Stress selbst verschuldet?

http://klarspueler.com/das-maerchen-vom-selbstverschuldeten-stress/ (2014-08-19)

Das Märchen vom selbstverschuldeten Stress
Aus einer Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag ging vor einigen Tagen hervor, dass 2012 die Zahl aller auf psychische Probleme und Verhaltensstörungen zurückgehenden Arbeitsunfähigkeitstage bei rund 61,5 Millionen lag. Ein Rückgang um 3 % im Vergleich zu 2011, ein Anstieg um 83% im Vergleich zu 2001. Na und? – werden Sie achselzuckend sagen und liegen mit dieser Problembeurteilung voll im Trend. Noch lange kein Grund die Pferde scheu zu machen, wie es Jutta Krellmann von der Linksfraktion mit einer “Anti-Stress-Verordnung” fordert. Denn leider dominiert in der Diskussion um Arbeitsstress immer noch das Erklärungsmodell der Ignoranten. Und das heißt: selber schuld! Weiterlesen →

 
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fehlzeiten-wegen-psychischer-belastungen-steigen-stark-a-985340.html (2014-08-11)

Stress führt zu immer höheren Fehlzeiten am Arbeitsplatz. Nach SPIEGEL-Informationen haben sich die Ausfälle wegen psychischer Probleme seit 2001 fast verdoppelt.
Hamburg – Arbeitsdruck und Stress belasten die Erwerbstätigen in Deutschland. Im Jahr 2012 lag die Zahl aller Arbeitsunfähigkeitstage, die auf psychische Probleme und Verhaltensstörungen zurückgehen, bei rund 61,5 Millionen. Mehr als jeder sechste Krankheitstag fällt in diese Kategorie. Das geht aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor, die dem SPIEGEL vorliegt. […]

 
Beides gehört zur gleichen Geschichte. Die Antwort des BMAS liegt nicht nur dem SPIEGEL vor, sondern auch in der Datenbank des Bundestages. Ich vermute, dass es um den folgenden Vorgang geht:

 
Auch beim SPIEGEL gibt es einen Kommentar von Frank Patalong: http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/stress-im-job-die-probleme-sind-hausgemacht-a-985400.html (2014-08-11)

[…] Der Druck, orakelt dazu das Arbeitsministerium, resultiere aus Digitaltechnik und Globalisierung.
Mit Verlaub: Das ist Humbug. Mein Stress erwächst aus meiner Ambition, aus Gewöhnung an ein sich stetig erhöhendes Arbeitstempo und aus Anpassung an die Taktzahlen um mich herum. Er ist auch das Resultat meiner Mentalität und Ausdruck einer Arbeitsethik, die die Selbstverheize zum Wert erhebt. Ist das bei Ihnen vielleicht anders?
Vielleicht sollten wir uns öfter klarmachen, dass wir uns damit den Spaß im und am Leben verderben. Wir brauchen keine Stressverordnung. Vielleicht sollten wir uns ab und zu fragen: Was ist wirklich wichtig in meinem Leben?
Denn das könnte morgen schon vorbei sein

Frank Patalong wendet sich dem einzelnen Menschen zu, nicht dem Humbug von der sich verändernden Arbeitswelt. Ach wie human das doch klingt. Das passiert, wenn man die Tatsachen nicht kennt: Frank Patalong ignoriert die Fakten und die Forschung zum Thema. Leider spielt in der Diskussion um Arbeitsstress tatsächlich immer noch das Erklärungsmodell der Ignoranten eine Rolle. Da waren selbst die Arbeitgeber im Jahr 2000 schon weiter, auch wenn der Linksfraktion die praxisnahe Handlungshilfe für Unternehmen wohl nicht in allen Punkten gefallen wird.
Frank Patalong ist jetzt ein freier Journalist, aber in der SPIEGEL-Redaktion könnte eine Beurteilung psychischer Gefährdungen sicherlich nicht schaden. Vorgeschrieben ist sie ja ohnehin (als Teil der ganzheitlichen Gefährdungsbeurteilung).
Meine Position zur “Antistressverordnung”: Es ist richtig, eine Antistressverordnung zu fordern. Das Thema der psychischen Belastungen und Fehlbelastungen wurde jahrelang verschleppt. Wahrscheinlich brauchen wir die Drohung mit dem Verordnungsknüppel, um dann hoffentlich doch irgendwann einmal auf bessere Ideen zu kommen, z.B. eine Stärkung der Mitbestimmung der Arbeitnehmervertretungen im Arbeitsschutz insbesondere durch Aufbau von Kompetenz und Auditfähigkeit (ISO 19011). Hier haben nämlich nicht nur die Arbeitgeber, sondern insbesondere auch die Betriebs- und Personalräte noch Hausaufgaben zu erledigen, die lieber einzelne Mitarbeiter fürsorglich beraten, anstatt sich mit der Komplexität des ganzheitlichen Arbeitsschutzes auseinanderzusetzen. Die Ansichten von Frank Patalog findet man leider zu oft noch bei den Arbeitnehmern und ihren Vertretern selbst.