Fallbeispiel: Fehlbelastung eines Betriebsratsmitgliedes

Erna Hartnack ist eine von 23 nicht-freigestellten Mitgliedern im Betriebsrat der Soap&Hope AG. Etwa 45% ihrer Arbeitszeit verwendet sie für Betriebsratsarbeit. In ihrer Fachabteilung arbeitet die Ingenieurin als Entwickerin für Schlöpschürbel. Dafür bleiben 55% ihrer Arbeitszeit. Leider gehen aber 100% ihrer Arbeitszeit auf die Kostenstelle für die Schlöpschürbel-Entwicklung. Die Kostenstelle wird also mit Betriebsratsarbeit belastet, mit der andere Abteilungen nicht belastet werden. Durch Ernas Betriebsratsarbeit leidet daher die dargestellte Effizienz ihrer Abteilung. Der Leistungsdruck im Team von Erna steigt.
Diese Situation ist nirgendwo offiziell dokumentiert. Erna hat noch zwei Kollegen im Team, die darum Teile der Schlöpschürbel-Entwicklung übernehmen müssen. Die Belastung des Teams, dem etwa ein Sechstel seiner offiziell budgetierten Personalkapazität fehlt, ist also höher, als die offiziell dokumentierten Belastung. Daraus ergibt sich bereits ein Anlass, das Risiko einer Gefährdung beurteilen zu müssen.
Außerdem steht Erna selbst unter Druck, weil sie ihren Kollegen nicht schaden will. Sie leidet unter dem nicht notwendigen Konflikt.
Eine weitere Benachteiligung Ernas zeigte sich, als sie sich betriebsintern auf eine Stelle als Konzept-Ingenieurin für Bandsnatsche bewerben wollte. Ihr potentiell neuer Vorgesetzter hätte sie gerne eingestellt, aber inoffiziell nur unter der Bedingung, dass Erna ihm verspricht, ihre Betriebsratsarbeit auf 20% zu reduzieren. Sonst würde sie einfach zu teuer für die Abteilung.
Einige der anderen nicht-freigestellten Betriebsratsmitglieder haben ähnliche Probleme. Auch der Schwerbehindertenvertreter ist von diesem Problem betroffen.
Was soll Erna machen? Was soll der Betriebsrat machen? Wie lösen Sie das Problem der Kontierung der Betriebsratsarbeitszeiten von nicht-freigestellten BR-Mitgliedern in Ihrem Betrieb?
 


Unternehmer klagen oft, dass sie für psychische Belastungen verantwortlich gemacht würden, die außerhalb ihres Einflussbereiches lägen. Auch seien sie nicht verantwortlich für die individuellen “psychischen Probleme” von Arbeitnehmern. Selbst Arbeitnehmer fangen in der Regel mit Hinweisen auf “persönliche Schwächen” und “individuelle Unterschiede” an, wenn ” psychische Belastungen” zur Sprache kommen. Der hier vorgestellte Fall ist nun aber ein Beispiel für eine eindeutig von den Arbeitsbedingungen ausgehende psychische Fehlbelastung. Das Beispiel macht auch deutlich, warum im Arbeitsschutz die Beurteilung von Arbeitsplätzen sinnvoller ist, als die Beurteilung der individuellen Psyche einzelner Mitarbeiter. (Die Namen im Beispiel sind frei erfunden. Das Beispiel beschreibt in anonymisierter Weise einen konkreten Fall in einem Unternehmen, das in einem deutschsprachigen Land in Europa angesiedelt ist.)

Antrag der SPD und der Grünen in Bremen

http://www.gruene-fraktion-bremen.de/cms/default/dokbin/353/353353.antrag_psychische_belastung_muss_schwerp.pdf

BREMISCHE BÜRGERSCHAFT
Landtag
17. Wahlperiode
Drucksache 17 / 1422
10. 09. 10
Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen
Psychische Belastung muss Schwerpunkt des Arbeitsschutzes werden
In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der psychisch bedingten Krankschreibungen in Deutschland um fast 40 % erhöht, während der Krankenstand mit 3,3 % heute nicht über dem des Jahres 2000 liegt. Nach Angaben der Techniker Krankenkasse (TK) waren 1,6 der durchschnittlich gut zwölf Tagen, die jede/r Arbeitnehmer/-in 2009 krank geschrieben war, psychisch bedingt. Nicht selten bewirken psychische Erkrankungen lange Fehlzeiten im Betrieb. Dennoch werden die Effekte psychischer Belastungen auf körperliche und seelische Gesundheit nach wie vor unterschätzt.
Die von Bund, Ländern und Unfallversicherern getragene Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) berücksichtigt psychische Fehlbelastungen in der Arbeitsperiode 2008 bis 2012 als Querschnittsthema. Einzelschwerpunkte des von der GDA geförderten betrieblichen Gesundheitsschutzes sind derzeit die Vermeidung und Verringerung von Arbeitsunfällen, Muskel-Skelett-Belastungsstörungen und Hauterkrankungen. Vor diesem Hintergrund möge die Bürgerschaft (Landtag) beschließen:

  1. Der Senat wird gebeten, psychischen Fehlbelastungen am Arbeitsplatz im staatlich verantworteten Arbeitsschutz des Landes Bremen angemessen zu berücksichtigen und das Bewusstsein für diese Problematik bei Arbeitgebern/-innen und Arbeitnehmern/-innen aktiv zu fördern.
  2. Die Bürgerschaft (Landtag) bittet den Senat, sich der wachsenden Bedeutung psychischer Erkrankungen im Arbeitsleben entsprechend dafür einzusetzen, dass psychische Belastungsstörungen und Maßnahmen zu ihrer Vermeidung bzw. Verminderung als eigenständiger Arbeitsschwerpunkt in der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) verankert werden.

