GPTW: Gewichtung des Kulturaudits

Lidl wirbt damit, dass 78000 seiner Mitarbeiter bei Great Place to Work abgestimmt hätten. Nun ist Lidl auf Platz 2 bei den Großunternehmen unter den 100 besten Arbeitgebern Deutschlands.
Es gibt bei Great Place to Work aber auch ein Kulturaudit. Dessen Ergebnisse einerseits und die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung andererseits gehen im Verhältnis 1:2 in die Bewertung mit ein:

An der jährlichen Great Place to Work® Befragung und dem aktuellen Wettbewerb «Deutschlands Beste Arbeitgeber 2018» können alle mittelständischen und großen Unternehmen sowie rechtlich eigenständige Unternehmensteile ab einer Mindestgröße von 50 Beschäftigten in Deutschland teilnehmen. Grundlage ist die Durchführung einer Great Place to Work® Mitarbeiterbefragung und eine Analyse der Maßnahmen der Personalarbeit (Great Place to Work® Kultur Audit). Die Ergebnisse der beiden Untersuchungsteile werden im Rahmen des Wettbewerbs im Verhältnis 2:1 gewichtet. Das Urteil der Beschäftigten steht also im Vordergrund.

Betriebsräte nehmen “nicht zwangsläufig” am Kulturaudit teil. Das Kulturaudit bietet mit einer Gewichtung von einem Drittel immer noch genug Möglichkeiten, die Zustände in einem Unternehmen im Hintergrund schönzufärben.

Psychische Belastungen bei Lidl

Lidl twittert:

Mitarbeiter stimmten ab: #Lidl gehört zu Deutschlands besten Arbeitgebern 2017. Wir sind stolz und sagen DANKE an 78.000 #Möglichmacher

Hält sich Lidl an das Arbeitsschutzgesetz? Die Minderung psychischer Fehlbelastungen ist heute kein Luxus mehr, sondern gesetzlich vorgeschrieben. Lidl übersteht vermutlich Prüfungen der Gewerbeaufsicht und der Berufsgenossenschaften. Bekanntlich hat die behördliche Aufsicht jedoch versagt. So, wie die behördliche Aufsicht seit vielen Jahren ausgestattet und strukturiert ist, kann das Versagen in Deutschland kein Versehen sein, ist also politisch gewollt (nicht nur bei Lebensmitteln, bei der Autoindustrie, bei Spieleautomatenbetreibern, bei Seniorenheimen usw., sondern auch im Arbeitsschutz). Aber an den Antworten der Belegschaft auf die Befragung durch Great place to Work kann man sehen, ob Lidl den Schutz der psychischen Gesundheit so ernst nimmt, wie den Schutz der körperlichen Gesundheit.
Fragen an Lidl:

Zumindest die 78000 “Möglichmacher” bei Lidl sollten die Antwort unternehmensintern nachlesen können. Macht Lidl das möglich?

GPTW 2017: Lidl unter den 100 besten Arbeitgebern in Deutschland

Great Place to Work stört sich anscheinend nicht daran, dass Lidl Betriebsratsgründungen nicht so sehr mag. Insofern zeigt das Ranking von GPTW, was für ein Unternehmen GPTW selbst ist.

Lidl ist, von Great Place to Work (GPTW) anerkannt, unter den 100 besten Arbeitgebern im Jahr 2017. Man sieht, das geht auch ohne Betriebsräte und Gewerkschaften, die die Mitarbeiter ja nur bevormunden wollen. Richtig?
Was ist passiert? Lidl ist auf Rang 2 in der Klasse der Großunternehmen, die von “Great Place to Work” zu den “100 besten Arbeitgebern in Deutschland 2017” erkoren wurden (http://www.presseportal.de/pm/69829/3587706). 10 Großunternehmen nahmen an der im Jahr 2016 durchgeführten Befragung teil. Nur zwei schafften es auf die Rangliste der Unternehmen mit >5000 Mitarbeitern.
Es wird Zeit, dass sich die Gewerkschaften mal ein bisschen eingehender mit Great Place to Work (GPTW) und ähnlichen Unternehmen im Geschäft der Bewertung von Arbeitgebern befassen. Bei GPTW wird scheinbar Objektivität durch die Befragung eines Teils der Belegschaft hergestellt, aber schon beim “Kulturaudit” kriegen Betriebsräte (die es bei Lidl sowieso kaum gibt) nicht mehr so gut mit, wie strahlend die Unternehmenskommunikation den Arbeitgeber gegenüber GPTW darstellt, damit er beim “Employer Branding” gut aussieht. Das kann dann auch der Delegitimierung von Betriebsräten und Gewerkschaften dienen: GPTW zeigt, dass sein Kunde keine starken Betriebsräte braucht um gut auszusehen.
Der “Kulturaudit” geht geht mit einer Gewichtung von ⅓ in das von GPTW präsentierte Gesamtergebnis ein. Die Mitarbeiterbefragung hat ein Gewicht von ⅔. Der einzelne Arbeitgeberrepräsentant zählt damit viel meht, als ein Mitarbeiter. Der GPTW-Wettbewerb ist auch ein Wettbewerb der Unternehmenskommunikationen.
Gut auszusehen ist heute sehr wichtig für Unternehmen. Es gibt große Unternehmen, die mehrere Kommunikationsprofis und Psychologen in ihrer Unternehmenskommunikation beschäftigen, um Firmen wie GPTW zu bedienen. Aber ausreichend kompetente und unabhängige Psychologen für den modernen Arbeitsschutz wollen sie nicht bezahlen. Die gesetzlich geforderte Beurteilung psychischer Gefährdungen bleibt dann (wenn überhaupt) in der Hand der Leute aus dem technischen Arbeitsschutz. Aber das Unternehmen kann sich als arbeitnehmerfreundlich darstellen. Darauf kommt es wohl heute in erster Linie an.
Speziell Lidl ist so organisiert, dass Betriebsratsbildungen schwer fallen. Angesichts der Lidl-typischen Zersplitterung der Arbeitnehmer müsste genauer hingesehen werden, ob alle Mitarbeiter befragt wurden oder ob bei einer Befragung nur eines Teils der Mitarbeiter eine Zufallsauswahl durch GPTW aus einem relevanten Anteil der Mitarbeiter wirklich gewährleistet war. Betriebsräte, die bei solchen Befragungen einzubinden sind, scheint es ja bei Lidl nicht zu geben. Und GPTW scheint sich an dem Fehlen einer wirksamen Arbeitnehmervertretung nicht zu stören, was schon einmal beschreibt, was für eine Art von Unternehmen GPTW ist.
Wenn ein weitgehend “betriebsratsfreies” Unternehmen wie Lidl nun plötzlich zu den besten Arbeitgebern Deutschlands gehört, dann sagt das vielleicht mehr über das Arbeitgeber-Ranking-Geschäft und das Geschäftsmodell von “Great Place to Work” aus, als über die Qualität dieses Arbeitgebers.