Die Zeit gehört uns

http://www.perlentaucher.de/buch/friedhelm-hengsbach/die-zeit-gehoert-uns.html

Friedhelm Hengsbach
Die Zeit gehört uns
Widerstand gegen das Regime der Beschleunigung

Klappentext
Quartalsberichte der Großbanken, verkürzte Lieferfristen, steigende Arbeitsintensität und ein atemloser Termindruck, der bereits Kinder und Jugendliche belastet, beschleunigen allgemein das Lebenstempo, lähmen jedoch auch schöpferische Initiativen. Der Autor spürt den Ursachen des imperialen Temporegimes nach. Er erkennt eine Ursachenkette, die von den entfesselten Finanzmärkten ausgeht, betriebliche Umbauten auslöst und in die alltägliche Lebenswelt eindringt. Doch wie lassen sich die Risiken einer rasenden Beschleunigung eingrenzen?
 
Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.12.2012 …
… Dass der Autor, Jesuit und Professor für christliche Sozialwissenschaft, nicht nur klare humane Maßstäbe an unsere Lebenswelt anlegt, sondern auch klug über Zeit (die wir nicht haben) philosophieren kann, erscheint dem Rezensenten schon erstaunlich. … Der Umbau unserer Turbokonsumgesellschaft zu einer kulturellen Dienstleistungsgesellschaft – dem Rezensenten erscheint er machbar!

Produktivistische Mobilmachung

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/interview/1997005/

Her mit dem guten Leben!
Soziologe Stefan Lessenich über eine Gesellschaft im Dauerstress
Moderation: Gabi Wuttke
Gut zu leben, besitze in der Gesellschaft kein Ansehen, sagt der Soziologe Stefan Lessenich mit Blick auf die Diskussion um Stress am Arbeitsplatz. In den letzten Jahren sei zu beobachten, dass Menschen “unter Druck gesetzt werden, aus sich alles herauszuholen”. Dies müsse sich ändern.

Lessenich: … Das Problem ist, glaube ich, dass gutes Leben bei uns kein, ja, keine gesellschaftliche Programmatik wäre, oder stellen Sie sich eine politische Partei vor, die als Werbeslogan hätte: “Gutes Leben für alle”. Das wäre, glaube ich, nicht zugkräftig in der Gesellschaft, weil wer sich ein gutes Leben machen möchte, gerät immer so ein bisschen in den Verdacht des gesellschaftsschädigenden Verhaltens, also er möchte einen lauen Lenz machen und möchte eben nicht zu dem gesellschaftlichen Nutzen beitragen. Und ich glaube, das gute Leben müsste in dieser Gesellschaft einen höheren Stellenwert bekommen.
Wuttke [dradio.de]: Inwiefern? Also Sie nennen das, um einen Fachterminus zu benutzen, produktivistische Mobilmachung, die da auf dem Weg ist.
Lessenich: Ja, ich glaube, wir erleben in den letzten Jahren, dass allerdings alle Altersgruppen, nicht nur die Älteren selbst, unter Druck gesetzt werden, aus sich alles herauszuholen, ihre Potenziale zu mobilisieren, heißt es heute, und das erleben wir ja über die gesamte Lebensspanne …

Suche: https://www.google.de/search?q=”produktivistische+Mobilmachung”
Gutes Leben: http://www.otium-bremen.de/

Gefahren der Beschleunigungsfalle

http://www.haufe.de/finance/steuern-finanzen/burnout-praevention-was-fuehrungskraefte-tun-koennen_190_115020.html

… Die Untersuchung des Instituts für Führung und Personalmanagement der Universität St. Gallen belegt allerdings auch, dass sich über die Hälfte der untersuchten Unternehmen (51 Prozent [von 94 mittelständischen Betrieben]) bereits als Gesamtorganisation in der Beschleunigungsfalle befinden. Durch stetig steigende Leistungsvorgaben an ihre (noch motivierten) Mitarbeiter, verdichtete Aufgaben, eine Vielzahl von neu lancierten Projekten, verkürzte Innovationszyklen sowie häufig wechselnde Managementlösungen versuchen die Betriebe, dem ständigen Wettbewerbsdruck standzuhalten – was auf Dauer nicht ohne Folgen bleibt. …

Nicht radikal böse, aber banal reicht auch schon

Die Bundesarbeitsministerin zeigt Verständnis für die “Unwissen und Hilflosigkeit” in der Wirtschaft.
 
