XiùCai

XiùCai Nr. 78, 2006-05-18, S. 6:

Wie jedes Mal, wenn ein Bundeskanzler als Türöffner der Wirtschaft nach China reist, so rotieren auch jetzt, da Frau Merkel sich auf das große Land vorbereitet, die Flügel der verbandlichen Windmacher in Deutschland. 
Federführend ist hier der sogenannte Asien-Pazifik-Ausschuß der Deutschen Wirtschaft, resp. dessen Trägerverbände BDI, BGA, BdB, DIHK und OAV. Wenn die dortigen China-Experten fertiggekreißt haben, liegt ein Ei namens China-Petita im Nest des deutschen Regierungschefs, auch „Anliegen der deutschen Wirtschaft in der VR China“ genannt. Der Inhalt besteht einerseits aus Lobpreisungen der großen Fortschritte, die es bilateral oder wenigstens in China gegeben habe, und andererseits (größerer Teil, kommt immer nach einem „aber“) aus einer Sammlung von Beschwernissen jener Firmen, die zwar einen guten Draht zum BDI haben, aber trotz hoher Investitionen im Lande der größten Partei der Welt (70 Millionen Mitglieder) dennoch einfach nicht so zurechtkommen, wie sie mal gedacht hatten.
Die Petition wird nach Fertigformulierung ins Chinesische übertragen und bei passender Gelegenheit – Gespräch mit dem Premier oder dem Handelsminister – feierlich ihm (oder verstohlen einem seiner Bediensteten) überreicht. Bisweilen aber – Aufwand hin oder her – auch gar nicht aus der Aktentasche gezogen, je nach Atmosphäre beim Treffen. So macht “die Wirtschaft” aus einem Regierungschef-Besuch eine Bittschrift-Gesandtschaft […].
Jetzt liegt wieder so ein Gnadengesuch vor. Wir drucken es im folgenden mit leichten Kürzungen. Wir haben das Dokument des Jammers überdies Herrn Cao Weihua gezeigt, der im „think tank“ des chinesischen Handelsministers für die Koordination der Stolpersteine zuständig ist, und ihn um kurze, aber nicht unbedingt inoffizielle Kommentare zu den einzelnen Anschuldigungen gebeten, was er mit seinem ministeriellen roten Pinsel auch gemacht hat.

Leider gab es nach 2007 kein XiùCai mehr. Globalisierung bedeutet nicht nur weltweite Verteilung von Waren, sondern auch von Werten, die sich dann auch in “unsere” Arbeitsbedingungen einschleichen. Die kleine Zeitschrift half, das Land zu verstehen, das unsere Top-Manager so sehr bewundern.