Verordnung soll Arbeitsschutzgesetz konkretisieren

http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/3928216/2013-04-16-bgv-psychische-belastungen.html

Verordnung zum Arbeitsschutzgesetz
Mehr Schutz vor psychischer Belastung bei der Arbeit
Hamburg bringt mit Brandenburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen bundesweite Verordnung zum Arbeitsschutzgesetz auf den Weg
16. April 2013
Psychische Belastungen bei der Arbeit gehören inzwischen zu den wesentlichen Ursachen für Gesundheitsgefährdungen in der Arbeitswelt, für Fehlzeiten und Frühverrentungen. Auch jeder zweite Arbeitgeber hält arbeitsbedingten Stress für ein wichtiges Thema. Aber nur wenige Betriebe haben eine Strategie, um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Gefährdungen durch psychische Belastung zu schützen. Der Umgang mit arbeitsbedingter psychischer Belastung ist im Arbeitsschutz bislang unzureichend gesetzlich geregelt. Hamburg hat deshalb gemeinsam mit Brandenburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen den Entwurf einer bundesweiten Verordnung mit verbindlichen Anforderungen an Unternehmen erarbeitet. Das Arbeitsschutzgesetz soll zukünftig durch diese Verordnung konkretisiert werden. Einen entsprechenden Antrag bringen die Länder im Mai in den Bundesrat ein. []

Unabhängig von seinem politischen Schicksal ist dieser Verordnungsentwurf eine gute Darstellung der wichtigsten Probleme bei Umsetzung der Arbeitsschutzverordnung in den Betrieben. Alleine deswegen ist der Entwurf sehr hilfreich. Arbeitnehmervertreter können ihn jetzt schon (ggf. zusammen mit Standards für Arbeitsschutzmanagementsysteme) und aktuellen Handlungsanweisungen (GDA und LASI) bei der Gestaltung von Betriebsvereinbarungen verwenden.
 
http://www.focus.de/finanzen/news/wirtschaftsticker/roundup-bundesratsinitiative-fuer-mehr-schutz-bei-psychischen-belastungen_aid_961809.html

[…] Die Handelskammer lehnte eine solche Verordnung dagegen ab. „Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz ist eminent wichtig, aber sie kann nicht gesetzlich verordnet, geschweige denn durch neue bürokratische Auflagen für die Betriebe herbeigeführt werden“, sagte Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz. Ähnlich äußerte sich die CDU-Opposition. „Statt Stress abzubauen, wird so durch die Befragung nur zusätzlicher Stress und Druck in den Betrieben aufgebaut“, sagte der CDU-Gesundheitsexperte Hjalmar Stemmann.

Zur Handelskammer und zur CDU-Opposition in Hamburg:

  • Hans-Jörg Schmidt-Trenz kennt vermutlich die Gesetze seit 1996 und die Rechtsprechung spätestens seit 2004 nicht. Es wäre besser, wenn Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz nicht gesetzlich verordnet werden müsste. Aber die Unternehmen haben ihre Chance nicht genutzt. Die nun nötigen Maßnahmen haben sie sich darum selbst zuzuschreiben.
  • Hjalmar Stemmanns Behauptung vom Befragungsstress wird von Betrieben wiederlegt, die vernünftige Befragungen durchführten. Auch Gesundheitsexperten können sich irren. Außerdem geht es um viel mehr als nur um Befragungen.

 
Der FOCUS hat sich vielleicht hierhin gegoogelt: http://www.hk24.de/servicemarken/presse/pressemeldungen/2384766/Handelskammer_Hauptgeschaeftsfuehrer_Prof_Schmidt_Trenz_zur_Ver.html

Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Prof. Schmidt-Trenz zur Verordnung zum Arbeitsschutzgesetz für mehr Schutz vor psychischer Belastung bei der Arbeit
“Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz ist eminent wichtig, aber sie kann nicht gesetzlich verordnet, geschweige denn durch neue bürokratische Auflagen für die Betriebe herbeigeführt werden. Statt praktische Handlungsanleitungen zu geben und gute Beispiele herauszustellen und deren Nachahmung zu fördern, werden die Betriebe mit standardisierten Unterweisungs-, Berichts- und Kontrollpflichten befrachtet. Was dies der psychischen Gesundheit nutzen soll, bleibt im Dunkeln. Gerade kleine und mittlere Unternehmen brauchen nicht mehr zeitliche Belastung durch mehr Bürokratie, sondern mehr Zeit für die Zuwendung im Team und gegenüber den Kunden.” […]

Nach den standardisierten Pflichten lechzen viele Unternehmen jetzt zunehmend selbst, weil ihnen nichts besseres einfällt. Das kommt davon, wenn man vergisst, dass Unternehmensleitungen und Arbeitnehmervertretungen hier zusammen unbürokratische und betriebsgerechte Lösungen finden könnten. Schmidt-Trenz kennt wohl auch nicht die praktischen Handlungsanleitungen z.B. der Berufsgenossenschaften.
Auf Initiative der Handelskammer gibt es auch ein Projekt zur psychischen Gesundheit (http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/2240026/2010-05-06-bsg-gesundheitswirtschaft.html). Wenn man genau hinguckt, geht es wieder um psychische Erkrankungen, ihre Entdeckung, Behandlung usw. Immer wieder stoßen wir auf solche guten Taten der auf den Einzelnen abzielenden Verhaltensprävention und Verhaltensmodifikation, mit den aber die Verhältnisprävention und der Arbeitsschutz zur Seite gedrängt werden. Verhältnisprävention bedeutet, dass Unternehmer ggf. an ihren Unternehmen etwas ändern müssen, z.B. ihre Führungskultur. Das mögen Unternehmer wohl nicht so sehr. Lieber rufen sie ihre Mitarbeiter auf, für ihre eigene Gesundheit zu sorgen und ihr Verhalten zu verändern.
Genau wegen dieser Einstellung brauchen wir leider eben doch eine das Arbeitsschutzgesetz konkretisierende Verordnung.
 
http://www.cdu-hamburg.de/presse/pressemitteilungen/detail/artikel/psychische-belastungen-lassen-sich-nicht-durch-mitarbeiterbefragungen-reduzieren.html

Psychische Belastungen lassen sich nicht durch Mitarbeiterbefragungen reduzieren
16.04.2013
Heute wurde in der Landespressekonferenz ein Entwurf des SPD-Senats zum Schutz vor Gefährdungen durch psychische Belastung bei der Arbeit vorgestellt.
Dazu erklärt Hjalmar Stemmann, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion:
„Die von der SPD vorgesehene verpflichtende Mitarbeiterbefragung am Arbeitsplatz leistet keinen Beitrag zur sinnvollen Entlastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Statt Stress abzubauen, wird so durch die Befragung nur zusätzlicher Stress und Druck in den Betrieben aufgebaut.
Die SPD setzt wieder einmal auf von oben verordnete Reglementierungen. Dabei liegt es doch im Interesse der Beteiligten, gemeinsam nach Lösungen zu suchen und diese in den Betrieben anzuwenden. Besonders unverständlich und irritierend ist, dass Senatorin Prüfer-Storcks die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hamburger Behörden nicht im Sinne ihrer eigenen Verordnung schützen möchte. Anderen etwas aufzuzwingen, was man selbst nicht macht, ist scheinheilig. Bei dem deutlich über dem Durchschnitt der Wirtschaft liegenden Krankenstand in den Hamburger Behörden ist hier am ehesten Handlungsbedarf gegeben.

Da wird die Senatorin nun etwas erklären müssen.
Ansonsten zeigt die Kritik Stemmanns an Befragungen Unverständnis für die Reihenfolge der Schritte im Arbeitsschutz. Das ist Grundlagenwissen. Befragungen sollen keine (psychischen) Belastungen reduzieren, sondern sie sind eines von vielen Instrumenten des Arbeitsschutzes zur Beurteilung von Arbeitsplätzen. (Das gilt auch für die Arbeitsplätze in Stemmanns Unternehmen.) Erst aus der Auswertung der Befragungen ergibt sich dann, ob (psychische) Fehlbelastungen reduziert werden müssen.
 
http://www.welt.de/print/die_welt/hamburg/article115350760/Stadt-im-Fokus.html

[…] Wie die “Welt” berichtete, sollen Unternehmen demnach verpflichtend ermitteln, ob und welche Gefährdungen für ihre Mitarbeiter auftreten. In der Gesundheitsbehörde sei eine derartige Untersuchung in Vorbereitung, sagte Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) am Dienstag. Die übrigen Behörden sollen diesem Beispiel folgen. […]

Jetzt ist es wieder Hjalmar Stemmann, der etwas erklären muss. Allerdings bleiben Fragen an Cornelia Prüfer-Storcks: Wie wurden psychische Belastungen in den Hamburger Behörden in der Vergangenheit beurteilt?
Ist es nicht so, dass wir alle in den letzen beiden Jahren viel dazugelernt haben?

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