仕事が終わらない

Es ist erst ein paar Jahre her, das ein deutsches Unternehmen in Deutschland Werbung mit einem Hochhaus machte, in dem auch Nachts die Lichter nicht ausgingen. Bekam es anschließend Besuch von der Gewerbeaufsicht?
Solche Hochhäuser sah ich in Japan reichlich. Shigoto ga owaranai (Die Arbeit hört nicht auf, 2003) ist z.B. bei amazon.co.jp zu finden. Es ist eben nicht so, dass Japaner lieb, nett und stillschweigend Überarbeitung dulden. Es gibt dort kritische Literatur wie es sie auch in Deutschland gibt. Und Japaner finden auch ihre Wege, gegen Überarbeitung Widerstand zu leisten.
Erinnern wir uns noch, wie und was wir (angeblich Technik- und Fortschrittsfeinde) einmal alles von Japan lernen sollten? Man kann von den Japanern natürlich immer noch viel lernen, insbesondere das, was nach Japan reisende deutsche Top-Manager uns in Deutschland nicht erzählen, weil sie es selbst nicht mitbekommen. Daran sollten wir auch bei der berühmten “Ruck-Rede” Roman Herzogs denken:

Ich komme gerade aus Asien zurück. In vielen Ländern dort herrscht eine unglaubliche Dynamik.
… … …
Was ist los mit unserem Land? Im Klartext: Der Verlust wirtschaftlicher Dynamik, die Erstarrung der Gesellschaft, eine unglaubliche mentale Depression – das sind die Stichworte der Krise.
… … …
Aber es ist auch noch nicht zu spät. Durch Deutschland muß ein Ruck gehen.

Also schon im Jahr 1997 stellte der Bundespräsident die Diagnose: “eine unglaubliche mentale Depression” fest. Er warf der Gesellschaft also eine von ihm bei den Deutschen vermutete Krankheit vor und meinte dann auch noch:

Uns fehlt der Schwung zur Erneuerung, die Bereitschaft, Risiken einzugehen, eingefahrene Wege zu verlassen, Neues zu wagen. Ich behaupte: Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.

(Hervorhebungen nachträglich eingetragen)
Und genau das war sein Erkenntnisproblem damals und unser Problem auch heute: Umsetzen, ohne vorher die wirklichen Kosten und Konsequenzen erkennen zu wollen. Herzog hatte keine Ahnung von dem wirklichen Leben in “Asien”. Zwischen ihm und dem Boden seiner Reiseziele lagen zu dicke rote Teppiche. Wie kommt denn der Schwung abhanden? Wie schleicht sich die Erschöpfungsdepression bei uns ein? Vielleicht, weil uns die Platitüden unserer von der Wirklichkeit abgehobenen Leittiere auch heute noch auf die Nerven fallen?
Hier das Gegengift (ich kann nicht oft genug darauf hinweisen): https://psybel.snrk.de/psychosoziale-kosten-turbulenter-veraenderungen/. (Wer Spaß daran hat und Englisch kann, findet auch in einem Klassiker der englischen Literatur ein hübsches Beispiel, wie man Ruck-Reden durch den Kakao ziehen kann.)
Herzogs berühmte Rede war eine Dummheit. Sie war nur halb richtig. Das ist doppelt gefährlich, denn bei so etwas wird mit dem Richtigen dann gleich auch das Falsche in die Köpfe des Publikums mittransportiert. Wenn wir “Asien” (also die Gegend etwa zwischen Istanbul und Wladiwostok) als Referenz hernehmen wollen, dann lohnt es sich immer, genauer hinzusehen – beispielsweise in den japanische Mainstream-Buchladen in Tokyo, in dem ich im Regal “Subkultur” eine Regalreihe mit dem Titel “Subversion” gesehen hatte. Darin standen Bücher, die Ratschäge geben, wie man sich heimlich gegen seine Firma wehrt und an ihr rächt. (Das war im Jahr 2002.)
Daran sollten wir denken, wenn von unverstandener “Dynamik” geblendete Politiker und Unternehmensführer “unabänderlichen” Arbeitsdruck mit dem “Fleiß” “asiatischer” Wettbewerber im Arbeitsmarkt rechtfertigen wollen. Diese Wettbewerber kennen, wie die Japaner, durchaus eine Vielzahl an Methoden, sich gegen ihren eigenen Arbeitsdruck zu wehren. Das ist doch auch verständlich: China hat zum Ausgleich zur aufgezwungenen “Harmonie” auch eine tausendjährige Kultur der Subversion hervorgebracht, und mancher westliche Geschäftsmensch versteht bis heute nicht, warum seine Projekte trotz kooperationsbereiter Partner nicht so recht in die Gänge kommen oder warum die Geschäfte ein bisschen anders laufen, als sie geplant waren. Die “Outsourcer” möchte das aber vielleicht auch nicht wirklich wissen. Sie haben schon längst ihren Bonus eingesteckt, bevor sich zeigt, ob sich das Auslagern von Arbeit wirklich rechnet. Die Frage ist eben immer wieder, für wen sich Einsparungen rechnen.
Lesetipp: Michael Beuthner: Euphorion – Chronokratie & Technokratie im Bitzeitalter; sozialethische und technikphilosophische Überlegungen zur Informatisierung und Computerisierung der Gesellschaft, 1999, 826 Seiten, ISBN 978-3-82584139-3

Sterben für die Firma


http://www.youtube.com/results?search_query=”Sterben+für+die+Firma+-Arbeits-Stress+in+Japan”
Die Grafik passt direkt zum Thema des Films. Ich hatte sie vor vielen Jahren einmal in einem anderen Zusammenhang für eine Arbeitnehmergruppe bei einem großen Konzern angefertigt. In dem Unternehmen wurde das Thema also schon im Jahr 1999 zuerst von den Arbeitnehmern angesprochen. Erst einige Jahre später begannen die Arbeitnehmer dann, mit dem Gesetz zu argumentieren, denn der Hauptgrund für Arbeitgeber, psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen, liegt weder im Bereich der Ethik noch im Bereich der Wirtschaft, sondern am wichtgsten ist

 
Nun zum Film: In http://molescine.wordpress.com/2010/01/26/im-fokus-bei-3sat-japan/ finden sie eine Beschreibung des Films von Thomas Euting. Ich hatte den Film Ende der Neunziger im ZDF gesehen. Es ging um den Tod durch Überarbeitung (過労死 = Karōshi). Traurig daran ist insbesondere, dass es so lange dauert, bis wir dazulernen – in vielen Dingen.
Unternehmen, die sich viel Zeit bei der Einführung des ganzheitlichen Arbeitsschutzes lassen, liefern ihre Mitarbeiter einem höheren Erkrankungsrisiko aus. Das ist keine Kleinigkeit.
Siehe auch: 仕事が終わらない
 


Stress am Arbeitsplatz – Großbritannien, Frankreich, Japan:
http://www.arte.tv/de/3099212.html