Ursula von der Leyen: im Interview mit dem SPIEGEL (Februar 2012)
Thema: psychische Belastungen am Arbeitsplatz
in: SPIEGEL WISSEN, Patient Seele – Wie die Psyche wieder ins Gleichgewicht kommt,
(132 Seiten, Druckauflage: ca. 240000, Feb. 2012), Nr. 1/2012, S.49


Das Thema wird in der Wirtschaft noch nicht ernst genug genommen, nicht aus bösem Willen, sondern aus Unwissen und Hilflosigkeit.

Ursula von der Leyen in einem Inteview mit der Saabrücker Zeitung (http://www.bmas.de/DE/Service/Presse/Interviews/interview-vdl-saarbruecker-zeitung-2011_12_27.html, 2011-12-27):


Es gibt ein Thema, das bislang viel zu kurz gekommen ist: die psychischen Belastungen in der Arbeitswelt. Nach dem Arbeitsschutzgesetz muss, wer den Arbeitsschutz auch in seelischer Hinsicht vernachlässigt, mit empfindlichen Strafen bis hin zu Gefängnis oder Betriebsstilllegung rechnen. Wir brauchen also keine schärferen Gesetze. Studien zeigen, dass sieben von zehn Unternehmen das Thema schleifen lassen – meist aus Unwissenheit oder Hilflosigkeit. Deswegen müssen wir besser informieren, Lösungswege aufzeigen, kontrollieren und die Beteiligten motivieren.

In der FAZ kann man sogar nachlesen, dass die Ministerin das Wort “Arbeitsschutzgesetze” verwendet hat: http://fazjob.net/ratgeber_und_service/beruf_und_chance/fuehrungskraefte/?em_cnt=120637


Die Ministerin will dazu nicht die Gesetze verschärfen, vielmehr müssten Arbeitgeber die geltenden Arbeitsschutzgesetze besser einhalten: Sieben von zehn Unternehmen ließen das Thema “aus Unwissenheit oder Hilflosigkeit” schleifen, sagte von der Leyen.

Psychotherapeuten, Arbeitssoziologen und Gewerkschafter warnen schon seit Jahren vor den Gefahren einer sich verdichtenden und beschleunigenden Arbeitswelt.

Trotz solcher (und früherer) Angriffe auf ihre Unwissenheit konnten sich die Arbeitgeber erfolgreich gegen die Belästigung durch nicht zielführendes Wissen wehren und damit auch ihre Hilflosigkeit erhalten. Spätestens seit 2005 pflegte die Mehrheit der Arbeitgeber ihre Unwissenheit mit Absicht.
 
http://de.wikipedia.org/wiki/Hannah_Arendt zur Banalität des Bösen


In der Einleitung zur deutschen Ausgabe 1964 erläutert Arendt ihre Wortwahl: ,,[…] in dem Bericht kommt die mögliche Banalität des Bösen nur auf der Ebene des Tatsächlichen zur Sprache, als ein Phänomen, das zu übersehen unmöglich war. Eichmann war nicht […] Macbeth […]. Außer einer ganz ungewöhnlichen Beflissenheit, alles zu tun, was seinem Fortkommen dienlich sein konnte, hatte er überhaupt keine Motive.” Er sei nicht dumm gewesen, sondern ,,schier gedankenlos”.

1969 formulierte sie in einem Brief an Mary McCarthy: ,,[…] die Wendung »Banalität des Bösen« als solche steht im Gegensatz zu der vom »radikal Bösen« [Kant], die ich [A.] im Totalitarismus-Buch benutze.”

 
Bitte jetzt nicht mit Aufregung über einen Vergleich mit Eichmann vom Thema ablenken. Das Thema ist nicht Eichmann, sondern es geht um die Tatsache, dass das Böse aus Gedankelosigkeit sich in seiner Wirkung vom radikalen Bösen nicht notwendigerweise unterscheiden muss.
(Aktualisierung: 2012-03-20)

Bewusste Pflichtverletzung seit 2005

Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart.

Richard von Weizsäcker
 
http://blog.psybel.de/praeventive-arbeitsgestaltung-unter-nutzung-von-§§-90-91-betrvg/

Seit den 70er Jahren gibt es den gesetzlich verankerten gemeinsamen Auftrag für Arbeitgeber und Betriebsrat, arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit bei der Planung und Korrektur von Gestaltungsmaßnahmen zu berücksichtigen.

Uwe Dechmann, Sozialforschungsstelle Dortmund
Zu viele “Macher” vergessen gerne die Vergangenheit. Sie schauen lieber “nach vorne”, denn sie möchten zwar für ihre Verantwortung sehr gut entlohnt, aber für Pflichtverletzungen nicht verantwortlich gemacht werden. Sie verlangen göttliche Unantastbarkeit:

Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige! Denn sehe, ich will ein Neues schaffen.

Jesaja 43, 18 – 19

Who controls the past controls the future. Who controls the present controls the past.

George Orwell
Geschichte, unter die ein Schlussstrich gezogen werden soll, ist in der Regel eben besonders interessant. Geschichte wird ja nicht nur vergessen, sondern auch noch geklittert. Wir schauen schon deswegen in die Vergangenheit, weil beispielsweise unsere Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen heute versucht, die nachhaltige Missachtung der Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen mit “Unwissen und Hilflosigkeit” der Unternehmen zu entschuldigen. Das ist keine Enschuldigung, weil sich zeigen lässt, dass viele Unernehmer wussten was sie taten. Sie ließen das Thema bewusst schleifen und hatten mit ihrem wissentlich gepflegten Unwissen ihre Mitarbeiter die Krankheit getrieben. Dabei mussten politisch ausgebremste Aufsichtsbehörden untätig zuschauen. Unsere wirtschaftliche und politische Elite verletzte dabei nicht nur die Arbeitnehmer, sondern die Anarchie im Arbeitsschutz fügte auch dem Rechtsstaat Schaden zu.
Den ganzheitlichen Arbeitsschutz gibt es seit 1996. Aus den Vorschriften ergab sich damals schon eine Pflicht der Arbeitgeber, psychisch wirksame Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen. Seit dieser Zeit hatten nicht nur ein Großteil der Unternehmer, sondern auch Arbeitnehmervertretungen (Ausnahmen gab es, z.B. die Pionierarbeit des Betriebsrats der SICK AG) und Aufsichtspersonen ihre Lernkurve sehr flach gehalten.
Spätestens seit 2005 war den Arbeitgebern jedoch klar, was sie zu tun haben. Im Jahr 2004 gab es klärende Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts. Die BDA merkte nun, das es brenzlig wurde und veröffentlichte im Mai 2005 die Position der Arbeitgeber zur Bedeutung psychischer Belastungen bei der Arbeit. Zumindest bei größeren Unternehmen war das Thema also seit 2005 auf ihrem Radar. Aber selbst danach setzten sie nicht einmal das um, was im April 2000 in der eher arbeitgeberorientierten Zeitschrift für Arbeitswissenschaft Leistung und Lohn beschrieben wurde. Darum gehe ich davon aus, dass seit 2005 viele Arbeitgeber ihre Pflicht zum verhältnispräventionsorientierten Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz vorsätzlich missachteten. Mitverantwortlich ist hier aber auch eine Politik, die im naïven Vertrauen auf das Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen die Aufsichtsbehörden geschwächt hat.
Am Beispiel der BGFE (jetzt in der BG ETEM) kann man sehen, dass auch die Berufsgenossenschaften die von ihnen überwachten Unternehmen auf ihre Pflichten aufmerksam gemacht hatten (2006). Leider führt z.B. die BG ETEM bis heute keine ausreichend gründlichen Prüfungen durch.
In Betrieben mit Bildschirmarbeit kann seit 1996 oft von einer vorsätzlichen Missachtung der Bildschirmarbeitsverordung ausgegangen werden, wenn psychische Belastungen nicht beurteilt wurden. Wurde eine Erfüllung der Bildschirmarbeitverordnung dokumentiert obwohl psychische Belastungen nicht beurteilt wurden, dann ist das eine unwahre Angabe in der Dokumentation des Arbeitsschutzes.
Im Jahr 2010 stellte die BAuA (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) fest, dass die große Mehrheit der Arbeitgeber das Thema “Psychische Belastungen” als Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung ohne die Impulsgebung durch Gewerkschaften, Betriebsräte bzw. Arbeitsschutzbehörden (vereinzelt) nicht aufgreife. Erst Ende 2011 erkannte die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen auch öffentlich, “dass sieben von zehn Unternehmen das Thema [Arbeitsschutzbestimmungen auch mit Blick auf seelische Belastungen] schleifen lassen – meist aus Unwissenheit oder Hilflosigkeit”. Was “schleifen lassen” anbetrifft, hat sie sich noch recht freundlich ausgedrückt; aber mit “Unwissenheit oder Hilflosigkeit” liegt sie ziemlich daneben, wie der Blick auf die Vergangenheit zeigt.
Meine Kritik richtet sich nicht so sehr gegen die Fachkräfte für Arbeitsschutz in den Betrieben oder gegen Aufsichtspersonen, die diese Betriebe (gelegentlich) besuchen. Das sind oft gutmütige Techniker und Chemiker, die psychische Belastungen überhaupt nicht im Blickfeld hatten. Hier gab es nicht durch Absicht, sondern durch Überforderung bedingte Unwissenheit und Hilflosigkeit. Verantwortlich sind viel mehr die oberen Führungskräfte in den Betriebs- und Behördenleitungen, die trotz Kenntnis ihrer Verpflichtungen diese Unwissenheit und Hilflosigkeit aufrecht erhielten. Die Thematisierung von Arbeitsbelastung wurde geradezu angestrengt vermieden.
Es gibt viele Gründe, die Geschichte der “Unwissenheit oder Hilflosigkeit” (Ursula von der Leyen, Dez. 2011) beim Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz nicht in Vergessenheit geraten zu lassen:

  • Wir können aus Fehlern lernen.
  • Spätestens seit 2005 sparte sich die Mehrheit der Unternehmen die Kosten für den vorgeschriebenen Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz. Dank der dadurch erzielten Einsparungen können Unternehmen sich nun mit überdurchschnittlichen Budgets für einen hochwertigen Arbeitsschutz begeistern, und damit die erforderliche Nacharbeit beschleunigen – ohne jedoch deren Qualität zu mindern.
  • Wenn sich ein Unternehmen dazu entschließt, psychische Belastungen verspätet in den Arbeitsschutz einzubeziehen, können trotzdem die Risiken nicht vergessen werden, denen die Mitarbeiter durch die Pflichtverletzung des Unternehmens zuvor ausgesetzt waren. Zwischen psychischer Verletzung und psychischer Erkrankung können viele Jahre liegen. Eine vollständige Gefährdungsbeurteilung löst noch keine Probleme, sondern sie ist der erste Schritt zu Problemlösungen.
  • Die Gründe für die Missachtung der Regeln des Arbeitsschutzes durch Arbeitgeber müssen verstanden werden. Sind die Regeln nicht umsetzbar und/oder fehlt der Mehrheit der Arbeitgeber der Respekt gegenüber Schutzgesetzten?
  • Außerdem könnte ein Verständnis der Geschichte der mangelhaften Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes helfen, die Bedeutung von Arbeitnehmervertretungen besser zu verstehen und das (europäische) Entbürokratisierungskonzept zu überdenken, auf dem dieses Gesetz basiert.

