Zertifizierer für OHSAS 18001 in Deutschland

In Deutschland akkreditierte Zertifizierer für Arbeitsschutzmanagementsysteme nach OHSAS 18001:


Profil der DAkkS (http://www.dakks.de/content/profil):

Die DAkkS ist die nationale Akkreditierungsstelle der Bundesrepublik Deutschland. Sie handelt nach der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 und dem Akkreditierungsstellengesetz (AkkStelleG) im öffentlichen Interesse als alleiniger Dienstleister für Akkreditierung in Deutschland. 
Die DAkkS arbeitet nicht gewinnorientiert. Gesellschafter der GmbH sind zu gleichen Teilen die Bundesrepublik Deutschland, die Bundesländer und die durch den Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) vertretene Wirtschaft.
Um ihre hoheitlichen Akkreditierungsaufgaben ausfüllen zu können, wurde die DAkkS vom Bund beliehen. Als beliehene Stelle untersteht die DAkkS der Aufsicht des Bundes. Bei ihrer hoheitlichen Akkreditierungstätigkeit wendet die DAkkS das deutsche Verwaltungsrecht an.

http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Akkreditierungsstelle

Die DAkkS ist eine privatwirtschaftliche Organisation die beliehene hoheitliche Aufgaben wahrnimmt. Bei Tätigkeiten der hoheitlichen Akkreditierung unterliegt die DAkkS dem deutschen Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und weiteren verwaltungsrechtlichen Vorgaben.
Die GmbH-Anteilseigner der DAkkS sind jeweils zu einem Drittel:

Die Bundesländer wurden primär beteiligt, um die bestehenden Organisationen der Länder leichter in die DAkkS zu überführen, „wodurch parallele Strukturen und Aktivitäten auf Landesebene verzichtbar werden“.

Interessant: Die staatliche Aufsicht der Zertifizierung auch von Umwelt- und Arbeitsschutzmanagementsystemen wurde teilprivatisiert. Die DAkkS beaufsichtigt die Zertifizierer, deren Kunden die privaten Unternehmen sind. Der BDI darf bei der DAkkS mitmachen, die Gewerkschaften nicht. Die Rolle der Länder ist auf eine Übergangsphase beschränkt. Und seitens der Regierung ist nur das Wirtschaftsministerium dabei (bisher FDP), das Umweltministerium und das Arbeitsministerium bleiben draußen. Da die überforderte Gewerbeaufsicht in den Betrieben kaum noch die Bereiche prüft, die durch Zertifikate der bei der DAkkS akkreditierten Zertifizierer abgedeckt sind, ist es der Industrie geschickt gelungen, die praktische Gewerbeaufsicht privatwirtschaftlich besser in den Griff zu bekommen.
 
Wie man die Akkreditierung und Audits (etwas) besser organisieren kann, sieht man in den Niederlanden: SCCM

Audit-Ankündigung an den Betriebsrat

Hier wirkt der Betriebsrat aktiv an Zertifizierungsaudits nach OHSAS 18001 mit: In den Niederlanden müssen die Betriebsräte bei Audits nach dem SCCM-Schema spätestens drei Wochen vor einem Audit informiert werden und können eigene Feststellungen in das Audit mit einbringen, und zwar nach ihrer Wahl entweder an den Arbeitgeber oder direkt an die Zertifizierungsgesellschaft. In Deutschland sind viele Betriebsräte noch zu schüchtern dafür – soweit sie überhaupt begriffen haben, was ein OHSAS 18001 Zertifikat für sie bedeutet. Leider zeigen auch die deutschen Zertifizierungsgesellschaften wenig Interesse daran, Betriebsräte aktiv an Audits mitwirken zu lassen.
http://www.sccm.nl/sites/default/files/O11-SCCM_N110830_cert.schema_OHSAS_18001_ENG_7Feb13.pdf (Annex 6, S. 57-58)

[…] We hereby notify you that the certification body <name> will shortly be assessing whether our occupational health and safety system meets the requirements in the OHSAS 18001 standard. One of the requirements in the standard is internal communication between the various levels and positions in the organization. We would therefore like to offer the opportunity to the works council/personnel representatives to put forward points for attention for the audit, such as guaranteeing compliance with legal requirements by means of our OHS management system.
We would like you to fill out the attached questionnaire and return it to the OHS coordinator. We will use your responses to improve the OHS management system. It will also be passed on to the certification body (of course you may send a copy directly to the certification body). The certification body will incorporate any remarks in performing this audit. The certification body will then come to an impartial assessment based on the OHSAS 18001 standard and the SCCM certification scheme. […]

