus%2020100308.pdf

8. März 2010 – Köln-Leverkusen
Leserbrief zum Focus Titelthema “Die Burn-out-Gesellschaft” (Ausgabe 10/10 08.03.2010)
Ich bin sehr erfreut, dass Sie das Thema Burn-Out, verursacht durch Belastungen am Arbeitsplatz einmal aufgegriffen haben. Aus meiner täglichen Arbeit kann ich ihnen leider bestätigen, dass es in allen Unternehmen ein aktuelles Thema ist, besonders jedoch in den sogenannten hochqualifizierten Angestelltenbereichen.
In ihrem Artikel befassen Sie sich stark mit den möglichen Ursachen für ein Burn-Out, gehen auf verschiedene Einzelschicksale ein und erwähnen sogar, dass es manche Promis schick finden sich eine Auszeit wegen eines Burn-Outs zu nehmen. Dies finde ich ehrlich gesagt sehr einseitig dargestellt, denn es erweckt den Eindruck, als wären die ArbeitnehmerInnen diejenigen, die verantwortlich sind für ihre Erkrankung, weil sie nicht rechtzeitig die Notbremse gezogen haben, oder einfach einer Modeerscheinung folgen wollen.
Sie berichten von einer Ratlosigkeit der Unternehmen, die sich auf großen Konferenzen zusammenfinden um nach Auswegen zu suchen, aber Sie gehen mit keiner Silbe darauf ein, dass vor allem die Unternehmen eine Fürsorgepflicht für ihre ArbeitnehmerInnen haben. In der EURahmenrichtlinie (89/391/EWG) – Präambel heißt es: “Die Verbesserung des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten am Arbeitsplatz gehört zu “Zielsetzungen, die keinen rein wirtschaftlichen Überlegungen untergeordnet werden dürfen.” Ausserdem finden sich in fast allen Unternehmenskodexen die Worte “…die Gesundheit unserer MitarbeiterInnen ist unser höchstes Gut…” Dies sieht jedoch in der Realität ganz anders aus. Es wird sogar öffentlich formuliert. “Den Druck der Finanzmärkte herunterzubrechen auf jeden einzelnen Mitarbeiter, das ist das Kunststück; das über das Überleben der Betriebe entscheiden wird.” (Martin Kannegiesser, Präsident Gesamtmetall, November 2000)
Und genauso sieht die Unternehmenspolitik in den meisten Betrieben aus. Wirklich ernsthaft haben sich nur wenige Betriebe mit den Gefahren psychischer Belastungen beschäftigt und wenn nur aufgrund von Druck seitens der Betriebsräte. Deshalb wurde auch bisher in nur 30% aller deutschen Betriebe[1], die seit 1996 im Arbeitsschutzgesetz vorgeschriebene Gefährdungs- und Belastungsbeurteilung durchgeführt.
Diese schreibt den Arbeitgebern vor, alle Belastungen eines Arbeitsplatzes zu erfassen – auch die psychischen Belastungen, sie zu dokumentieren und Massnahmen zur Entlastung umzusetzen. Bei einer solchen Gefährdungs- und Belastungsbeurteilung würde unter Umständen sichtbar, dass die Personalbemessung viel zu gering ist, oder die Arbeitsorganisation nicht optimal gegliedert, etc. Es müssten dann Massnahmen eingeleitet werden, die z.B. Weiterbildungen und Umstrukturierungen bedeuten würden.
Davor fürchten sich viele Arbeitgeber aus zwei Gründen.

Das ist aber nicht gewollt.[3] Dabei könnten die Arbeitgeber durchaus daraus profitieren. Denn Arbeitsorganisationen könnten effektiver gestaltet, die Mitarbeiter entlastet und motiviert und die krankheitsbedingten Ausfalltage deutlich reduziert werden. “Von 1,50EUR, die das Unternehmen in die Gesundheit investiert, kommen 5,60EUR als Ertrag zurück.” (Studie der Harvard Medical School für Unilever[4] Deutschland) Zu befürchten ist jedoch, dass dieses wichtige Präventionsinstrument, Gefährdungs- und Belastungsbeurteilung, bald auch nicht mehr gegeben ist. Denn in der Empfehlung der High Level Group (“Stoiber[5] Kommission“) wird vorgeschlagen, zum Abbau von Bürokratiekosten, die Dokumentationspflicht der Gefährdungs- und Belastungsbeurteilung in Betrieben mit bis zu 500 MitarbeiterInnen abzuschaffen. Damit wäre faktisch jede Kontrollmöglichkeit der vereinbarten Massnahmen genommen und das in 92% aller europäischen Betriebe.
Was ich letztlich sagen möchte ist, dass Erkrankungen aufgrund psychischer Belastungen keine Modeerscheinung sind, sondern die Konsequenz von unverantwortlichem Unternehmerverhalten und dass es durchaus Mittel und Wege gibt Belastungen abzubauen, sie aber bewusst nicht genutzt werden. Die IG Metall wird in diesem Jahr mit dem Projekt “Gute Arbeit im Büro” in einigen Pilotbetrieben versuchen einen ganzheitlichen Gesundheitsschutz zu etablieren. Eine Auftaktveranstaltung für die Region Köln dazu besuchten vorletzten Samstag 140 interessierte KollegInnen, ohne dass es dazu einer großartigen Werbung bedurft hätte.
Zu diesem Projekt stehe ich gerne als Ansprechpartnerin zur Verfügung.
Kerstin D. Klein
Fachsekretärin
IG Metall Verwaltungsstelle Köln- Leverkusen

