Produktivistische Mobilmachung

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/interview/1997005/

Her mit dem guten Leben!
Soziologe Stefan Lessenich über eine Gesellschaft im Dauerstress
Moderation: Gabi Wuttke
Gut zu leben, besitze in der Gesellschaft kein Ansehen, sagt der Soziologe Stefan Lessenich mit Blick auf die Diskussion um Stress am Arbeitsplatz. In den letzten Jahren sei zu beobachten, dass Menschen “unter Druck gesetzt werden, aus sich alles herauszuholen”. Dies müsse sich ändern.

Lessenich: … Das Problem ist, glaube ich, dass gutes Leben bei uns kein, ja, keine gesellschaftliche Programmatik wäre, oder stellen Sie sich eine politische Partei vor, die als Werbeslogan hätte: “Gutes Leben für alle”. Das wäre, glaube ich, nicht zugkräftig in der Gesellschaft, weil wer sich ein gutes Leben machen möchte, gerät immer so ein bisschen in den Verdacht des gesellschaftsschädigenden Verhaltens, also er möchte einen lauen Lenz machen und möchte eben nicht zu dem gesellschaftlichen Nutzen beitragen. Und ich glaube, das gute Leben müsste in dieser Gesellschaft einen höheren Stellenwert bekommen.
Wuttke [dradio.de]: Inwiefern? Also Sie nennen das, um einen Fachterminus zu benutzen, produktivistische Mobilmachung, die da auf dem Weg ist.
Lessenich: Ja, ich glaube, wir erleben in den letzten Jahren, dass allerdings alle Altersgruppen, nicht nur die Älteren selbst, unter Druck gesetzt werden, aus sich alles herauszuholen, ihre Potenziale zu mobilisieren, heißt es heute, und das erleben wir ja über die gesamte Lebensspanne …

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Gutes Leben: http://www.otium-bremen.de/

Individualisierung geht am eigentlichen Problem vorbei

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/1874215/ (2012-09-23)

… Ob Fernseh-Dokumentationen und -Diskussionsrunden wie hier auf den Sendern Arte und Phoenix, Entspannungsvideos etwa der Firma Sync-Souls oder auch eine unüberschaubare Menge an Ratgeberliteratur – das Thema “Burnout” ist ein Dauerbrenner. Allerdings kritisiert der Münchner Arbeitssoziologe Nick Kratzer, dass Lösungsstrategien für seelische Erschöpfungszustände oft am eigentlichen Problem vorbeigingen.
“Das merkt man immer dann, wenn die Vorschläge individualisiert sind, wenn man sagt, dann sollen halt Beschäftigte mal “Nein” sagen. Der Witz dabei ist, wenn es diese Dilemma-Situation gibt, dann können die Beschäftigten zwar “Nein” sagen und damit vielleicht etwas für ihre Gesundheit oder ihr Sozialleben tun, haben aber im Beruf Probleme. Und andersrum: wenn sie versuchen, die ständig steigenden Anforderungen zu bewältigen, also nicht “Nein” sagen, kriegen sie daheim Probleme.” …

Gefälligkeitsberichterstattung der Deutschen Welle für Unilever

http://www.youtube.com/watch?v=pcTgDnQFuR4

Unkritischer und rechercheschwacher Journalismus vom Feinsten: Unilever (Betriebsarzt: Olaf Tscharnetzki, Kommunikationsdirektor: Merlin Koene) und das Fürstenberg Institut haben es hier wieder fertiggebracht, das Thema “Gesundheitsmanagement” als rein verhaltensorientiert (also nicht verhältnisorientiert) bei der Deutschen Welle zu platzieren. Unilever hat anscheinend nichts darüber zu berichten, wie das Unternehmen seiner Fürsorgepflicht in der vorgeschriebenen Weise verhältnispräventiv gerecht wird. Davon hat die Deutsche Welle wohl auch keine Ahnung. Gute Journalisten hätten nachgehakt.