Für Betriebe mit kompetenten und durchsetzungsfähigen Arbeitnehmervertretern ist der Gestaltungsspielraum, den ein Rahmengesetz für betriebsnahe Lösungen gibt, eine feine Sache. Dieser Gestaltungsspielraum begründet den an die Arbeitgeber gerichteten Gestaltungsimperativ und die starke Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Aber was geschieht in den vielen Unternehmen mit überforderten (und gelegentlich sogar gemobbten) Arbeitnehmervertretungen?
Wie wichtig Betriebsräte im Arbeitsschutz sind, sieht man an einem schönen Beispiel: Belastungen als Thema des Arbeitsschutzes führten kürzlich zur Gründung des ersten Betriebsrats bei Apple in München. Auch das ist ein interessantes Ereignis in der Geschichte des deutschen Arbeitsschutzes.
Siehe auch: http://blog.psybel.de/motivierendevorschriften/

Psychische Belastungen und Gestaltungsperspektiven bei Wissens- und Dienstleistungsarbeit

http://www.petrabock.de/documents/BAUA_Flyer_FB3_Zeitdruck_Web.pdf

Fachtagung der BAuA
am 15. September 2011 in Berlin
Immer schneller, immer mehr – Psychische Belastungen und Gestaltungsperspektiven bei Wissens- und Dienstleistungsarbeit
Zielsetzung:
In der Veranstaltung werden neue Erkenntnisse und Forschungsfragen zum Wandel der Arbeit, zu Arbeitsbelastungen und Interventionsmöglichkeiten im Dienstleistungsbereich vorgestellt und diskutiert. Forschungsstand und Forschungsbedarf zur Thematik sollen in einem interdisziplinären Dialog zwischen Industriesoziologie und Arbeits- und Organisationspsychologie reflektiert werden. Auch der Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis wird thematisiert.
Zeitpunkt:
15. September 2011
11:00 bis 17:00 Uhr
Anmeldeschluss:
1. September 2011
Ort:
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)
Standort Berlin, Vortragssaal A 400
 
11:00 Begrüßung / Einführung Isabel Rothe, Präsidentin der BAuA
11:15 Psychische Belastungen im Spiegel repräsentativer Befragungen
Dr. Martina Morschhäuser, BAuA
11:30 Wandel der Arbeitswelt – Wandel der Belastungen
Prof. Eberhard Ulich, Institut für Arbeitsforschung und Organisationsberatung, Zürich
12:00 Neue Steuerungsformen bei Dienstleistungsarbeit –
Folgen für Arbeit und Gesundheit. Ergebnisse des Projektes „PARGEMA“ Dr. Nick Kratzer, Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung, München
12:30 Zeit- und Arbeitsdruck und deren Folgen in der Wahrnehmung supervisorischer Experten
Prof. Günter Voß, Institut für Soziologie an der Technischen Universität Chemnitz
13:00 Pause
13:45 Psychische Belastungen durch illegitime Tätigkeiten
Prof. Norbert Semmer, Institut für Psychologie an der Universität Bern (angefragt)
14:15 Beschleunigung in der Arbeitswelt – Darstellung eines Forschungsprojektes
Prof. Christian Korunka, Fakultät für Psychologie an der Universität Wien
14:45 Pause
15:00 Zeit- und Leistungsdruck bei Führungskräften – Herausforderungen und Handlungsfelder aus der Coaching-Perspektive Dr. Petra Bock, Managementberaterin und Coach, Dr. Bock Coaching Akademie, Berlin
15:30 Psychische Belastungen in der IT-Projektarbeit – Betriebliche Ansatzpunkte der Gestaltung und ihre Grenzen
Dr. Anja Gerlmaier, Dr. Erich Latniak, Institut Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen
16:00 Vorstellung des BAuA-Projektes „Zeit- und Leistungsdruck bei Wissens- und Dienstleistungsarbeit – Entstehungszusammenhänge und Gestaltungsorientierung
Dr. Gisa Junghanns, Dr. Jörn Hurtienne, Ulrike Stilijanow, BAuA
16:45 Resümee und Ausblick Dr. Gisa Junghanns, BAuA
17:00 Ende der Veranstaltung

Umgang mit psychischen Belastungen und Fehlbeanspruchungen

http://www.boeckler.de/pdf/mbf_bvd_psychische_belastungen.pdf:

Geißler, Heinrich
Umgang mit psychischen Belastungen und Fehlbeanspruchungen
Reihe: Betriebs- und Dienstvereinbarungen / Kurzauswertungen.