Zertifizierungsschema für OHSAS 18001

In den Niederlanden gibt es die SCCM, eine Organisation zur Koordination der Zertifizierung von Umwelt- und Arbeitsschutzsystemen. Diese Organisation hat ein Zertifizierungs-Schema veröffentlicht, nach dem in den Niederlanden akkreditierte Zertifizierungsgesellschaften vorgehen können. Man kann daraus (auf Englisch) viel über Zertifizierungsaudits für OHSAS 18001 und den Einbezug von Betriebsräten in solche Audits lernen. In Deutschland wäre es hilfreich, wenn die DAkkS soetwas veröffentlichen könnte.
http://www.sccm.nl/sites/default/files/O11-SCCM_N110830_cert.schema_OHSAS_18001_ENG_7Feb13.pdf (2013-02)

Certification scheme for occupational health and safety (OHS) management systems according to OHSAS 18001
[…]
By entering into an agreement with SCCM (the Association for the Coordination of Certification of Environmental and Occupational Health and Safety Management Systems in the Netherlands), accredited certification bodies can use this certification scheme, which is based on the worldwide standard OHSAS 18001:2007 (OHSAS: Occupational Health and Safety Assessment Series). The certification scheme was developed by a Central Committee of Experts (CCE) operating within SCCM and approved by the board of SCCM. SCCM qualifies as scheme supervisor in conformance with the requirements set by the Council for Accreditation. Certification bodies (CBs) associated with SCCM are obliged to follow the scheme drawn up by the CCE for certification based on the OHSAS 18001 standard. […]

 
Was ist die SCCM?
http://english.sccm.nl/content/background-and-goal

Background
SCCM was founded in 1995 by the Netherlands Ministry of Infrastructure and Environment (previously VROM), the employers’ organization VNO-NCW, the certification bodies and the environmental movement, in order to arrive at a uniform procedure for the certification bodies, and an unambiguous interpretation of the ISO 14001 standard for environmental management systems. Since 2006, the foundation has also coordinated the certification of occupational safety/health (OHS) management systems (according to OHSAS 18001). At the request of the Ministry of Infrastructure and Environment, SCCM has also taken care of registration for the Eco Management and Audit Scheme (EMAS) since 1995. SCCM has a unique position, as there are no comparable organizations in other countries.
Goal
The objective of SCCM is that the ISO 14001, OHSAS 18001 and ISO 50001 certificates have added value in the relations between organizations and their neighbours and other parties such as the government. If this added value is lacking, it can be cause to modify the ‘ground rules’ as laid down in the certification schemes. The certification bodies use the relevant SCCM certification scheme to evaluate the implementation of the standards by organizations.

 
Links:

 
Anmerkungen:

  • SCCM = Stichting Coördinatie Certificatie Milieu- en arbomanagementsystemen: Das ist eine Stiftung zur Koordination der Zertifizierung von Umwelt- und Arbeitsbedingungs-Managementsystemen. Arbo ist eine Kurzform des niederländischen Begriffs Arbeidsomstandigheden (Arbeitsbedingungen) und wird auch mit “Arbeits- und Gesundheitsschutz” übersetzt. Die Kurzform für das Arbeitsschutzgesetz ist Arbowet.
  • Auf das SCCM-Schema bin ich mit der Suche https://www.google.de/search?q=”OHSAS+18001″+”works+council” gestoßen.


"Unfall" und "Vorfall" in OHSAS 18001

Die Änderung von OHSAS 18001:1999 zu OHSAS 18001:2007 scheint von mehreren Unternehmen, die im Internet mit Zertifikaten zu OHSAS 18001:2007 werben, in der Praxis nicht vollzogen zu sein. Wenn damit geworben wird, alle Unfälle und Beinahe-Unfälle zu erfassen, dann sieht das auf den ersten Blick zwar gut aus, ist aber spätestens seit 2009-07-01 nicht mehr auf dem aktuellen Stand.
In OHSAS 18001:1999 gab es für “Unfall” noch eine eigene Definition im Kapitel 3. In OHSAS 18001:2007 gibt es den “Unfall” nicht mehr als eigene Begriffsdefinition. Spätestens seit 2009-07-01 haben zertifizierte Unternehmen alle “Vorfälle” auditierbar zu erfassen und zu bewerten. Die Begriffe “Unfall” und “Beinahe-Unfall”und decken nur eine Teilmenge der Vorfälle ab und werden deswegen in OHSAS 18001:2007 nur noch in den Anmerkungen zu dem Begriff “Vorfall” (Definition 3.9) erläutert.
Die Begriffsbestimmung für “Vorfall” gibt auch den geeigneten Raum für Ereignisse, die arbeitsbedingte psychische Erkrankungen verursachen könnten. Es gibt auch Ansätze, diese Erkrankungen als “Unfall” darzustellen, aber OHSAS 18001 geht hier meiner Ansicht nach den besseren Weg.

