Missbrauch des Datenschutzes

Es gibt noch einen Grund, der Arbeitgeber motivieren könnte, anstelle des im Arbeitsschutzgesetz geforderten verhältnispräventiven Vorgehens ein verhaltensorientiertes Vorgehen zu bevorzugen: Bei der nur auf den ersten Blick fürsorglich aussehenden verhaltenspräventiven Zuwendung zu einzelnen Mitarbeitern kann eine Dokumentation persönlicher Daten entstehen, also auch individueller medizinischer Daten. Das können Arbeitgeber dazu missbrauchen, die Transparenz von Gefährdungsbeurteilungen und Vorfallsuntersuchungen einzuschränken. Damit kann dann auch die Arbeit von Betriebstäten bzw. Personalräten erschwert werden.
Der sicherste Datenschutz ist die Vermeidung sensibler Daten.

Unabdingbare Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmervertretung im Arbeitsschutz

Das Arbeitsschutzgesetz ist ein Rahmengesetz. Was im Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht bereits gesetzlich geregelt ist und wo betriebsspezifische Ausgestaltungen von Rahmenvorschriften erfolgen, hat vom Betriebsrat mitbestimmt zu werden. Auf die Erfüllung dieser Pflicht darf auch die Arbeitnehmervertretung nicht verzichten.
Aus einem Beschluss des BAG vom 8.11.2011 (1 ABR 42/10):

[…] Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. […]

Wenn standortübergreifende Regelungen in die Betriebe hineingreifen und somit die Wirkung betrieblicher Regelungen haben, dann sind z.B. mindestens die Gesamtbetriebsräte mitbestimmungspflichtig. Sie können von den lokalen Betriebsräten entspechend beauftragt werden. Betriebsräte bei der Mitzbestimmung zu behindern, ist strafbar.
 
Die Grundlage dieses BAG-Beschlusses ist das Betriebsverfassungsgesetz. Nicht nur Arbeitgeber könnten gegen dieses Gesetz verstoßen, sondern es kann auch Arbeitnehmervertretungen geben, die ihrer Mitbestimmungspflicht nicht gerecht werden. Es gibt Zertifizierer, die an der Überprüfung der Einhaltung der folgenden Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes und an der Zusammenarbeit zwischen der Betriebsleitung und der Arbeitnehmervertretung (siehe z.B. OHSAS 18001:2007, Absatz 4.4.3.2) nicht sonderlich interessiert sind.
 

§ 80 BetrVG, Allgemeine Aufgaben
(1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:
1. darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;
2. Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen;
[…]
9. Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern.
(2) Zur Durchführung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz ist der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten; die Unterrichtung erstreckt sich auch auf die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen. Dem Betriebsrat sind auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist, hat der Arbeitgeber ihm sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen; er hat hierbei die Vorschläge des Betriebsrats zu berücksichtigen, soweit betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen.
(3) Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.
(4) Für die Geheimhaltungspflicht der Auskunftspersonen und der Sachverständigen gilt § 79 entsprechend.

 

§ 81 Betrvg, Unterrichtungs- und Erörterungspflicht des Arbeitgebers
(1) Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über dessen Aufgabe und Verantwortung sowie über die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs zu unterrichten. Er hat den Arbeitnehmer vor Beginn der Beschäftigung über die Unfall- und Gesundheitsgefahren, denen dieser bei der Beschäftigung ausgesetzt ist, sowie über die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren und die nach § 10 Abs. 2 des Arbeitsschutzgesetzes getroffenen Maßnahmen zu belehren.
(2) Über Veränderungen in seinem Arbeitsbereich ist der Arbeitnehmer rechtzeitig zu unterrichten. Absatz 1 gilt entsprechend.
(3) In Betrieben, in denen kein Betriebsrat besteht, hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmer zu allen Maßnahmen zu hören, die Auswirkungen auf Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer haben können.
(4) Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über die aufgrund einer Planung von technischen Anlagen, von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen oder der Arbeitsplätze vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf seinen Arbeitsplatz, die Arbeitsumgebung sowie auf Inhalt und Art seiner Tätigkeit zu unterrichten. Sobald feststeht, dass sich die Tätigkeit des Arbeitnehmers ändern wird und seine beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung seiner Aufgaben nicht ausreichen, hat der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer zu erörtern, wie dessen berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten den künftigen Anforderungen angepasst werden können. Der Arbeitnehmer kann bei der Erörterung ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen.

 

§ 87 Mitbestimmungsrechte
(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
[…]
1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
[…]
7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8. Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
[…]

 

§ 89 Arbeits- und betrieblicher Umweltschutz
(1) Der Betriebsrat hat sich dafür einzusetzen, dass die Vorschriften über den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb sowie über den betrieblichen Umweltschutz durchgeführt werden. Er hat bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen.
(2) Der Arbeitgeber und die in Absatz 1 Satz 2 genannten Stellen sind verpflichtet, den Betriebsrat oder die von ihm bestimmten Mitglieder des Betriebsrats bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen und Fragen und bei Unfalluntersuchungen hinzuzuziehen.
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat auch bei allen im Zusammenhang mit dem betrieblichen Umweltschutz stehenden Besichtigungen und Fragen hinzuzuziehen und ihm unverzüglich die den Arbeitsschutz, die Unfallverhütung und den betrieblichen Umweltschutz betreffenden Auflagen und Anordnungen der zuständigen Stellen mitzuteilen.
(3) Als betrieblicher Umweltschutz im Sinne dieses Gesetzes sind alle personellen und organisatorischen Maßnahmen sowie alle die betrieblichen Bauten, Räume, technische Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitsplätze betreffenden Maßnahmen zu verstehen, die dem Umweltschutz dienen.
(4) An Besprechungen des Arbeitgebers mit den Sicherheitsbeauftragten im Rahmen des § 22 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch nehmen vom Betriebsrat beauftragte Betriebsratsmitglieder teil.
(5) Der Betriebsrat erhält vom Arbeitgeber die Niederschriften über Untersuchungen, Besichtigungen und Besprechungen, zu denen er nach den Absätzen 2 und 4 hinzuzuziehen ist.
(6) Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Durchschrift der nach § 193 Abs. 5 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch vom Betriebsrat zu unterschreibenden Unfallanzeige auszuhändigen.

 
Links:

Zertifizierer wehrt sich gegen Betriebsratsthemen

In Facebook hatte ein bei der Deutschen Akkreditierungsstelle akkreditierter Zertifizierer im letzten Jahr einen Lehrgang “Auditor für Arbeitsschutzmanagementsysteme nach BS OHSAS 18001:2007” angeboten. Ich stellte ihm in einem Kommentar zu seiner Seminar-Ankündigung in Facebook die kurze Frage: “Wurde in dem Seminar die Mitwirkung von Betriebsräten an Audits thematisiert?” Nicht mehr, nicht weniger. Das Zertifizierungsunternehmen löschte diesen Frage.
Viel professioneller und hilfreicher reagiert die TÜV-SÜD-Akademie: https://www.facebook.com/tuevsuedakademie/posts/10152225658444595.

Arbeitgebermentalität?

arbeitgeber.org mag nicht repräsentativ für die Arbeitgebermentalität sein. Aber es scheint wohl doch einen Markt für die Anregungen zu geben, die arbeitgeber.org anbietet:
http://arbeitgeber.org/Betriebsratswahl/
Die Seite sollte nicht mit dem moderateren Auftritt der BDA verwechselt werden: http://arbeitgeber.de/.

Unbequem

http://www.arbeitgeber.org/Betriebsrat/dem-betriebsrat-kuendigen.html:

Betriebsräten kann man nicht kündigen!
… Oder doch??
Sie können!
So trennen Sie sich von unbequemen
Betriebsratsmitgliedern

Wechseln Sie von offener und emotional geführter Konfrontation auf ein geschmeidiges Aufeinanderzugehen!

Sie werden nicht klein beigeben! Sie werden die Führung des Unternehmens nicht dem Betriebsrat überlassen! Sondern Sie werden auch künftig Ihr Unternehmen nach Ihren Vorstellungen führen!

Macht Mitbestimmung Spaß?

Macht Mitbestimmung Spaß?

