Tödliches Abwiegeln

http://www.tagesschau.de/ausland/costaconcordia234.html

“Concordia”-Crew wiegelte in Telefonat mit Küstenwache ab
Lügen, die vermutlich Menschenleben kosteten
Nach der “Concordia”-Havarie ist ein weiteres Telefonat veröffentlicht worden – und das macht viele sprachlos. Denn obwohl der Maschinenraum bereits geflutet war, wiegelte die Crew ab: Es gebe einen Stromausfall. …

Bei komplexeren Vorgängen brechen die Lügengebäude nicht so schnell zusammen, wie bei der “Concordia”-Havarie. Was für ein Glück für die Täter. Wirtschaftskapitäne und ihre Crews haben dank der Komplexität der Wirkzusammenhänge offensichtlich einen Vorteil, die Opfer und ihre Familien einen Nachteil.
Es gibt aber eine Gemeinsamkeit zwischen der Havarie und dem jahrelangen Verschleiß von Mitarbeitern: Die Kapitäne sichern sich zuerst ein Rettungsboot.

Seehofer sagt wieder etwas zur Rente mit 67

Die Nachricht ist: Viel Lärm um wenig Neues.
http://www.csu.de/seehofer/aktuell/meldungen/172111241.htm

Im Interview mit der BamS hat der CSU-Parteivorsitzende Horst Seehofer deutlich gemacht, dass eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre die richtige Antwort auf die demographische Entwicklung in Deutschland ist. Seehofer erklärte, dass die Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer über 50 in Deutschland spürbar verbessert werden müssten. Sonst werde die Verlängerung der Lebensarbeitszeit zur faktischen Rentenkürzung. Das bisher Erreichte genüge da nicht und “mit mir ist eine massenhafte Rentenkürzung nicht zu machen”, so der CSU-Chef.

Soweit die professionelle Sprachregelung der CSU. Der BamS sagte Seehofer:

Die Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer über 50 in Deutschland müssen spürbar verbessert werden! Sonst wird die Verlängerung der Lebensarbeitszeit zur faktischen Rentenkürzung.

Das bisher Erreichte genügt da nicht. Wenn sich das nicht ändert, werden wir über diese Frage eine breite öffentliche Debatte führen müssen. Mit mir ist eine massenhafte Rentenkürzung nicht zu machen.

Ernsthaft? Wer hätte das gedacht!
Murmeltiertag. Seehofer sagte Ähnliches nicht nur schon im Oktober 2010, sondern fast jeder wusste das schon seit langer Zeit. Woher dann die Aufregung? Aber genau darum ging’s dem Seehofer Horst.
Siehe auch: BSG, Beschluss vom 23. 8. 2005 – B 4 RA 28/03 R (Lexetius.com/2005,3433)

Von der Leyen kündigt Kampagne an

http://www.rp-online.de/politik/deutschland/von-der-leyen-plant-kampagne-gegen-burn-out-1.2652967
Wie auch die Saarbrückener Zeitung meldet, plant Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen eine breit angelegte Kampagne zur Bekämpfung psychischer Überbelastungen in der Arbeitswelt. Mit den Tarifpartnern, Sozialversicherungsträgern sowie Länderexperten wolle sie im kommenden Jahr “wirksame Maßnahmen” gegen diese Probleme entwickeln, kündigte von der Leyen der Zeitung zufolge an.
Strengere Gesetze seien, so die Zeitung, nach Ansicht von der Leyens nicht nötig.

Schon jetzt gebe es strenge Arbeitsschutzbestimmungen auch mit Blick auf seelische Belastungen.
Studien zeigten aber, “dass sieben von zehn Unternehmen das Thema schleifen lassen – meist aus Unwissenheit oder Hilflosigkeit“. Daher müsse man besser informieren und Lösungswege aufzeigen. Dies solle die von ihr geplante “breit angelegte Kampagne” erreichen.

(Link und Hervorhebung nachträglich eingefügt)
Hier stimmt fast alles, vielleicht auch die “Hilflosigkeit”. (Gibt es erlernte Hilflosigkeit auch bei Organisationen?) Aber die “Unwissenheit” wurde von zu vielen Arbeitgebern geradezu proaktiv gepflegt. Mitarbeiter und Betriebsräte, die auf das Thema aufmerksam machten, wurden unter Druck gesetzt. Dokumentiert wird die Absichtlichkeit des Unwissens der Arbeitgeber einfach dadurch, dass die Gewerkschaften das Thema schon vor Jahren aufgriffen. Das ist gut dokumentiert. Die Arbeitgeber wussten, was sie taten und was sie unterließen: Tausendmal diskutiert, und doch ist nichts passiert.
Sehr gut ist, dass die Arbeitsministerin strengere Gesetze nicht für nötig hält. Strengere Gesetze wären meiner Ansicht nach sogar schädlich. Aber Arbeitgeber, die ohne einen ausreichenden Arbeitsschutz die Gesundheit ihrer Mitarbeiter riskieren, müssen leichte in Haftung genommen werden können.
Woran wir uns wieder gewöhnen müssen, ist ein Rechtsstaat, in dem Unternehmen geltene Schutzgesetze zu beachten haben und in dem Aufsichtbehörden diese Schutzgesetzen durchsetzen können und dürfen. Dabei gibt es häufig noch ein Problem: Manche Arbeitgeber schaffen es gerade noch, Betriebsräte “einzubeziehen”, das Wort “Mitbestimmung” fehlt dann häufig sogar schon in ihrem Vokabular. Das behindert die Umsetzung der als Rahmenbestimmungen formulierten Regeln des Arbeitsschutzes. Betriebsräte bestimmen mit. Es herrscht sogar Mitbestimmungspflicht! Es geht also nicht nur um mehr Respekt vor Schutzgesetzen, sondern auch um das Betriebsverfassungsgesetz und um die Förderung der Betriebsräte beim Aufbau der für ihre Aufgaben erforderlichen Kompetenzen.
Komplettes Interview: http://www.bmas.de/DE/Service/Presse/Interviews/interview-vdl-saarbruecker-zeitung-2011_12_27.html
 
Anmerkung: In der Süddeutschen Zeitung wurde im Oktober eine vermeintlich hysterische Verwendung des Begriffes “Burn-out” kritisiert. Die nüchtern geschriebene Meldung der Saarbrückener Zeitung gaben die Süddeutschen unter dem Titel “Von der Leyen plant Burn-out-Gipfel” wieder.

Jeder zweite geht in Frührente

http://www.google.de/search?q=2010+Jeder-zweite-geht-in-Frührente
Die Süddeutsche Zeitung fasste es heute zusammen: 2010 gingen 674000 Versicherte erstmals in die Altersrente. 47,5 Prozent der Versicherten wurde also die Rente gekürzt, weil sie sich vor Erreichen der Regelaltersgrenze zur Ruhe setzten. Im Jahr 2005 waren es noch 41,2 Prozent, im Jahr 2000 nur 14,5 Prozent.
Währenddessen wird in irgendeinem Paralleluniversum von Rente mit 67 gesprochen.

Jede zweite Frührente psychisch bedingt

Techniker Krankenkasse: http://m.tk.de/tk/hessen/pressemitteilungen-2012/pressemitteilungen-2011/405442

Deutlicher Anstieg der psychisch bedingten Frührenten in Hessen
Frankfurt am Main, 7. Dezember 2011
Im vergangenen Jahr sind in Hessen 5.806 Menschen, davon 2.625 Männer und 3.181 Frauen, aufgrund psychischer Probleme vorzeitig aus dem Berufsleben ausgeschieden. Das sind 14 Prozent mehr als im Vorjahr und sogar über 38 Prozent mehr als noch im Jahr 2008. Nach Angaben der Techniker Krankenkasse (TK) ist mittlerweile fast jede zweite Frührente psychisch bedingt.
Dr. Barbara Voß, Leiterin der TK-Landesvertretung in Hessen, bezweifelt, dass die Betroffenen durch Frühberentungen entlastet werden. “Viele Menschen finden in ihrer Arbeit Halt und Bestätigung. Wird ihnen diese genommen, kann die psychische Belastung sogar zunehmen.” Anstatt Menschen frühzeitig in Rente zu schicken, wäre es laut Voß wichtiger, rechtzeitig einem belastenden Arbeitsumfeld und dessen gesundheitlichen Folgen wie Burnout oder Sucht entgegenzuwirken. Die TK unterstützt Unternehmen bei solchen Projekten. “Auch ist es wichtig, psychische Erkrankungen im Unternehmen nicht zu tabuisieren und über die individuellen psychosozialen Beanspruchungen am Arbeitsplatz zu sprechen”, so Voß.
Rund elf Prozent der psychisch bedingten Frührenten werden laut TK an Menschen gezahlt, die wegen ihrer Abhängigkeit von Alkohol, Medikamenten oder Drogen nicht mehr arbeiten können. In Hessen waren davon im vergangenen Jahr 642 Menschen betroffen. Drei Viertel davon sind Männer.

(Link nachträglich eingetragen)

Abschreckende Gesundheitspolitik

http://www.bild.de/geld/wirtschaft/praxisgebuehr/kostet-jeder-arztbesuch-bald-5-euro-21487608.bild.html
Nach Ansicht dieser sechs vermutlich kaum Praxisgebühren zahlenden Leute schrecken die derzeitigen Praxisgebühren nicht genügend vor “unnötigen” Praxisbesuchen ab:

Ob deren Äußerungen redlich oder unredlich sind, kann man daran prüfen, wie deutlich die Sechs sich für Abschreckungsmaßnahmen einsetzen, die es Unternehmen etwas schwerer machen, die Regeln des ganzheitlichen Arbeitsschutzes zu ignorieren. Würde den Arbeitgebern die seit 1996 nachhaltig tolerierte Missachtung ihrer Pflichten etwas wirksamer erschwert, dann gäbe es wohl auch weniger unnötige Arztbesuche.
Von der Techniker Krankenkasse gibt es immerhin sehr gute Veröffentlichungen. Aber die nun wirklich einmal fällige Feststellung, dass jahrelang zugelassene Pflichtverletzungen zur den Kosten im Gesundheitswesen beitragen und die Unternehmen offensichtlich nicht genügend Strafen dafür zahlen müssen, habe ich noch von keiner Krankenkasse gehört.
Unter den Politikern mit Regierungsverantwortung ist mir kürzlich Christine Haderthauer (CSU) positiv aufgefallen. Mal sehen, ob in Bayern nun tatsächlich die angekündigten “Burnout-Detektive” die Unternehmen proaktiver und gründlicher kontrollieren.

Das Präventionsgesetz gibt es bereits

http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=48252

Bahr: Kein Präventionsgesetz – Gesundheitsförderung lässt sich dennoch regeln
Berlin – Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat sich auf dem Kongress „Unternehmen unternehmen Gesundheit 2011“ erneut gegen ein Präventionsgesetz ausgesprochen, um die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) zu unterstützen. Damit erteilte er dem in der vergangenen Legislaturperiode erarbeiteten Entwurf der SPD-Fraktion zu einem Präventionsgesetz erneut eine Absage. …

Hier hat Bahr recht. Nicht Gesetze fehlen, sondern der Wille, sie umzusetzen. Das Präventionsgesetz gibt es bereits: Das Arbeitsschutzgesetz. Schade, das Bahr nicht darauf hinwies. Zusammen mit dem Betriebsverfassungsgesetz und vielen anderen Vorschriften könnten Betriebsärzte, Arbeitssicherheitsfachleute, Arbeitnehmervertreter und die Aufsichtsbehörden eine gute Prävention sicherstellen – wenn man sie ließe. In den Ländern, in denen die SPD regiert, soll sie erst einmal zeigen, wie bestehende Gesetze endlich besser durchgesetzt werden.

Burnout, ein Wort des Tages

http://wortschatz.uni-leipzig.de/wort-des-tages/2011/11/27/Burnout.html

 
Ein bisschen mehr:

http://wortschatz.uni-leipzig.de/cgi-bin/wort_www?site=23&Wort_id=5865087&Wort=Burnout&stpw=5&verweise=4&kanz=144

Das Wort kommt natürlich auch noch an ein paar anderen Tagen vor.
Die Grafiken zeigen, wie das Wort im Alltag gebraucht wird.
https://psybel.snrk.de/depression-und-burn-out/ zeigt, wie man das Wort gut gebraucht.

Jobfit Petition

http://job-fit.net/index.php/petition

… Die Bundesrepublik Deutschland braucht leistungsfähige Arbeitnehmer, um sich im globalen Wettbewerb zu behaupten. Trotzdem lassen wir es zu, dass viele Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden – aufgrund von Erkrankungen, die durch einfache Präventionsmaßnahmen vermeidbar wären. Dabei zeigt die Erfolgsgeschichte des klassischen Arbeitsschutzes, wie effektiv Prävention hier Abhilfe schaffen kann. Die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) und der Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW) möchten ihre Erfahrung und Expertise mit in diese Diskussion einbringen. …

Die Petitionsaktion ist schon ganz in Ordnung. Sie lenkt aber auch von der Tatsache ab, dass es den Präventionsansatz schon seit 1996 gibt. Es ist die Mehrheit der Arbeitgeber, die sich dagegen gesperrt hat. Und jetzt tun sie so, als hätten sie die Prävention erfunden.
Darauf nehmen wir zur Beruhigung einen Kräuterzucker und denken an mutigere Stellungnahmen der Betriebsärzte: http://blog.psybel.de/2009/08/10/position-von-betriebsaerzten-und-gewerkschaft/. Vielleicht ging das aber schon zu weit, denn im Gegensatz zum gewöhnlichen Rechtsbrecher muss man bei Unternehmen vorsichtig sein, dass man sie nicht mit Kritik verärgert. Wir leben heute eben in einer Edel-Anarchie, in der Unternehmen sich erst dann freundlicherweise an die Vorschriften halten, wenn man sie von wirtschaftlichen Vorteilen überzeugt. Und so setzen dann auch viele Betriebsärzte auf den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit. Dass es nicht in Ordnung ist, Menschen durch Fehlbelastungen zu verletzen, reicht heute als Argument wohl nicht mehr aus.

Zielvereinbarungen verfehlen ihr Ziel

http://www.leistungskultur.eu/

Die SAAMAN Studie aus diesem Jahr liefert zu Zielvereinbarungen ziemlich ernüchternde Erkenntnisse. Auf einen Nenner gebracht: Das Management-Tool Zielvereinbarung verfehlt sein Ziel. Das aus der Nachkriegszeit stammende Führungsinstrument (Peter Drucker, 1955) passt in keinster Weise zu den Herausforderungen, die vor uns liegen.
Wenn nicht Zielvereinbarungen, was dann, um Mitarbeiter zu bewegen, ihr Bestes zu geben?
Darauf gibt der Vortrag Wieso Zielvereinbarungen nicht zielführend sind am 23. November 2011 in Frankfurt oder 24. November 2011 in Berlin Antwort.
Als Redner werden in Frankfurt Dr. Wolfgang Saaman, Gründer und Vorsitzender der Unternehmensberatung SAAMAN AG, und in Berlin Markus Zimmermann, Vorstandsmitglied der SAAMAN AG, im Rahmen der DGFP Reihe “Treffpunkt Regionalstelle” wirkungsvolle Alternativen vorstellen.
Lassen Sie sich anregen, wie Sie den heutigen und zukünftigen Herausforderungen durch immer schlechtere Planbarkeit und veränderte Ansprüche an Unternehmensführung besser begegnen können, anstatt auf ein in die Jahre gekommenes Tool zu setzen.

Hierzu gibt es noch diesen Artikel: http://blog.psybel.de/zielvereinbarungen-nicht-zielfuehrend/