OHSAS 18001:2007 ist grundlegende Überarbeitung von OHSAS 18001:1999

http://www.haufe.de/arbeitsschutz/arbeitsschutz-office/ohsas-18001-1-intentionen-von-ohsas-18001_idesk_PI957_HI2633942.html

[…] wurde das AMS-Konzept OHSAS 18001 zwischen 2005 und 2007 durch eine Arbeitsgruppe unter der Federführung des Britischen Normungsinstituts BSI grundlegend überarbeitet. […]

Um so erstaunlicher, wenn akkreditierte Zertifizierungsgesellschaften auch heuer noch das AMS ihrer Klienten nach OHSAS 18001:2007 zertifizieren, die noch auf dem Stand von OHSAS 18001:1999 sind. Die Deutsche Akkreditierungsstelle findet solch eine Schlamperei nicht schlimm.
Zur Umstellung siehe auch: http://english.sccm.nl/sites/default/files/O05-N071005AandachtspuntenovergangOHSAS18001Engels.pdf

DGQ versteht OHSAS 18001 und DIN SPEC 91020 falsch

In dem folgenden Beitrag geht es um eine falsche Darstellung des Unterschiedes zwischen DIN SPEC 91020 und OHSAS 18001. Sie ist unter Anderem falsch, weil ein Gegensatz zwischen Arbeitsschutz und Gesundheitsschutz hergestellt wird. Der Gesundheitsschutz ist jedoch der Hauptgegenstand des Arbeitsschutzgesetzes. Und ein grober Fehler ist es, von einem “Gesundheitsschutz nach DIN SPEC 91020” zu sprechen. Es gibt höchstens ein “Gesundheitsmanagement nach DIN SPEC 91020”. Im Arbeits- und Gesundheitsschutz hat eine DIN SPEC nichts zu suchen: Das Deutsche Institut für Normung hat ausdrücklich erklärt, das keine DIN SPECs für diesen Bereich angenommen werden. Der wichtige Grund: Normen für Schutzbestimmungen setzen eine Konsensfindung zwischen den von der Norm betroffenen Parteien voraus.
 
http://www.dgq.de/wui/wui-aktuelles_11565.htm (Dezember 2012):

[…] Denn ein Unternehmen kann jetzt entscheiden, ob es eher den Gesundheitsschutz nach DIN SPEC 91020 gegenüber dem Arbeitsschutz nach dem Standard OHSAS 18001 für Arbeitsschutzmanagement-Systeme oder eben beide fördern und gegebenenfalls zertifizieren lassen will.
„Diese strategische Entscheidung hängt mitunter von den Branchenspezifika ab“, erklärt Claudia Nauta, Produktmanagerin der DGQ Weiterbildung. So umfasst Arbeitsschutz eher die Sicherheit des Mitarbeiters bei seinen Tätigkeiten am Arbeitsplatz, etwa Schutzmaßnahmen bei Lärmeinwirkung durch Maschinenbetrieb. Gesundheitsschutz zielt hingegen direkt auf die Gesundheit der Mitarbeiter ab. […]

Da ist Einiges ausgerechnet von der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) kräftig verwirrt worden.
(Hoffentlich passiert das nicht bei den “Kompetenztagen 2013” am 11. Juni. Dort in Stuttgart wird die DGQ-Expertin Katrin Schiller auch Werbung für die DIN SPEC 91020 machen. Eigentlich kennt sich die DGQ doch mit beiden Standards – OHSAS 18001 und DIN SPEC 91020 – gut aus.)
Es gibt keinen Gegensatz zwischen Arbeits- und Gesundheitsschutz, sondern per Arbeitsschutzgesetz ist der Gesundheitsschutz Gegenstand des Arbeitsschutzes.
Nebenbei bemerkt: Auch das Verhältnis zwischen BGM und Arbeitsschutz ist nicht zwingend ein Gegensatz. Das BGM kann ein vom Arbeitsschutz getrennter Rahmen für den Gesundheitschutz sein, oder es kann den Gesundheitsschutz mit einbeziehen, der dabei aber nicht nach DIN SPEC 91020 zertifiziert werden kann. Soll ein im BGM eingebetteter Gesundheitschutz nach einem Standard zertifiziert werden, dann kann man dafür z.B. OHSAS 18001 oder ILO-OSH oder OHRIS in Betracht zuehen.
Im Bereich der Prävention gibt es einen Gegensatz: Im Arbeits- und Gesundheitsschutz hat die Verhältnisprävention Vorrang vor der Verhaltensprävention. Im BGM ist das oft umgekehrt.
 
