Hobbypsychologisch beratene Personaler

Aktuelles Beispiel: Eine (in diesem Artikel nicht namentlich benannte) Beratung für “Personaler” gab kürzlich Tipps, wie ein Vorgesetzter mit einem von Burn-out betroffenen Mitarbeiter umgehen soll. Da beginnt schon das Problem: Es gibt “Burn-out” nicht einmal als Diagnose. Es geht hier häufig um Erschöpfungsdepressionen.
Die Fehlberatung für “Personaler: empfiehlt, dass mit dem Mitarbeiter ein Coaching, eine Kur oder therapeutische Behandlung vereinbart werden soll. Der Mitarbeiter soll überzeugt werden, dass der Betriebsarzt oder ein externer Arzt bzw. Therapeut ihm aus seinem Erschöpfungszustand heraushelfen kann. Dem Mitarbeiter soll zwar einerseits nicht das Gefühl gegeben werden, dass er wegen seiner jüngsten Leistungsschwäche um seinen Arbeitsplatz fürchten muss, aber zur Sicherheit empfehle es sich andererseits, alle Leistungsveränderungen des Mitarbeiters für arbeitsrechtliche Konsequenzen zu dokumentieren.
Für “Personaler” scheint es aus der Sicht dieser Beratungsfirma nicht nötig zu sein, über möglicherweise auch beim Unternehmen liegende Gründe für fehlbelastete Mitarbeiter nachzudenken. Der Beratungsdienst erzählt seinen E-Mal-Abonnenten nur, was sie ohnehin bereits als Hobbypsychologen mit ihren Mitarbeitern machen würden. Für den Personaler-Berater sind die Gefährdungsbeurteilung und der Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz vermutlich ein Thema, von dem er meint, dass seine Klienten darüber nichts hören wollen.
Mitarbeiter müssen damit rechnen, dass die für sie zuständigen “Personaler” von ihnen eine hohe Bereitschaft zur Introspektion und Selbstkritik erwarten, aber einer transparenten Beurteilung der Arbeitsverhältnise im Unternehmen versuchen sie unter Missachtung der Arbeitsschutzvorschriften auszuweichen. Darum sollten sich Mitarbeiter, die vom Arbeitgeber fehlbelastet werden und bei denen der Arbeitgeber seine Pflicht zum Einbezug der psychischen Belastung in den Arbeitsschutz missachtet (oder überhaupt nicht kennen will), zunächst an den Betriebsrat wenden (wenn der genug Kompetenz entwickelt hat) oder sich extern beraten lassen, z.B. von einem Dienst der kirchlichen Betriebsseelsorge oder von der Gewerkschaft, bei der sie Mitglied sind. Im Bereich des Umgangs mit psychischer Arbeitsbelastung haben die Gewerkschaften inzwischen nämlich viel Kompetentenz aufgebaut.
Sind Sie ein möglicherweise fehlbelasteter Mitarbeiter, dann achten Sie darauf, dass ihr Arzt arbeitsmedizinische Kenntnisse hat und ihr Therapeut versteht, einen mangelhaften Arbeitsschutz bei Ihrem Arbeitgeber zu erkennen und in Ihrer Patientenakte zu dokumentieren. Möglicherweise ist sogar Ihre Krankenkasse auf Ihrer Seite: Wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen durch die Vernachlässigung des Arbeitsschutzes eine Körperverletzung zufügt hat und diese Vernachlässigung gut dokumentiert ist, dann kann die Kasse Ihren Arbeitgeber für daraus resultierende Behandlungskosten in die Haftung nehmen.

Suche nach einem Psychotherapeuten häufig vergeblich

http://www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/suche-nach-e.html

… Hintergrund: Der Bedarf an psychotherapeutischen Behandlungsplätzen ist in den vergangenen Jahrzehnten nachweislich gestiegen und steigt weiter. Die Menschen leiden heute weit häufiger unter psychosozialen Belastungen als früher. Psychische Krankheiten beginnen früher und verlaufen häufiger chronisch als lange Zeit angenommen. Während Arbeitnehmer immer seltener aufgrund körperlicher Erkrankungen arbeitsunfähig sind, steigt die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz. Nach der Auswertung von Daten der Krankenkassen für 2010 durch die BPtK gehen inzwischen rund zwölf Prozent aller Fehltage von Arbeitnehmern auf psychische Erkrankungen zurück. Ein ausreichendes Angebot an Psychotherapie wäre hilfreich. Psychotherapie ist als wirksame Behandlungsmethode allein oder in Kombination mit Pharmakotherapie nach evidenzbasierten Leitlinien und Patientenpräferenzen das Mittel der Wahl. …

www.irrsinnig-menschlich.de

http://www.irrsinnig-menschlich.de/html/fakten___zahlen.html#Oekonomie

… Gesundheitsökonomische Aspekte
Fast zehn Prozent der Fehltage bei den aktiv Berufstätigen haben mit seelischen Gesundheitsproblemen zu tun. Am stärksten betroffen sind junge Frauen und Männer zwischen 15 und 34 Jahren! (DAK-Report 2005; Gutachten des „Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen“)
Frühverrentungen:
Schizophrenie und Depressionen zählen zu den zehn häufigsten Gründen für eine Frühverrentung bei Männern; bei Frauen stehen Depressionen an erster Stelle.
Im Vergleich zum Jahr 2000 stieg die Anzahl der Rentenanträge wegen Depressionen bei Männern um 23 Prozent, die Anzahl der Anträge aufgrund von Schizophrenie um 41 Prozent.
Im Jahr 2002 wurden über 7600 Frauen aufgrund von Depressionen zu Frührentnerinnen, 37 Prozent mehr als noch vor zwei Jahren.
Die wirtschaftlichen Kosten psychischer Gesundheitsprobleme belaufen sich schätzungsweise auf 3 bis 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. …

Psychoseprävention

http://www.asu-arbeitsmedizin.com/gentner.dll?AID=315291&MID=30010&UID=7F91E79C1232A0AD225BE52FF53944C60141E4BF5E22FC15

In den letzten 10 Jahren entstanden eine Reihe von Früherkennungszentren, spezialisiert auf das Erkennen von Frühformen psychotischer Erkrankungen. Deren, in Studien als prädiktiv erkannte Kriterien sollen hier vorgestellt werden, sowie eine Checkliste ERIraos Early Recognition Inventory, erarbeitet von dem Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim und dem FETZ Köln (www.fetz.org) i. R. des Kompetenznetz Schizophrenie für ein erstes Screening, welche über www.asu-praxis.de heruntergeladen werden kann.

In der PDF-Datei, die über die Webseite zu erreichen ist, ist auch von “Erfassung von berufsbedingten Stressoren” die Rede. Das ist nicht ganz richtig, denn die “Checkliste ERIraos Early Recognition Inventory” erfragt (“Fühlen Sie sich phasenweise von anderen ganz besonders beobachtet, verfolgt oder bedroht? Versucht irgendjemand, Ihnen absichtlich Schaden zuzufügen?”) mögliche Stressfolgen bei Individuen und scheint damit eher der Verhaltensprävention (z.B. Früherkennung schizophrener Psychosen) zu dienen, als der Verhältnisprävention.
Verhaltensprävention ist aber nicht die Aufgabe von Arbeitgebern; zumindest muss der Schwerpunkt des Gesundheitsmanagements auf der Verhältnisprävention liegen. Bevor (wenn überhaupt) solche Checklisten in einem Unternehmen eingesetzt werden, muss zuvor im ganzheitlichen Arbeitsschutz ein gute Prozess der Verhältnisprävention mitbestimmt implementiert worden sein, bevor man sich an die Verhaltensprävention heranwagt.
Wie ein ordentliches Verfahren zur Verhältnisprävention aussieht (dass nicht Stressfolgen, sondern wirklich Stressoren erfasst), wird am Beispiel des ISTA deutlich. Am individuellen Mitarbeiter verhaltensorientiert ansetzende Psychoseprävention kann eine von Arbeitgebern freiwillig unterstützte Leistung an die Mitarbeiter sein. Aber davor haben die Arbeitgeber mit Verhaltensprävention jene Fehlbelastungen an der Quelle zu erkennen und zu bekämpfen, die psychoreaktiv zum Entstehen von Psychosen beitragen können. Individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen.
Gibt es in einem Unternehmen keinen ganzheitlichen Arbeitsschutz mit Gefährdungsbeurteilungen, in die die von den Arbeitsbedingungen ausgehenden psychisch wirksamen Belastungen (von den Arbeitnehmern mitbestimmt einbezogen) zur Verhältnisprävention wurden, dann fehlt eine wichtige Voraussetzung für das Vertrauen der Mitarbeiter in Maßnahmen zur Verhaltensprävention. Hier müssen Arbeitnehmervertretungen sehr aufmerksam hinsehen, damit die Persönlichkeit der Mitarbeiter geschützt und ihre Rechtsposition gegenüber dem Arbeitgeber nicht geschwächt wird.
Ein Weg zur von Arbeitgebern geförderten Verhaltensprävention, dem Arbeitnehmervertreter zustimmen können, ist die Nutzung von Dienstleistungen bei Ärzten und Kliniken, mit denen Arbeitgeber einen entsprechenden Dienstleistungsvertrag abschließen und an die sich Mitarbeiter wenden können, ohne dass der Arbeitgeber davon weiß. Soweit mir bekannt ist, gibt es dass beispielsweise bei Daimler.

Wenn Sachargumente nicht mehr helfen

http://www.wirtschaftspsychologie-aktuell.de/Material_4_2003/62.pdf

Arbeit & Gesundheit
2003/62 Wirtschaftspsychologie aktuell
Arbeitsschutz oder neue Qualität der Arbeit?
Von Thomas Webers
… Da nutzt es natürlich wenig zu klagen, Unternehmer hätten nicht verstanden, dass sie nach dem Grundgesetz eine soziale Verantwortung tragen und über das Arbeitsschutzgesetz dazu verpflichtet sind, auf dem Niveau der arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse und dem des Standes der Technik für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigen Sorge zu tragen. Lebenslanges Lernen
Was wäre, wenn man „Arbeitsschutz“ nun einmal anders denken würde? Stärker präventiv ausgerichtet? Dann könnte man durchaus zu der Sichtweise kommen, dass man mit der bislang angewandten „arbeitspädagogischen Philosophie“ im Arbeits- und Gesundheitsschutz (erhobener Zeigefinger, zur Not der Rohrstock) allein nicht weiter kommt. …

So ist es. Nur zu klagen nützt nicht, aber es kann helfen, den Rohrstock wenigstens im Köcher zu haben.
Thomas Webers schrieb seinen sehr lesenswerten Artikel im Jahr 2003. Der erforderliche Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz ist aber seit dem kaum weitergekommen, obwohl die Aufsichtsorgane bisher so große Zurückhaltung zeigten, wenn nicht gar Schüchternheit. Ich glaube, dass vielen Arbeitgebern die anstehenden Veränderungen zu sehr ans Eingemachte gehen (s. Perry Jordan). Sie wollen sich trotz guter Sachargumente einfach nicht an die ihnen lästigen Vorschriften halten, denn der ganzheitliche Arbeitsschutz macht (wo er funktioniert) so manches traditionelle “Führungsinstrument” sichtbar, dessen Anwendung nicht so gute Personaler (die gibt es eben auch) niemals offen zugeben würden. Das genaue Hinsehen, das der ganzheitliche Arbeitsschutz erzwingt, ist für schlechte Unternehmensführungen natürlich besonders beängstigend.
Die Praxis zeigt jetzt klar, dass zumindest der Einstieg in den ganzheitlichen Arbeitsschutz ohne Nutzung von Rechtsmitteln meistens nicht funktioniert. 1996 liegt jetzt lange genug zurück in der Vergangenheit, um sich an den ganzheitlichen Arbeitsschutz gewöhnt haben zu können. Bei Unternehmen, die ihn heute immer noch missachten, halfen und helfen Sachargumente also offensichtlich nicht weiter. Denn so wenig, wie Sachargumente Steuerzahlungen sicherstellen, so wenig helfen Sachargumente dem Arbeitsschutz. Steuerflüchtlinge haben kein schlechtes Gewissen, wenn sie den aus ihrer Sicht weniger erfolgreichen Menschen “ihr” Geld vorenthalten, und wer den ganzheitlichen Arbeitsschutz vernachlässigt, hat kein schlechtes Gewissen, “Minderleister” durch Krankheit zu verlieren. Schließlich tragen Mitarbeiter ja Eigenverantwortung für ihre Gesundheit. Außerdem ist für viele Arbeitgeber die Mitbestimmung im Arbeits- und Gesundheitsschutz ein Graus. Wenn noch mehr Arbeitnehmervertretungen aufwachen, dräut der Untergang des Abendlandes. Fazit: Gegen solche Einstellungen hilft nur eine nachhaltige Aufsicht.
Zu den anständigen Unternehmern: Das Beste, was passieren kann, ist, dass nach einem wie auch immer erreichten Einstieg in den ganzheitlichen Arbeitsschutz der Unternehmer souverän die Initiative übernimmt. Souverän ist ein Arbeitgeber, wenn er den an Verhältnisprävention ausgerichteten Arbeitsschutz ohne Ablenkungsmanöver in sein Gesundheitsmanagement integriert, also der Gefährdungsbeurteilung und der Mitbestimmung eine hohe Bedeutung beimisst. Dann kann so ein Unternehmen zum Maßstab für Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden. Souveräne Arbeitgeber (die gibt es!) fürchten sich weder vor der Gefährdungsbeurteilung noch vor der mit ihr verbundenen Mitbestimmung. Und gute Betriebsräte (die auch Kompetenz aufbauen müssen) können solchen Unternehmen helfen, dass sich Bewerber und die Belegschaften sich mit dem Arbeits- und Gesundheitsschutz im Unternehmen wohl fühlen.

Psyche auf dem Prüfstand

Der in zeitzuleben.de für INSIGHTS Discovery® gewählte Verzeichnisname “psyche-auf-dem-prufstand-personlichkeitstests” zeigt, womit das Unternehmen seinen bunten “Persönlichkeitstest” (bzw. die Lizenz für deren Nutzung) verkauft. C. G. Jungs “Typologie” dahinter mag veraltet sein, aber Hauptsache ist, dass sie den Kunden von INSIGHTS Discovery® gefällt und dem von ihnen gewünschten psychologischen Menschenmodell nicht widerspricht. INSIGHTS Discovery® bedient diesen Wunsch.

http://www.youtube.com/watch?v=5oTtrP3WMfA


Wie permanent sind diese Rollenzuweisungen?
 
Ziele
Hier ein Auszug aus http://www.zeitzuleben.de/2242-psyche-auf-dem-prufstand-personlichkeitstests/5/ (2011-05-17), der hier einmal zitiert werden muss, damit wir uns mit dem Thema kritisch auseinandersetzen können:

INSIGHTS Discovery® kann in folgenden Bereichen eingesetzt werden: 

  • Personalauswahl: …
  • Teambildung: Teamleiter und Teammitglieder können mit Hilfe der Profile erkennen, worin die besonderen Fähigkeiten jedes Einzelnen im Team bestehen. Das fördert die gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung. So wird es leichter, eine gemeinsame Teamidentität und -dynamik zu entwickeln.
  • Motivationssteigerung: In den Profilen werden auch die Motivationsfaktoren herausgearbeitet. So können Vorgesetzte erkennen, wie die einzelnen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen optimal zu fördern oder fordern sind.
  • Verkauf und Kundenbetreuung: …
  • Selbsteinschätzung: …

 
Die fünf Punkte, die auf der überholten “Typologie” des verehrten C. G. Jung basieren, sind alle schon ziemlich fragwürdig, aber die zwei hier voll zitierten Punkte sind aus Betriebsratssicht besonders besorgniserregend. Gefährlich wird es, wenn der Arbeitgeber versucht, dem Betriebsrat seines Unternehmens den Psychotest als harmloses (und zudem hübsch buntes) Spiel zu verkaufen, das vorwiegend der persönlichen Selbsterkenntnis im Team dienen soll, obwohl der Anbieter dieses Farbenspiels seinen Test ganz anders anbietet: Die Charakterisierung Einzelner durch das Team.
Führungskräfte mögen diesen Test möglicherweise gerade wegen seiner Rückständigkeit. Die Mitarbeiter werden ja nicht nur “getestet”, sondern ihnen wird auch vorgegaukelt, dass die Typenlehre richtig sei. Mitarbeiter werden hier manupuliert – und haben im das kritische Denken durchaus dämpfenden Spiel auch noch Spaß daran.
 
Sektendesign
Das Marketing dieses Tests ist genial. Die eingängigen Farbschubladen und die simple Typologie helfen beim Glaubens-Franchising. Für so etwas braucht man keine wissenschaftliche Grundlage, sondern nur genügend viele Anhänger und Gläubige, die auch als Multiplikatoren wirken. Psychologen wissen, wie man Laien Psychologie verkauft. Hier hat sich ein Unternehmen einen Markt geschaffen, der sich selbst verstärkt, wenn eine bestimmte Schwelle überschritten ist. Irgendwie ist es seinen Designern gelungen, den Test sogar gegen Kritik zu schützen: Es gibt Anhänger des Tests, die bei seiner Vorstellung gleich vorneweg auf seine Unwissenschaftlichkeit hinweisen. Wenn ich eine Sekte gründen wollte, könnte ich wohl viel von diesem Test lernen.
 
Kommentare
Sabine Winterer, Talentmarketing für Rehabilitanden des Berufsbildungswerkes Neckargemünd, Diplomarbeit, 2001, S. 31 (http://www.talentmarketing.de/wahlpflichtfach/DiplomarbeitSabineWinterer.pdf, nicht mehr im www):

… Allerdings ist die INSIGHTS Potentialanalyse kritisch zu betrachten, da zwar mit wissenschaftlicher Fundierung geworben wird, aber dies anscheinend nicht der Fall ist: „Der Vertreiber, das Tracy College International, verweist vage auf Untersuchungen und beeindruckt mit für den Laien unverständlichen Zahlen. Das Psychologische Institut der Universität Zürich kam nach einer Analyse von über 500 Protokollen zu dem Ergebnis: “Unbrauchbares Instrument, dessen schwache theoretische Fundierung durch eine fehlerhafte Operationalisierung verschlimmert wurde und keine partielle Verbesserung zulässt.”[22] Aus einer Arbeit, die an der Leopold – Franzens – Universität in Innsbruck entstand[23], geht ebenfalls Kritik an diesem Test hervor. Die Studenten führten den Test selber durch und stellten fest, dass einige Fragen widersprüchlich zu verstehen sind und eine sinnvolle Beantwortung zum Teil nicht möglich ist. Sie denken, dass auch eine schlechte Übersetzung bzw. der deutsche Wortschatz, dafür verantwortlich sein kann. In der deutschen Sprache fehlen manchmal Wörter gleicher Bedeutung wie im Englischen. …

[22] vgl., Nil Karin, Interview: „Vorbereitung schafft Sicherheit“
in: http://www.jobpilot.de/content/journal/bewerbung/apply_persoenlichkeitstest.html [nicht mehr im Web]
[23] vgl., Baumann et.al, Potentialanalyse, 16.07.2001, S. 24 – 25

 
http://www.bdp-verband.org/bdp/politik/2005/50819_insights.html

… In dem oben genannten Gutachten wird auf Seite 17 ausgeführt: “Eine endgültige Entscheidung, ob INSIGHTS MDI den Richtlinien der DIN 33430 entspricht, kann eigentlich nicht getroffen werden. Dazu fehlen insbesondere ein den Standards entsprechendes Testmanual. …”

Um die Geeignetheit nach DIN 33430 geht es im Wesentlichen in diesem Text, also um “Anforderungen an Verfahren und deren Einsatz bei berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen”. INSIGHTS MDI ist jedenfalls an einer “Zertifizierung” nach DIN 33430 interessiert, obwohl diese Norm garnicht für die hier angestrebten Zertifizierungen vorgesehen ist. (Details: Bärbel Schwertfeger, Mit Gütesiegel, DIE WELT, KarriereWelt 2004-02-21) Übrigens: Arbeitgeber haben Arbeitsplätze zu evaluieren (psychische Belastung nach DIN 10075), nicht individuelle Arbeitskräfte!

… An theoretischen Grundlagen werden auf Seite 9 des Gutachtens das “Vier-dimensionale DISC Modell” nach Marston (1928) sowie das “Präferenzmodell von C. G. Jung” genannt, das schon von Prof. Dr. Jäger (2004, S. 22) kritisiert wurde, da gerade die Typenlehre nach C. G. Jung in Fachkreisen als “antiquiertes Modell ohne empirische Belege” gilt. Der Ansatz von Marston wird von Jäger (ebd.) als “typologischer Ansatz ohne empirische Forschung” bezeichnet. Weiter beklagt er, dass für ihn keine fundierte theoretische Grundlage des Verfahrens INSIGHTS MDI auszumachen ist. Da sich die theoretische Grundlage nach Aussage des Gutachtens (S. 9) offensichtlich nicht geändert hat, besteht diese Kritik unvermindert fort.
Auf Seite 10 des Gutachtens werden einige wenige Angaben zum Verfahren gemacht. Soweit ersichtlich, werden die Verhaltenssstile auf die gleiche Art und Weise ermittelt, wie das auch bei den bisherigen INSIGHTS MDI Verfahren geschieht. Hierzu schreibt Jäger (2004, S. 22): “Die Basis der Stilermittlung ist nicht nachvollziehbar und inhaltlich nicht zu begründen. Eine Unterscheidung in >natürliche< und >adaptierte< Stile, indem die Antworten von Testteilnehmern >uminterpretiert< werden, ist weder wissenschaftlich noch ethisch verantwortbar. Die blumigen Formulierungen täuschen über Inhaltsleere hinweg." ...

 
Ratschläge
Ratschläge an Betriebsräte, die vom Arbeitgeber aufgefordert werden, dem vergnüglichen-bunten Persönlichkeitstest zuzustimmen:

  • Fragen sie kritisch nach, wenn der Arbeitgeber Ihnen Persönlichkeitstests (und ähnliche Veranstaltungen) mit Argumenten verkauft, die den Argumenten des Test-Anbieters widersprechen.
  • Lassen Sie sich von externen Psychologen beraten. (Literatur: Bärbel Schwertfeger)
  • Wenn der Arbeitgeber Geld für Persönlichkeitstests (ein überwiegend verhaltensorientierter Ansatz) hat, es in Ihrem Betrieb aber keinen Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den ganzheitlichen Arbeitsschutz (verhältnisorientierter Ansatz) gibt, dann hat der Arbeitgeber seine Ressourcen zuerst für die Verbesserung des Arbeitsschutzes zu verwenden. Das ist Pflicht. Hier hat er keine unternehmerische Freiheit.
  • Wenn es bei Ihnen bereits den vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilungsprozess für psychische Belastungen gibt, lassen Sie sich die mit Persönlichkeitstests verbundenen Risiken von Fachleuten erklären. Dokumentieren sie das in der Gefährdungsbeurteilung. Dann muss vereinbart werden, wie mit diesen Risiken umzugehen ist.
  • Schlagen sie Alternativen vor. Beispielsweise sind Projekt-Retrospektiven nebenbei auch Maßnahmen zum “Team-Building”. Zugleich helfen sie dem Geschäft Ihres Unternehmens!
  • Wenn die Belegschaft (oder sogar der Betriebsrat) unbedingt Spaß mit dem Farbenspiel haben will, dann machen Sie eine Betriebsvereinbarung dazu oder protokollieren Sie wenigstens alle Argumente, mit denen der Arbeitgeber dem Betriebsrat einen Persönlichkeitstest verkaufen will. Die Teilnahme der Mitarbeiter muß freiwillig sein.
  • Informieren Sie sich über Carl Gustav Jung.

 
Siehe auch:

Arbeits- und Organisationspsychologie in Freiburg

Hier gibt es eine interessante Liste von Diplomarbeiten, darunter gleich mehrere zum Thema “ganzheitliche Gefährdungsbeurteilung”:
http://www.psychologie.uni-freiburg.de/abteilungen/AundO.Psychologie/neu_stud/diplom/diplomarbeiten/index_html/diplomarbeitenliste/
Die SICK AG ist da nicht weit weg.