(Links und Anmerkungen nachträglich eingefügt)
[1] Es gibt hier unterschiedliche Angaben. Gemeinsam ist ihnen, dass sich die Mehrheit der Unternehmen nicht an die Regeln des Arbeitsschutzes hält. Als Grund für die Differenzen bei den Angaben vermute ich, dass die Qualität des Einbezugs psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz unterschiedlich bewertet wird.
[2] Hier handelt es sich sogar um eine Mitbestimmungspflicht.
[3] Wenn der Unwille zu Ordnungswidrigkeiten führt, könnte das von Aufsichtsorganen geahndet werden. Bei Wiederholung kann daraus eine Straftat werden. Aufsichtspersonen mögen das wollen, aber es scheint politisch nicht gewollt zu sein, dass sie ernsthaft und wirkungsvoll kontrollieren dürfen. Wenn hier der Staat zum Komplizen wird, dann ist das ein über den Arbeitsschutz hinausgehendes Problem.
[4] Unilever gehört leider auch zu den vielen Unternehmen, die im Gesundheitsmanagement versuchen, die Verhältnisprävention gegenüber der Verhaltensprävention zu marginalisieren.
[5] CSU

Stoiber-Kommission: Arbeitsschutz unter Beschuss

http://www.wiki-gute-arbeit.de/index.php/Die_europ%C3%A4ische_Arbeits-_und_Gesundheitsschutzpolitik.2#Die_Vorschl.C3.A4ge_der_Stoiber-Kommission

… Vor allem zwei EU-Richtlinien wurden einer Untersuchung unterzogen und Vorschläge zu deren Veränderung vorgelegt. Dies sind die Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz (89/391/EWG) und die so genannte Baustellenrichtlinie (92/57/EWG). Die Vorschläge treffen im Kern zentrale Aspekte des Arbeitsschutzes:

  • Für kleine Firmen soll die Dokumentationspflicht zur Risikobeurteilung suspendiert werden, was in der Konsequenz einen abgestuften Arbeitsschutz je nach Betriebsgröße bedeuten würde;
  • analog zum vorherigen Punkt soll die Verpflichtung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes für Baustellen mit geringen Risiken entfallen;
  • Ebenfalls eines von drei zentralen Dokumenten des Arbeitsschutzes für Baustellen, die Sicherheitsunterlagen (health and safety file), soll für Baustellen mit geringen Sicherheitsrisiken entfallen;
  • es soll eine Unterscheidung zwischen risikoreicheren Betrieben und risikoarmen eingeführt werden (wobei die irrige Aussage getroffen wird, kleine Firmen seien risikoärmer);
  • den Mitgliedsstaaten soll mehr Freiraum bei den Anforderungen bezüglich der Gefährdungsbeurteilung und der Dokumentationspflichten gegeben werden.

Unter Berufung auf eine im Januar 2009 durchgeführte Konsultation von Interessengruppen unterbreitet die HLG weitere Vorschläge auch zu anderen Rechtsbereichen. Unter anderem:

  • die Abschaffung eines Ruhezeitenregimes in der europäischen Arbeitszeitrichtlinie;
  • die Abschaffung oder Revidierung des Anhangs zur Bildschirmarbeitsverordnung mit ihren konkreten Vorgaben für die Gestaltung von Bildschirmarbeit;
  • völlig außer Acht lassend, dass EU-Richtlinien im Arbeitsschutz Mindestanforderungen formulieren, plädiert die HLG für eine „schlanke“ Umsetzung in nationales Recht;

Der EGB hat in einer ersten Stellungnahme seine Befürchtung zum Ausdruck gebracht, dass hiermit die Errungenschaften und die Grundstruktur des europäischen Arbeitsschutzes ausgehebelt werden sollen. In einem Brief an die Europäische Kommission hat die Arbeitnehmergruppe des Beratenden Ausschusses in Luxemburg unter anderem auf die absolute Unzulänglichkeit der Datenerhebung hingewiesen. Demnach sind 89 Prozent aller Kosten in Zusammenhang mit den betrieblichen Tätigkeiten rund um die Gefährdungsbeurteilung vermeidbare administrative Lasten. 3,78 Milliarden Euro könnten angeblich europaweit eingespart werden. Obwohl in dem Bericht der HLG in einer Bilanz der europäischen Arbeitsschutzpolitik für den Zeitraum 1995 bis 2004, also für den relevanten Zeitraum der Einführung der europäischen Rahmenrichtlinie, ein Rückgang der Arbeitsunfälle von 5 Millionen auf 3,9 Millionen ausgewiesen wird, findet sich keinerlei Betrachtung darüber, welches Leid und welche Kosten auf der individuellen, der betrieblichen und der gesellschaftlichen Ebene durch die vermuteten Kosten für die Gefährdungsbeurteilung vermieden wurden. …

(Links zu diesem Blog und Hervorhebungen nachträglich eingefügt)
Siehe auch: http://ec.europa.eu/enterprise/policies/smart-regulation/administrative-burdens/high-level-group/index_en.htm