Unternehmen können sich sowohl bei der Pflicht wie auch bei der Kür zertifizieren lassen:

  • Pflicht — OHSAS 18001 für den vorgeschriebenen Arbeits- und Gesundheitsschutz:
    Das Arbeitsschutzgesetz (Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit) ist, wie der Titel des Gesetzes sagt, eine Gesetz über den Gesundheitsschutz. Arbeitsschutz zielt direkt auf den Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter ab. Der Gesundheitsschutz hat darum in einem Standard für Arbeitsschutzmanagementsysteme (AMS) seinen Platz.
  • Kür — DIN SPEC 91020 für das freiwillige Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM):
    Das Deutsche Institut für Normung (DIN) schreibt zu dem Verfahren für die DIN SPEC nach dem PAS-Verfahren: “Eine Anfrage, die Aspekte des Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Brandschutzes enthält, wird vom DIN grundsätzlich abgelehnt.” Das hat einen guten Grund: Die DIN SPEC 91020 ist eine ohne Mitbeteiligung der Zielgruppe (Arbeitnehmer) mit den Prozessen des DIN gestaltete Spezifikation. Gegenstand dieser Spezifikation ist das Betriebliche Gesundheitsmanagement. Das BGM zielt in der DIN SPEC 91020 direkt auf die Gesundheitsförderung der Mitarbeiter, wobei diese DIN SPEC das Management eines eventuell im BGM eingebetteten Arbeitsschutzes explizit nicht standardisieren darf.
    WARNUNG: Die DIN SPEC 91020 ist kein Standard für den Arbeits- und Gesundheitsschutz.

Eine Zertifizierung ist in beiden Fällen freiwillig, dabei führt nur zertifizierte AMS zu einer Entlastung der behördlichen Aufsicht (siehe LV 33 und LV 54). Die DIN SPEC 91020 zertifiziert BGM-Managementsysteme unter Ausschluss des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und entlastet die behördliche Aufsicht darum nicht.
 
Die DGQ meint, ein Unternehmen könne entscheiden, ob es

  • (1) eher ein freiwilliges Betriebliches Gesundheitsmanagement nach DIN SPEC 91020 oder
  • (2) den vorgeschriebenen Arbeits- und Gesundheitsschutz nach dem Standard OHSAS 18001 für Arbeitsschutzmanagement-Systeme oder
  • (1+2) eben beide

fördern und gegebenenfalls zertifizieren lassen will.
Ein intelligentes und kostenbewustes Unternehmen entscheidet sich für (2) oder (1+2), denn Kunden fordern von ihren Zulieferern verstärkt Zertifikate für Arbeitsschutzmanagementsysteme. Darum ist es wenig hilfreich und eher Geldverschwendung, sich nur nach DIN SPEC 91020 zertifizieren zu lassen. Man kann diese Spezifikation auch nur als hilfreiche Anleitung für die Gestaltung eines BGM verwenden ohne es zertifizieren zu lassen. Die Systemkontrolle der Gewerbeaufsicht und die Berufsgenossenschaften interessieren sich zunächst für Arbeitsschutzmanagementsysteme (ggf. nach OHSAS oder ILO-OSH oder OHRIS zertifiziert) und nicht so sehr für ein Betriebliches Gesundheitsmanagement, dessen Arbeitsschutzelemente (so es sie gibt) gemäß den Bedingungen des Deutschen Instituts für Normung nicht von der DIN SPEC 91020 standardisiert werden dürfen.
Diese strategische Entscheidung hängt mitunter von den Branchenspezifika ab. Insbesondere werden immer mehr exportierende Unternehmen von ihren Kunden nach Zertifikaten wie OHSAS 18001 gefragt.
Der Arbeitsschutz umfasst den grundlegenden Gesundheitsschutz der Mitarbeiter bei ihren Tätigkeiten am Arbeitsplatz, etwa Schutzmaßnahmen gegen Lärmeinwirkung durch Maschinenbetrieb oder gegen psychische Fehlbelastungen bei konfliktreichen Aufgabenstellungen, die beispielsweise Personaler einerseits und Mitglieder des Betriebsrates andererseits zu erfüllen haben. Damit zielen das Arbeitsschutzgesetz und OHSAS 18001 direkt auf den Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter ab. Im Unterschied dazu zielt das Betriebliche Gesundheitsmanagement über den Gesundheitsschutz hinausgehend auch auf die Gesundheitsförderung der einzelnen Mitarbeiter ab, wobei Verhältnisprävention und Verhaltensprävention sinnvoll miteinander verknüpft werden können.
Dabei nocheinmal der Hinweis (die ständige Wiederholung ist Absicht): Einem eventuell im BGM eingebetteter Arbeits- und Gesundheitsschutz widmet sich die DIN SPEC 91020 gemäß den Bedingungen des Deutschen Instituts für Normung ausdrücklich nicht.
 


