Weniger Beanstandungen mit weniger Gewerbeaufsicht

2012-06-17: In verschiedenen Berichterstattungen (basierend auf einer zur Westdeutsche Allgemeine Zeitung gehörenden Quelle?) war zu lesen, dass die Zahl der von den für die Arbeitsschutz-Aufsicht zuständigen Länderbehörden jährlich inspizierten Betriebe von 2005 bis 2010 auf 25 Prozent gesunken sei. Im letzten Jahr dieses Zeitraums sollen nur noch 1220000 Betriebe kontrolliert worden sein.
Hintergrund dieser Entwicklung sei ein deutlicher Personalabbau: Von 2005 bis 2010 sei jede sechste Stelle in der Arbeitsschutz-Aufsicht gestrichen worden. Übriggeblieben waren dann im letzten Jahr dieses Zeitraums noch etwa 3200 Aufsichtsbeamte der Länder, die bundnesweit 4,9% der Betriebe besucht und dabei 509000 Beanstandungen festgestellt haben sollen. Gegenüber dem Jahr 2006 seien das 60% weniger gewesen.
Das sind dann so um die 380 Betriebe, die eine Aufsichtsperson in einem Jahr kontrolliert. Und die soll dann auch noch überprüfen, wie in den Betrieben mit dem Thema der psychischen Belastungen umgegangen wird? Wie sieht es da mit den psychischen Fehlbelastungen aus, denen Ausichtsbeamte selbst ausgesetzt sind? Da stimmt etwas nicht mit der Meldung. Aber dazu komme ich später.
Die Daten wurden in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage genannt. In der Antwort soll es auch geheißen haben, dass dieser Personalabbau “nicht ohne Sorge” betrachtet werde. Sogleich musste ich an die Meldung denken, die ich nach Stöbern in Bundestagsdrucksachen einen Tag zuvor gebracht hatte und schaue noch einmal in die dort zitierte Bundestagsdrucksache hinein. Da meint die um ihre Bürger rührend besorgte Bundesregierung (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/102/1710229.pdf bzw. http://blog.psybel.de/wp-content/uploads/2012/07/1710229vorab.pdf, 2012-07-03):

Es gibt weder im nationalen Recht noch in europäischen oder internationalen Vereinbarungen konkrete quantitative Anforderungen an den Umfang einzusetzender Personal- oder sonstiger Ressourcen für die Aufsichtstätigkeit, so dass diesbezügliche konkrete Anforderungen an die Länder nicht gestellt werden können. Gleichwohl beobachtet die Bundesregierung den Personalabbau bei der Arbeitsschutzaufsicht der Länder nicht ohne Sorge.

Wie peinlich. Die Regierung findet keine europäischen oder internationalen Vorgaben für sich und macht dann halt nix. Aber die Drucksache ist sehr lesenswert. Interessant ist dabei, dass es um das Arbeitsschutzthema “psychische Belastungen” ging. Auch wurde nicht berichtet, wer die Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt hatte. Was sind denn das für Journalisten? Liebe blog.psybel.de-Leser, nehmen Sie sich doch mal Zeit für die ganze Bundestagsdrucksache und überprüfen Sie die oben angegebenen Zahlen.

Im Jahr 2010 haben die Aufsichtsbeamtinnen und -beamten der Länder insgesamt 300252 Besichtigungen in 121990 Betrieben durchgeführt.

1220000/10=122000. (Ein anderer WAZ-Beitrag macht hier vorsichtshalber keine Angeben.)
Bevor Sie sich davon ab- und dann der Drucksache zuwenden, hier noch ein weiteres Geständnis unserer Regierung:

[Es] wird deutlich, dass der Schwerpunkt bei den Besichtigungen im „Technischen Arbeitsschutz“ liegt. Das Sachgebiet „Arbeitsplatz, Arbeitsstätte, Ergonomie“ wird bei jeder zweiten Besichtigung thematisiert, das Sachgebiet „Arbeitszeit“ bei jeder zehnten Besichtigung. Das Sachgebiet „psychische Belastung“ wird hingegen im Durchschnitt bei jeder neunzigsten Besichtigung behandelt.

Na toll. Wenn kaum geprüft wird, dann weiß man doch gleich, was unsere Arbeitsministerin Ursula von der Leyen mit ihrem “knallharten Strafkatalog” unseres “strengen Arbeitsschutzgesetzes” machen kann, wenn’s nicht zu anstrengend ist.
-> Alle Beiträge zu dieser Kleinen Anfrage im Bundestag

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