Überlast anzeigen

https://www.boeckler.de/6299.htm?produkt=HBS-006442

Ausgewertet werden 24 Regelungen aus über 20 Jahren Vereinbarungspraxis. Quer durch unterschiedliche Branchen geht es um Umgangsweisen mit Überlastungs- bzw. Gefährdungsanzeigen. Welche Ursachen haben Überlastungssituationen? Wie wird die Interessenvertretung eingebunden? Wie gestaltet sich der rechtliche Rahmen? Die Anzeige von Überlastungen kann ein wichtiger Baustein des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes sein. Dieser gewinnt, nicht zuletzt angesichts ständig steigender Zahlen bei psychischen Belastungen, an Bedeutung. Beispiele zeigen die Bandbreite der betrieblichen Regelungen.

Dauerstress: Wenden Sie sich zuerst an den Betriebsrat

http://www.mittelstanddirekt.de/content/f0906-0/internet/website/home/versichern_und_vorsorgen/nachrichten/psychische-belastungen-arbeitsplatz.html

[…] TÜV-Empfehlung: Beratung durch den Betriebsarzt
Die TÜV-Arbeitsmediziner raten Arbeitnehmer andauernden psychischen Stress am Arbeitsplatz sowie Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch ernst zu nehmen und sich an ihren Arbeitgeber zu wenden. Dieser muss im Zuge seiner gesetzlichen Fürsorgepflicht für die Sicherheit und Gesundheit seiner Mitarbeiter sorgen und den Betriebsarzt verständigen. Den medizinischen Grund der Anfrage muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht offen legen. Der Betriebsarzt stellt im Rahmen einer Arbeitsplatz- und Gefährdungsbeurteilung sowie individuellen Untersuchung des Beschäftigten die Ursachen für eine psychische Belastung fest. Ziele der Beratung sind gezielte individuelle Lösungen zur Suchtprävention und Stressabbau. […]

Es gibt genug Fälle, in denen sich Mitarbeiter an den Arbeitgeber wenden und dann ein niedrigeres Einkommen “angeboten” bekommen. Ich rate fehlbelasteten Arbeitnehmern dringend, sich zuerst an den Betriebsrat zu wenden und zu besprechen, welche Prozesse zur Bearbeitung von Meldungen über fehlbelastenden Dauerstress zwischen dem Betriebsrat und der Betriebsleitung vereinbart worden sind.
Betriebsärzte können durchaus die richtige Adresse für solche Fehlbelastungsmeldungen sein, aber wenn es aus Sicht des Betriebsrates neben der individuellen Beratung durch den Betriebsarzt keinen ordentlichen und vorrangig verhältnispräventiven Arbeitsschutz mit einem mitbestimmten und auditierbaren Prozess für Gefährdungsbeurteilungen gibt, dann könnte das ein Zeichen sein, dass das Unternehmen Fehlbelastungen gleich von Anfang an den Mitarbeitern zuschreiben möchte.
Problematisch wird es natürlich, wenn auch der Betriebsrat keine Ahnung hat und keine ordentlichen Prozesse zur Bearbeitung von Fehlbelastungsmeldungen vereinbart wurden, denn wer bei Fehlbelastungen zu verständigen ist und wie solche Fälle bearbeitet werden, hat im Rahmen der Arbeitsschutzregeln in Betrieben mit Arbeitnehmervertretungen mitbestimmt entschieden zu werden. Zunächst geht es nicht um die fürsorgliche Belagerung von Arbeitnehmern, sondern um den Arbeitsschutz und um die Beurteilung der Arbeitsplätze möglicherweise fehlbelasteter Mitarbeiter.
Hinsichtlich der “individuellen Untersuchung des Beschäftigten” stellen der TÜV bzw. mittelstdanddirekt.de die Prioritäten des Arbeitsschutzes falsch dar. Im Arbeitsschutz ist ganz klar vorgeschrieben, dass individuelle Maßnahmen nachrangig zu allen anderen Schutzmaßnahmen sind. Warum verkehren der TÜV und mittelstanddirekt.de die Prioritäten? Inzwischen sollten sie es wirklich besser wissen: Zunächst sitzten bei der Beurteilung der Arbeitsplatz und die Arbeitsbedingungen auf der Couch und nicht die Arbeitnehmer.
Meine Empfehlung für einen ersten Besuch beim Betriebsarzt: Nehmen Sie ein Mitglied des Betriebsrats zu dem Gespräch mit. Wenn Betriebsärzte das mit Hinweis auf die Vertraulichkeit zwischen Arzt und Patient ablehnen wollen, dann weisen Sie darauf hin, dass Sie kein Patient sind. Da bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen persönliche Daten kein Thema sind, gibt es auch keine Vertraulichkeitsprobleme. Die Beurteilung von Arbeitsbedingungen ist kein Geheimnis.
Testen Sie, wie Betriebsärzte sich gegenüber dem Arbeitgeber verhalten: Vertrauen Sie keinen Betriebsärzten, die sich bei Mängeln in der Gefährdungsbeurteilung beim Arbeitgeber nicht für eine wahrheitsgemäße Gefährdungsbeurteilung einsetzen.

Fehlbelastungsmeldung: Der Betriebsrat hilft

Pressemeldung des TÜV (TÜV-Arbeitsmediziner vom Arbeitskreis Arbeitsmedizin beim Verband der TÜV e. V. (VdTÜV),
http://www.presseportal.de/pm/65031/2548073/psychische-belastungen-am-arbeitsplatz-nicht-warten-bis-es-zu-spaet-ist):

[…] Die TÜV-Arbeitsmediziner raten Arbeitnehmer andauernden psychischen Stress am Arbeitsplatz sowie Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch ernst zu nehmen und sich an ihren Arbeitgeber zu wenden, der im Zuge seiner gesetzlichen Fürsorgepflicht für die Sicherheit und Gesundheit seiner Mitarbeiter sorgen muss. Der Mitarbeiter sollte den Arbeitgeber beauftragen, den Betriebsarzt anzurufen. Den medizinischen Grund der Anfrage muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht offen legen. Der Betriebsarzt stellt im Rahmen einer Arbeitsplatz- und Gefährdungsbeurteilung sowie individuellen Untersuchung des Beschäftigten die Ursachen für eine psychische Belastung fest. Ziele der Beratung sind gezielte individuelle Lösungen zur Suchtprävention und Stressabbau. Generell sollte der Schutz vor psychischen Belastungen am Arbeitsplatz so selbstverständlich sein, wie der Schutz vor Lärm oder Chemikalien. Die TÜV- Arbeitsmediziner betonen, dass Betriebsärzte gegenüber den Arbeitgebern der Schweigepflicht unterliegen, sodass betroffene Mitarbeiter keine Konsequenzen zu befürchten haben. Die Kosten des Betriebsarztbesuchs hat der Arbeitgeber zu tragen.
Die Arbeitsmediziner der TÜV-Unternehmen kümmern sich in Betrieben und Organisationen um die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, unabhängig von der Berufsgruppe und Hierarchieebene. Sie beraten Arbeitnehmer individuell am Arbeitsplatz und -umfeld sowie Arbeitgeber im Rahmen ihrer gesetzlichen Führsorgepflichten in Bezug auf die Sicherheit der Mitarbeiter im Unternehmen. […]

So könnte es theoretisch laufen. Praktisch gibt es Betriebsärzte (und Arbeitsschutzverantwortliche), die den fehlenden Einbezug psychischer Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung und ihren Betrieben jahrelang nicht angesprochen haben.
Arbeitnehmer sollten sich also zunächst an den Betriebsrat wenden und dort besprechen, an wen sie sich wenden könnten. Wenn der Betriebsrat aber schon mit den Begriffen “Belastung”, “Fehlbelastung”, “Beanspruchung”, “Verhältnisprävention” und “Verhaltensprävention” nichts anfangen kann, dann wird er seinen Klienten nicht gut helfen können. Ein Warnsignal ist auch, wenn Betriebsräte nicht einmal sicherstellen können, dass ihre eigene Belastungssituation in der Gefährdungsbeurteilung zu ihren Arbeitsplätzen ordentlich beschrieben wird. Solche Betriebsräte verstehen nicht, welche Pflichten der Arbeitgeber jenen Mitarbeitern gegenüber hat, die im sehr konfliktbehafteten Bereich des Personalwesens arbeiten. Wie soll der Betriebsrat Andere schützen, wenn er sich selbst nicht schützen kann?
Wichtig: Der Betriebsrat sollte auch wichtige Prioritäten kennen, die das Arbeitsschutzgesetz festschreibt. Gemäß Arbeitsschutzgesetz gilt: Individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen. Zunächst muss der Arbeitgeber also versuchen, den Arbeitsplatz und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Diese Priorität wird in der Pressemeldung des TÜV nicht so recht deutlich.

Überlastungsanzeige

Wenn die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu gewährleisten, müssen sich die davon betroffenen Mitarbeiter zunächst an den Arbeitgeber wenden (siehe auch § 16 und § 17 ArbSchG). Das ist in der Praxis nicht immer leicht, weil Arbeitgeber, die das Arbeitsschutzgesetz nicht so ernst nehmen, dazu geneigt sein könnten, sich “fürsorglich” gleich den Mitarbeitern zuzuwenden anstelle pflichtgemäß erst einmal die Belastungssituation zu beurteilen. In Betrieben mit einer (kompetenten) Arbeitnehmervertretung kann es deswegen sicherer sein, sich zunächst an den Betriebsrat oder den Personalrat zu wenden.
Was hier noch stört, ist der Begriff “Überlastungsanzeige”. Überlastung ist negativ besetzt, und zwar oft in Bezug zu den betroffenen Mitarbeitern und nicht zum Arbeitsplatz. Allein der Begriff kann Arbeitnehmer schon davon abhalten, Gefährdungen oder Fehlbelastungen zu melden. Wer möchte schon eine Überlastung zugeben? (Und wie wird mit so einer Anzeige Unterlastung gemeldet?) Eine gute Arbeitnehmervertretung sorgt darum für einen Arbeitsschutzprozess, der Fehlbelastungsanzeigen (eventuell auch Gefährdungsanzeigen) regelt.
Ein von Betriebsr:aten verwendbares Formular für eine Anzeige könnte so aussehen:

Fehlbelastungsanzeige
Hiermit wird eine Belastung in der Kategorie psychische Belastungen gemeldet, die als mögliche Fehlbelastung in der Arbeitsplatzgruppe _________________ wirken könnte. Der Arbeitsschutzausschuss des Betriebsrates hält es deswegen für erforderlich, die Gefährdungsbeurteilung für diese Arbeitsplatzgruppe daraufhin zu überprüfen, ob die hiermit gemeldete Belastung eine Gefährdung der Sicherheit und Beeinträchtigung des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit darstellt.
Beschreibung der Belastung: ______________________ …
Diese Fehlbelastungsanzeige ist ein der Gefährdungsbeurteilung dienendes Dokument gemäß § 6 ArbSchG. Sollte diese Anzeige nicht als “Fehlbelastungsanzeige” erfasst und archiviert werden können, dann ist sie ersatzweise als “Überlastungsanzeige” zu erfassen und zu archivieren.

Fehlbelastungsmeldung

Stellen Sie als Mitarbeiter eine von ihrem Arbeitsplatz (oder von einer Kombination von Arbeitsplätzen und Arbeitsaufgaben) ausgehende Fehlbelastung fest, dann überprüfen Sie zunächst, ob diese Belastung in der zu ihrem Arbeitsplatz gehörenden Gefährdungsbeurteilung beschrieben worden ist.
Fehlt die Fehlbelastung in der Gefährdungsbeurteilung oder reichen die daraus abgeleiteten Maßnahmen und Unterweisungen zur Vermeidung oder Minderung der Fehlbelastung nicht aus, dann formulieren Sie Ihre Beschreibung des vermuteten oder festgestellten Gefährdungsrisikos am Besten zusammen mit dem Arbeitssicherheitsausschuss ihres Betriebsrates oder Personalrates als Fehlbelastungsmeldung an den Arbeitgeber. Dieser hat häufig einen Arbeitsschutzbeauftragten oder einen Arbeitssicherheitsbeauftragten mit der Bearbeitung solcher Meldungen beauftragt.
In der Meldung beschreiben Sie die von Ihnen vermutete oder festgestellte Fehlbelastung . (“Überlastung” ist hier ein eher problematischer Begriff.) In welcher Weise diese Belastung Sie persönlich beansprucht, brauchen Sie dem Arbeitgeber nicht zu beschreiben. Sie können das aber gegebenenfalls mit Ihrem Hausarzt und/oder Familienangehörigen besprechen und bei diesen Vertrauenspersonen eine Kopie der Fehlbelastungsmeldung hinterlegen.
Eine der Grundlagen Ihrer Fehlbelastungsmeldung ist das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG):

§ 17 Rechte der Beschäftigten
(1) Die Beschäftigten sind berechtigt, dem Arbeitgeber Vorschläge zu allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit zu machen. Für Beamtinnen und Beamte des Bundes ist § 125 des Bundesbeamtengesetzes anzuwenden. Entsprechendes Landesrecht bleibt unberührt.
(2) Sind Beschäftigte auf Grund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung, daß die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu gewährleisten, und hilft der Arbeitgeber darauf gerichteten Beschwerden von Beschäftigten nicht ab, können sich diese an die zuständige Behörde wenden. Hierdurch dürfen den Beschäftigten keine Nachteile entstehen. Die in Absatz 1 Satz 2 und 3 genannten Vorschriften sowie die Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung und des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages bleiben unberührt.

Gegebenfalls können Sie sogar verpflichtet sein, eine Fehlbelastung zu melden (§16 und § 15 ArbSchG).
Die Fehlbelastungsmeldung bzw. Fehlbelastungsanzeige muss der Arbeitgeber gemäß § 6 ArbSchG zu seinen Dokumenten nehmen. Auch die Auseinandersetzung mit der Meldung muss dokumentiert sein, insbesondere wenn ein Arbeitsschutzmanagementsystem z.B. nach OHSAS 18001 vorhanden ist. Besteht eine Arbeitnehmervertretung, muss die Analyse Ihrer Meldung mit dieser Arbeitnehmervertretung vereinbart worden sein. Der Arbeitgeber (z.B. der von ihm beauftragte Arbeitsschutzbeauftragte) kann eine Fehlbelastungsmeldung nicht nach eigenem Gusto als irrelevant einstufen.
Soweit die Theorie: In der wirklichen Welt könnte Arbeitgeber allerdings versucht sein, verschiedene Gesetze zu brechen und Fehlbelastungsanzeigen zu unterdrücken. Wenn Ihnen dann kein guter Betriebsrat helfen kann, brauchen Sie eventuell einen Rechtsanwalt.

§ 17 Rechte der Beschäftigten

(1) Die Beschäftigten sind berechtigt, dem Arbeitgeber Vorschläge zu allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit zu machen. Für Beamtinnen und Beamte des Bundes ist § 125 des Bundesbeamtengesetzes anzuwenden. Entsprechendes Landesrecht bleibt unberührt.
(2) Sind Beschäftigte auf Grund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung, daß die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu gewährleisten, und hilft der Arbeitgeber darauf gerichteten Beschwerden von Beschäftigten nicht ab, können sich diese an die zuständige Behörde wenden. Hierdurch dürfen den Beschäftigten keine Nachteile entstehen. Die in Absatz 1 Satz 2 und 3 genannten Vorschriften sowie die Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung und des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages bleiben unberührt.

So reagieren Sie richtig auf Überlastungsanzeigen

Hinweis der Firma WEKA für Führungskräfte im Altenpflegebereich, der aber auch für andere Arbeitsgebiete interessant ist.
http://www.rechtssicher-pflegen.com/newsletterarticle.asp?his=5100.5440.3799.6371&id=10768&year=2008
Sie auch Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Überlastungsanzeige