2013-04-22
In http://www.qz-online.de/news/dgq/artikel/sinnvolles-arbeitsfeld-fuer-managementbeauftragte-und-auditoren-468751.html wird der Unsinn (“[…] den Gesundheitsschutz nach DIN  SPEC  91020, den Arbeitsschutz nach dem Standard OHSAS  18001 für Arbeitsschutzmanagementsysteme […]”) wiederholt, obwohl das ein “Portal für Qualitätsmanagement” sein soll.

Mitwirkung und Mitbestimmung in OHSAS und OHRIS

In diesem Artikel geht es zunächst nur um den Teil des Absatzes 4.4.3.2 von OHSAS 18001:2007, der die Mitbestimmung bzw. die Mitwirkung der Arbeitnehmervertretung betrifft. Dazu habe ich die Zitate im Layout etwas verändert und Dinge, die nicht zur Mitbestimmung bzw. Mitwirkung gehören, aus den Zitaten entfernt. Das deutschsprachige Zitat entnahm ich der Veröffentlichung der OHSAS 18002:2008 (das ist OHSAS 18001:2007 mit einem zusätzlichen Leitfaden) von TÜV-Media. Am Ende des Artikels zitiere ich zum Vergleich noch einen Ausschnitt aus OHRIS (Bayern).
Ist bei der autorisierten Übersetzung der OHSAS 18001:2007 im Absatz 4.4.3 eine Panne passiert? “Participation” wurde sowohl mit “Mitwirkung” wie auch mit “Mitbestimmung” übersetzt:
Englisch:

Communication, participation and consultation

  • Communication […]
  • 4.4.3.2 Participation and consultation
    The organization shall establish, implement and maintain a procedure(s) for
    the participation of workers by their:

    • appropriate involvement in hazard identification, risk assessments and determination of controls;
    • appropriate involvement in incident investigation;
    • involvement in the development and review of OH&S policies and objectives;
    • consultation where there are any changes that effect their OH&S;
    • representation on OH&S matters.

    Workers shall be informed about their participation arrangements, including who is their representative(s) on OH&S matters.

  • […]

Deutsch:

Kommunikation, Mitwirkung und Beratung

  • Kommunikation […]
  • 4.4.3.2 Mitbestimmung und Beratung
    Die Organisation muss ein Verfahren einführen, verwirklichen und aufrechterhalten für
    die Mitbestimmung ihrer Beschäftigten durch

    • geeignete Einbeziehung in die Gefährdungserkennung, Risikobeurteilung und Festlegung von Schutzmaßnahmen;
    • geeignete Einbeziehung bei Vorfalluntersuchungen;
    • Einbeziehung bei der Entwicklung und Bewertung der A&G-Politik und der Zielsetzungen;
    • Absprachen bei Veränderungen, die sich auf ihren Arbeits- und Gesundheitsschutz auswirken;
    • Interessenvertretung in Angelegenheiten des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.

    Mitarbeiter sind über Mitbestimmungsregelungen und Interessenvertretung in Angelegenheiten des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu informieren;

  • […]

Auf Seite V der deutschen Übersetzung von OHSAS 18002:2008 lesen wir zu Änderungen gegenüber der früheren Version von OHSAS 18002:

Neue Teilabschnitte wie bei OHSAS 18001 (und bei ISO 14001), z. B.:

  • Für OHSAS 18001:2007, 4.4.3 Kommunikation, Mitbestimmung und Beratung (einschließlich der neuen Teilabschnitte über Mitbestimmung/Beratung), und 4.5.3.1 Vorfall-Untersuchung.