Helga Ziegert, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD
Silvia Schön, Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

So richtig begriffen haben diese Politiker das Thema nicht. Mit so allgemein gehaltenen Anträgen wird es hier keinen Fortschritt geben. Konkret erforderlich ist, die Stärkung der Gewerbeaufsicht voranzutreiben. Die GDA bringt diese Stärkung nicht.
Siehe auch: http://www.taz.de/1/nord/bremen/artikel/1/stress-bis-in-die-fuehrungsetagen/

Warum ich so lästig bin

Weil ich auf den Ratschlag eines weisen Alten aus dem Volke nicht höre:

Wir anderen, die wir von der Gesellschaft abhängen, müssen uns nach ihr bilden und richten, ja dürfen eher etwas tun, das ihr zuwider ist, als was ihr lästig wäre; und lästiger ist ihr in der Welt nichts, als wenn man sie zum Nachdenken und zu Betrachtungen auffordert.

J. W. Goethe, Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten, 1795

GUV-Information der Unfallkassen

Aktualisierung 2013
Nicht mehr aktuell:
Bundesverband der Unfallkassen (München), 2004 und 2005: GUV-Information der Unfallkassen, Regelwerk:

  • GUV-I 8766: Psychische Belastungen – Checklisten für den Einstieg (2004)
  • GUV-I 8628: Psychische Belastungen am Arbeits- und Ausbildungsplatz – ein Handbuch. Phänomene, Ursachen, Prävention. Bundesverband der Unfallkassen (2005)

Psychokardiologie

http://www.youtube.com/watch?v=C8T7H1dPWJ8
Psychokardiologie – wie Stress Herz und Seele krank macht – Teil 1 von 2

 
http://www.youtube.com/watch?v=7actw_GUBh8
Psychokardiologie – wie Stress Herz und Seele krank macht – Teil 2 von 2

 
http://www.youtube.com/watch?v=bKk81SXOT3E
Psychosomatik: Herzbeschwerden bei organisch gesundem Herz

Grüne: Mehr Bewegung in die Prävention

http://www.gruene-bundestag.de/cms/beschluesse/dokbin/355/355046.beschluss_praevention.pdf

… Zudem muss die psychische Belastung am Arbeitsplatz mehr in den Fokus betrieblicher Gesundheitsförderung gestellt werden. 
Steigender Druck in der Arbeitswelt, Verdichtung der Arbeit und mentale Belastung am Arbeitsplatz führen dazu, dass viele Beschäftigte nicht mehr mithalten können und mit seelischen Belastungserscheinungen, langen Fehlzeiten, Burnout und im Extremfall mit Erwerbsunfähigkeit reagieren.
Psychisch bedingte Krankschreibungen haben in den letzten zehn Jahren um 40 Prozent zugenommen. Die häufigsten Diagnosen sind depressive Erkrankungen oder Belastungsstörungen. Die Zunahme von atypischer und prekärer Beschäftigung, die höhere Arbeitsintensität und die „Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit“ durch moderne Kommunikationsmittel, die immer seltener einen selbstbestimmten Arbeitsrhythmus zulassen, gehen an den Menschen nicht spurlos vorbei. Dies zeigt sich vor allem im Dienstleistungssektor, im Gesundheits- und Sozialwesen, in Erziehung und Unterricht, sowie in der Leiharbeitsbranche. Studien belegen den Einfluss der Arbeitsbedingungen auf die Entstehung psychischer Erkrankungen.
Arbeitgeber müssen dafür sorgen, dass ihre Beschäftigten noch mithalten können und Arbeit nicht krank macht. Der Arbeitsschutz in allen Betrieben muss deshalb mehr als heute den Schutz vor Stress und psychischer Überlastung sicherstellen.
Die betriebliche Gesundheitsförderung muss Unternehmen dabei helfen, Maßnahmen zur Stressreduktion und Angebote zur individuellen Stressbewältigung in den Betrieben zu verankern. …

Unter “Prävention und Gesundheitsförderung konsequent weiterentwickeln” beschreiben die Grünen in ihrem Beschluss, wie sie kurzfristig § 20 SGB V weiterentwickeln wollen. Der Anteil der Verhältnisprävention soll auf 50 Prozent der Ausgaben erhöht werden.

Laienpsychologie

Wie urteilen wir (z.B. Mitarbeiter, Führungskräfte, Betriebsratsmitglieder, Betriebsleitung usw.) bei psychologischen Fragestellungen als Laien? Mehr dazu in einem Auszug aus Günter Bierbrauers Buch Sozialpsychologie, 2005, S. 51.
Daraus resultieren Fragen, die untrainierte „Gefährdungsbeurteiler“ sich selbst stellen sollten.