Düssedorf, 2011
ISSN: 1869-3032
31 Seiten

In den vergangenen Jahren haben psychische Belastungen am Arbeitsplatz stark zugenommen. Dabei sind Zeitdruck, schlechtes Führungsverhalten und Angst vor Arbeitslosigkeit maßgebliche Faktoren, die zu psychischen Fehlbelastungen führen. Die Zahl der Krankheitstage aufgrund psychischer Störungen steigt.
Von einer psychischen Fehlbelastung spricht man dann, wenn die Psyche über- oder unterfordert wird und sich die Beanspruchung negativ auswirkt. Eine positive Beanspruchung hingegen wirkt motivierend, anregend und wird als abwechslungsreich empfunden. Ressourcen können dann genutzt werden. In Unternehmen und Verwaltungen ist psychische Fehlbelastung weitgehend kein Thema mit dem man sich offensiv beschäftigt. Das legen auch die wenigen betrieblichen Vereinbarungen nahe, die uns hierzu vorliegen. Umso interessanter ist es, was die vorhandenen betrieblichen Vereinbarungen aufzeigen.
Für die Analyse wurden 15 betriebliche Vereinbarungen der Jahre 1998 bis 2010 ausgewertet. Es wird gezeigt, welche Regelungstrends zur Gestaltung des Themas Psychische Fehlbelastungen bestehen und wie die betrieblichen Akteure vorgehen.

Der Titel wurde hier etwas unglücklich gewählt: Besseren Bezug zum Inhalt hätte aus meiner Sicht der Titel Umgang mit psychischen Fehlbelastungen und Fehlbeanspruchungen.
Zusammenfassung (S. 5 der Kurzanalyse)

Aufgrund langfristiger Veränderungen in der Arbeitswelt – Auswirkungen der Globalisierung wie u. a. verdichtete und beschleunigte Abläufe, verschwimmende Grenzen von Arbeits- und Privatleben oder auch die Auswirkungen der Wirtschaftskrise 2008 – haben psychische Belastungen zugenommen. Dies drückt sich sowohl in wachsenden Krankenständen aus als auch in Frühverrentungen aufgrund psychischer Erkrankungen. Deshalb haben Betriebs- und Personalräte Regelungen zur Förderung der psychischen Gesundheit bzw. zur Verhinderung von psychischen Fehlbeanspruchungen durchgesetzt.
Im Rahmen dieser Kurzauswertung wurden 15 Vereinbarungen ausgewertet, die psychische Belastungen und Fehlbeanspruchungen unter folgenden Aspekten beleuchten:

  • Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen und Fehlbeanspruchungen nach dem Arbeitsschutzgesetz,
  • das gesetzlich vorgeschriebene betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) mit direktem oder indirektem Bezug zu psychischen Erkrankungen,
  • arbeitsbedingte oder private Belastungssituationen bzw. konkrete Belastungen oder deren Folgen wie posttraumatische Belastungsstörungen, Mobbing oder andere Formen von Diskriminierung.

Die 15 ausgewerteten Vereinbarungen beinhalten vielfältige Ansatzpunkte, Vorgehensweisen, Modelle und Instrumente, um psychische Belastungen und Fehlbeanspruchungen zu erfassen und – durch entsprechende Maßnahmen, deren Bewertung und Kontrolle – zu verringern oder im Optimalfall zu beseitigen. Damit dies möglichst rasch gelingt, eignet es sich insbesondere, Grenzwerte festzulegen (vgl. Kap. 2.5 und 6), deren Überschreitung zwingend zu Maßnahmen führt. Um diese Maßnahmen wiederum möglichst schnell festzulegen, kann im Rahmen von Einigungsstellen zu psychischen Belastungen und Fehlbeanspruchungen ein Zwischenbeschluss gefasst werden (vgl. Kapitel 6). Durch ihn wird die Einigungsstelle fortgesetzt, falls sich die Betriebsparteien nicht auf Maßnahmen gegen die psychischen Fehlbeanspruchungen einigen.