Im Text des Standards muss unter 4.4.3 also “Mitbestimmung” stehen und nicht “Mitwirkung”.
Hängen geblieben ist die “Mitwirkung” auch in Tabellen zum Vergleich von OHSAS 18001, ISO 14001 und ISO 9001 sowie ILO-OSH (Seiten 62 und 67). Wer Lust hat und wem der Kopf jetzt nicht schon schwirrt, kann ja einmal in OHSAS 18002:2008 nachzählen: Insgesamt gewinnt “Mitbestimmung” haushoch :-). Der Schluss aus all dem ist, dass “Mitwirkung” in der Überschrift des Abschnittes 4.4.3 durch die weiteren Ausführungen in diesem Abschnitt als “Mitbestimmung” näher spezifiziert wird.
Wie wichtig die Mitbestimmung in OHSAS 18001:2007 ist, macht das Kapitel 4.6 deutlich. In diesem Kapitel wird das oberste Führungsgremium der Organisation in die Verantwortung genommen. Diese kann nicht nach unten weggeschoben werden, sondern das Führungsgremium hat das AMS selbst zu bewerten. Darum müssen ihm, so fordert es der Standard, die “Ergebnisse der Mitbestimmung und Beratung (siehe 4.4.3)” bekannt sein.
Der Absatz 4.4.3.2 ware aus Arbeitnehmersicht eine wichtige Verbesserung bei der Umstellung von OHSAS 18001:1999 zu OHSAS 18001:2007. Es gab Arbeitgeber, die diese Verbesserung dank schlampiger Audits (durch einen bei der DAkkS akkreditierten Auditor) bei der Umstellung jahrelang versteckten konnten. Ich nehme an, dass in den meisten nach OHSAS 18001:2007 zertifizierten Betrieben auch heute noch kaum ein Mitarbeiter und kaum ein Betriebsratsmitglied weiß, dass sich der Arbeitgeber zu einer über das Betriebsverfassungsgesetz hinausgehenden Mitbestimmung verpflichtet hat. Es ist sogar vorgekommen, dass ausgerechnet bei der Umstellung eines Regelwerks (Arbeitsschutzmanagement-Handbuch) von OHSAS 18001:1999 auf OHSAS 18001:2007 die Mitbestimmung umgangen wurde. Der Betriebsrat wurde dann mit einem Handbuch überrascht, das die Mitbestimmung auf gesetzliche Regelungen beschränkte. Dem Zertifizierungsauditor und der DAkkS ist dieser Verstoß gegen den Absatz 4.4.3.2 und gegen das Betriebsverfassungsgesetz bekannt.
 
Siehe auch:

 


2014-03-06:
Ludger Pautmeier sieht in seinem Buch Stolpersteine bei der Anwendung der OHSAS 18001:2007 (2011) “Übersetzungsschwächen” in der deutschen Übersetzung des britischen Standards. Er meint, dass Mitbestimmung durch Mitwirkung ersetzt werden müsse. Mitwirkung ist auch meiner Ansicht nach zwar die sinngetreuere Übersetzung von participation, aber Mitbestimmung könnte den Absichten der britischen Autoren entsprechen und deswegen als autorisierte Übersetzung gültig sein. Nach meiner Kenntnis ging der Übersetzung in Deutschland eine kontroverse Diskussion voraus. Die Widersprüche im deutschsprachigen Text sind vielleicht das Echo davon. Letzten Endes ist das englischsprachige Original maßgebend.
Eine andere Übersetzungsschwäche zum Nachteil der zu schützenden Arbeitnehmer kritisiert Ludger Pautmeier nicht: Die Übersetzung von ill health (OHSAS 18001:2007, 3.8) mit Erkrankung ist problematisch. Besser wäre schlechte Gesundheit oder schlechter Gesundheitszustand. Zum derzeitigen Text: http://vorfall.info.
 


2013-03-04
OHRIS zum Vergleich:
http://www.verwaltung.bayern.de/egov-portlets/xview/Anlage/3813536/OHRIS Band 1.pdf

[…] 2.3 Mitwirkung und Mitbestimmung
Die Organisation führt geeignete Verfahren ein, die die Beteiligung der Beschäftigten an der Verbesserung von Arbeitsschutz und Anlagensicherheit und ihr Mitwirken an der Entwicklung und Weiterentwicklung des Managementsystems, der Verhinderung und Beseitigung von Gefährdungen ermöglichen und fördern. Dazu gehören auch Verfahren, die die in Gesetzen, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen festgelegten Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretung sicherstellen.
Verfahren zur Förderung des Mitwirkens von Beschäftigten sind beispielsweise das betriebliche Vorschlagswesen, Meldewesen für Gefahrstellen und Beinahe-Unfälle durch Beschäftigte, Anreize für vorbildliches Verhalten.
Durch die Verfahren zur Sicherung der Beteiligung der Arbeitnehmervertretung soll beispielsweise die Mitbestimmung bei Regelungen zur Arbeitszeit, zur Verhinderung von Unfällen sowie bei der Durchführung von betrieblichen Bildungsmaßnahmen u. a. berücksichtigt werden.

