DIN SPEC 91020 nicht gültig für den Arbeitsschutz

Petition 47367 (Pet 1-18-09-803-000048) – 25. November 2013
Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass die Bundesregierung als Anteilseigner der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) sicher stellt, dass den Unternehmen, den Gewerbeaufsichten und den im Arbeitsschutz mitbestimmenden Arbeitnehmervertretern von der DAkkS deutlich bewusst gemacht wird, dass das Deutsche Institut für Normung (DIN) keine Standards für den Arbeitsschutz zur Bearbeitung annimmt, die nach dem PAS-Verfahren erarbeitet wurden. Die DIN SPEC 91020 ist kein Arbeitsschutzstandard.
 
Begründung:
Die DIN SPEC 91020 ist ein im PAS-Verfahren erarbeiteter Standard für das “Betriebliche Gesundheitsmanagement” (BGM), der gemäß DIN ausdrücklich den Arbeitsschutz *nicht* umfassen kann. Derzeit wird nach meinem Kenntnisstand bei der DAkkS (Abteilung 6 in Frankfurt) die Akkreditierungsfähigkeit der DIN SPEC 91020 geprüft. Die überwiegend privatwirtschaftlichen Initiatoren dieses Privat-Standards werben mit hohem Aufwand für die DIN SPEC 91020 und stellen nicht genügend klar, dass eine Zertifizierung nach dieser Norm den Arbeitsschutz ausdrücklich *nicht* umfasst. Ein nach der DIN SPEC 91020 zertifiziertes betriebliches Gesundheitsmanagement eines Betriebes darf deswegen die Gewerbeaufsicht nicht dazu veranlassen, das Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) des Betriebs im Sinn beispielsweise der LASI-Veröffentlichung 54 (Anhang, S. 42) “entlastet” zu prüfen. Ein AMS darf in Folge der vom DIN klargestellten Einschränkungen *nicht* nach DIN SPEC 91020 zertifiziert werden, sondern es gelten für Zertifizierungen andere Standards wie z.B. OHSAS 18001 (und mögliche Nachfolger erarbeitet u.A. durch ISO/PC 283), ILO-OSH und OHRIS.
Siehe auch: https://psybel.snrk.de/warning-din-spec-91020-is-not-a-safety-standard/

 


Antwort des Bundestages (Februar 2014):

Instrumentalisierung der DAkkS für's Zertifizierungsgeschäft

http://www.haward.de/haward_bgm_interaktiv/Special.php

Wissen Sie, dass die DIN SPEC 91020 BGM auf dem Weg zum akkreditierten Standard ist und sich aktuell eine Arbeitsgruppe der Akkreditierungsstelle DAkkS damit beschäftigt? Wir bieten Ihnen bereits jetzt die passende und derzeit einzigartige Software-Lösung. […]

Steht nun schon fest, dass die DIN SPEC 91020 auf dem Weg zum “akkreditierten Standard” ist? Die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) akkreditiert Zertifizierer. Weiß die DAkkS, dass sie jetzt auch Privatstandards wie die DIN SPEC 91020 “akkreditieren” wird?
Die DIN SPEC 91020 ist ein privater Standard für das betriebliche Gesundheitsmanagement. Das Deutsche Institut für Normung (DIN) kann helfen, solche Standards in eine korrekte Form zu bringen. Das DIN veröffentlicht den Standard auch, übernimmt aber keine Verantwortung dafür.
Das Marketing für die DIN SPEC 91020 bleibt dreist. Selbst im ansonsten seriösen haufe.de wird die DIN SPEC 91020 ohne Warnung, dass die Spezifikation keine Aspekte des Arbeitsschutzes enthält, neben einen Artikel gestellt, der BGM mit dem Arbeitsschutz in einen Zusammenhang stellt. Das DIN macht aber explizit klar, dass im PAS-Verfahren erstellte DIN SPECs nichts mit dem Arbeitsschutz zu tun haben. Wenn Haufe das BGM schon mit dem Arbeitsschutz in Verbindung bringt, dann ist es irreführend, nur zur DIN SPEC 91020 zu verlinken. Es hätte auch auf Standards wie OHSAS 18001 hingewiesen werden müssen.
Mit dieser im Schnellgang durchgedrückten Privatnorm basteln sich hier einige Firmen ihren eigenen Markt zusammen, und die DAkkS macht da mit? Die DAkkS sollte doch eigentlich genug damit zu tun haben, darauf zu achten, dass die nach OHSAS 18001 zertifizierten Unternehmen kritisch auditiert werden. Da haben z.B. Unternehmen über Jahre hinweg Zertifikate bekommen, die in Missachtung der Arbeitsschutzvorschriften psychische Belastungen so gut wie überhaupt nicht in ihren Arbeitsschutz einbezogen hatten. Und Audits nach OHSAS 18001 ohne Beteiligung von Betriebsräten sind eine Behinderung der Betriebsratsarbeit. Es gibt also noch ein großes Verbesserungspotential. Erst wenn hier die Hausaufgaben gemacht sind, kann man sich mit der Kür im freiwilligen Gesundheitsmanagement vergnügen.
Wie “unabhängig” ist die DAkkS wirklich? Wenn man sich die Gesellschafter der DAkkS ansieht, dann fehlt u.A. eine Vertretung der Arbeitnehmerseite. Da haben die Menschen, zu deren Schutz die Aufsicht (DAkkS) der Auditoren (Zertifizierer) beitragen sollten, wohl schlechte Karten. Ist dieses strukturelle Problem ein Zufall?
Beim Zustandekommen und der Weiterentwicklung von OHSAS 18001 durften Arbeitnehmer intensiver mitwirken, als bei der DIN SPEC 91020. Vielleicht ist es aber gerade der bei anständigen Normen und Standards erforderliche Konsens, der die Unternehmen stört.
 
Suche: “DIN SPEC 91020” und “Arbeitsschutzgesetz”. – Ein Trick in der irreführenden Werbung für die DIN SPEC 91020 besteht häufig darin, zu behaupten, dass das BGM über den Arbeitsschutz hinausginge. Das mag sein, wenn der Arbeitsschutz in das BGM eingebettet ist. In die DIN SPEC 91020 ist der Arbeitsschutz aber nicht eingebettet, denn gemäß DIN kann die im PAS-Verfahren erstellte DIN SPEC 91020 kein für den Arbeitsschutz relevanter Standard sein. Ohne z.B. OHSAS 18001 macht eine Zertifizierung nach DIN SPEC 91020 also keinen Sinn, wenn ein Unternehmer auch im Arbeitsschutz ein Zertifikat zum Vorzeigen haben will. Es gibt hier übrigens sogar Unternehmer, die ernsthaft meinen, dass sie externe Audits abwehren können, wenn sie Zertifikate an der Wand hängen haben. Willkommen im Zertifizierungsgeschäft.
2015-12-01: Spezielle Anforderungen zur Akkreditierung von Zertifizierungsstellen, die Managementsysteme nach DIN SPEC 91020:2012 „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ zertifizieren

DIN SPEC 91020:Keine Arbeitsschutz-Spezifikation

In http://www.ihk-koeln.de/upload/Vortrag_BGM_Forum_Siegemund_20130924_29034.pdf versäumte Bernd Siegemund, eine wichtige Einschränkung der DIN SPEC 91020 ganz deutlich klarzustellen: Die DIN SPEC 91020 ist keine Arbeitsschutz-Spezifikation.
Bildzitat (mit meinen Anmerkungen darin in violetter Schrift):

Quelle:
Standardisierung des betrieblichen Gesundheitsmanagements / DIN Spec 91020
Prof. Dr. Bernd Siegemund
IHK – Unternehmerforum ,,Betriebliches Gesundheitsmanagement”
Köln, 24.September 2013
www.bad-gmbh.de // www.teamprevent.com
Anmerkung:
Den violetten Text habe ich nachträglich eingefügt (2013-09-29), denn das DIN stellt klar, dass eine Anfrage zur Erarbeitung einer DIN SPEC nach dem PAS-Verfahren, die Aspekte des Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Brandschutzes enthält, vom DIN grundsätzlich abgelehnt wird.
Die Grafik ist im Original irreführend, da sie das BGM mit den gesetzlichen Bestimmungen des Arbeitsschutzes in Verbindung bringt.
Ein wichtiger Unterschied zwischen dem BGM und einem AMS aus meiner Sicht:

  • Ein BGM kann ohne die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften nicht funktionieren.
  • Ein AMS dient dazu, zur Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften beizutragen.

Wenn ein sich nach den Vorschriften des Arbeitsschutzes richtendes AMS unbedingt zertifiziert werden muss, dann ist darum zunächst ein Zertifikat nach OHSAS 18001 (oder vergleichbare Standards) anzustreben. Wenn dann noch Geld übrig ist, kann man es für diese DIN SPEC als Sahnehäubchen oben drauf ausgeben. Andererseits kann man ja geschützt durch überforderte Gewerbeaufsichten auch versuchen, den Rechtsstaat damit zu veralbern, dass man “über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus” geht, ohne diese Bestimmungen selbst einzuhalten.

Dreiste Werbung für DIN SPEC 91020

http://www.concada.de/app/seminar/detail/1882/V4455_Ausbildung_zum_Auditor_fuer_Betriebliches_Gesundheitsmanagement_-_Spezielle_AMS_Kenntnisse_nach_DIN_SPEC_91020

[…] Seminarbeschreibung
Basierend auf der neuen DIN SPEC 91020 „Betriebliches Gesundheits-management“ werden im Rahmen dieses Lehrgangs die angehenden BGM Auditoren hinsichtlich der speziellen Arbeitsschutzmanagementsystem- (AMS-) Kenntnisse geschult. Dabei werden neben der Vorstellung der relevanten rechtlichen Forderungen die wesentlichen Prozesse im Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie relevante Analyseinstrumente und Kennzahlensysteme erläutert und besprochen. Ein weiterer Schwerpunkt des Seminars liegt auf der Unternehmensführung und Prozesslenkung unter Arbeits- und Gesundheitsschutzbezug. […]

Mit dieser Ankündigung des Concada-Seminars “Ausbildung zum Auditor für Betriebliches Gesundheitsmanagement – Spezielle AMS Kenntnisse nach DIN SPEC 91020” (4.12.2013 – 6.12.2013, Bonn) zeigt der Seminaranbieter entweder Inkompetenz oder es handelt sich hier um die dreisteste Werbung für die DIN SPEC 91020, die mir bisher untergekommen ist: Die DIN SPEC 92010 ist kein Standard für den Arbeits- und Gesundheitsschutz. Bei der DIN SPEC 91020 geht es um Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM), nicht um AMS!
Comcada ist ein Unternehmen der B·A·D Gruppe, die beim DIN die DIN SPEC 91020 federführend in das PAS-Verfahren des DIN einbrachte. Dabei stellte das DIN klar, dass eine Anfrage zur Erarbeitung einer DIN SPEC nach dem PAS-Verfahren, die Aspekte des Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Brandschutzes enthält, vom DIN grundsätzlich abgelehnt wird. Trotzdem versucht B·A·D über seine Tochtergesellschaft, den Standard nun doch als Arbeitsschutzstandard zu verkaufen. Spielt das DIN da mit?
Wenn Sie ein Seminar für Arbeitsschutzmanagementsysteme (AMS) suchen, dann sollten sie Ihr Geld und Ihre Zeit nicht mit der Teilnahme an fragwürdigen Veranstaltungen verschwenden, in denen der Gültigkeitsbereich der DIN SPEC 91020 in einen falschen Zusammenhang gestellt wird. Hinsichtlich spezieller AMS-Kenntnisse ist es besser, BGM-Auditoren z.B. basierend auf OHSAS 18001, OHRIS oder ILO-OSH zu schulen.

"BGM-Experten" verstehen die DIN SPEC 91020 nicht

http://bgm-expeerts.de/index.php/analyse-toolbox/bgm-qualitaetsmanagement-din-spec-91020/norm-din-spec-91020

Die Norm DIN SPEC 91020
[…]
GesundheitsManagement geht über den “klassischen” Arbeitsschutz hinaus
[…]
Das Arbeitsschutzgesetz zeichnet sich durch einen ganzheitlichen und präventiven Ansatz, einen kooperativen und beteiligungsorientierten Ablauf und ein erweitertes Verständnis von Arbeits- und Gesundheitsschutz aus. Ziel ist, neben der Verhütung von Unfällen, die menschengerechte Gestaltung der Arbeit (ArbSchG § 2 Abs. 1).
Außerdem schreibt das ArbSchG vor, dass der Arbeits- und Gesundheitsschutz als kontinuierlicher Verbesserungsprozess zu organisieren ist. Dieses Verfahren findet sich im BGM wieder.

Ich nehme zu Gunsten der “BGM-Experten” einmal an, dass sie keine Ahnung haben, nicht mit Absicht desinformieren und nur versehentlich den Eindruck erwecken, dass es bei der DIN SPEC 91020 um Arbeitsschutz ginge. Sie haben noch immer nicht begriffen, dass das DIN keine DIN SPECS für den Arbeitsschutz zulässt.

Irreführung zur DIN SPEC 91020

http://mit-blog.de/betriebliches-gesundheitsmanagement-bgm-strukturiert-und-nachhaltig/

[…] Die DIN SPEC 91020 ist eine Orientierungshilfe und bietet Handlungssicherheit. […] Die Schritte ins strukturierte BGM sind einheitlich: Bestandsaufnahme/Analyse des ist-Zustands (anhand von Gefährdungsbeurteilungen, Fehlzeitenanalysen, Mitarbeiterbefragungen …) […] Information kann KMU bei der Einführung und der Umsetzung eines BGM helfen: Infos zu Änderungen und wichtigen Neuerungen, Publikationen oder Videos zum Thema finden Sie im Arbeitsschutz-Portal. Die Redaktion befasst sich ausschließlich mit Arbeitsschutz-Themen und hält immer die aktuellsten Infos bereit. […]

Die Medien-Firma, die diese Website betreibt, versucht, die DIN SPEC 91020 mit Arbeitsschutz zu assoziieren. Vom DIN gibt es aber keine nach dem PAS-Verfahren entstandenen DIN SPECs für den Arbeitsschutz. Und im braven Arbeitsschutz-Portal findet sich nichts zu “91020”.
 
http://www.maschinenmarkt.vogel.de/themenkanaele/managementundit/personalwesen/articles/415691/ enthält den nicht falschen, aber trotzdem irreführenden Satz:

[…] Die neue Spezifikation geht dabei über die rechtlichen Verpflichtungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz und Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung hinaus. Basis für die Anforderungen der DIN SPEC 91020 ist ein bestehendes Managementsystem, etwa ein Qualitätsmanagement nach ISO 9001 oder ein Umweltmanagement nach ISO 14001. […]

Es sollte klar sein, dass das DIN ausdrücklich ablehnt, DIN SPECs nach dem PAS-Verfahren für den Arbeits- und Gesundheitsschutz zu erstellen. Diese DIN SPEC ist also keine Spezifikation für den Arbeits- und Gesundheitsschutz.
 
http://www.haufe.de/arbeitsschutz/gesundheit-umwelt/erfolgreiches-gesundheitsmanagement-mit-der-din-spec-91020/vor-und-nachteile-der-din-spec-91020_94_190528.html

29.07.2013
Top-Thema DIN SPEC 91020: Leitlinien für ein erfolgreiches Gesundheitsmanagement
Vor- und Nachteile der DIN SPEC 91020 […]

Der Titel sieht nach Abwägung aus, aber dann kommt ein Werbetext. Ein Nachteil der DIN SPEC 91020 kann sein, dass hier Geld ausgegeben werden könnte, dass zunächst besser in einen Standard zum Arbeitsschutz (z.B. OHSAS 18001) investiert wäre. Darauf geht Haufe nicht ein.

Outokumpu VDM wirbt mit DIN SPEC 91020

http://www.come-on.de/lokales/altena/erhaelt-gesundheitszertifikat-3040754.html

[…] „Die Din Spec 91020 gilt als erster allgemein akzeptierter Standard für den Bereich BGM“, erklärt Michael Baar, Leiter Arbeitswirtschaft und Arbeitssicherheit. […] 

Outokumpu VDM Altena wurde vom TÜV Nord nach der DIN SPEC 91020 zertifiziert. Schlau: Der Standard wird nicht als Arbeitsschutznorm verkauft, aber über den “Leiter Arbeitswirtschaft und Arbeitssicherheit” wird doch eine Verknüpfung dazu versucht.
Damit es klar ist: Das DIN akzeptiert für den Arbeitsschutz keine Vorschläge von nach dem PAS-Verfahren entwickelten DIN SPECs. Außerdem kann eine DIN SPEC kein “allgemein” akzeptierter Standard für den Bereich BGM sein, denn um allgemein akzeptiert zu werden, muss es einen Konsens geben. Und genau die bei ordentlichen Normen erforderliche Konsensbildung fehlt im PAS-Verfahren.
Das Edelstahl-Unternehmen ist auch nach OHSAS 18001 zertifiziert. Diesen Arbeitsschutz-Standard sollten die VDM-Betriebsräte gut verstehen.

Abgehängter Arbeitsschutz

In http://www.arbeitstattstress.de/2012/06/gesundheitsvorsorge-im-betrieb/ fragte Stephan List vor einem Jahr zum Thema betriebliches Gesundheitsmanagement:

… Warum ist dieses Thema eigentlich nicht bei der Arbeitssicherheit “aufgehängt”? Haben sich die Sicherheitsfachkräfte da “abhängen” lassen, freiwillig oder unfreiwillig? …

Die Frage müsste häufiger gestellt werden. Parallel dazu versucht das FDP-geführte Wirtschaftsministerium mit Werbung für die betriebliche Gesundheitsförderung und einem Präventionsförderungsgesetz das CDU-geführte Ministerium für Arbeit (usw.) abzuhängen, das wohl noch immer nicht weiß, wie man die Vorschriften für den Arbeits- und Gesundheitsschutz auch wirklich durchsetzt.
Selbst Ursula von Leyen zufolge hält sich nur ein Drittel der Unternehmen in Deutschland an die Vorschriften des ganzheitlichen Arbeitsschutzes, aber – wie List berichtet – einer Studie von EuPD Research zum betrieblichen Gesundheitsmanagement (hier wird auf Haufe Bezug genommen) zufolge wollen drei Viertel der befragten Betrieben bereits ein betriebliches Gesundheitsmanagement eingeführt haben. Gesundheitsmanagement hat ja auch einfach mehr Sex als die dröge Arbeitssicherheit und der anspruchsvolle Arbeitsschutz mit seinem (so behauptet es zumindest die Bundesarbeitsministerin) “knallharten Strafkatalog”. Aus diesem Katalog ist allerdings wohl noch keines der Unternehmen, die den Einbezug psychischer Belastungen in ihren Arbeitsschutz ausbremsen dürfen, bestraft worden. Der Katalog ist ein Popanz.
Nach meinem Eindruck dominiert im betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) die bei Arbeitgebern beliebtere Verhaltensprävention, mit der sich Unternehmen dann vorzeigbar fürsorglich den einzelnen Mitarbeitern widmen können. Netterweise werden dabei auch gerne außerbetriebliche Probleme der Mitarbeiter angesprochen, damit deutlich gezeigt werden kann, dass psychische Erkrankungen nicht nur durch fehlbelastende Arbeitsplätze entstehen.
Zum Geschäft des Gesundheitsmanagements passt, dass für die Zertifizierung von Gesundheitsmanagementsystemen jetzt nach Standards wie die DIN SPEC 91020 geworben wird. Der Standard entstand im PAS-Verkahren, also ohne den bei anständigen Normen besser gesicherten Konsens der von dem Standard betroffenen Interessenten. Bevor die Show mit dem Gesundheitsmanagement startet, müssen die Arbeitgeber ihre Hausaufgaben doch erst einmal im Arbeits- und Gesundheitsschutz machen.
Im Gesundheitsmanagement und in der Gesundheitsförderung dominiert die Verhaltensprävention, obwohl die Regeln des modernen Arbeitsschutzes seit 1996 der Verhältnisprävention den Vorrang geben, bei der man Probleme im Bereich der von den Arbeitsbedingungen ausgehenden psychischen Belastungen nicht so einfach in die “Eigenverantwortung” und “Eigenvorsorge” der Arbeitnehmer abschieben kann, die sich dann auch noch selbst gegen die Selbstausbeutung wehren sollen, die von ihnen erwartet wird.
Die korrekte Maßnahmenhierarchie schmeckt vielen Arbeitgebern nicht. Mit den verkehrten Prioritäten in ihrem Gesundheitsmanagement, in dem der Arbeitsschutz und somit die Arbeitsschützer nur eine Nebenrolle spielen, lässt sich dann das werbewirksame Employer Branding viel einfacher betreiben. Die Regeln des Arbeitsschutzes ziehen dabei dann nicht mehr so viel Aufmerksamkeit auf sich.

Ist die DIN SPEC 91020 akkreditierungsfähig?

http://www.dakks.de/content/dakks-sondiert-möglichkeiten-für-akkreditierungen-für-din-spec-91020-–-einberufung-einer-ad-

DAkkS sondiert Möglichkeiten für Akkreditierungen für DIN SPEC 91020 – Einberufung einer ad-hoc Arbeitsgruppe des SK-M
15.07.2013
Unter Federführung des Sektorkomitees Managementsysteme (SK-M) sondiert die zuständige Abteilung 6 der DAkkS Möglichkeiten einer Zertifizierung und Akkreditierung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) auf der Basis der DIN SPEC 91020. Die Norm wurde im Juli 2012 veröffentlich und legt Anforderungen an ein BGM-System fest. Sie kann von Organisationen unabhängig von Größe, Branchenzuordnung verwendet werden. Als Spezialnorm für die Organisation des betrieblichen Gesundheitsschutzes hebt sich die DIN SPEC 91020 von bestehenden Zertifizierungssystemen des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes (z.B. BS OHSAS 18001) ab.
Zur Vorbereitung des Akkreditierungsverfahrens für Zertifizierungsstellen möchte das zuständige SK-M der DAkkS Fachexperten mit Erfahrungen in der Organisation und Umsetzung des betrieblichen Gesundheitsschutzes einbinden. Interessierte melden sich bitte bis 25.07.2013 per Mail bei Peter Hissnauer, Leiter der Abteilung 6 […]. Eine Sitzung in Frankfurt/Main wird am 12. oder 16. August 2013 durchgeführt. Zur Sitzung soll die grundsätzliche Akkreditierungsfähigkeit festgestellt werden und ein erstes Zertifizierungs- und Akkreditierungskonzept (Scoping, Qualifikationen, Auditzeit, Prozessanforderungen etc.) erarbeitet werden.

Gesundheitsschutz sollte nicht mit Gesundheitsmanagement verwechselt werden. Nur der vorgeschriebene Gesundheitsschutz ist Gegenstand des Arbeitsschutzgesetzes. Die DAkkS meint vermutlich: Als eine Spezifikation für die Organisation des freiwilligen betrieblichen Gesundheitsmanagements unterscheidet sich die DIN SPEC 91020 von bestehenden Normen für die Organisation des vorgeschriebenen betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes (z.B. BS OHSAS 18001). Begründung: Die DIN SPEC 91020 ist keine Spezialnorm für die Organisation des betrieblichen Gesundheitsschutzes, denn die DIN SPEC ist nach dem PAS-Verfahren (Publicly Available Specification) entstanden. Das DIN stellt ganz ausdrücklich klar:

[…] Ausgangspunkt für die Erarbeitung einer DIN SPEC (PAS) ist eine Anfrage durch eine Person, Organisation oder einen Normenausschuss an den Bereich Innovation (I) des DIN. Die Initiierung des Projektes erfolgt somit durch den Kunden (Initiator). Eine Anfrage, die Aspekte des Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Brandschutzes enthält, wird vom DIN grundsätzlich abgelehnt. […]

Quelle: http://www.spec.din.de/cmd?level=tpl-rubrik&menuid=81501&cmsareaid=81501&menurubricid=87633&cmsrubid=87633 (2013-07-16; der Satz wurde jetzt gestrichen.)
Weil die DIN SPEC 91020 nach dem PAS-Verfahren und nicht nach dem Vornorm-Verfahren erstellt wurde, ist diese Spezifikation keine “Vornorm”.

 


Nachtrag 2013-09-26 (Pressemeldung): http://www.bgm-bv.de/boxen_rechte_spalte/dakks_sitzung.html

BBGM e.V. im Arbeitskreis der Deutsche Akkreditierungsstelle [DAkkS] zur DIN SPEC 91020 vertreten
Am 16. August 2013 fand in Frankfurt unter der Leitung von Herrn Peter Hissnauer [DAkkS] ein Arbeitsgruppentreffen statt. Ziel der Sitzung war die grundsätzliche Akkreditierungsfähigkeit der DIN SPEC 91020 festzustellen und ein erstes Zertifizierungs- und Akkreditierungskonzept zu erarbeiten. Die Spezifikation wurde im Juli 2012 veröffentlicht und legt Anforderungen an ein BGM-System fest. Der BBGM e.V. war mit Frau Agnes Kaminski [Ressortleitung Qualität im BGM] und Herrn Kurt Gläser [Ressortleitung Netzwerk und Verbindungen] bei der Arbeitsgruppensitzung vertreten. Über die Ergebnisse der Sitzung wird nun das Sektorkomitee der DAkkS beraten.

DGQ versteht OHSAS 18001 und DIN SPEC 91020 falsch

In dem folgenden Beitrag geht es um eine falsche Darstellung des Unterschiedes zwischen DIN SPEC 91020 und OHSAS 18001. Sie ist unter Anderem falsch, weil ein Gegensatz zwischen Arbeitsschutz und Gesundheitsschutz hergestellt wird. Der Gesundheitsschutz ist jedoch der Hauptgegenstand des Arbeitsschutzgesetzes. Und ein grober Fehler ist es, von einem “Gesundheitsschutz nach DIN SPEC 91020” zu sprechen. Es gibt höchstens ein “Gesundheitsmanagement nach DIN SPEC 91020”. Im Arbeits- und Gesundheitsschutz hat eine DIN SPEC nichts zu suchen: Das Deutsche Institut für Normung hat ausdrücklich erklärt, das keine DIN SPECs für diesen Bereich angenommen werden. Der wichtige Grund: Normen für Schutzbestimmungen setzen eine Konsensfindung zwischen den von der Norm betroffenen Parteien voraus.
 
http://www.dgq.de/wui/wui-aktuelles_11565.htm (Dezember 2012):

[…] Denn ein Unternehmen kann jetzt entscheiden, ob es eher den Gesundheitsschutz nach DIN SPEC 91020 gegenüber dem Arbeitsschutz nach dem Standard OHSAS 18001 für Arbeitsschutzmanagement-Systeme oder eben beide fördern und gegebenenfalls zertifizieren lassen will.
„Diese strategische Entscheidung hängt mitunter von den Branchenspezifika ab“, erklärt Claudia Nauta, Produktmanagerin der DGQ Weiterbildung. So umfasst Arbeitsschutz eher die Sicherheit des Mitarbeiters bei seinen Tätigkeiten am Arbeitsplatz, etwa Schutzmaßnahmen bei Lärmeinwirkung durch Maschinenbetrieb. Gesundheitsschutz zielt hingegen direkt auf die Gesundheit der Mitarbeiter ab. […]

Da ist Einiges ausgerechnet von der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) kräftig verwirrt worden.
(Hoffentlich passiert das nicht bei den “Kompetenztagen 2013” am 11. Juni. Dort in Stuttgart wird die DGQ-Expertin Katrin Schiller auch Werbung für die DIN SPEC 91020 machen. Eigentlich kennt sich die DGQ doch mit beiden Standards – OHSAS 18001 und DIN SPEC 91020 – gut aus.)
Es gibt keinen Gegensatz zwischen Arbeits- und Gesundheitsschutz, sondern per Arbeitsschutzgesetz ist der Gesundheitsschutz Gegenstand des Arbeitsschutzes.
Nebenbei bemerkt: Auch das Verhältnis zwischen BGM und Arbeitsschutz ist nicht zwingend ein Gegensatz. Das BGM kann ein vom Arbeitsschutz getrennter Rahmen für den Gesundheitschutz sein, oder es kann den Gesundheitsschutz mit einbeziehen, der dabei aber nicht nach DIN SPEC 91020 zertifiziert werden kann. Soll ein im BGM eingebetteter Gesundheitschutz nach einem Standard zertifiziert werden, dann kann man dafür z.B. OHSAS 18001 oder ILO-OSH oder OHRIS in Betracht zuehen.
Im Bereich der Prävention gibt es einen Gegensatz: Im Arbeits- und Gesundheitsschutz hat die Verhältnisprävention Vorrang vor der Verhaltensprävention. Im BGM ist das oft umgekehrt.
 
Unternehmen können sich sowohl bei der Pflicht wie auch bei der Kür zertifizieren lassen:

  • Pflicht — OHSAS 18001 für den vorgeschriebenen Arbeits- und Gesundheitsschutz:
    Das Arbeitsschutzgesetz (Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit) ist, wie der Titel des Gesetzes sagt, eine Gesetz über den Gesundheitsschutz. Arbeitsschutz zielt direkt auf den Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter ab. Der Gesundheitsschutz hat darum in einem Standard für Arbeitsschutzmanagementsysteme (AMS) seinen Platz.
  • Kür — DIN SPEC 91020 für das freiwillige Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM):
    Das Deutsche Institut für Normung (DIN) schreibt zu dem Verfahren für die DIN SPEC nach dem PAS-Verfahren: “Eine Anfrage, die Aspekte des Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Brandschutzes enthält, wird vom DIN grundsätzlich abgelehnt.” Das hat einen guten Grund: Die DIN SPEC 91020 ist eine ohne Mitbeteiligung der Zielgruppe (Arbeitnehmer) mit den Prozessen des DIN gestaltete Spezifikation. Gegenstand dieser Spezifikation ist das Betriebliche Gesundheitsmanagement. Das BGM zielt in der DIN SPEC 91020 direkt auf die Gesundheitsförderung der Mitarbeiter, wobei diese DIN SPEC das Management eines eventuell im BGM eingebetteten Arbeitsschutzes explizit nicht standardisieren darf.
    WARNUNG: Die DIN SPEC 91020 ist kein Standard für den Arbeits- und Gesundheitsschutz.

Eine Zertifizierung ist in beiden Fällen freiwillig, dabei führt nur zertifizierte AMS zu einer Entlastung der behördlichen Aufsicht (siehe LV 33 und LV 54). Die DIN SPEC 91020 zertifiziert BGM-Managementsysteme unter Ausschluss des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und entlastet die behördliche Aufsicht darum nicht.
 
Die DGQ meint, ein Unternehmen könne entscheiden, ob es

  • (1) eher ein freiwilliges Betriebliches Gesundheitsmanagement nach DIN SPEC 91020 oder
  • (2) den vorgeschriebenen Arbeits- und Gesundheitsschutz nach dem Standard OHSAS 18001 für Arbeitsschutzmanagement-Systeme oder
  • (1+2) eben beide

fördern und gegebenenfalls zertifizieren lassen will.
Ein intelligentes und kostenbewustes Unternehmen entscheidet sich für (2) oder (1+2), denn Kunden fordern von ihren Zulieferern verstärkt Zertifikate für Arbeitsschutzmanagementsysteme. Darum ist es wenig hilfreich und eher Geldverschwendung, sich nur nach DIN SPEC 91020 zertifizieren zu lassen. Man kann diese Spezifikation auch nur als hilfreiche Anleitung für die Gestaltung eines BGM verwenden ohne es zertifizieren zu lassen. Die Systemkontrolle der Gewerbeaufsicht und die Berufsgenossenschaften interessieren sich zunächst für Arbeitsschutzmanagementsysteme (ggf. nach OHSAS oder ILO-OSH oder OHRIS zertifiziert) und nicht so sehr für ein Betriebliches Gesundheitsmanagement, dessen Arbeitsschutzelemente (so es sie gibt) gemäß den Bedingungen des Deutschen Instituts für Normung nicht von der DIN SPEC 91020 standardisiert werden dürfen.
Diese strategische Entscheidung hängt mitunter von den Branchenspezifika ab. Insbesondere werden immer mehr exportierende Unternehmen von ihren Kunden nach Zertifikaten wie OHSAS 18001 gefragt.
Der Arbeitsschutz umfasst den grundlegenden Gesundheitsschutz der Mitarbeiter bei ihren Tätigkeiten am Arbeitsplatz, etwa Schutzmaßnahmen gegen Lärmeinwirkung durch Maschinenbetrieb oder gegen psychische Fehlbelastungen bei konfliktreichen Aufgabenstellungen, die beispielsweise Personaler einerseits und Mitglieder des Betriebsrates andererseits zu erfüllen haben. Damit zielen das Arbeitsschutzgesetz und OHSAS 18001 direkt auf den Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter ab. Im Unterschied dazu zielt das Betriebliche Gesundheitsmanagement über den Gesundheitsschutz hinausgehend auch auf die Gesundheitsförderung der einzelnen Mitarbeiter ab, wobei Verhältnisprävention und Verhaltensprävention sinnvoll miteinander verknüpft werden können.
Dabei nocheinmal der Hinweis (die ständige Wiederholung ist Absicht): Einem eventuell im BGM eingebetteter Arbeits- und Gesundheitsschutz widmet sich die DIN SPEC 91020 gemäß den Bedingungen des Deutschen Instituts für Normung ausdrücklich nicht.
 


2013-04-22
In http://www.qz-online.de/news/dgq/artikel/sinnvolles-arbeitsfeld-fuer-managementbeauftragte-und-auditoren-468751.html wird der Unsinn (“[…] den Gesundheitsschutz nach DIN  SPEC  91020, den Arbeitsschutz nach dem Standard OHSAS  18001 für Arbeitsschutzmanagementsysteme […]”) wiederholt, obwohl das ein “Portal für Qualitätsmanagement” sein soll.