Arbeitgeber loben Merkel

http://www.gesamtmetall.de/gesamtmetall/meonline.nsf/id/News-GIP-21-2014_DE-Bundeskanzlerin-Anti-Stress

22. September 2014

Dulger: Arbeitgeber begrüßen Merkels Absage an eine Anti-Stress-Verordnung

Anti-Stress-Verordnung hilft keinem Betroffenen
Berlin. Gesamtmetall-Präsident Dr. Rainer Dulger begrüßt die deutliche Absage von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel an eine Anti-Stress-Verordnung. “Die Absage der Bundeskanzlerin ist erfreulich. Eine Anti-Stress-Verordnung hilft keinem Betroffenen”.
Dulger erinnerte daran, dass Arbeitgeber, Gewerkschaften und das Bundesarbeitsministerium erst vor einem Jahr in einer gemeinsamen Erklärung beschlossen hätten, zunächst wissenschaftliche Grundlagenforschung zu unterstützen.
“Wir begrüßen auch die Aussage, dass Unternehmen nicht mit weiteren Regulierungen rechnen müssen”, so Dulger weiter. An dieser Aussage werde man die Arbeit der Bundesregierung in den kommenden Monaten messen.

 
In der von Dulger genannten gemeinsamen Erklärung steht:

[…] Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hält die rechtlichen Grund­lagen für einen umfassenden Arbeitsschutz in Deutschland grundsätzlich für ausreichend. Es wird jedoch im Verlauf der zweiten Arbeitsperiode der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie prüfen, inwieweit es im Lichte neuer Erkenntnisse Regelungs­bedarf im Bereich arbeits­bedingter psychischer Belastung gibt. […]

 
Zur zweiten Arbeitsperiode der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (http://www.gda-portal.de/de/pdf/GDA-Dachevaluation_Abschlussbericht.pdf?__blob=publicationFile&v=2):

[…] Empfehlung für die nächste Periode
Aus der Sicht der Dachevaluation kann das neue übergeordnete Ziel ‚Verbesserung der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes‘ (ORGA) am ehesten mit den vorhandenen in der ersten GDA-Periode entwickelten Instrumenten evaluiert werden. Die Fortschritte und Entwicklungen des ersten Ziels sind voraussichtlich im Rahmen der Strategieperiode 2013 bis 2018 überprüfbar. Es handelt sich um kurz- und mittelfristig erreichbare Ziele (im Sinne von Zeiträumen von 1 – 3 bzw. 3 – 5 Jahren). Viele der dort erhobenen Daten werden sich voraussichtlich mit den Daten, die in der ersten Strategieperiode erhoben wurden, verknüpfen lassen. […]

Wenn ich es richtig verstehe, dann ist die zweite Arbeitsperiode die die im Jahr 2018 endende “Strategieperiode”. Dass schließt aber nicht aus, dass die Prüfung im Verlauf der zweiten Arbeitsperiode schon vorher zur Erleuchtung des Gesetzgebers beitragen könnte. Eine Durchführungsverordnung zur Stärkung der behördlichen Aufsicht beim Einbezugs psychischer Belastung in den Arbeitsschutz der Betriebe könnte sich dabei als sinnvoll erweisen, ohne dass von den Arbeitgebern zu befolgende Regeln und Vorschriften geändert werden müssten. Wichtig wäre in der Gewerbeaufsicht ein beschleunigter Kompetenz- und Ressourcenaufbau. Regelungsbedarf gibt es aus meiner Sicht auch zur Verbesserungen der Qualifizierung der Arbeitsschutzakteure (einschließlich der Arbeitnehmervertretungen) und der Umsetzung des §87 BetrVG.

Wenige Unternehmen haben die psychische Belastung berücksichtigt

Tagesveranstaltung von Südwestmetall in Stuttgart, 2014-05-21
http://www.suedwestmetall.de/swm/web.nsf/id/li_sweb9huhg3.html

Sehr geehrte Damen und Herren,
der Arbeitgeber ist nach dem Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, Gefährdungen jeglicher Art an den Arbeitsplätzen zu beurteilen. Dies geschieht im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung. Wenige Unternehmen haben dabei die psychische Belastung berücksichtigt. […]

Veranstaltung, in der auch der von der Arbeitgeberseite unterstützte KPB-Test vorgestellt wird.
Leider gilt auch: Immer noch zu wenige Betriebsräte haben die Fähikeit entwickelt, mit der Durchführung und Auswertung solcher Tests kritisch umzugehen.

Arbeitgeberverband Gesamtmetall und BGF

Ein Interview mit arbeitgebernahen Wissenschaftlern in einer arbeitgebernahen Fachzeitschrift.
http://www.gesamtmetall.de/gesamtmetall/meonline.nsf/id/News-Betriebspraxis-301211-Burnout-betriebliche-Gesundheitsfoerderung

Burnout, Depression und Demographie – Was kann und soll betriebliche Gesundheitsförderung hier leisten?
Im Interview mit Betriebspraxis & Arbeitsforschung äußern sich Dr.-Ing. Falk-Gerald Reichel (Gesamtmetall) und Dr. Stephan Sandrock (ifaa) zur Debatte rund um den Burnout sowie zur Verantwortung der Unternehmen für die psychische und physische Gesundheit der Mitarbeiter.

Ich habe einige Punkte aus dem “Interview” herausgegriffen, die helfen, sich auf die Argumentation und die Ziele der Arbeitgeber einzustellen. Die Zitate im folgenden Text sind also aus dem Interview herausgenommen. Sie wurden von mir zum Teil kommentiert.

  • Der „Burnout“ macht Schlagzeilen. Medien, Krankenkassen und Gewerkschaften berichten von einer Zunahme dieses Phänomens. Verantwortlich wird dafür auch der angeblich oder tatsächlich gewachsene Leistungsdruck in den Unternehmen gemacht. Zu Recht? — Da wird nun – bewusst oder unbewusst – Ursache mit Wirkung verwechselt.
  • Es gibt viele weitere Einflüsse, die beim Burnout eine Rolle spielen – insbesondere aus Persönlichkeit und Lebensstil. In einem tarifgebundenen Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie verbringt ein Arbeitnehmer weniger als 18 Prozent des Jahres im Betrieb. Dass die Frage, wie und wo er die restlichen 82 Prozent verbringt, auch eine Rolle spielen musste, ist zwangsläufig, wird aber trotzdem nicht gerne gehört. [Das weinerliche “wird aber trotzdem nicht gerne gehört” ist nicht zutreffend. Der Wissenschaftler bellt hier am falschen Baum. Dieses Argument der Arbeitgeber kommt immer wieder. Soll es davon ablenken, dass der Arbeitsschutz sich nur auf Probleme im Handlungsbereich des Arbeitgebers konzentriert? Keiner verlangt von den Arbeitgebern, für außerbetriebliche Probleme ihrer Mitarbeiter Verantwortung zu übernehmen. Siehe: Dreiebenenmodell]
  • Eine öffentliche Debatte um tatsächlich oder gefühlt wachsende psychische Belastungen erleben wir übrigens auch bei Kindern in den Schulen – also noch vor dem Eintritt ins Arbeitsleben.
  • Viele Menschen fühlen sich durch die intensive Berichterstattung über den Burnout, zu dem sich Prominente zunehmend öffentlich bekennen, ermutigt, ihre persönlichen Erschöpfungsgefühle zu thematisieren. Dabei ist der Begriff „Burnout“ wissenschaftlich nicht wirklich klar definiert. Es handelt sich dabei vermutlich um eine Überlastungs-Depression. Die Grunde dafür sind vielfaltig und können weit über das Arbeitsleben hinausreichen. Zum Beispiel können finanzielle oder auch private Sorgen in der Familie dazu führen.
  • Sowohl die Betriebsrätebefragung der IG Metall als auch der DGB-Index „Gute Arbeit“ sind methodisch ungeeignet, gesicherte Aussagen zur tatsächlichen Verbreitung dieser Erscheinungen zu treffen. Denn sie beruhen auf subjektiven Aussagen und Gefühlen. [Befragungen von Betriebsräten nach Gefährdungsbeurteilungen in den Betrieben sind Fragen nach messbaren Tatsachen. Selbst die Bundesarbeitsministerin kommt zu dem Schluss, dass etwa sieben von zehn Unternehmen der Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz nicht nachkommt. Die Missachtung der Arbeitsschutzbestimmungen durch die Mehrheit der Unternehmen ist dann auch der Hauptkritikpunkt der Betriebsräte.]
  • Mitarbeiterbefragungen sind aufgrund ihrer mangelnden bedingungsbezogenen Validität und Reliabilität eher ungeeignet, psychische Belastungsfaktoren zu erfassen. Da die Auswertung von Befragungen in der Regel auch anonymisiert zu erfolgen hat, sind Rückschlüsse auf den einzelnen Arbeitsplatz und vor allem die Ableitung von gestalterischen Maßnahmen nicht möglich. [Das ist ein Irrtum, denn es gibt genügend validierte Tests. Dann führt der Wissenschaftler auch noch in die Irre und tut so, als ob es ein Ziel sei, den einzelnen Arbeitsplatz zu bewerten. Tatsächlich sind es gerade die Arbeitgeber selbst, die schon aus Kostengründen nicht jeden einzelnen Arbeitsplatz beurteilen wollen, sondern gleichartige Arbeitsplätze zusammengefasst beurteilen. Das Arbeitsschutzgesetz erlaubt dieses sinnvolle Vorgehen ja auch. Bei den Kriterien für die Zusammenfassung hat die Arbeitnehmervertretung mitzubestimmen.]
  • Die Debatte um Burnout und verwandte Phänomene verengt am Arbeitsumfeld festzumachen ist ein Irrweg, mit dem auch den meisten Betroffenen herzlich wenig geholfen sein durfte. Es ist auch deshalb spekulativ und vorschnell, weil derzeit belastbare Verfahren fehlen, um ein möglicherweise krankmachendes Belastungsgrenzniveau verlässlich angeben und erkennen zu können. [Die Arbeitgeber wollten betriebsnahe Lösungen. Die haben sie bekommen; da kann es keine außerbetrieblichen Verfahren geben. “Belastbare Verfahren” vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter betriebsnah miteinander.]
  • Gut geführte Unternehmen werden deshalb über den gesetzlichen Arbeitsschutz hinaus bestrebt sein, die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu fordern. [Tatsächlich beginnen viele Unternehmen mit dem Gesundheitsmanagement ohne vorher ihre Pflichten im Arbeitsschutz erfüllt zu haben.]
  • Viele Gesundheitsprobleme von Mitarbeitern resultieren aus Fehlentwicklungen vor ihrem Unternehmenseintritt oder – wenn sie schon im Betrieb sind – auch aus Problemen in ihrer freien Zeit.
  • Aus all diesen Gründen kann GesundheitsfÖrderung nicht zu einem gesetzlichen Auftrag an die Unternehmen führen. [Ablenkungsmanöver: Die Arbeitnehmer verlangen kein gesetzlich vorgeschriebenes Gesundheitsmanagement, sondern sie fordern, dass sich die Arbeitgeber endlich an die von ihnen mehrheitlich missachteten Arbeitsschutzgesetze halten.]
  • Wo würden Sie bei der Betrieblichen Gesundheitsförderung und beim systematisch betriebenen Betrieblichen Gesundheitsmanagement die Linie zwischen Unternehmen und Staat ziehen? — Grundsätzlich haben Arbeitgeber in Deutschland die Pflicht, die Gesundheit der Mitarbeiter im Arbeitsprozess zu schützen. Dafür gibt es das umfassende gesetzliche Arbeitsschutz-Regelwerk. Eine darüber hinaus gehende Gesundheitsforderung muss jedoch freiwillig bleiben. [Wieder die Ablenkung. Die Mehrheit der Arbeitgeber erfüllt ja nicht einmal die Pflicht.]
  • Eine für mich entscheidende Frage bei der betrieblichen Gesundheitsforderung ist, ob und wie der Betrieb das Bewusstsein und die Eigenverantwortung des Mitarbeiters für die eigene Gesundheit starken kann. [Eigenverantwortung ist ein interessantes Thema. Wer sie fordert, sollte zunächst seine eigenen gesetzlich vorgeschriebenen Pflichten erfüllen.]
  • Unternehmen, die sich in der Gesundheitsforderung engagieren, können damit auch etwas für ihr Employer-Branding tun. Ein positives Arbeitgeber-Image wird im Wettbewerb um die knapper werdenden Arbeitskräfte immer wichtiger. [Employer-Branding ist ebenfalls ein interessantes Thema.]
  • Einige größere Unternehmen betreiben bereits ein systematisches Gesundheitsmanagement. Entscheidend dafür ist, dass die Maßnahmen durch das Management systematisch implementiert werden und dass sie messbare Ergebnisse haben. Das unterscheidet Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) von Betrieblicher Gesundheitsförderung (BGF).
  • Mir ist bekannt, dass einige Unternehmen mit dem Work Ability Index (WAI) arbeiten, der wesentlich mehr Parameter einbezieht. Es können über eine Zeitschiene auch weiche Daten erhoben werden – zum Beispiel wie die Beschäftigten ihre subjektiv empfundene Arbeitsfähigkeit beurteilen. [Siehe: WAI. Es gibt aber auch bessere Messinstrumente.]
  • Es muss aber klar abgegrenzt sein, was gesetzlich bedingter Arbeitsschutz ist und was eine freiwillige Leistung im Sinne der Gesundheitsforderung ist. Hier darf es keine Überschneidungen geben. [Richtig. Darauf sollten Arbeitnehmervertretungen sehr genau achten, damit Pflichtleistungen nicht als freiwillige Leistungen dargestellt werden. Das kann ein Versuch sein, die Mitbestimmung zu schwächen.]
  • Deshalb rate ich dazu, bei BGM einen längerfristigen Zeithorizont einzuplanen – beispielsweise fünf Jahre. [Das Arbeitsschutzgesetz hat der Arbeitgeber jedoch sofort umzusetzen! Also Vorsicht, wenn der Arbeitgeber mit dem BGM beginnt, ohne vorher seine Hausaufgaben im Arbeitsschutz gemacht zu haben.]
  • Wie beurteilen Sie Initiativen, BGM-Systeme zertifizieren lassen zu wollen? — Das läuft der Position zuwider, dass man keine Vorgaben machen soll. Es beschränkt zudem die Individualität und Kreativität der Betriebe. [Richtig. Gerade diese Freiheit begründet, dass die Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmervertretungen beim BGM bzw. der BGF nicht kategorisch ausgeschlossen werden kann.]