Mitglieder des Betriebsrats bilden eine besondere Risikogruppe, da sie mit überdurchschnittlich vielen psychosozialen Konflikten umgehen müssen. Dazu gibt es auch Seminare, z.B. vom Forschungs- und Beratungsinstitut GULMO
Hinweise zu Seminaren mit interessanten Themen lasse ich in diesem Blog stehen, auch wenn die Termine schon in der Vergangenheit liegen. Hier ist so ein Seminar. Es geht um ein bisher ziemlich vernachlässigtes Thema:

14.03. – 15.03.2011 in Heidelberg, Leonardo Hotel
Wer kennt das nicht: Erst rackert man sich für die Kollegen ab und dann kommt noch nicht mal ein Dankeschön. Im Gegenteil, bei der nächstbesten Gelegenheit ist der Betriebsrat dann auch noch Blitzableiter für alle möglichen Probleme im Unternehmen – mit freundlicher Unterstützung des Arbeitgebers. Oft herrscht auch im Gremium, in Betriebsversammlungen oder bei Verhandlungen keine heile Welt, was zu zusätzlichem Ärger und Belastungen führt.
Der Stresssituation von Arbeitnehmervertretern in Deutschland wurde von Dr. Norbert Gulmo an der Universität Heidelberg in einer umfangreichen Studie von 2006 bis 2007 nachgegangen. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse und mit Hilfe des von den Krankenkassen geförderten Konzepts „Gelassen und sicher im Stress“ werden im Seminar nützliche Problemlöse- und Stressbewältigungsmethoden vorgestellt und Wege aus verfahrenen und belastenden Situationen aufgezeigt.

Montag, 14. März 2011
09:30 Uhr Begrüßung und Einführung in das Seminar
10:00 Uhr Stress für Arbeitnehmervertreter, gibt’s den überhaupt? Beispiele der betrieblichen Praxis
10:30 Uhr Kaffeepause
10:45 Uhr Macht Mitbestimmung Spaß? Ergebnisse der Studie zu Stress von Betriebsräten in der BRD
11:30 Uhr Grundlagenwissen: Was ist Stress? Ursachen, Erscheinungsformen, Folgen für Gesundheit etc.
12:15 Uhr Mittagspause
13:30 Uhr Die eigenen Fähigkeiten nutzen
– Drei Hauptwege zur Stressbewältigung
14.15 Uhr Stress entsteht im Gehirn: Wie man sich selbst verrückt machen kann und was wirklich dran ist
15:00 Uhr Kaffeepause
15:30 Uhr Kloß im Hals oder Herzrasen: Cool bleiben durch Erregungskontrolle
Dienstag, 15. März 2011
09:00 Uhr Diskussion oder Diskreditierung?
Über Kommunikation im Gremium und anderswo
10:15 Uhr Kaffeepause
10:30 Uhr Woher kommt eigentlich der Ärger?
Ursachenanalyse und Problemlösemethoden für Stresssituationen, die nur Arbeitnehmervertreter kennen
11:30 Uhr Enthusiasmus – Frustration – Resignation:
Wege aus der Burnout-Falle
12:15 Uhr Mittagspause
13.30 Uhr Wenn`s wenigstens einen gibt, mit dem man reden kann: Was andere Menschen bewirken können
14:15 Uhr Warum das alles? Ziele klären und mit sich selbst übereinstimmen
15:00 Uhr Kaffeepause
15:15 Uhr Wenn einem alles über den Kopf wächst:
Zeitmanagement und Nein-Sagen können
16:00 Uhr BR-/PR-Arbeit ist auch nicht alles:
Work-Life-Balance
16:30 Uhr Ende des Seminars

Seminarkosten
Seminargebühr: 590,-€
Hotelkosten mit Vollpension 218,-€, bei Anreise am Sonntag 350,-€ incl. Abendessen; (Sollten Sie nicht im Hotel übernachten berechnet das Hotel eine Tagungspauschale von 86,-€). Alle Preise zzgl. MwSt.
Zur Anmeldung.

Norbert Gulmo begann seine berufliche Laufbahn als Schlosser, sammelte dann Erfahrung als Betriebsratsmitglied und Betriebsratsvorsitzender und arbeitet nun schon seit einigen Jahren als Berater, nachdem ein Psychologie-Studium mit einer Promotion abschloss. Ich konnte diese personifizierte Kombination aus Praxis und Theorie selbst in einem seiner Seminare kennenlernen.
 


Nachtrag (2015-11): http://www.gulmo.de/seminare/klausurtagung/

Warum ich so lästig bin

Weil ich auf den Ratschlag eines weisen Alten aus dem Volke nicht höre:

Wir anderen, die wir von der Gesellschaft abhängen, müssen uns nach ihr bilden und richten, ja dürfen eher etwas tun, das ihr zuwider ist, als was ihr lästig wäre; und lästiger ist ihr in der Welt nichts, als wenn man sie zum Nachdenken und zu Betrachtungen auffordert.

J. W. Goethe, Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten, 1795