Sind Bildschirmarbeitsplätze gefährdet oder gefährlich?

http://www.tbs-nrw.de/cweb/cgi-bin-noauth/cache/VAL_BLOB/3550/3550/1439/fiko_3_2010_bildschirm_pruemper_vonHarten.pdf, Jochen Prümper; Gerd von Harten, 2010

Sind Bildschirmarbeitsplätze gefährdet oder gefährlich?
Seit fast 15 Jahren existiert die „Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bildschirmgeräten“; kurz: die Bildschirmarbeitsverordnung, oder noch kürzer: die BildscharbV. Auf dieser Grundlage müssen Arbeitsplätze einer Gefährdungsbeurteilung unterzogen werden. Dabei geht es nicht darum, ob die Arbeitsplätze gefährdet sind. Der Gesetzgeber ist vielmehr der Auffassung, dass von Bildschirmarbeitsplätzen eine besondere Gefährdung für die Gesundheit der Beschäftigten ausgehen kann – dass sie also gefährlich sein können. Aus diesem Grund haben „Arbeitgeber bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des Sehvermögens sowie körperlicher Probleme und psychischer Belastungen zu ermitteln und zu beurteilen“ (§ 3 BildscharbV). …

Stoiber-Kommission: Arbeitsschutz unter Beschuss

http://www.wiki-gute-arbeit.de/index.php/Die_europ%C3%A4ische_Arbeits-_und_Gesundheitsschutzpolitik.2#Die_Vorschl.C3.A4ge_der_Stoiber-Kommission

… Vor allem zwei EU-Richtlinien wurden einer Untersuchung unterzogen und Vorschläge zu deren Veränderung vorgelegt. Dies sind die Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz (89/391/EWG) und die so genannte Baustellenrichtlinie (92/57/EWG). Die Vorschläge treffen im Kern zentrale Aspekte des Arbeitsschutzes:

  • Für kleine Firmen soll die Dokumentationspflicht zur Risikobeurteilung suspendiert werden, was in der Konsequenz einen abgestuften Arbeitsschutz je nach Betriebsgröße bedeuten würde;
  • analog zum vorherigen Punkt soll die Verpflichtung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes für Baustellen mit geringen Risiken entfallen;
  • Ebenfalls eines von drei zentralen Dokumenten des Arbeitsschutzes für Baustellen, die Sicherheitsunterlagen (health and safety file), soll für Baustellen mit geringen Sicherheitsrisiken entfallen;
  • es soll eine Unterscheidung zwischen risikoreicheren Betrieben und risikoarmen eingeführt werden (wobei die irrige Aussage getroffen wird, kleine Firmen seien risikoärmer);
  • den Mitgliedsstaaten soll mehr Freiraum bei den Anforderungen bezüglich der Gefährdungsbeurteilung und der Dokumentationspflichten gegeben werden.

Unter Berufung auf eine im Januar 2009 durchgeführte Konsultation von Interessengruppen unterbreitet die HLG weitere Vorschläge auch zu anderen Rechtsbereichen. Unter anderem:

  • die Abschaffung eines Ruhezeitenregimes in der europäischen Arbeitszeitrichtlinie;
  • die Abschaffung oder Revidierung des Anhangs zur Bildschirmarbeitsverordnung mit ihren konkreten Vorgaben für die Gestaltung von Bildschirmarbeit;
  • völlig außer Acht lassend, dass EU-Richtlinien im Arbeitsschutz Mindestanforderungen formulieren, plädiert die HLG für eine „schlanke“ Umsetzung in nationales Recht;