Psychosoziale Kosten turbulenter Veränderungen


erschöpfende Belastung

Psychosoziale Kosten turbulenter Veränderungen
(2008)
Quelle der folgenden Einführung: Tom Levold, systemmagazin.de, 2009-05-20

Eine Arbeitsgruppe um Rolf Haubl vom Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt und Günter Voß von der TU Chemnitz hat im Auftrag der DGSv ausgewählte SupervisorInnen nach ihren Einschätzungen gegenwärtigen Veränderungen von Arbeitsbedingungen in Organisation befragt. SupervisorInnen werden als “kritische Zeitzeugen” angesehen, die einen berufsspezifischen privilegierten Zugang zu den “Hinterbühnen” von Organisationen haben und daher besser als viele Außenstehende organisationale Wirklichkeiten beurteilen können. Die 8-seitige Dokumentation dieser Befragung ist für 5,- € bei der kassel university press erhältlich, kann aber auch im Internet kostenlos als PDF geladen werden.
Das Fazit der Befragung: »Die befragten Supervisor/innen sind sich darin einig, dass sich zunehmend mehr Beschäftigte einer beschleunigten Dynamisierung und Ausdünnung von Orientierung gebenden Strukturen ausgesetzt erleben. Was den Beschäftigten als “Freiheit” versprochen wird, erweist sich bei genauerem Hinsehen als höchst ambivalente Selbstverantwortlichkeit.
Bei allen Unterschieden im Einzelnen entwerfen die Supervisor/innen doch ein bemerkenswert ähnliches Bild einer tief greifenden Krise: Sie stellen vor allem heraus, dass der Druck sachlich, vor allem aber ökonomisch ununterbrochen hoch effizient sein zu müssen, weithin erheblich zunimmt und die psychophysischen Kräfte vieler Beschäftigter verschleißt. Insbesondere ist es die Anforderung, kontinuierlich innovativ sein zu müssen, die schnell überfordert.
Unter diesen Bedingungen entstehen nur selten nachhaltige Problemlösungen. Oft sind im Gegenteil die Qualität und Professionalität der Arbeit gefährdet, was sich nicht wenige Beschäftigte als eigenes Versagen zuschreiben. Auffällig ist, dass angesichts des ständigen Wandels ein drängender Bedarf nach verantwortlicher und unterstützender Führung besteht, betriebliche Vorgesetzte sich dem aber oft nicht gewachsen zeigen. Sie verstehen sich primär als hart drängende Change-Agents, die den auf sie einwirkenden ökonomischen Druck nach unten weitergeben und ihre Mitarbeiter/innen mit den Folgen weitgehend allein lassen.
Dass unter all dem Kollegialität leidet und die Einzelnen in ganz neuer Quantität und Qualität ihre Arbeit als erschöpfende Belastung erleben, wundert daher nicht. Die Beschäftigten stehen vor der Aufgabe, aktiv Selbstfürsorge zu betreiben, womit aber nicht wenige von ihnen überfordert zu sein scheinen. Nicht zuletzt ist es das Verhältnis von Berufstätigkeit und Privatsphäre, das in Mitleidenschaft gezogen wird. Die modische Rede von der Work-Life-Balance zeigt das Problem zwar an, trägt aber kaum etwas zu seiner Lösung bei.

Inhalt:

Ziel und Hintergrund der Befragung
Methodische Anmerkungen
Ergebnisse
  Effizienz
  Innovation und Veränderung
  Qualität
  Professionalität
  Führung
  Kollegialität
  Belastung
  Selbstfürsorge
Fazit
Ausblick

 
Siehe auch: