E-Mail-Verschlüsselung

Mich erreichen Sie unter gwk bei psybel.de, oder Facebook.
Anonyme E-Mails akzepiere ich von psybel-xxxxxxxx unter trash-mail.com, wobei xxxxxxxx irgendein von Ihnen ausgedachter String ist. Ganz Paranoide können auch Live Systeme verwenden, z.B. http://distrowatch.com/table.php?distribution=incognito.
Wenn Sie verschlüsselt schreiben wollen, dann können Sie E-Mails an mich mit einem meiner öffentlichen Schlüssel verschlüsseln. (Wenn Sie mir anonym und verschlüsselt schreiben wollen – was wohl eher selten notwendig sein wird, legen Sie dazu bei Bedarf ein Schlüsselpaar mit irgendeinem anonymen Phantasie-UID an.)
http://www.rahuber.ch/e-mail-verschluesseln.html ist ein guter Artikel zum Thema “E-Mail-Verschlüsselung”.

Psyche auf dem Prüfstand

Der in zeitzuleben.de für INSIGHTS Discovery® gewählte Verzeichnisname “psyche-auf-dem-prufstand-personlichkeitstests” zeigt, womit das Unternehmen seinen bunten “Persönlichkeitstest” (bzw. die Lizenz für deren Nutzung) verkauft. C. G. Jungs “Typologie” dahinter mag veraltet sein, aber Hauptsache ist, dass sie den Kunden von INSIGHTS Discovery® gefällt und dem von ihnen gewünschten psychologischen Menschenmodell nicht widerspricht. INSIGHTS Discovery® bedient diesen Wunsch.

http://www.youtube.com/watch?v=5oTtrP3WMfA


Wie permanent sind diese Rollenzuweisungen?
 
Ziele
Hier ein Auszug aus http://www.zeitzuleben.de/2242-psyche-auf-dem-prufstand-personlichkeitstests/5/ (2011-05-17), der hier einmal zitiert werden muss, damit wir uns mit dem Thema kritisch auseinandersetzen können:

INSIGHTS Discovery® kann in folgenden Bereichen eingesetzt werden: 

  • Personalauswahl: …
  • Teambildung: Teamleiter und Teammitglieder können mit Hilfe der Profile erkennen, worin die besonderen Fähigkeiten jedes Einzelnen im Team bestehen. Das fördert die gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung. So wird es leichter, eine gemeinsame Teamidentität und -dynamik zu entwickeln.
  • Motivationssteigerung: In den Profilen werden auch die Motivationsfaktoren herausgearbeitet. So können Vorgesetzte erkennen, wie die einzelnen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen optimal zu fördern oder fordern sind.
  • Verkauf und Kundenbetreuung: …
  • Selbsteinschätzung: …

 
Die fünf Punkte, die auf der überholten “Typologie” des verehrten C. G. Jung basieren, sind alle schon ziemlich fragwürdig, aber die zwei hier voll zitierten Punkte sind aus Betriebsratssicht besonders besorgniserregend. Gefährlich wird es, wenn der Arbeitgeber versucht, dem Betriebsrat seines Unternehmens den Psychotest als harmloses (und zudem hübsch buntes) Spiel zu verkaufen, das vorwiegend der persönlichen Selbsterkenntnis im Team dienen soll, obwohl der Anbieter dieses Farbenspiels seinen Test ganz anders anbietet: Die Charakterisierung Einzelner durch das Team.
Führungskräfte mögen diesen Test möglicherweise gerade wegen seiner Rückständigkeit. Die Mitarbeiter werden ja nicht nur “getestet”, sondern ihnen wird auch vorgegaukelt, dass die Typenlehre richtig sei. Mitarbeiter werden hier manupuliert – und haben im das kritische Denken durchaus dämpfenden Spiel auch noch Spaß daran.
 
Sektendesign
Das Marketing dieses Tests ist genial. Die eingängigen Farbschubladen und die simple Typologie helfen beim Glaubens-Franchising. Für so etwas braucht man keine wissenschaftliche Grundlage, sondern nur genügend viele Anhänger und Gläubige, die auch als Multiplikatoren wirken. Psychologen wissen, wie man Laien Psychologie verkauft. Hier hat sich ein Unternehmen einen Markt geschaffen, der sich selbst verstärkt, wenn eine bestimmte Schwelle überschritten ist. Irgendwie ist es seinen Designern gelungen, den Test sogar gegen Kritik zu schützen: Es gibt Anhänger des Tests, die bei seiner Vorstellung gleich vorneweg auf seine Unwissenschaftlichkeit hinweisen. Wenn ich eine Sekte gründen wollte, könnte ich wohl viel von diesem Test lernen.
 
Kommentare
Sabine Winterer, Talentmarketing für Rehabilitanden des Berufsbildungswerkes Neckargemünd, Diplomarbeit, 2001, S. 31 (http://www.talentmarketing.de/wahlpflichtfach/DiplomarbeitSabineWinterer.pdf, nicht mehr im www):

… Allerdings ist die INSIGHTS Potentialanalyse kritisch zu betrachten, da zwar mit wissenschaftlicher Fundierung geworben wird, aber dies anscheinend nicht der Fall ist: „Der Vertreiber, das Tracy College International, verweist vage auf Untersuchungen und beeindruckt mit für den Laien unverständlichen Zahlen. Das Psychologische Institut der Universität Zürich kam nach einer Analyse von über 500 Protokollen zu dem Ergebnis: “Unbrauchbares Instrument, dessen schwache theoretische Fundierung durch eine fehlerhafte Operationalisierung verschlimmert wurde und keine partielle Verbesserung zulässt.”[22] Aus einer Arbeit, die an der Leopold – Franzens – Universität in Innsbruck entstand[23], geht ebenfalls Kritik an diesem Test hervor. Die Studenten führten den Test selber durch und stellten fest, dass einige Fragen widersprüchlich zu verstehen sind und eine sinnvolle Beantwortung zum Teil nicht möglich ist. Sie denken, dass auch eine schlechte Übersetzung bzw. der deutsche Wortschatz, dafür verantwortlich sein kann. In der deutschen Sprache fehlen manchmal Wörter gleicher Bedeutung wie im Englischen. …