Der EGB hat in einer ersten Stellungnahme seine Befürchtung zum Ausdruck gebracht, dass hiermit die Errungenschaften und die Grundstruktur des europäischen Arbeitsschutzes ausgehebelt werden sollen. In einem Brief an die Europäische Kommission hat die Arbeitnehmergruppe des Beratenden Ausschusses in Luxemburg unter anderem auf die absolute Unzulänglichkeit der Datenerhebung hingewiesen. Demnach sind 89 Prozent aller Kosten in Zusammenhang mit den betrieblichen Tätigkeiten rund um die Gefährdungsbeurteilung vermeidbare administrative Lasten. 3,78 Milliarden Euro könnten angeblich europaweit eingespart werden. Obwohl in dem Bericht der HLG in einer Bilanz der europäischen Arbeitsschutzpolitik für den Zeitraum 1995 bis 2004, also für den relevanten Zeitraum der Einführung der europäischen Rahmenrichtlinie, ein Rückgang der Arbeitsunfälle von 5 Millionen auf 3,9 Millionen ausgewiesen wird, findet sich keinerlei Betrachtung darüber, welches Leid und welche Kosten auf der individuellen, der betrieblichen und der gesellschaftlichen Ebene durch die vermuteten Kosten für die Gefährdungsbeurteilung vermieden wurden. …

(Links zu diesem Blog und Hervorhebungen nachträglich eingefügt)
Siehe auch: http://ec.europa.eu/enterprise/policies/smart-regulation/administrative-burdens/high-level-group/index_en.htm

Psychische Belastung und Beanspruchung im Arbeitsleben

http://www.diemer-ing.de/newsletter/2007-02/psychische_belastung_und_beanspruchung_im_arbeitsleben.html:

  • Warum befasst sich ein gesetzlicher Unfallversicherungsträger mit psychischer Belastung und Beanspruchung?
  • Was genau kann man unter psychischer Belastung und Beanspruchung verstehen?
  • Was sind konkrete Beispiele für psychische Belastungen am Arbeitsplatz?
  • Welche Möglichkeiten gibt es für die betriebliche Praxis?

 
… Die Gesetzgebung hat auf die verstärkt auftretende Gefährdung durch psychische Belastungsfaktoren reagiert. So thematisiert das Arbeitsschutzgesetz ausdrücklich psychische Faktoren. Und im siebten Buches zur Sozialgesetzgebung findet sich der sehr weit gefasste Präventionsauftrag an die gesetzlichen Unfallversicherungsträger, der ausdrücklich gebietet, “mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten.” …

 
Das Wort “psychisch” werden Sie im Arbeitsschutzgesetz nicht finden. Aber H. Diemer hat trotzdem recht, denn im § 5 des Arbeitsschutzgesetzes sind psychische Faktoren aufgelistet:

Beurteilung der Arbeitsbedingungen 
(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
(2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.
(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch

  1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
  2. physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
  3. die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
  4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
  5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten.

Im § 3 der Bildschirmarbeitsverordnung steht außerdem deutlich:

Beurteilung der Arbeitsbedingungen
Bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des Sehvermögens sowie körperlicher Probleme und psychischer Belastungen zu ermitteln und zu beurteilen.

All das ist mitbestimmt (Gestaltungsimperativ)!
Siehe auch: Gefährdungsbeurteilung

Gefährdungsbeurteilung: Frage an den Arbeitgeber

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, psychisch wirksame Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung mit einzubeziehen. Wenn es keine solchen Belastungen gibt, kann das ja in der Gefährdungsbeurteilung nachvollziehbar dokumentiert werden. Trotzdem gibt es bei vielen Unternehmen, in denen Arbeitnehmervertreter das Thema des Einbezugs psychisch wirksamer Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung aufgreifen, zähe Diskussionen um die Notwendigkeit eines solchen Einbezugs.
In Betrieben, in denen es viel Bildschirmarbeit gibt, kann es deswegen zur Vermeidung unnötiger Diskussionen pragmatisch sein, sich auf eine Vorschrift zu konzentrieren, in der der Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung ganz unmißverständlich vorgeschrieben ist: Stellen Sie die Frage an den Arbeitgeber, „wie bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich psychischer Belastungen ermittelt und beurteilt werden, sowie welche konkreten Prozesse und Beispiele es dazu im Betrieb gibt.”
Kann der Arbeitgeber das nicht erläutern, dann kann eine Missachtung der Arbeitsschutzbestimmungen vorliegen, also mindestens eine Ordnungswidrigkeit und eine Erhöhung seines Haftungsrisikos. Überrascht er jedoch den Betriebsrat mit einer Darstellung, dass psychisch wirksame Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung einbezogen seien, dann könnte er die Mitbestimmung der Arbeitnehmervertretung umgangen haben. Dann läge eine Straftat vor.

Gefährdungen und deren Beurteilung

In dem hier thematisierten Beschluss des BAG geht es um die Mitbestimmung zur “Gefährdungsbeurteilung im Sinne von § 5 ArbSchG und § 3 BildscharbV”.

§ 3 Beurteilung der Arbeitsbedingungen:
Bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des Sehvermögens sowie körperlicher Probleme und psychischer Belastungen zu ermitteln und zu beurteilen. 

Es geht also auch um den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz.
[Anmerkung (2016-01-12): Inzwischen wurde das Arbeitsschutzgesetz so überarbeitet, dass eine sich aus dem Arbeitsschutz ergebende Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz nicht mehr abgestritten werden kann. Im Jahr 2004 diente die BildscharbV noch einigen Betriebsräten als Hebel, da viele Arbeitgeber das Arbeitsschutzgesetz falsch “verstanden”. Die Inhalte der BildscharbV wurden inzwischen in die ArbStättV übernommen.]
Sind psychische Belastungen ein Thema des Arbeitsschutzes?
Schon aus dem hier beschriebenen Beschluss des BAG wird deutlich, dass das seit 1997 geltende Arbeitsschutzgesetz die Arbeitgeber zu Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz verpflichtet. Und das Bundesarbeitsministerium bestätigte im Jahr 2009, dass das Thema der psychischen Belastungen unabdingbarer Bestandteil des Arbeitsschutzes ist. Damit sind psychische Belastungen eine der Gefährdungskategorien des Arbeitsschutzes. Die Arbeitgeber sind seit 1996 verpflichtet, psychische Belastungen zu beurteilen und psychische Fehlbelastungen zu mindern. Die Mehrheit der Unternehmen ignoriert diese Pflicht. Das ist möglich, weil sie nicht ernsthaft beaufsichtigt werden.
Wann tritt eine Gefährdung am Arbeitsplatz ein?
„Eine Gefährdung, die gemäß § 4 Nr. 1 ArbSchG vermieden werden soll, tritt bereits dann
ein, wenn die Möglichkeit eines Schadens oder einer gesundheitlichen Beinträchtigung
ohne bestimmte Anforderungen an deren Ausmaß oder deren Eintrittswahrscheinlichkeit
besteht.“
(Bundestagsdrucksache zur Begründung zu § 4 des ArbSchG)
Was hat das Bundesarbeitsgericht am 8.6.2004 entschieden?
Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG) aus Sicht des BAG:
Am 8.6.2004 konkretisierte das Bundesarbeitsgericht die Anforderungen an die
Gefährdungsbeurteilung, wie sie im Arbeitsschutzgesetz vorgeschrieben ist:

  • „Das Mitbestimmungsrecht bei der Gefährdungsbeurteilung setzt nicht voraus, dass eine
    konkrete Gesundheitsgefahr bereits hinreichend bestimmbar wäre.“
  • „Zwar wird durch diese Beurteilung selbst die Arbeit noch nicht so gestaltet, dass
    Gesundheitsgefahren verhütet werden. Es werden vielmehr erste Gefährdungen
    ermittelt, denen ggf. durch entsprechende Maßahmen zu entgegnen ist.“
  • „… diese Beurteilung [ist] je nach Art der Tätigkeit vorzunehmen …“
    „Damit stellt sich bei der Gefährdungsbeurteilung zumindest die Frage, 

    • welche Tätigkeiten beurteilt werden sollen,
    • worin die mögliche Gefahr bei der Arbeit besteht,
    • woraus sie sich ergibt und
    • mit welchen Methoden und Verfahren das Vorliegen und der Grad einer solchen
      Gefährdungsbeurteilung festgestellt werden soll.“
  • Den Spruch einer Einigungsstelle rügt das BAG, weil er:
    „keine konkrete Regelung darüber [enthält], welche Arbeitsplätze auf welche möglichen
    Gefährdungsursachen hin untersucht werden sollen…“
    Es ist festzulegen
    „welche möglichen Belastungsfaktoren an welchen Arbeitsplätzen überprüft werden
    sollen“ und „an 

    • welchen Arbeitsplätzen
    • welche Gefährdungsursachen
    • anhand welcher Kriterien

    zu beurteilen sind.“

  • Der seit 1996 erweiterte Gestaltungspielraum des Arbeitgebers
    begründet das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates, und zwar gerade weil es für diesen Gestaltungsspielraum keine engen Vorgaben gibt. Das Mitbestimmungsrecht muss aber auch genutzt werden:
    „Das Mitbestimmungsrecht setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv
    besteht und wegen Fehlens einer zwingenden Vorgabe betriebliche Regelungen
    verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes
    zu erreichen.“
  • Der Betriebsrat hat mitzubestimmen, es besteht also eine unabdingbare Mitbestimmungspflicht!
    § 5 ArbSchG und § 3 Bildschirmarbeitsverordnung sind ausfüllungsbedürftige
    Rahmenvorschriften. Sie enthalten keine zwingenden Vorgaben, wie die
    Gefährdungsbeurteilung durchzuführen ist. Vielmehr lassen sie dem Arbeitgeber
    Handlungsspielräume bei der Umsetzung. … Hierbei hat der Betriebsrat nach § 87 Abs.
    1 Nr. 7 BetrVG
    mitzubestimmen.“


  1. Jens Gäbert, Mitbestimmung im Gesundheitsschutz, 2008
  2. BAG, 2004-06-08: Entscheidungen AZ 1 ABR 4/03 und AZ 1 ABR 13/03
    Siehe auch: http://blog.psybel.de/gefaehrdungsbeurteilung-und-unterweisung/
  3. Bundestagsdrucksachen zum Vorgang Nr. 13020347 der 13. Wahlperiode,
    „Gesetz zur Umsetzung der EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz und weiterer Arbeitsschutz-Richtlinien“


Siehe auch:

Mitbestimmung: Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung

Zusammengestellt und kommentiert von Wolfgang Schneider, Düsseldorf, 2004-08-20:
Mitbestimmung bei der Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz und der Bildschirmarbeitsverordnung sowie bei der Unterweisung nach dem Arbeitsschutzgesetz
zu den BAG-Entscheidungen AZ 1 ABR 4/03 und AZ 1 ABR 13/03 (2004-06-08)

Bildschirmarbeitsverordnung

Eine Arbeitnehmervertretung fragte eine Arbeitgeberin,

wie bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich psychischer Belastungen ermittelt und beurteilt werden, sowie welche konkreten Prozesse und Beispiele es dazu im Betrieb gibt.

Es geht längst nicht mehr nur um technische Parameter wie Bildschirmaufösingen, Bildwiederholfrequenzen, Bildschirmdiagonalen usw., sondern generell um die von Benutzerschnittstellen ausgehend auf Menschen wirkende Risiken, physische und psychische Schäden zu erleiden:

§ 3 Beurteilung der Arbeitsbedingungen:
Bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des Sehvermögens sowie körperlicher Probleme und psychischer Belastungen zu ermitteln und zu beurteilen. 

Diese Bestimmung ermöglicht es, in Unternehmen mit Bildschirmarbeitsplätzen in einfacher Weise zu überprüfen, ob sie sich an die Regeln des Arbeitsschutzes halten. Anhand der Bildschirmarbeitsverordnung lässt sich konkret feststellen, welche Einstellung eine Arbeitgeberin zum Arbeitsschutz hat. Das betrifft nicht nur Bildschirmarbeitsplätze.
Gibt es keine Beurteilung psychischer Belastungen, begeht die Arbeitgeberin zunächst eine Ordnungswiedrigkeit. Wird in ihren Gefährdungsbeurteilungen sogar behauptet, dass die Bildschirmarbeitsverordnung eingehalten werde, obwohl es keine mitbestimmt geregelten Beurteilungen psychischer Belastungen gibt, könnte eine vorsätzliche Falschdarstellung in der Gefährdungsbeurteilung vorliegen.
Es ergäbe sich dann die Frage, wie sorgfältig die Gewerbeaufsicht Betriebe überprüft, in denen solche Falschdarstellungen in die Gefährdungsbeurteilung eingetragen werden können.
Natürlich ist es in einem solchen Fall auch möglich, dass Arbeitnehmervertretungen ihre in § 80 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes vorgegebene Pflicht missachtet haben, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften durchgeführt werden. Zudem könnte die Arbeitnehmervertretung § 89 des Betriebsverfassungsgesetzes missachtet haben.
Vor Allem hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften mitzubestimmen. Er darf es also nicht der Arbeitgeberin überlassen, sich schnell einmal einen Gefährdungsbeurteilungsprozess auszudenken, denn es gibt keine gesetzlichen Regelungen zur konkreten Gestaltung der Gefährdungsbeurteilung und zur Umsetzung der Bildschirmarbeitsverordnung im Betrieb.
Wie “nett” darf die Arbeitnehmervertretung sein? Weil es kein Mitbestimmungsrecht gibt, sondern eine Mitbestimmungspflicht, kann es sich die Arbeitnehmervertretung nicht entgegenkommenderweise aussuchen, ob sie fehlende oder sogar unrichtige Gefährdungsbeurteilung toleriert, sondern sie hat die Arbeitgeberin notfalls zur Pflichterfüllung zu zwingen, wenn sie im Arbeitsschutz Gefährdungen nicht oder dokumentiert oder falsche Angaben macht. Eine fehlende oder sogar nicht wahrheitsgemäße Beurteilung von Gefährdungen in der Dokumentation des Arbeitsschutzes (§ 6 des Arbeitsschutzgesetzes) erhöht selbst schon das Gefährdungsrisiko.
Also an die Arbeit, liebe Arbeitnehmervertreter!
Übrigens, nicht ernst genommen wird gerne auch der Anhang zur Bildschirmarbeitsverordnung. Auszug:

„Die Grundsätze der Ergonomie sind insbesondere auf die Verarbeitung von Informationen durch den Menschen anzuwenden.

  • Bei Entwicklung, Auswahl, Erwerb und Änderung von Software sowie bei der Gestaltung der Tätigkeit an Bildschirmgeräten hat der Arbeitgeber den folgenden Grundsätzen insbesondere im Hinblick auf die Benutzerfreundlichkeit Rechnung zu tragen:
    • Die Software muß an die auszuführende Aufgabe angepaßt sein.
    • Die Systeme müssen den Benutzern Angaben über die jeweiligen Dialogabläufe unmittelbar oder auf Verlangen machen.
    • Die Systeme müssen den Benutzern die Beeinflussung der jeweiligen Dialogabläufe ermöglichen sowie eventuelle Fehler bei der Handhabung beschreiben und deren Beseitigung mit begrenztem Arbeitsaufwand erlauben.
    • Die Software muß entsprechend den Kenntnissen und Erfahrungen der Benutzer im Hinblick auf die auszuführende Aufgabe angepaßt werden können.
  • Ohne Wissen der Benutzer darf keine Vorrichtung zur qualitativen oder quantitativen Kontrolle verwendet werden.“

Siehe auch: http://www.ergonomie-leitfaden.de/verordnung.htm
Die Wichtigkeit der Bildschirmarbeitsverordnung ist vielleicht einer der Gründe für den Versuch der “Stoiber-Kommission”, dieses wertvolle Instrument des Arbeitsschutzes auf europäischer Ebene zu schwächen.
Die Frage der Arbeitnehmervertretung an die Arbeitgeberin ganz am Anfang des Blog-Artikels ist noch offen. Was meinen Sie: Ist es möglich, dass die Arbeitgeberin keine Antwort gab, aber in der Gefährdungsbeurteilung für die Arbeitsplätze vieler Mitarbeiter behauptete, dass die Bildschirmarbeitsverordnung eingehalten werde? Lagen Belege vor, dass bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich psychischer Belastungen ermittelt und beurteilt werden, sowie konkreten Prozesse und Beispiele dazu im Betrieb dokumentiert sind? Glauben Sie, dass die Gewerbeaufsicht das geprüft hat?
 
Siehe auch: