Unseriöse "Studie" der Techniker Krankenkasse

Die ARD-Tagesschau meldet heute (http://www.tagesschau.de/inland/stress132.html):

[…] Mehr als jeder zweite Erwachsene gibt an, mehr unter Druck zu stehen als noch vor wenigen Jahren. “Deutschland ist stark gestresst”, fasst TK-Chef Jens Baas das Ergebnis der Studie “Bleib locker, Deutschland” zusammen. […]

 
TK-Studie: http://www.tk.de/centaurus/servlet/contentblob/590188/Datei/115474/TK_Studienband_zur_Stressumfrage.pdf

[…] Was der eine durch einen Ausgleich im Privatleben schafft, erscheint dem anderen als ein nicht zu bewältigendes Problem, das ihm den Schlaf raubt. Daher ist es so wichtig, die Menschen zu einem gesundheitsförderlichen Umgang mit Belastungen zu befähigen, damit Stress und Stressempfinden nicht krank machen. […] Ein entscheidender – aber anders als vielfach dargestellt nicht der einzige – Faktor ist dabei der Job. Die Menschen hierzulande nennen ihn den unangefochtenen Stressfaktor Nummer eins. Daher unterstützen wir mit unserem betrieblichen Gesundheitsmanagement Unternehmen dabei, für ihre Mitarbeiter eine gesunde Stressbalance zu schaffen. […]

Die “Studie” mit dem dümmlichen Titel “Bleib locker, Deutschland – TK-Studie zur Stresslage der Nation” ist ein Propagandapapier für die Verhaltensprävention und verschleiert den Rechtsbruch, den die Mehrheit der Arbeitgeber auch heute noch im verhältnispräventiv angelegten Arbeitschutz begeht: Im letzten Jahr dokumentierte sogar der Bundestag, dass etwa 80% der Betriebsleitungen ihre Pflicht missachteten, die von Stressoren ausgehenden psychischen Belastungen zu beurteilen. Diese Arbeitgeber konnten sich dank systematisch überforderter Gewerbeaufsichten jahrelang über geltendes Recht stellen: Sie weigerten sich einfach, ihren gesetzlich vorgeschriebenen Pflichten in der Verhältnisprävention gerecht zu werden.
Es ist nicht abwegig, anzunehmen, dass dieser Rechtsbruch zu einer Verschlechterung der Belastungssituation an den Arbeitsplätzen in Deutschland beigetragen hat. Die TK jedoch blendet die inzwischen gut bekannten Pflichtverletzungen der Mehrheit der Arbeitgeber als mögliche Ursache der heutigen Stressbelastung nun einfach aus. Stattdessen propagiert sie ein “Gesundheitsmanagement”, dass überwiegend verhaltenspräventiv angelegt ist und sich den einzelnen Mitarbeiter vorknöpft.
Selbstverständlich gibt es unterschiedliche Resilienz bei Arbeitnehmern. Aber es gibt auch unterschiedlich gute und schlechte Arbeitsplätze. Warum geht die TK ausgerechnet auf jenen Bereich der Maßnahmen gegen Fehlbelastungen nicht ein, in dem die Mängel inzwischen gut bekannt sind?
Mit welchen Interessen veröffentlicht die TK ein derart unseriöse “Studie”? Könnte es für einen Krankenversicherer wirtschaftlich von Vorteil sein, die Ursachen psychischer Erkrankungen vorwiegend auf Schwächen und Defizite der einzelnen Versicherungsnehmer zurückzuführen? Hat die TK auch als Arbeitgeber ein Interesse daran, die Pflicht der Arbeitgeber zur einer gegen schädlichen Stress gerichteten Verhältnisprävention zu verschweigen?
Es geht auch anders: Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ist mit ihrem aktuellen Praxisleitfaden für Arbeitgeber schon viel weiter als die TK. Die BDA sagt inzwischen klar, was zu tun ist: Die Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz – Besonderer Schwerpunkt: psychische Belastung. Der Unterschied zwischen Gesundheitsmanagement und Arbeitsschutz wird in dem Leitfaden korrekt deutlich gemacht.