Überforderte Sicherheitsfachkräfte

http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/sifa-ii.pdf

DGUV Report 2/2010
Wirksamkeit und Tätigkeit von Fachkräften für Arbeitssicherheit
Die Ergebnisse der ersten Validierungsstudien und der ersten Vertiefungsstudie der Sifa-Langzeitstudie

… Da alle Daten über die Entwicklung der betrieblichen Arbeitsschutzprobleme zeigen, dass das Problemfeld psychische Belastungen und die entsprechende Gestaltung der Arbeitsbedingungen heute fast überall zu einem Hauptproblem von Gesundheit und menschengerechter Arbeitsgestaltung geworden ist (vgl. z.B. BIBB/IAB), sind die vorliegenden Befunde vor dem Hintergrund zu interpretieren, wie die betrieblichen Verantwortlichen einerseits und die Unterstützer andererseits darauf reagieren. Es scheint so zu sein, dass die Problematik der psychischen Belastungen teilweise in den Betrieben noch nicht wahrgenommen wird. Für den Umgang mit dem Problem fehlen nach den Aussagen der Teilnehmer z.T. die Kompetenzen. Interessanterweise ist dies anscheinend weniger bei der Gestaltung als bei den Belastungen der Fall. Damit stellt sich hier auch die Frage, ob die Zusammenhänge zwischen den psychischen Belastungen und der Gestaltung von Arbeitsaufgaben und -organisation hinreichend erkannt werden. Die Selbstwirksamkeitsüberzeugung, die betriebliche Anerkennung und die gefühlte Verpflichtung gegenüber Vorschriften und Regeln sind, im Vergleich zu anderen Tätigkeiten, seltener genannte Motive. Dies deutet insgesamt darauf hin, dass dieser Aufgabenkomplex eher schwach im Selbstbild der Fachkräfte verankert ist, zumal der Prozentsatz der Fachkräfte, die angeben, nicht hinreichend kompetent zu sein, ebenfalls sehr hoch ist. …

(Hervorhebungen nachträglich eingetragen)
In dem Report fiel mir besonders auf, dass sich die Sicherheitsfachkräfte selbst realistisch einschätzten. Ihre Wirksamkeit wird von Führungskräften jedoch eher überschätzt. Meine Vermutung ist, dass Führungskräfte diese Sichtweise entwickeln, um ihre Verantwortung zu reduzieren und Rechtssicherheit zu gewinnen.
Es ist wohl tatsächlich so, dass in Unternehmen mit Arbeitnehmervertretungen diese Vertetungen von allen Akteuren im Betrieb die ersten waren, die im Bereich des Einbezugs psychischer Belastungen im Betrieb Kompetenz aufbauten, gegegentlich sogar gegen den Widerstand der Arbeitgeber. Die Aufsichtsbehörden sind überfordert und die theoretische Unabhängigkeit von Sicherheitsfachkräften sowie Betriebsärzten unterscheidet sich zu sehr von ihrer tatsächlichen Unabhängigkeit vom Arbeitgeber. Ohne Betriebsräte bzw. Personalräte (und Gewerkschaften, die die Arbeitnehervertretungen unterstützen) könnten die Unternehmen auch heute ihre Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen genauso vernachlässigen, wie sie das in der Vergangenheit getan hatten.

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