[…]

Das Wesentliche wurde hier vergessen: Die Mitbestimmung im Arbeitsschutz einschließlich der Aufsichtspflichten der Arbeitnehmervertreter.

Ist Bosch wirklich ein Vorreiter?

http://www.haufe.de/arbeitsschutz/sicherheit/bosch-gilt-als-vorreiter-bei-der-arbeitssicherheit_96_156746.html

09.01.2013
Arbeitsschutzmanagementsystem
Bosch gilt als Vorreiter bei der Arbeitssicherheit

Mit Hilfe eines Arbeitsschutzmanagementsystems (AMS) lassen sich Arbeitsunfälle sowie arbeitsbedingte Verletzungen vermeiden. Potenzielle Unfall- und Gesundheitsrisiken lassen sich systematisch erkennen. Sind die Gefahrenquellen bekannt, können frühzeitig geeignete Präventionsmaßnahmen eingeleitet und die Mitarbeiter gezielt geschützt werden.
Ereignisse wie Unfälle oder Arbeitsausfälle werden dokumentiert. Anhand der Dokumentation lassen sich Zahlen und Werte vergleichen und Erfolge messen. Außerdem lassen sich neue Ziele vereinbaren und kontrollieren.

Bosch gehört international zu den Vorreitern bei der Umsetzung des Standards OHSAS 18001.

Haufe scheint hier einfach eine Pressemeldung von Bosch unkritisch übernommen zu haben. Der Fokus liegt hier auf Unfällen und Verletzungen. Bei Gesundheitsrisiken fehlt der Hinweis auf den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz. Dieser Einbezug ist vorgeschrieben, wird aber immer noch zu oft missachtet. Wenn Bosch sich von der Mehrheit der Pflichtverletzer abgrenzen will, dann müsste das Unternehmen explizit beschreiben, wie es psychische Belastungen in seinen Arbeitsschutz einbezieht und wie dabei die Mitbestimmung der Arbeitnehmer beachtet wird. Denn auch die Mitbestimmung wird in OHSAS 18001 thematisiert. Hoffentlich kennen sich die Bosch-Betriebsräte mit OHSAS 18001 aus.
Beim Arbeitsschutz loben sich viele Unternehmen kräftig selbst. (In diesem Fall lobt haufe.de Bosch.) Es geht um Employer Branding. Darum ist Vorsicht angebracht: Nach OHSAS 18001 zertifizierte Unternehmen verdienen erst dann Lob, wenn sie der Öffentlichkeit und ihren Mitarbeitern deutlich mitteilen, dass sie nicht nur “klassische” Unfälle vermeiden, sondern alle Vorfälle nach Definition 3.9 in OHSAS 18001:2007. Dazu gehören natürlich auch psychische Belastungen, damit es keine “nachteiligen mentalen Zustände” gibt.
Wie definiert der Standard derartige “Vorfälle”? Das sind alle arbeitsbezogene Ereignisse, die eine Verletzung oder Erkrankung (ohne Berücksichtigung der Schwere) oder einen tödlichen Unfall zur Folge hatten oder hätten zur Folge haben können. Bei Erkrankungen gibt es demzufolge keine Schwelle, unterhalb derer sie aus der Beobachtung und der Statistik herausfallen. Dadurch entfallen Diskussionen über die Relevanz von Erkrankungen. Die Unternehmen unterwerfen sich dem Standard ja freiwillig. OHSAS 18001 erläutert weiter: Erkrankungen sind erkennbare, nachteilige physische oder mentale Zustände, die durch eine Arbeitstätigkeit und/oder durch eine Arbeitssituation entstanden sind und/oder verschlechtert wurden.
Die Kunden eines Arbeitsschutzmanagementsystems sind die Arbeitnehmer. Warum nur wissen in den nach OHSAS 18001 zertifizierten Betrieben die wenigsten Beschäftigten von den Segnung des Standards? Warum werden Unternehmen plötzlich schüchtern, wenn es darum geht, ihren Mitarbeitern OHSAS 18001 verständlich zu machen?
Die meisten Mitarbeiter zertifizierter Unternehmen werden sich OHSAS 18001 (besser OHSAS 18002, das ist OHSAS 18001 mit Hinweisen zur Umsetzung) kaum durchlesen. Da ist zum Beispiel eine Hürde: der Preis. Zu den aushangpflichtigen Vorschriften gehört der Standard leider nicht. Wenn also ein zertifiziertes Unternehmen nicht deutlich nach innen und nach außen kommuniziert, wozu sich das Unternehmen mit seinem Bezug auf OHSAS 18001 selbstverpflichtet hat, dann können die Mitarbeiter das Top-Management (in OHSAS 18001 als oberstes Führungsgremium bezeichnet) dieses Unternehmens nicht an seinen Ansprüchen messen. Ist das der Grund, warum man in den AMS-Handbüchern und in der Werbung zertifizierter deutscher Unternehmen vom “Geist” des Standards OHSAS 18001 so wenig spürt? Wenn eine Zertifizierungsgesellschaft einem Unternehmen das durchgehen lässt, sollten sich die Arbeitnehmer vielleicht einmal an die Deutsche Akkreditierunsstelle wenden.
Siehe auch: http://www.bosch.com/de/com/sustainability/issues/corporate_leadership/managementsystems/managementsystems_1.html

AMS-Standards

Aktualisierung: 2014-08-18
Leider kann man sich im Gegensatz zu Gesetzen viele Standards zu Arbeitsschutzmanagementsystemen (AMS) nicht kostenlos im Internet ansehen. Auch darum kennen wohl nur wenige Arbeitnehmer die Pflichten jener Unternehmen, die sich nach OHSAS 18001 haben zertifizieren lassen.
Wenn eine Arbeitgeberin nach OHSAS 18001 zertifiziert wird, dann ergeben sich daraus in der Betriebspraxis Rechte und Pflichten sowohl für die Arbeitgeberin wie auch für die Arbeitnehmer. Insbesondere wenn Standards nicht wörtlich (sondern z.B. vom Arbeitgeber interpretiert) in Unternehmenshandbücher zum Arbeitsschutzmanagement übernommen werden, sollten sich Arbeitnehmervertretungen das Büchlein zu OHSAS 18002:2008 trotz des Preises leisten. Das kann auch helfen, wenn es noch kein Arbeitsschutzhandbuch gibt und es erst noch mitbestimmt gestaltet werden muss (z.B. mit dem Ziel einer Zertifizierung).
Neben den Standards für die Gestaltung von Arbeitschutzmanagementsystemen gibt es auch Standards und Normen für Audits. Solche Audits generieren wichtige Informationen für die Betriebsratsarbeit. Wenn Betriebsräte und Personalräte verstehen wollen, wie ein interner Auditor (1st-Party-Auditor) und ein Lieferantenauditor (2nd-Party-Auditor) arbeitet, dann hilft das Kapitel 4.5.5 in OHSAS 18002:2008 oder darüber hinaus gehend die DIN EN ISO 19011. Die zu beschaffen, kostet noch ein paar Euro. (Ich habe von einem Betrieb gehört, in dem Mitarbeiter nur gegen Unterschrift und Angabe von Gründen Einblick in die Norm nehmen dürfen.)
Die Norm für Zertifizierungsaudits ist ISO 17021 und für interne Audits (sowie Kundenaudts bzw. 3rd Party Audits) ISO 19011. Wichtig für die Betriebsratsarbeit: § 89 des Betriebsverfassungsgesetzes gibt Arbeitnehmervertretungen das Recht, sich an Besichtigungen im Betrieb zu beteiligen. Audits sind Besichtigungen. Dazu gehören auch Dokumente: der Zertifizierungsbericht, der Abweichungsbericht (soweit nicht im Zertifizierungsbericht enthalten) und in die Dokumente, die dem Auditor vorgelegt wurden. Das gilt nicht nur für die Dokumentation des Zertifizierungsaudits, sondern auch des internen Audits. Die Vertraulichkeit als eines von sechs Audit-Prinzipien der Audits setzt das Information- und Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmervertretung nicht außer Kraft, sondern verpflichtet auch die Arbeitnehmervertreter, aus Audits gewonnene Erkenntnisse nicht zum persönlichen – z.B. wirtschaftlichen – Vorteil oder zum Vorteil Dritter zu missbrauchen.
Lesetipps:

Kostenlos gibt es (2014-03-19):

Weitere Hinweise (2014-08-01):

2016 oder 2017?: