Standardsoftware befreit nicht von Beurteilungspflicht

Die Pflicht zur Beurteilung psychischer Belastungen bleibt auch an ergonomisch gut ausgestatteten Bildschirmarbeitsplätzen bestehen.
Ergonomisch gut gestaltete Bildschirmarbeitsplätze und der Einsatz von Standardsoftware begründen nicht, dass Gefährdungen durch Bildschirmarbeit bereits vom Gerätehersteller und vom Hersteller der Software gemindert worden seien, denn aus dem Zusammenwirken von Standardsoftware mit anderen Belastungen am Bildschirmarbeitsplatz können sich arbeitsplatzspezifische Gefährdungen und Fehlbelastungen ergeben, die ein Softwarehersteller natürlich nicht zu verhindern vermag. Außerdem kann z.B. ein Standard-Email-Programm noch so gut sein; wenn zu viele Mails zu bearbeiten sind, nützt Software-Ergonomie hier überhaupt nichts.
In einem Betrieb ohne Verfahren zur Beurteilung psychischer Belastungen wird daher bezüglich seiner Bildschirmarbeitsplätze nicht nur gegen das Arbeitsschutzgesetz verstoßen, sondern trotz des Einsatzes von Standardsoftware und ergonomisch einwandfreier technischer Einrichtungen wird auch § 3 der Bildschirmarbeitsverordnung nicht eingehalten.
Siehe auch: http://blog.psybel.de/bildscharbv-als-umzetzunganweisung-fuer-arbschg/.

Informationsflut

http://www.haufe.de/arbeitsschutz/gesundheit-umwelt/informationsflut-waechst-mitarbeitern-teilweise-ueber-den-kopf_94_127242.html
Der Artikel bei Haufe zeigt, dass es bei der Beurteilung psychischer Belastungen nach Bildschirmarbeitsverordnung nicht reicht, irgendeinen Checkpunkt auf irgendeiner Gefährdungsbeurteilungsliste abzuhaken, wenn Standardsoftware aus Redmont, Walldorf, Alzenau usw. verwendet wird. Es kommt vielmehr darauf an, was mit dieser Software gemacht wird.
Die Schleusen für die Informationsflut wurden gerade durch die Standardsoftware geöffnet.

BildschArbV als Umzetzunganweisung für das ArbSchG

  1. § 3 der Bildschirmarbeitsverordnung fordert die Beurteilung psychischer Belastungen an Bildschirmarbeitsplätzen:

    Bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des Sehvermögens sowie körperlicher Probleme und psychischer Belastungen zu ermitteln und zu beurteilen.

  2. In der LV 14 wird ausgeführt:

    … Entsprechend der am Bildschirmarbeitsplatz auszuführenden Arbeitsaufgabe stellt die Bildschirmarbeit eine psychische Belastung für den Beschäftigten dar. Sie kann in der Vielzahl unter Zeitdruck zu verarbeitender Informationen begründet sein. Häufig ist ein hohes Maß an Konzentration und psychischer Anspannung über lange Zeiträume erforderlich. Langanhaltende, reine Überwachungsaufgaben am Bildschirm ohne die Möglichkeit, aktiv eingreifen zu können, werden ebenso als belastend empfunden, wie z.B. das einförmige Eingeben von Datensätzen.
    Eine zusätzliche Belastung (Beeinträchtigung der Konzentration und der Sprachkommunikation) kann sich durch Lärm ergeben, der durch die zum Bildschirmarbeitsplatz gehörenden Arbeitsmittel sowie durch benachbarte Gespräche oder Arbeitsmittel verursacht wird. …
    … Die Menge und die Darbietung der zu verarbeitenden Informationen kann zu Über- und Unterforderungserscheinungen führen. Mitunter erfordert Bildschirmarbeit die Fähigkeit, Handlungs- und Problemlösungsstrategien auf abstrakter Ebene zu finden. Geistige Tätigkeit, langandauernde Phasen hoher Anspannung oder Arbeiten unter Zeitdruck bzw. bei Störgeräuschen können Streßreaktionen hervorrufen. Im Fall von längerdauernden einförmigen Tätigkeiten bei zu starker Arbeitsteilung (z.B. reine Dateneingabe) können neben zunehmender Ermüdung auch Monotoniezustände auftreten.
    Individuelle Faktoren wie mangelnde Ausbildung und unzureichendes Training können die Beanspruchung zusätzlich erhöhen. …

  3. Dazu passt auch noch die EN ISO 9241, die sich nicht nur auf die technischen Aspekte der Bildschirmarbeit und anderer Mensch-Maschine-Schnittstellen beschränkt, sondern zu achten ist auf:
    • den Erhalt sozialer Kontakte,
    • die Vermeidung eines unangemessenen Zeitdrucks,
    • die Förderung des Wohlbefindens
  4.  
    Es gibt also keine Einschränkung, dass am Arbeitsplatz nur bildschirmarbeitsspezifische psychische Belastungen zu beurteilen seien. Sondern es wird verlangt, dass bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach Arbeitsschutzgesetz auf drei Gefährdungskategorien besonders zu achten ist, wenn es an dem Arbeitsplatz Bildschirmarbeit gibt. Darunter ist auch die Kategorie der psychischen Belastungen.
    Im § 3 der Bildschirmarbeitsverordnung ist Bildschirmarbeit ein Indikator für das Vorliegen psychischer Belastungen (mental workload). Der Paragraph ist eine Anweisung zur Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes.
     
    Siehe auch zu Standardsoftware am Bildschirmarbeitsplatz: http://blog.psybel.de/standardsoftware-befreit-nicht-von-beurteilungspflicht/