[22] vgl., Nil Karin, Interview: „Vorbereitung schafft Sicherheit“
in: http://www.jobpilot.de/content/journal/bewerbung/apply_persoenlichkeitstest.html [nicht mehr im Web]
[23] vgl., Baumann et.al, Potentialanalyse, 16.07.2001, S. 24 – 25

 
http://www.bdp-verband.org/bdp/politik/2005/50819_insights.html

… In dem oben genannten Gutachten wird auf Seite 17 ausgeführt: “Eine endgültige Entscheidung, ob INSIGHTS MDI den Richtlinien der DIN 33430 entspricht, kann eigentlich nicht getroffen werden. Dazu fehlen insbesondere ein den Standards entsprechendes Testmanual. …”

Um die Geeignetheit nach DIN 33430 geht es im Wesentlichen in diesem Text, also um “Anforderungen an Verfahren und deren Einsatz bei berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen”. INSIGHTS MDI ist jedenfalls an einer “Zertifizierung” nach DIN 33430 interessiert, obwohl diese Norm garnicht für die hier angestrebten Zertifizierungen vorgesehen ist. (Details: Bärbel Schwertfeger, Mit Gütesiegel, DIE WELT, KarriereWelt 2004-02-21) Übrigens: Arbeitgeber haben Arbeitsplätze zu evaluieren (psychische Belastung nach DIN 10075), nicht individuelle Arbeitskräfte!

… An theoretischen Grundlagen werden auf Seite 9 des Gutachtens das “Vier-dimensionale DISC Modell” nach Marston (1928) sowie das “Präferenzmodell von C. G. Jung” genannt, das schon von Prof. Dr. Jäger (2004, S. 22) kritisiert wurde, da gerade die Typenlehre nach C. G. Jung in Fachkreisen als “antiquiertes Modell ohne empirische Belege” gilt. Der Ansatz von Marston wird von Jäger (ebd.) als “typologischer Ansatz ohne empirische Forschung” bezeichnet. Weiter beklagt er, dass für ihn keine fundierte theoretische Grundlage des Verfahrens INSIGHTS MDI auszumachen ist. Da sich die theoretische Grundlage nach Aussage des Gutachtens (S. 9) offensichtlich nicht geändert hat, besteht diese Kritik unvermindert fort.
Auf Seite 10 des Gutachtens werden einige wenige Angaben zum Verfahren gemacht. Soweit ersichtlich, werden die Verhaltenssstile auf die gleiche Art und Weise ermittelt, wie das auch bei den bisherigen INSIGHTS MDI Verfahren geschieht. Hierzu schreibt Jäger (2004, S. 22): “Die Basis der Stilermittlung ist nicht nachvollziehbar und inhaltlich nicht zu begründen. Eine Unterscheidung in >natürliche< und >adaptierte< Stile, indem die Antworten von Testteilnehmern >uminterpretiert< werden, ist weder wissenschaftlich noch ethisch verantwortbar. Die blumigen Formulierungen täuschen über Inhaltsleere hinweg." ...

 
Ratschläge
Ratschläge an Betriebsräte, die vom Arbeitgeber aufgefordert werden, dem vergnüglichen-bunten Persönlichkeitstest zuzustimmen:

  • Fragen sie kritisch nach, wenn der Arbeitgeber Ihnen Persönlichkeitstests (und ähnliche Veranstaltungen) mit Argumenten verkauft, die den Argumenten des Test-Anbieters widersprechen.
  • Lassen Sie sich von externen Psychologen beraten. (Literatur: Bärbel Schwertfeger)
  • Wenn der Arbeitgeber Geld für Persönlichkeitstests (ein überwiegend verhaltensorientierter Ansatz) hat, es in Ihrem Betrieb aber keinen Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den ganzheitlichen Arbeitsschutz (verhältnisorientierter Ansatz) gibt, dann hat der Arbeitgeber seine Ressourcen zuerst für die Verbesserung des Arbeitsschutzes zu verwenden. Das ist Pflicht. Hier hat er keine unternehmerische Freiheit.
  • Wenn es bei Ihnen bereits den vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilungsprozess für psychische Belastungen gibt, lassen Sie sich die mit Persönlichkeitstests verbundenen Risiken von Fachleuten erklären. Dokumentieren sie das in der Gefährdungsbeurteilung. Dann muss vereinbart werden, wie mit diesen Risiken umzugehen ist.
  • Schlagen sie Alternativen vor. Beispielsweise sind Projekt-Retrospektiven nebenbei auch Maßnahmen zum “Team-Building”. Zugleich helfen sie dem Geschäft Ihres Unternehmens!
  • Wenn die Belegschaft (oder sogar der Betriebsrat) unbedingt Spaß mit dem Farbenspiel haben will, dann machen Sie eine Betriebsvereinbarung dazu oder protokollieren Sie wenigstens alle Argumente, mit denen der Arbeitgeber dem Betriebsrat einen Persönlichkeitstest verkaufen will. Die Teilnahme der Mitarbeiter muß freiwillig sein.
  • Informieren Sie sich über Carl Gustav Jung.

 
Siehe auch:

Warum zeigen Betriebsräte bei Arbeitsschutz kein Interesse?

Ist das so? Die Frage wurde (per Suchmaschine) an dieses Blog gestellt, warum Betriebsräte beim Arbeitsschutz kein Interesse zeigen.
Ich glaube, dass viele Betriebsräte sehr wohl Interesse haben, sich aber oft nicht so richtig trauen, das Thema anzugehen. Das ist eine Gemeinsamkeit mit Personalern.
Der technische Arbeitsschutz ist eigentlich recht einfach zu handhaben, zumindest hinsichtlich seiner Klarheit. Damit sind Betriebsräte doch recht gut vertraut. Aber “jetzt” (seit 1996) kommt das Thema der psychischen Belastungen dazu. Das ist ein “weicheres” Thema – und ein hartes zugleich: Menschen, die sich professionell mit Psychologie befassen, lernen sich dabei auch selbst kennen. Sie lernen deswegen (mehr oder minder gut) in ihrer Ausbildung, wie sie mit dieser Selbsterkenntnis umgehen müssen, um sich nicht selbst zu schaden. Laien (Arbeitnehmervertreter und die Mehrheit der Personaler) sind hier nicht so gut vorbereitet, aber ahnen vielleicht doch, dass es manchmal schon recht hart werden kann, sich mit “Psycho-Themen” auseinanderzusetzen.
Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung mag sein, dass Betriebsratsmitglieder in vielen Betrieben genauso wie ihre Klienten einerseits und die Arbeitgeber andererseits “psychische Probleme” immer noch zuerst beim Individuum verorten. Das erschwert auch das Gespräch mit den Klienten (der Belegschaft) und der Arbeitgeberseite.
Noch eine Hürde könnte der beträchtliche Kompetenzaufbau sein, der beim Thema der psychischen Belastung nötig ist. Das ist gerade für nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder ein Problem. Das Thema der Arbeitsbelastung kann selbst eine große zusätzliche Arbeitsbelastung sein, wenn man es ernst nimmt. Die Grundlagen von Unternehmenskulturen sind hier auf dem Prüfstand und Veränderungen gehen ans Eingemachte. Dank für erfolgreiche Arbeit gibt es (wenn überhaupt) hier vielleicht erst viele Jahre später, nachdem der Betriebsrat das Thema aufgegriffen hat.
Trotz der Berührungsängste sind es häufig aber doch die Betriebsräte, die in den Unternehmen den ganzheitlichen Arbeitsschutz vorantreiben. Also kann man eben nicht so allgemein sagen, dass Betriebsräte kein Interesse hätten.
Praxistip: Arbeitnehmervertretungen und Personaler, die psychisch wirksame Belastungen in den Arbeitsschutz integrieren wollen, sollten sich unbedingt von externen Fachleuten beraten lassen. Es geht dabei anfangs erst einmal darum, die Prioritäten zu verstehen und einen Überblick über den Umfang der Arbeit zu bekommen, die auf Arbeitnehmervertretungen und Personaler zukommen wird.

PROCAM und WAI


http://www.assmann-stiftung.de/information/procam-studie/
:

Bei der PROCAM Studie (Prospective Cardiovascular Münster Study) handelt es sich um eine große Beobachtungsstudie mit Schwerpunkt auf Herz- und Gefäßerkrankungen. Eine klassische prospektive Studie – wie die PROCAM-Studie – vergleicht die zu Beginn der Untersuchung erhobenen Daten von Personen, die in dem Nachbeobachtungszeitraum eine Erkrankung entwickeln, mit den Daten der nicht Erkrankten.
Zielsetzung in Prospektivstudien ist es, Risikofaktoren für koronare Herzkrankheiten und Schlaganfall, bzw. auch andere Krankheiten, zu finden, die Risikobestimmung und Früherkennung zu verbessern sowie Empfehlungen für eine frühzeitige Prävention aus den Studiendaten ableiten zu können.

(Hervorhebungen nicht im Originaltext)
Die Studie und die PROCAM-Tests sind eine feine Sache. Es ist gut, wenn sich ein Unternehmen um die Mitarbeiter kümmert und ihnen hilft, das Herzinfarktrisiko zu beurteilen. Aber in Unternehmen, die entgegen den Vorschriften keine ganzheitlichen Gefährdungsbeurteilungen (gehört zur Verhältnisprävention) zustande bringen, sondern sich im Widerspruch zum Arbeitsschutzgesetz bei der Vorsorge primär auf die Beanspruchbarkeit individueller Mitarbeiter konzentrieren (Verhaltensprävention), würde ich sicherlich keine Tests mit mir machen lassen, sondern zum Hausarzt gehen. Denn einem Betriebsarzt fehlt ohne eine ordentliche Gefährdungsbeurteilung eine wichtige (In der ArbMedVV genannte) Grundlage seiner Arbeit. Das darf er nicht zulassen.
Im Vorstand der Assmann-Stiftung sitzt auch Klaus Kleinfeld, ex CEO von Siemens:
http://www.assmann-stiftung.de/en/foundation/executive-board/
 
http://www.arbeitsfaehigkeit.uni-wuppertal.de/
Meine Vorbehalte gelten auch bei einer anderen guten Sache, dem WAI (Work Ability Index). Ein Unternehmen, dass einerseits die “Work Ability” individueller Mitarbeiter messen will, aber andererseits einer Evaluierung ihrer Arbeitsplätze ausweicht, versteht ihre sich aus dem Arbeitsschutzgesetz ergebenden Verpflichtungen nicht.
Ein Beispiel für eine sinnvolle Anwendung des WAI geben Jochen Prümper und Gottfried Richenhagen in Von der Arbeitsunfähigkeit zum Haus der Arbeitsfähigkeit – Der Work Ability Index und seine Anwendung, 2011), http://www.f3.htw-berlin.de/Professoren/Pruemper/publikation/2011/Pruemper_Richenhagen_2011.pdf. Hier wurde mit Messergebnissen gezeigt, dass freundliches und respektvolles Führungsverhalten die Arbeitsfähigkeit erhöht. (Siehe auch: Matthias becker, Imke Ehlbeck, Jochen Prümper: Freundlichkeit und Respekt als Motor der Arbeitsfähigkeit, http://www.f3.htw-berlin.de/Professoren/Pruemper/publikation/2009/Becker_Ehlbeck_Pruemper.pdf.)
 
Betriebsräte müssen wissen: PROCAM und WAI liefern keine den Vorschriften des Arbeitsschutzes gerecht werdenden Instrumente. Im Arbeitsschutz werden nicht Mitarbeiter analysiert, sondern deren Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen. Fehlt der Wille des Arbeitgebers, vor individuellen Präventionsmaßnahmen (Verhaltensprävention) seine Hausaufgaben im Bereich der Verhältnisprävention zu machen, dann sollte der Betriebsrat das eingehend mit der Berufsgenossenschaft und der Gewerbeaufsicht diskutieren. Es ist sinnvoll, Verhaltensprävention und Verhältnisprävention zu verbinden, aber die Verhaltensprävention ist nachrangig zur Verhältnisprävention. Angeboten der Unternehmen zur Verhaltensprävention kann nur vertraut werden, wenn zuvor die Verhältnisprävention mitbestimmt geregelt wurde.

Projekt-Retrospektiven

http://www.dorsethouse.com/books/pr.html:

Project Retrospectives
A Handbook for Team Reviews
by Norman L. Kerth

Projekt-Retrospektiven sind ein gutes Instrument zur Beurteilung von Risiken für kommende Projekte. Wie man das wirklich richtig macht, zeigt Norman Kerth in seinem Buch.
Die deutschsprachige Ausgabe des Buches hat den etwas abschreckenden Titel Post Mortem und ist leider vergriffen.
Ich weise auf dieses Buch hin, weil ich in sehr projekt- und prozessorientierten Unternehmen den Einbau von Modulen zur Risiko- und Gefährdungsbeurteilung in die Projektplanungen und die Prozessentwicklungen für eine Möglichkeit halte, ohnehin notwendige Risokoanalysen kostengünstig auch für den Arbeitsschutz zu verwenden.
Dann kann man wenige große Gruppen von gleichartigen Arbeitsplätzen zusammenfassen, ohne dass die mit der Projektarbeit verbundenen und auf die einzelnen Mitarbeiter unterschiedlich wirkenden Gefährdungskombinationen vernachlässigt werden. Die in Projekt-Retrospektiven herausgearbeiteten Erfahrungen (learned lessons) sind eine wichtige Grundlage für die Analyse und Minderung sowohl geschäftlicher wie auch gesundheitlicher Risiken.
(Nach einem Unfall ist Norman Kerth leider nicht mehr in der Lage, sein Beratungsunternehmen weiterzuführen.)

Fehlbelastungsmeldung

Stellen Sie als Mitarbeiter eine von ihrem Arbeitsplatz (oder von einer Kombination von Arbeitsplätzen und Arbeitsaufgaben) ausgehende Fehlbelastung fest, dann überprüfen Sie zunächst, ob diese Belastung in der zu ihrem Arbeitsplatz gehörenden Gefährdungsbeurteilung beschrieben worden ist.
Fehlt die Fehlbelastung in der Gefährdungsbeurteilung oder reichen die daraus abgeleiteten Maßnahmen und Unterweisungen zur Vermeidung oder Minderung der Fehlbelastung nicht aus, dann formulieren Sie Ihre Beschreibung des vermuteten oder festgestellten Gefährdungsrisikos am Besten zusammen mit dem Arbeitssicherheitsausschuss ihres Betriebsrates oder Personalrates als Fehlbelastungsmeldung an den Arbeitgeber. Dieser hat häufig einen Arbeitsschutzbeauftragten oder einen Arbeitssicherheitsbeauftragten mit der Bearbeitung solcher Meldungen beauftragt.
In der Meldung beschreiben Sie die von Ihnen vermutete oder festgestellte Fehlbelastung . (“Überlastung” ist hier ein eher problematischer Begriff.) In welcher Weise diese Belastung Sie persönlich beansprucht, brauchen Sie dem Arbeitgeber nicht zu beschreiben. Sie können das aber gegebenenfalls mit Ihrem Hausarzt und/oder Familienangehörigen besprechen und bei diesen Vertrauenspersonen eine Kopie der Fehlbelastungsmeldung hinterlegen.
Eine der Grundlagen Ihrer Fehlbelastungsmeldung ist das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG):

§ 17 Rechte der Beschäftigten
(1) Die Beschäftigten sind berechtigt, dem Arbeitgeber Vorschläge zu allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit zu machen. Für Beamtinnen und Beamte des Bundes ist § 125 des Bundesbeamtengesetzes anzuwenden. Entsprechendes Landesrecht bleibt unberührt.
(2) Sind Beschäftigte auf Grund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung, daß die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu gewährleisten, und hilft der Arbeitgeber darauf gerichteten Beschwerden von Beschäftigten nicht ab, können sich diese an die zuständige Behörde wenden. Hierdurch dürfen den Beschäftigten keine Nachteile entstehen. Die in Absatz 1 Satz 2 und 3 genannten Vorschriften sowie die Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung und des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages bleiben unberührt.

Gegebenfalls können Sie sogar verpflichtet sein, eine Fehlbelastung zu melden (§16 und § 15 ArbSchG).
Die Fehlbelastungsmeldung bzw. Fehlbelastungsanzeige muss der Arbeitgeber gemäß § 6 ArbSchG zu seinen Dokumenten nehmen. Auch die Auseinandersetzung mit der Meldung muss dokumentiert sein, insbesondere wenn ein Arbeitsschutzmanagementsystem z.B. nach OHSAS 18001 vorhanden ist. Besteht eine Arbeitnehmervertretung, muss die Analyse Ihrer Meldung mit dieser Arbeitnehmervertretung vereinbart worden sein. Der Arbeitgeber (z.B. der von ihm beauftragte Arbeitsschutzbeauftragte) kann eine Fehlbelastungsmeldung nicht nach eigenem Gusto als irrelevant einstufen.
Soweit die Theorie: In der wirklichen Welt könnte Arbeitgeber allerdings versucht sein, verschiedene Gesetze zu brechen und Fehlbelastungsanzeigen zu unterdrücken. Wenn Ihnen dann kein guter Betriebsrat helfen kann, brauchen Sie eventuell einen Rechtsanwalt.

§ 17 Rechte der Beschäftigten

(1) Die Beschäftigten sind berechtigt, dem Arbeitgeber Vorschläge zu allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit zu machen. Für Beamtinnen und Beamte des Bundes ist § 125 des Bundesbeamtengesetzes anzuwenden. Entsprechendes Landesrecht bleibt unberührt.
(2) Sind Beschäftigte auf Grund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung, daß die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu gewährleisten, und hilft der Arbeitgeber darauf gerichteten Beschwerden von Beschäftigten nicht ab, können sich diese an die zuständige Behörde wenden. Hierdurch dürfen den Beschäftigten keine Nachteile entstehen. Die in Absatz 1 Satz 2 und 3 genannten Vorschriften sowie die Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung und des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages bleiben unberührt.

Erst kommt die Gefährdungsbeurteilung!

2012-07-15:
BAG, Beschluss vom 8.11.2011, 1 ABR 42/10
Eine Arbeitgeberin wollte verhindern, dass eine Unterweisung ohne vorherige Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird. Das gelang ihr. Der Gesamtbetriebsrat verlor, aber das Urteil ist sehr hilfreich für Arbeitnehmervertreter, denn es bedeutet, dass allen Arbeitsschutzmaßnahmen eine Gefährdungsbeurteilung vorauszugehen hat. Die Unterweisung setzt eine Gefährdungsbeurteilung voraus, damit darin die in der Gefährdungsbeurteilung gewonnenen Erkenntnisse berücksichtigt werden können.
Jetzt führen viele Betriebe ein Gesundheitsmanagement ein und wollen damit auch den Arbeitsschutz rechtssicher machen. Gerne wird noch ein Zertifikat nach OHSAS 18001 besorgt, damit Berufsgenossenschaft und Gewerbeaufsicht milde gestimmt werden. Die Unternehmen zeigen ihre Einführungs-Projekte stolz vor und meinen, das könne bereits als Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes und der mit ihm verbundenen Vorschriften dargestellt werden. Solange diesen Maßnahmen aber keine mitbestimmt zustandegekommene Gefährdungsbeurteilung zugrunde liegen, sind das keine legitimen Arbeitsschutzmaßnahmen. Sollte versucht werden, Gesundheitsschutzmaßnahmen im Nachhinein als bereits implementierte Arbeitsschutzmaßnahmen zu darzustellen, müsste wohl auch überprüft werden, ob die Mitbestimmung behindert worden ist.
Ein Auszug aus dem BAG-Beschluss (http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&nr=15760):

16. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. Hierzu gehört auch die durch § 12 ArbSchG dem Arbeitgeber auferlegte Verpflichtung, die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu unterweisen (BAG 8. Juni 2004 – 1 ABR 13/03 – zu B I 2 b cc der Gründe mwN, BAGE 111, 36). Einigen sich die Betriebsparteien nicht über Art und Inhalt der Unterweisung, hat das die Einigungsstelle zu regeln. Hierbei hat sie die Erkenntnisse einer Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG) zu berücksichtigen und die konkrete arbeitsplatz- oder aufgabenbezogene Unterweisung daran auszurichten. Sie kann sich nicht darauf beschränken, allgemeine Bestimmungen über die Unterweisung zu Gefahren am Arbeitsplatz aufzustellen. Dies hat der Senat in einem Parallelverfahren mit denselben Verfahrensbevollmächtigten im Beschluss vom 11. Januar 2011 (- 1 ABR 104/09 – Rn. 17 ff., EzA BetrVG 2001 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 5) im Einzelnen begründet. Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Rechtsbeschwerde fest.

Parallelbeschlüsse des 1. Senats des BAG, ebenfalls 2011-01-08: 1 ABR 64/10, 1 ABR 14/11, 1 ABR 49/10, 1 ABR 1/11, 1 ABR 15/11, 1 ABR 13/11, 1 ABR 75/10, 1 ABR 80/10, 1 ABR 8/11
 


2011-04-14:
Anfang dieses Jahres fasste das Bundesarbeitsgericht einen für den Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz wichtigen Beschluss, nach dem die Arbeitnehmervertreter eines Unternehmens in dessen Betrieben Unterweisungen durchsetzen wollten, wie sie im Arbeitsschutz vorgeschrieben sind (§ 12 ArbSchG). Die Arbeitnehmervertreter erklärten (z.B. 3 TaBV 13/10, 4 BV 16/09, ArbG Chemnitz und 9 TaBV 39/10, 1 BV 33/09, ArbG Regensburg):

Ziel der Unterweisung der Beschäftigten ist die Vermittlung von Kenntnissen über Belastungen und Beanspruchungen durch die Arbeit sowie Entlastungsmöglichkeiten, die Vermittlung des ergonomisch richtigen Umgangs mit Arbeitsmitteln, die Gestaltung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsumgebung im Sinne der menschengerechten Gestaltung der Arbeit. Es sollen Grundlagen dafür geschaffen werden, dass die Beschäftigen ihre Beteiligungsrechte und -pflichten nach §§ 15 – 17 ArbSchG wahrnehmen können.

Das ist, was viele arbeitnehmerorientierte Berater heute beim Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz empfehlen.
Der Forderung der Arbeitnehmervertreter hat das Bundesarbeitsgericht allerdings im Januar auf Betreiben der Arbeitgeberseite widersprochen (Beschluss 1 ABR 104/09, 2011-01-11).
http://www.bundesarbeitsgericht.de/termine/januartermine.html (2011-04-14):

1. O. GmbH & Co. oHG (RAe. CMS Hasche, Siegle, Köln)
2. Betriebsrat der O. GmbH & Co oHG
3. Gesamtbetriebsrat der O. GmbH & Co. oHG
(zu 2) und zu 3) RAe. Bertelsmann und Gäbert, Hamburg) 
– 1 ABR 104/09 –
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle*.
Die Arbeitgeberin befasst sich in mehreren Betrieben mit der Herstellung, dem Einbau und der Wartung von Aufzügen, Fahrtreppen usf. Der Beteiligte zu 2) ist der Betriebsrat für den Betrieb der Region Berlin2/Brandenburg. Für diesen Betrieb wurde eine betriebsverfassungsrechtliche Einigungsstelle eingesetzt. Sie fasste zur “Umsetzung der Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes” am 30. April 2008 einen Spruch über Einzelheiten der in § 12 ArbSchG vorgesehenen Unterweisung der Beschäftigten. Der Beteiligte zu 3) ist der im Unternehmen gebildete Gesamtbetriebsrat.
Die Arbeitgeberin hält den Spruch der Einigungsstelle für unwirksam. Sie ist der Auffassung, für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sei nicht der örtliche Betriebsrat sondern der Gesamtbetriebsrat zuständig. Überdies könne die Unterweisung der Arbeitnehmer nach § 12 ArbSchG erst geregelt werden, wenn zuvor die in § 5 ArbSchG vorgeschriebene “Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung” stattgefunden habe. Mehrere Bestimmungen des Teilspruchs stellten schließlich eine unzulässige Rahmenregelung dar, durch welche das Mitbestimmungsrecht nicht ausgeübt und der Streit der Beteiligten insoweit nicht beigelegt worden sei. Der Betriebsrat und der Gesamtbetriebsrat sind der Ansicht, der Teilspruch der Einigungsstelle sei rechtswirksam.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihm entsprochen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehren der Betriebsrat und der Gesamtbetriebsrat die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.
LAG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 19. Februar 2009 – 1 TaBV 1871/08 –
* Nach § 76 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden, die aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern des Arbeitgebers und des Betriebsrats und einem unparteiischen Vorsitzenden besteht. Kommt eine einvernehmliche Regelung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle durch “Spruch”. Dieser “Spruch” kann vor dem Arbeitsgericht angefochten werden.

Auf dem Weg zum BAG-Beschluss gab es gute und fachkundige Anwälte auf beiden Seiten, und viele Gerichte hatten viel Arbeit. Die Angelegenheit war also ziemlich wichtig.
Inzwischen haben manche Betriebsräte es gelernt, die Gefährdungsbeurteilung als Voraussetzung für verschiedene Prozesse in den Betrieben zu durchzusetzen, aber hier griff nun die Arbeitgeberin diesen Ansatz auf und drehte den Spieß damit um: Ohne Gefährdungsbeurteilung keine Unterweisung. Der Arbeitgeberin war das Ziel der Unterweisung wohl zu breit angelegt. Das BAG stimmte dem im Januar 2011 zu:

Pressemitteilung Nr. 1/11
Unterweisung zum Arbeitsschutz
Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. Hierzu gehört auch die durch § 12 ArbSchG dem Arbeitgeber auferlegte Verpflichtung, die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu unterweisen. Einigen sich die Betriebsparteien nicht über Art und Inhalt der Unterweisung, hat das die Einigungsstelle zu regeln. Hierbei hat sie die Erkenntnisse einer Gefährdungsanalyse (§ 5 ArbSchG) zu berücksichtigen und die konkrete arbeitsplatz- oder aufgabenbezogene Unterweisung daran auszurichten. Sie kann sich nicht darauf beschränken, allgemeine Bestimmungen über die Unterweisung zu Gefahren am Arbeitsplatz aufzustellen.
Eine zum Regelungsgegenstand „Umsetzung der Anforderungen des Arbeitsschutzes“ eingesetzte Einigungsstelle hatte durch Teilspruch allgemeine Regelungen zur Unterweisung der Beschäftigten über die Belastungen bei der Arbeit, den richtigen Umgang mit Arbeitsmitteln und die Gestaltung der Arbeitsorganisation getroffen. Eine Gefährdungsbeurteilung lag zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht vor. Das hat die Arbeitgeberin beanstandet und den Teilspruch angefochten.
Das Landesarbeitsgericht hat die Unwirksamkeit des Teilspruchs festgestellt. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hatte keinen Erfolg. Die Einigungsstelle ist ihrem Regelungsauftrag nicht nachgekommen. Ihr Spruch ist unvollständig. Es fehlte an konkreten Anweisungen und Erläuterungen, die eigens auf den Arbeitsplatz oder den Aufgabenbereich der Beschäftigten ausgerichtet waren.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 1 ABR 104/09 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Februar 2009
1 TaBV 1871/08

Im Internet gab es dazu viele Kommentare. Mal sah es so aus, als habe die Arbeitgeberin gewonnen, mal wurde ein Sieg der Betriebsräte gesehen. Besonders interessant fand ich einen Eintrag im “Arbeitnehmeranwalt Stühler-Walters Blog“:

… In Zukunft ist also für die Betriebsräte darauf zu achten, dass noch vor Verhandlungen zu Maßnahmen des Arbeitsschutzes zunächst eine konkrete Gefährdungsanalyse erfolgen muss. Aus meiner Sicht folgt aus dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts, dass der Betriebsrat auch bei der Unterweisung mitzubestimmen hat, dass dieser auch bereits bei der Gefährdungsanalyse selber zu beteiligen ist. Erfolgt eine konkrete betriebliche Gefährdungsanalyse nicht, so hat dies zur Folge, dass möglicherweise eine gesamte Betriebsvereinbarung zum Arbeitsschutz unwirksam sein kann.

Noch einige Hinweise:

  • Unterweisung: Vor einer Unterweisung muss klar sein, um welche Gefährdungen in einem Betrieb es konkret geht. Also kommt die Beurteilung vor der Unterweisung. Die von den Arbeitnehmervertretern beabsichtigte Aufklärung macht zwar Sinn, aber diese Grundlagen kann man zum Beispiel sehr gut mit Vorträgen kompetenter Fachleute in Betriebsversammlungen vermitteln. Unterweisungen vor Gefährdungsbeurteilungen werden durch den BAG-Beschluss nicht in Frage gestellt, wenn sie z.B. zur Vorbereitung von Umfragen benötigt werden, auf denen Gefährdungsbeurteilungen dann aufbauen.
  • Konzentration auf das Wesentliche: Betriebsräte, die den Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz voranbringen wollen, müssen sich zunächst mit aller Kraft und all ihren begrenzten Ressourcen auf  ihre Mitbestimmungspflicht (Gestaltungsimperativ) bei der Gefährdungsbeurteilung konzentrieren. Es wäre insbesondere unklug, wenn sich Betriebsräte über die Mitbestimmungsaufgaben hinausgehend  vom Arbeitgeber in die Details eines umfangreichen und komplexen Gesundheitsmanagements einbinden ließen, bevor es eine Beurteilung der betriebsspezifischen Risiken psychischer Fehlbelastungen gibt. Ohne eine solche Beurteilung fehlt dem Arbeitsschutz im Gesundheitsmanagement nämlich genau so die notwendige Grundlage, wie sie der Unterweisung ohne vorherige Gefährdungsbeurteilung fehlen würde.
  • Zusammenfassung von Arbeitsplätzen: Das BAG verlangt eine konkrete Beurteilung von Arbeitsplätzen im Betrieb. Unternehmen, die bei Gefährdungsbeurteilungen dadurch Kosten sparen wollen, dass sie nur wenige Gruppen von Arbeitsplätzen mit vielen Mitarbeitern pro Gruppe beurteilen, weil aus ihrer Sicht gleichartige Arbeitsbedingungen bestehen (§ 5 Abs. 2 ArbSchG), müssen in den entsprechenden Unterweisungen auch einen größeren Bereich der Thematik der psychisch wirksamen Belastung abdecken. Werden beispielsweise alle “Büroarbeitsplätze” zusammengefasst, muss die Beurteilung den unterschiedlichen Belastungen an diesen Arbeitsplätzen gerecht werden. Der BAG-Beschluss hilft Betriebsräten, den Arbeitgeber dazu anzuregen, bei der Festlegung der “Gleichartigkeit” von Arbeitsplätzen nicht zu weit zu gehen.
  • Gesundheitsmanagement: Ohne Gefährdungsbeurteilung kann ein Unternehmen nicht legitim erklären, dass ein “betriebliches Gesundheitsmanagement” den Arbeitsschutz mit einschlösse. Es scheint gelegentlich so, dass falsch herum begonnen wird: Erst wird mit werbewirksamen Maßnahmen die Kür versucht, dann erst kommt die Pflicht der Gefährdungsbeurteilung, obwohl ohne sie keine Arbeitsschutzmaßnahmen definiert und umgesetzt werden können.
    • Kür: Der Schwerpunkt liegt hier oft bei der Verhaltensprävention. Die Verhältnisprävention ist dagegen Pflicht. Im Rahmen eines umfassenden betrieblichen Gesundheitsmanagements können generell Maßnahmen im Bereich der psychischen Belastung und Beanspruchung so definiert und umgesetzt werden, dass ein Unternehmen sogar werbewirksam behaupten kann, dass es “über die gesetzlichen Vorschriften hinaus” ginge.
    • Pflicht: Aber ohne mitbestimmt erstellte Gefährdungsbeurteilungen erfüllen die Maßnahmen des Gesundheitsmanagements die Vorschriften des Arbeitsschutzes (sowie der Bildschirmarbeitsverordnung, der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge, des Sozialgesetzbuches usw.) noch lange nicht! Eine solche Maßnahme ist beispielsweise die Schulung von Führungskräften zum Thema der psychischen Belastung und Beanspruchung. Nach dem BAG-Beschluss ist nun klar, dass solche Schulungen ohne vorhergehende Gefährdungsbeurteilungen die Vorschriften des Arbeitsschutzes nicht erfüllen können.
      Arbeitnehmervertreter müssen darauf achten, dass vor der Verhaltensprävention die vorgeschriebene Verhältnisprävention kommt. Ganz in diesem Sinn ist auch der BAG-Beschluss: Eine korrekte Gefährdungsbeurteilung beschreibt vor der Unterweisung den Zustand der Arbeitsbedingungen. Das hilft zu vermeiden, dass Unterweisungen über den Umgang mit “auffälligen” Mitarbeitern (Verhaltensprävention und -modifikation individueller Mitarbeiter) die eigentlich geforderten Unterweisungen zur Vermeidung (durch Verhältnisprävention) von arbeitsbedingten Fehlbelastungen verdrängen.

Einfach gesagt: In diesem Fall haben die Arbeitnehmervertreter nur insofern “verloren”, als dass einem Einspruch der Arbeitgeber stattgegeben wurde und nun die Arbeitnehmervertreter die Verfahrenskosten tragen müssen. (Ich vermute, dass hier eine Gewerkschaft geholfen hat.) Das war es wert, denn mit dem Beschluss des BAG können innovative Betriebsräte sehr gut leben.
 
Anmerkung: In http://blog.psybel.de/unterweisung/ ist die Qualität der Unterweisung Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung, hier folgt die Gefährdungsbeurteilung also der Unterweisung. Das macht bei einem schon laufenden und zyklischen Arbeitsschutzprozess Sinn. Auch kann es nötig sein, schon vor der Gefährdungsbeurteilung Schulungen durchzuführen, wenn Gegenstand der Schulung die Gestaltung, Durchführung und Zielsetzung der Gefährdungsbeurteilung ist.
Siehe auch: http://blog.psybel.de/arbeitsschutztraining-von-leitenden-angestellten/

Ohne Wissen kann niemand Verantwortung übernehmen

Unterrichtung & Unterweisung
http://www.ergo-online.de/site.aspx?url=html/organisation_arbeitsschutz/schulung_information/unterrichtung_unterweisung.htm
Regine Rundnagel

  • Unterweisungen informieren Beschäftigte über sicheres und gesundheitsgerechtes Verhalten am Arbeitsplatz.
  • Zu regelmäßigen Unterweisungen und Unterrichtungen über Gesundheits- und Sicherheitsgefahren am Arbeitsplatz sind Arbeitgeber verpflichtet.
  • Diese sollen vor Arbeitsaufnahme, mindestens einmal jährlich und bei Veränderungen der Arbeitsbedingungen stattfinden.
  • Unterweisungen müssen die jeweilige Gefahrensituation und die Qualifikation der Betroffenen berücksichtigen.
  • Sie sollen Aufklärung über Gefahren, Schutzmaßnahmen und vorbeugendes Verhalten beinhalten.
  • Leiharbeitnehmer/innen, Telearbeiter/innen und Freelancer müssen ebenfalls unterwiesen werden.
  • Auch zuverlässige und fachkundige Führungskräfte können unterweisen.
  • Unterweisungen gehören nicht zu den Mindesteinsatzzeiten der Fachkräfte für Arbeitssicherheit bzw. Betriebsärzte.

Ohne Wissen kann niemand Verantwortung übernehmen. Wenn Beschäftigte über die möglichen Gesundheits- und Sicherheitsgefahren an ihrem Arbeitsplatz Bescheid wissen und klar ist, was sie dagegen tun können, lässt sich vorbeugender Gesundheitsschutz im Betrieb verwirklichen. Dann können sie Eigenverantwortung für sicheres und gesundheitsgerechtes Verhalten während der Arbeit übernehmen. Sie können auf Mängel aufmerksam machen, sich aktiv an der Mitgestaltung der Arbeitsbedingungen beteiligen und damit verantwortliche Vorgesetzte unterstützen.

Inhalte und Gestaltung der Unterrichtung und Unterweisung

Wichtig für die Wirksamkeit ist das Umfeld, die Erwartungen und die Reaktionen der Führungskräfte. Eine Unterweisung kann erfolgreich sein, wenn die folgenden Anforderungen beachtet werden. 

  • Information über alle gesundheits- und sicherheitsrelevante Fragen des Arbeitsplatzes und des Aufgabenbereiches
    z.B. für Bildschirmarbeit die Bildschirmaufstellung, die ergonomische Einstellung des Stuhls und auch der Software bzw. zu körperlichen und zu psychischen Fragen.
  • praxis- und tätigkeitsbezogene und an die Aufgaben, den Arbeitsplatz und die speziellen Gefahren- und Belastungsmomente angepasste Informationen z.B. die Sensibilisierung über die Blendung am Bildschirm beispielhaft direkt am Arbeitsplatz.
  • Information über die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung und die daraus folgenden Maßnahmen zur Vermeidung oder Minderung von Gefährdungen und Belastungen, z.B. Sonnenschutzeinrichtungen.
  • Informationen zu den vorhandenen Betriebs- und Arbeitsanweisungen.
  • Informationen und Übungen zum individuellen gesundheitsfördernden Verhalten, z.B. ergonomisches Sitzen, Stressvermeidung.
  • Vorkenntnisse und Sprache sowie Grundsätze der Erwachsenenbildung müssen berücksichtigt werden, z.B. sind Informationen und praktische Übungen direkt an einem Beispielarbeitsplatz empfehlenswert, sowie Videos, Bildmaterial und Fachreferenten.
  • Durchführung in einer ungestörten, entspannten Lernatmosphäre.

Siehe auch: http://blog.psybel.de/unterweisung/

Dokumentation

http://www.ergo-online.de/site.aspx?url=html/gefaehrdungsbeurteilung/grundlagen_und_anforderungen/dokumentation.htm
Regine Rundnagel

  • Die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung ermöglicht dem Betrieb die Entwicklung und Steuerung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes.
  • Sie beinhaltet die Gefährdungsbeurteilung, die Verbesserungsmaßnahmen und die Ergebnisse der Überprüfung.
  • Zusammengefasste Angaben sind möglich, wenn Gefährdungssituationen gleichartig sind.
  • Auch alle Unfälle müssen dokumentiert werden.
  • Ausgenommen sind Betriebe mit 10 und weniger Beschäftigten.

Dokumentation ist immer sinnvoll

Verschiedene Gründe sprechen dafür, die Aktivitäten, Maßnahmen und Ereignisse im betrieblichen Arbeitsschutz zu dokumentieren:
Die Dokumentationspflicht ist ein grundlegender Bestandteil eines systematischen und geplanten Arbeits- und Gesundheitsschutzes im Betrieb. Sie soll zur Evaluierung, d.h. Überprüfung der Wirksamkeit von Maßnahmen geeignet sein.
Ohne Dokumentation der betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzaktivitäten lässt sich die Pflicht zur betrieblichen Selbstüberwachung nicht sinnvoll durchführen. Schriftliche Unterlagen sind daher unverzichtbar. …