Stimmung machen

“Stimmung machen” heißt die Überschrift in NEON vom Mai 2011.
http://www.neon.de/kat//wissen/job/335944.html:

Weshalb nicht nur dein Chef fürs Betriebsklima zuständig ist – sondern auch du selbst
von Christoph Koch
Heute schon den Kollegen ein Lächeln geschenkt und einen lustigen Youtube-Link geschickt? Oder doch eher das dreckige Geschirr in der Teeküche ignoriert? Ein Plädoyer von NEON-Redakteur Christoph Koch für mehr Sozialklimaschutz im Büro. Denn auch ein gut bezahlter Job mit Selbstverwirklichungsgarantie macht mit zerstrittenen Kollegen keinen Spaß.

Speziell in den bunteren Monatsillustrierten liegt beim Thema “Arbeitsbedingungen” der Schwerpunkt auf individuellen Verhaltensverbesserungen, also auf der Verhaltensprävention. “Weshalb nicht nur dein Chef fürs Betriebsklima zuständig ist” impliziert, das behauptet würde, das nur der Chef (nur der Arbeitgeber) für das Betriebsklima zuständig sei. Dass Journalisten darauf hinweisen, dass die meisten Arbeitgeber den Arbeitsschutz (und damit die Erfordernisse der Verhälnisprävention) missachten, kommt jedoch nur ganz selten vor. Sie müssten eigentlich nur lernen, beharrlich zu recherchieren: Sind Arbeitgeber wirklich daran interessiert, Arbeitsbelastung zu analysieren und zu dokumentieren? Gibt es Betriebsvereinbarungen, in denen die Prozesse und Kriterien der im Arbeitsschutz erforderlichen Gefährdungsbeurteilungen mit Einbezug psychischer Belastungen beschrieben sind? Das lässt sich konkret recherchieren. Statt dessen lassen sich zu viele Journalisten von hübsch komplexen Programmen zum Gesundheitsmanagement unkritisch beeindrucken.
Schade, wenn bei den Lesern mit hobbypsychologischen Ratschlägen Stimmung in Richtung Selbsthilfe gemacht wird und der Journalist dabei geflissentlich übersieht, dass kaum ein Arbeitgeber seiner Verpflichtung nachkomment, überhaupt erst einmal die Arbeitsbedingungen in seinem Unternehmen zu verstehen.
Christoph Koch schreibt: “Wir müssen mehr in die [Arbeits-]Atmosphäre investieren! … Nur wie?” Ist es tatsächlich so unsexy, von Arbeitgebern zu verlangen, dass sie mindestens die Vorschriften des Arbeitsschutzes befolgen?
Natürlich müssen Alle ihre individuellen Beiträge zum Arbeitsklima leisten und können sich dabei nicht auf das Herumjammern beschränken. Aber ist es nicht ein bisschen zu frech z.B. wenn Arbeitgeber Mitarbeiter in die Eigenverantwortung nehmen und gleichzeitig die meisten Unternehmen seit 1996 (bzw. spätestens nach klaren BAG-Beschlüssen im Jahr 2004) ihren arbeitsschutzrechtlichen Pflichten nicht nachkommen?