Rente mit 69

Schöne Aussichten:

  • Die Wirtschaftsweisen fordern eine Rente mit 68 und später mit 69. Sie wollen also Rentenkürzung.
  • Ex-Gesundheitsminister Rösler ist nun Wirtschaftsminister und meint, die Leute blieben länger gesund.
  • Die Krankenkassen berichten von einer Zunahme der psychischen Erkrankungen.
  • Der seit 1996 vorgeschriebene ganzheitliche Arbeitsschutz (mit Einbezug psychischer Arbeitsbelastungen) wird
  • Die Politiker sehen der Missachtung des Arbeitsschutzes seit vielen Jahren billigend zu.

Zwischen Arbeitsanfall und Pflegefall bleibt da wohl nicht mehr arg viel Zeit.
Siehe auch: http://www.focus.de/finanzen/altersvorsorge/sozialversicherung-wirtschaftsweise-fuer-rente-mit-68_aid_628605.html

Unerhört!

Süddeutsche Zeitung 2011-05-13:

Nun hat sich auch der neue Gesundheitsminister [Daniel Bahr] eingemischt und die Krankenkassen, die eine Übernahme von Versicherten aus der pleitegegangenen City BKK verweigern, scharf gerügt. “Dieses Vorgehen der Krankenkassen ist unerhört, und dieses Vorgehen ist rechtswidrig”, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums am Freitag in Berlin. Die Versicherten der City BKK hätten das Recht, ihre künftige Krankenkasse frei zu wählen.

Daniel Bahr bereitete bisher die Politik Philipp Röslers vor, nun kann er sie als Gesundheitsminister selbst machen. Seine Empörung über rechtswidriges Vorgehen ist aber unangebracht, denn sein eigenes Ministerium marginalisiert doch auch die Gesetze und die Rechtsprechung.
Beispiel: Die Mehrheit der deutschen Unternehmen setzt die Vorschriften des ganzheitlichen Arbeitsschutzes schon seit vielen Jahren einfach nicht um. Das Bundesgesundheitsministerium kommt aber in seinen Empfehlungen nicht auf die Idee, diesem rechtswidrigen Verhalten vieler Arbeitgeber wenigstens mit ordentlicher Aufklärung zu begegnen. Zitat (mit von mir eingefügten Erweiterungen und Korrekturen):

Die Betriebliche Gesundheitsförderung umfasst Maßnahmen, die auf das Verhalten von Menschen ausgerichtet sind (Verhaltensprävention) und Maßnahmen, die [auf die] Arbeitsbedingungen analysieren [ausgerichtet sind] (Verhältnisprävention). [Dabei beginnt die Verhältnisprävention mit der Analyse von Gefährdungen durch mögliche physische und psychische Fehlbelastungen.] Oftmals ist eine klare Trennung in der Praxis nicht möglich und auch nicht sinnvoll, da die Bereiche sich gegenseitig beeinflussen. [Hinsichtlich der Vorschriften des Arbeitsschutzes hat jedoch die Verhältnisprävention Vorrang vor der Verhaltensprävention: Der Arbeitsschutz fragt nicht nach “auffälligen” Mitarbeitern, sondern nach auffälligen Arbeitsplätzen!]
So verursachen z.B. Über- und Unterforderung von Beschäftigten Stress und Demotivation. Um diese Auswirkungen zu vermeiden sind neben Kursen zur Stressbewältigung auch Änderungen der Arbeitsbedingungen notwendig [können neben notwendigen Änderungen der Arbeitsbedingungen (vorgeschriebene Verhältnisprävention) beispielsweise auch Kurse zur Stressbewältigung angeboten werden (zusätzliche Verhaltensprävention)]. Nachfolgend sind mögliche Maßnahmen beispielhaft dargestellt:

Kategorie Verhaltensorientierte Maßnahmen Verhältnisorientierte Maßnahmen
Ganzheitlicher Arbeitsschutz Kurse der Gewerbeaufsicht für Firmenleitungen

Kurse der Gewerbeaufsicht für Betriebs- und Personalräte:

Klare Information der Aufsichtsorgane im Internet an Arbeitnehmer

Befolgung der Arbeitsschutzvorschriften und der Mitbestimmung beim Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz, z.B.:

Ernährung Ernährungskurse, Ernährungsberatung gesunde Kantinenkost
Bewegung/Ergonomie Rückenkurse, Walking gesundheitsfördernde Arbeitsplatzgestaltung
Stressbewältigung Kurse zur Entspannung, Stressmanagement, Weiterbildung gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung
Suchtprävention Kurse zur Tabakentwöhnung, Hilfs- und Beratungsangebote Rauchfreier Betrieb, Verbesserung des Betriebsklimas (Mobbing, Mitarbeiterführung)
Organisationsgestaltung   Etablierung von Gesundheitszirkeln, bauliche Maßnahmen zur Gesundheitsförderung
Arbeitsgestaltung   Arbeitsplatzwechsel, flexible Arbeitszeiten
Unternehmenskultur   Leitbild, transparente Kommunikation, Führungskompetenz, Mitbestimmung
Aufsicht   Ausreichende Ausstattung der Berufsgenossenschaften und Gewerbeaufsichten, damit Aufsichtspersonen wirklich ernsthaft prüfen können.

(Quelle: Bundesgesundheitsministerium. Da die Tabelle unvollständig ist, habe ich noch zwei Tabellenzeilen und ein Wort nachträglich hinzugefügt.)
Die folgende Behauptung im Web-Auftritt des Ministeriums ist schlicht falsch:

Die Betriebliche Gesundheitsförderung umfasst Maßnahmen, die auf das Verhalten von Menschen ausgerichtet sind (Verhaltensprävention) und Maßnahmen, die Arbeitsbedingungen analysieren (Verhältnisprävention).

Prävention (welcher Art auch immer) kann sich sich natürlich nicht nur auf die Analyse beschränken, sondern die Analyse ist nur ein Teil der Maßnahmen der Verhältnisprävention! Sie ist der erste Schritt für weitere Maßnahmen. Vergessen hat das BMG die Maßnahmenfestlegung, die Implementierung der Maßnahmen, die Wirksamkeitskontrolle der Implementierung sowie die all das begleitende Dokumentation und Unterweisung.
Eigentlich gehe ich davon aus, dass im Bundesgesundheitsministerium sowohl der Umfang der Verhältnisprävention wie auch der Vorrang der Verhältnisprävention vor der Verhaltensprävention bekannt sein sollte. Dann wäre dem Ministerium hier kein Fehler unterlaufen, sondern es würde Desinformation verbreiten, mit dem Ziel der Marginalisierung der Vorschriften und der Rechtsprechung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz. Eine Alternative zu meiner Unterstellung ist Unwissen im Ministerium, zumindest bei der Überprüfung eines vielleicht von externen Beratern geschriebenen Textes. Das wäre aber auch keine gute Entschuldigung.
Zwar ist auf Bundesebene das Bundesministerium für Arbeit und Soziales für den Arbeitsschutz zuständig; wenn jedoch das Bundesministerium für Gesundheit Gesundheitsthemen in der Arbeitswelt aufgreift, dann sollte auch dieses Ministerium die Gelegenheit nutzen, seit 1996 nun wirklich nicht mehr unabsichtlich übersehene Pflichten der Arbeitgeber im Arbeitsschutz darzustellen. Es wäre allerdings ein Vorurteil, jetzt bei einem FDP-geführten Ministerium libertäre Nachsicht gegenüber unternehmerischen Pflichtverletzungen zu vermuten, denn bereits seit 1996 haben fast alle Parteien die Verwirklichung des ganzheitlichen Arbeitsschutzes vernachlässigt. Da die Bürger einen großen Teil ihres Lebens in der Arbeitswelt verbringen, ist der Arbeitsschutz jedoch keine unwichtige Nebensache.
 
Siehe auch: http://blog.psybel.de/2011/03/07/arbeitsschutz-in-bg/

Wenn Arbeit krank macht

Wenn Arbeit krank macht
Süddeutsche Zeitung, 2010-08-13, Seite 4
Gut beobachtet: Arbeitgeber vernachlässigen einerseits den Gesundheitsschutz im Bereich der psychischen Belastungen, versuchen aber andererseits, sich von den steigenden Krankenversicherungskosten abzukoppeln:

… Die Vorbehalte [der Firmen] gegenüber guter Prävention zeigen auch wieder, dass die Pläne von Gesundheitsminister Philipp Rösler falsch sind, den Arbeitgeberanteil am Krankenkassenbeitrag einzufrieren. Damit würden künftig die Arbeitnehmer alleine dafür zahlen, dass Firmen durch schlechte Vorsorge die Gesundheit ihrer Belegschaft gefährden.

TAZ, 2011-05-11:

… Nun wird der Mann, der abseits von Polittalkshows und Parlamentsdebatten wenig bekannt ist, auch offiziell einer der mächtigsten Politiker des Landes: Er soll Rösler im Amt des Bundesgesundheitsministers folgen.
[Daniel] Bahr gilt ohnehin als Mann hinter den Reformen des Ministers. Als Experte für die zähen Debatten mit Pharmafirmen und Krankenkassen, als Mann für die entscheidenden Details.

Siehe auch: Vorzeitiger unfreiwilliger Ruhestand, 2011-10-17

Liebe Ministerin für Arbeit und Soziales…

An die Bundesministerin für Arbeit und Soziales
 
Sehr geehrte Frau Dr. Ursula von der Leyen,
Seit 1996 haben Arbeitgeber die psychische Belastung am Arbeitsplatz in den ganzheitlichen Arbeitsschutz einzubeziehen. Trotzdem missachtet die Mehrheit der Unternehmen in Deutschland die Vorschriften des Arbeitsschutzes.
Als Bundesministerin für Arbeit und Soziales (und auch als Ärztin) haben Sie auf Bundesebene die Verantwortung für den Arbeitsschutz. Sie mögen nun auf die Zuständigkeit der BAuA und der Landesbehörden verweisen wollen, die sehr gutes Informationsmaterial zur Verfügung stellen. Aber offensichtlich dient die Arbeit dieser Organe nicht der Durchsetzung des ganzheitlichen Arbeitsschutzes.
In den Gewerbeaufsichten und in den Berufsgenossenschaften gibt es Aufsichtspersonen, die besser prüfen würden, wenn sie den Rückhalt und die Ressourcen dafür hätten. Beispielsweise ist es ziemlich einfach, sich in den Betrieben zeigen zu lassen, wie die psychisch wirksame Arbeitsbelastung in die Gefährdungsbeurteilungen einbezogen werden. Mängel sind hier klar zu erkennen. Verbesserungsmaßnahmen können entsprechend eingefordert werden. Das muss jetzt dringend geschehen, und zwar flächendeckend. Es ist seit 1996 schon zu viel Zeit verloren gegangen.
Wann wird es aus aus Ihrer Sicht soweit sein, dass Unternehmen die Regeln des ganzheitlichen Arbeitsschutz beachten und insbesondere der Verhältnisprävention Vorrang vor der Verhaltensprävention geben? Denn der Arbeitsschutz fragt nicht nach “auffälligen” Mitarbeitern, sondern nach auffälligen Arbeitsplätzen.
Mit freundlichen Grüßen
Götz Kluge
 
PS aus einem Kommentar auf Seite 4 in der SZ 2010-08-03, der an ihren Kollegen (auch ein Arzt) gerichtet ist:

… Die Vorbehalte [der Firmen] gegenüber guter Prävention zeigen auch wieder, dass die Pläne von Gesundheitsminister Philipp Rösler falsch sind, den Arbeitgeberanteil am Krankenkassenbeitrag einzufrieren. Damit würden künftig die Arbeitnehmer alleine dafür zahlen, dass Firmen durch schlechte Vorsorge die Gesundheit ihrer Belegschaft gefährden.

(Link nachträglich eingefügt)

Gerd Hoofe, BMAS

http://www.psykl.med.tum.de/index.php?option=com_content&task=view&id=53&Itemid=37 und
http://www.bmas.de/portal/49270/2010__11__22__kongress__psych__erkrankung.html

Großes Interesse am dritten bundesweiten Kongress “Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz”

In seinem Grußwort erklärte Gerd Hoofe, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales [BMAS]: „Eine innovative und mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur kann nicht per Gesetz verordnet werden. Prävention ist und bleibt der beste Gesundheitsschutz und wirkt am effektivsten, wenn sie systematisch wahrgenommen wird. Deshalb unterstützt das BMAS im Rahmen der Initiative Neue Qualität der Arbeit [INQA] die Entwicklung und Verbreitung von Erkenntnissen, Instrumenten und Gestaltungslösungen für gesundheitsgerechte Arbeitsbedingungen und liegt damit voll auf der Linie der Europäischen Kommission.“

(Abkürzungen in eckigen Klammern und Hervorhebungen nicht im Originaltext)
Gert Hoofes Partei (CDU) schreckt nicht davor zurück, bei der Verteidigung ihrer Vorstellung von christlich-abendländischer Kultur die Gesetzgebung durchaus zu bemühen. Bei Unternehmenskultur fehlt dann der Eifer. Außerdem gibt der Staatssekretär ganz unnötige Ratschläge. Es geht nicht darum, “eine innovative und mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur per Gesetz zu verordnen”, sondern es geht darum, dass sich in einem Rechtsstaat auch Unternehmen an bestehende Schutzvorschriften zu halten haben. Wenn es wirklich wollte, könnte das BMAS viel entschiedener dafür sorgen, dass die Vorschriften des Arbeitsschutzes endlich respektiert werden. Es engagiert sich ja auch tüchtig bei anderen Überwachungsaufgaben.
Die große Mehrheit der Unternehmen missachtet die Vorschriften des Arbeitsschutzes. Das ist einfach nachprüfbar. Klar kann man den Arbeitsschutz nicht verordnen, wenn sogar ein Staatssekretär den Unternehmen die Missachtung grundlegender Pflichten durchgehen lässt. Wer die Verantwortung des BMAS für die schwache Überwachung der Unternehmen durch die Gewerbeaufsicht verstehen will, sollte die Ressourcen für die politisch ausgebremsten Gewerbeaufsichtler einmal mit dem Apparat vergleichen, mit dem Sozialhilfeempfänger bis in ihr Liebesleben hinein kontrolliert werden.
Die INQA leistet hervorragende Arbeit, die aber von den Gewerbeaufsichten nicht ausreichend unterstützt werden kann. Ohne die Durchsetzung des Arbeitsschutzrechtes kann die INQA nicht viel weiterkommen. Der nachhaltige Widerstand vieler Arbeitgeber gegen den Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz seit 1996 (bzw. spätestens seit den BAG-Beschlüssen im Jahr 2004) sollte auch Gerd Hoofe klargemacht haben, dass die guten Argumente der BAuA und der INQA in den Betriebsleitungen kaum jemanden interessieren.
Siehe auch: http://www.google.de/search?q=Gerd-Hoofe+psychische-belastung
 


Wenn Ihnen meine Unternehmerschelte zu pauschal ist: Ich bin dankbar für jeden Hinweis, mit dem ich meine leider immer noch recht knappe Positivliste ergänzen kann.

Anständiger Querkopf

Auch wenn es schwerer wird, haben wir immer noch die Wahl, unsere Illusionen zu China zu begraben. Dafür brauchen wir unbequeme Leute wie Hans-Olaf Henkel (Deutsche Welle, www.dw-world.de/dw/article/0,,6501110,00.html, 2011-04-12):

Hans-Olaf Henkel hat Vertreter aus Politik und Wirtschaft aufgefordert, sich für die Freilassung Ai Weiweis einzusetzen. Auf Reaktionen von Seiten der Wirtschaft wartet er bislang vergeblich. Das ist für den langjährigen Amnesty-International-Unterstützer Henkel nicht nur enttäuschend, sondern auch kurzsichtig. Im Gespräch mit der Deutschen Welle betont er nachdrücklich seine Erfahrung. “Das Eintreten für die Menschenrechte – auch vor Ort – im klaren, richtigen Ton schadet der deutschen Wirtschaft nicht.”

Hoffen wir, dass Henkel durchhält. Es gibt hier leider auch schlechte Beispiele: So verstummte Rupert Murdochs Chinakritik, damit er Zugang zum Satelliten-Fernsehen in China bekommen konnte.
Aus eigener Erfahrung in China kann ich sagen, dass es durchaus psychisch belastend sein kann, mit jemandem Geschäfte zu machen, von dem ich mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen muss, dass er den chinesischen Despotismus für seine Karriere zumindest als Mitläufer unterstützt hatte. Ein Ansatz wie der von Henkel kann hier beiden Seiten helfen, Geschäfte mit mehr Anstand zu machen.

Jahrhundert der Bescheidenheit

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-66208553.html (2009-07-27):

SPIEGEL-GESPRÄCH
Jahrhundert der Bescheidenheit
Von Mahler, Armin und Sauga, Michael
Der frühere sächsische CDU-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, 79, über die schwierige Rettung der Banken, die Grenzen des Wachstums und die Möglichkeit einer schwarz-grünen Koalition nach der nächsten Bundestagswahl im Herbst

 
http://www.gasteig.de/veranstaltungen-und-tickets/veranstaltungen/vortrag-mit-kurt-biedenkopf.html,v9540 (Vortrag in München, Gasteig):

Kurt Biedenkopf:
»Brauchen wir ein Jahrhundert der Bescheidenheit?«
Vortrag
Do, 2.6.2011 / 20:00 Uhr / Black Box
€ 10,–; erm. € 5,–

Gerechte Rentenpolitik

32. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
19. – 21. November 2010, Freiburg, Messe
http://www.gruene-partei.de/cms/default/dok/361/361242.dringlichkeitsantrag_fuer_eine_gerechte.htm

… Unter den heutigen Arbeitsbedingungen ist es für viele Menschen kaum vorstellbar bis zum 65. Lebensjahr zu arbeiten, geschweige denn bis sie 67 Jahre alt sind. Arbeit macht viele Menschen krank, zunehmend mehr auch durch die Zunahme von Stress und psychischer Belastung am Arbeitsplatz. Deswegen sind bessere Arbeitsbedingungen für alle eine unverzichtbare Voraussetzung um länger arbeiten zu können. Wir sehen, dass viele ArbeitnehmerInnen heute nicht bis zum Erreichen der Altersgrenze arbeiten können. So ist für viele die Erhöhung der Altersgrenzen nichts anderes als ein weiteres Absenken der Rente.
Wir wollen verhindern, dass die Anhebung der Regelaltersgrenze eine Rentenkürzung durch die Hintertür wird. Dazu müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Menschen auch länger arbeiten können. Das heißt konkret: mehr alters- und alternsgerechte Arbeitsplätze, eine präventive Gesundheitspolitik und Schaffung von „guter Arbeit“. Man kann Fachkräftemangel nicht immer durch eine Verlängerung der Arbeitszeit entgegenwirken. …

Zum Versuch der Arbeitgeber, sich von den von ihnen mitverursachten Krankheitskosten abzukoppeln, siehe auch diesen Kommentar in der Süddeutschen Zeitung: http://blog.psybel.de/2011/05/11/wenn-arbeit-krank-macht/

Konferenz über Arbeitnehmer ohne Arbeitnehmervertreter?

http://bmg.bund.de/praevention/betriebliche-gesundheitsfoerderung/seelische-gesundheit/gesundheit-und-wohlbefinden-am-arbeitsplatz.html
Aus dem Hintergrundpapier zur EU-Konferenz “Förderung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz” am 3. März 2011:

Bei der Organisation ansetzende Aktivitäten sind erforderlich, um Gesundheitsrisiken besser bestimmen und in bestimmte Maßnahmen invertieren zu können, z.B. in eine Verbesserung der Arbeitsplatzkultur und der Kommunikation sowie Möglichkeiten für Rückmeldungen, eine bessere Mitarbeiterführung, leichter zu bewältigende Arbeitslast, flexiblere Arbeitsregelungen und Aufstiegsmöglichkeiten.
Solche Maßnahmen können auch auf Einzelpersonen ausgerichtet sein, um die Belastbarkeit und Fähigkeit zur Bewältigung stressiger Siruationen zu stärken. Auch Mitarbeiter müssen Verantwortung für den Erhalt ihrer Gesundheit übernehmen. Sie können mit den Arbeitgebern bei der Entwicklung eines für die psychische Gesundheit förderlichen Arbeitsumfeldes partnerschaftlich zusammenarbeiten.

Das Agenda-Setting der Wirtschaftsverbände funktioniert. Der Trick ist, das Richtige zu sagen, dabei aber die Prioritäten zu verschieben. Im Arbeitsschutz haben an der Einzelperson ansetzende Maßnahmen die niedrigste Priorität. Die Verantwortung liegt beim Arbeitgeber. Klar sichtbar ist heute aber, dass Arbeitgeber sich schlicht nicht an die Arbeitsschutzvorschriften halten. Anstelle hier anzusetzen, fällt das Ministerium den Aufsichtsbehörden in den Rücken, die es ohnehin schon schwer haben, den Arbeitgebern den Vorrang der Verhältnisprävention vor der Verhaltensprävention klarzumachen.
Geradezu eine Frechheit ist es, wenn das BMG Mitarbeiter auffordert, Verantwortung für den Erhalt ihrer Gesundheit zu übernehmen, indem sie mit den Arbeitgebern bei der Entwicklung eines für die psychische Gesundheit förderlichen Arbeitsumfeldes partnerschaftlich zusammenarbeiten. Die Mitarbeiter (Betriebsräte, Personalräte, Gewerkschaften) sind hier schon seit langem die treibende Kraft und brauchen keine Ratschläge von ihnen hinterherhinkenden Ministerien, die duldend zusehen, wie die Schutzrechte der Arbeitnehmer missachtet werden. Der Minister hat außerdem möglicherweise Schwierigkeiten, das Wort “Mitbestimmung” zu benutzen. Die Ergebnisse aktueller Forschungsprojekte zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung (aus einem Bericht für BAuA/GRAziL) sehen immer noch so aus:

  1. Fehlende Handlungsbereitschaft: Unternehmen greifen ohne die Impulsgebung durch Gewerkschaften, Betriebsräte bzw. Arbeitsschutzbehörden (vereinzelt) das Thema “Psychische Belastungen” als Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung (GB) i. d. R. nicht auf.
  2. Geringe Handlungskompetenz: Weder bei betrieblichen noch bei überbetrieblichen Arbeitsschutzakteuren ist in der Breite eine ausreichende Kompetenz zum Umgang mit dem Thema “Psychische Belastungen” vorhanden.
  3. Schwierige Kooperation: Von Betriebsrat, Arbeitgeber und betrieblichen Arbeitsschutzakteuren bei der GB zu psychischen Belastungen bzw. unzureichende Abstimmung der Akteure untereinander.

Mehr dazu: http://blog.psybel.de/2011/02/03/ganzheitlicher-arbeitsschutz-nur-bei-16prozent-der-betriebe/
Aus der Pressemeldung: Dem Teilnehmerkreis gehören u.a. Regierungsvertreter, Unternehmensvertreter, Verbände der Sozialpartner und Institutionen der sozialen Sicherheit an. Ist “Gewerkschaften” jetzt ein Unwort? Wird hier über Arbeitnehmer gesprochen, anstatt mit ihnen zu sprechen?

FDP: Prävention bei Arbeitsabläufen und durch psychische Stärkung

http://www.liberale.de/Roesler-will-Gesundheitsvorsorge-staerken/6336c10989i1p69/index.html:

FDP | Gesundheitspolitik
Rösler will Gesundheitsvorsorge stärken
Wer auf seine Gesundheit achtet, kann vielen Krankheiten vorbeugen.
(01.11.2010) Durch eine gute Vorsorge lassen sich viele Krankheiten vermeiden und Milliarden Euro an Gesundheitsausgaben sparen. Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) plant deshalb eine neue Präventionsstrategie. Mit der Honorarreform 2011 will er dafür sorgen, dass niedergelassene Ärzte besser für Gespräche mit den Patienten entlohnt werden. Außerdem soll die Prävention am Arbeitsplatz – auch was die psychische Belastung angeht – verbessert werden, sagte Rösler der Nachrichtenagentur „dpa“.
Rösler will mit seiner Präventionsstrategie nicht nur die Menschen erreichen, die ohnehin schon auf ihre Gesundheit achten, sondern auch diejenigen, die sich bisher gar nicht oder zu wenig mit Vorsorge beschäftigen. „Die Menschen sollen gar nicht erst krank werden“, so der Gesundheitsminister. „Dafür wollen wir einen Bewusstseinswandel anstoßen, dem dann auch eine Verhaltensänderung folgen soll.“
Den besten flächendeckenden Zugang zu den Menschen haben nach Ansicht Röslers die niedergelassenen Ärzte. Er will daher mit der Honorarreform 2011 dafür sorgen, dass die „sprechende Medizin“ besser entlohnt wird. Bisher hätten Ärzte kaum Anreize, im Gespräch mit ihren Patienten Prävention zu bestärken. Um die Gesundheitsvorsorge zu verbessern brauche es kein neues Präventionsgesetz, „wohl aber eine schlüssige Präventionsstrategie“.
Philipp Rösler Die zweite Säule seiner Initiative sei eine stärkere betriebliche Prävention, so Rösler. Besonders den großen psychischen Krankheiten wie Depression oder Burnout-Syndrom will der gelernte Mediziner entgegentreten. „So wichtig regelmäßige Rückenübungen, eine gute Belüftung und ein effektiver Lärmschutz ist: Es geht bei Prävention eben auch um ganz andere Sachen wie Arbeitsabläufe und psychische Stärkung.“ Hier stärker aktiv zu werden sei das Ziel für 2011, kündigte Rösler an.

(Hervorhebungen nachträglich eingefügt)