BGM muss im Unternehmen gelebt werden

http://www.bgm-report.de/wp-content/uploads/2013/03/BGM-Info-Service_Gesetze-Richtlinien-und-Fördermittel_03_20130228.pdf

[…] Was nützt einem Mitarbeiter, der über Rückenschmerzen klagt, eine Rückenschule im Rahmen eines zertifizierten BGMs, wenn er gar keine orthopädischen Probleme hat, aber sein Chef ihn regelmäßig vor der ganzen Mannschaft kritisiert? BGM muss im Unternehmen gelebt werden, eine gesundheitsförderliche Kultur und Führung, gemeinsame Werte und Normen sind ein wesentlicher Bestandteil, die sich durch eine Leitlinie oder Zertifikat nicht überstülpen lassen. […]
Loquenz Unternehmensberatung, Max-Eyth-Straße 13, 70771 Leinfelden-Echterdingen, www.bgm-report.de

DGQ versteht OHSAS 18001 und DIN SPEC 91020 falsch

In dem folgenden Beitrag geht es um eine falsche Darstellung des Unterschiedes zwischen DIN SPEC 91020 und OHSAS 18001. Sie ist unter Anderem falsch, weil ein Gegensatz zwischen Arbeitsschutz und Gesundheitsschutz hergestellt wird. Der Gesundheitsschutz ist jedoch der Hauptgegenstand des Arbeitsschutzgesetzes. Und ein grober Fehler ist es, von einem “Gesundheitsschutz nach DIN SPEC 91020” zu sprechen. Es gibt höchstens ein “Gesundheitsmanagement nach DIN SPEC 91020”. Im Arbeits- und Gesundheitsschutz hat eine DIN SPEC nichts zu suchen: Das Deutsche Institut für Normung hat ausdrücklich erklärt, das keine DIN SPECs für diesen Bereich angenommen werden. Der wichtige Grund: Normen für Schutzbestimmungen setzen eine Konsensfindung zwischen den von der Norm betroffenen Parteien voraus.
 
http://www.dgq.de/wui/wui-aktuelles_11565.htm (Dezember 2012):

[…] Denn ein Unternehmen kann jetzt entscheiden, ob es eher den Gesundheitsschutz nach DIN SPEC 91020 gegenüber dem Arbeitsschutz nach dem Standard OHSAS 18001 für Arbeitsschutzmanagement-Systeme oder eben beide fördern und gegebenenfalls zertifizieren lassen will.
„Diese strategische Entscheidung hängt mitunter von den Branchenspezifika ab“, erklärt Claudia Nauta, Produktmanagerin der DGQ Weiterbildung. So umfasst Arbeitsschutz eher die Sicherheit des Mitarbeiters bei seinen Tätigkeiten am Arbeitsplatz, etwa Schutzmaßnahmen bei Lärmeinwirkung durch Maschinenbetrieb. Gesundheitsschutz zielt hingegen direkt auf die Gesundheit der Mitarbeiter ab. […]

Da ist Einiges ausgerechnet von der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) kräftig verwirrt worden.
(Hoffentlich passiert das nicht bei den “Kompetenztagen 2013” am 11. Juni. Dort in Stuttgart wird die DGQ-Expertin Katrin Schiller auch Werbung für die DIN SPEC 91020 machen. Eigentlich kennt sich die DGQ doch mit beiden Standards – OHSAS 18001 und DIN SPEC 91020 – gut aus.)
Es gibt keinen Gegensatz zwischen Arbeits- und Gesundheitsschutz, sondern per Arbeitsschutzgesetz ist der Gesundheitsschutz Gegenstand des Arbeitsschutzes.
Nebenbei bemerkt: Auch das Verhältnis zwischen BGM und Arbeitsschutz ist nicht zwingend ein Gegensatz. Das BGM kann ein vom Arbeitsschutz getrennter Rahmen für den Gesundheitschutz sein, oder es kann den Gesundheitsschutz mit einbeziehen, der dabei aber nicht nach DIN SPEC 91020 zertifiziert werden kann. Soll ein im BGM eingebetteter Gesundheitschutz nach einem Standard zertifiziert werden, dann kann man dafür z.B. OHSAS 18001 oder ILO-OSH oder OHRIS in Betracht zuehen.
Im Bereich der Prävention gibt es einen Gegensatz: Im Arbeits- und Gesundheitsschutz hat die Verhältnisprävention Vorrang vor der Verhaltensprävention. Im BGM ist das oft umgekehrt.
 
Unternehmen können sich sowohl bei der Pflicht wie auch bei der Kür zertifizieren lassen:

  • Pflicht — OHSAS 18001 für den vorgeschriebenen Arbeits- und Gesundheitsschutz:
    Das Arbeitsschutzgesetz (Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit) ist, wie der Titel des Gesetzes sagt, eine Gesetz über den Gesundheitsschutz. Arbeitsschutz zielt direkt auf den Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter ab. Der Gesundheitsschutz hat darum in einem Standard für Arbeitsschutzmanagementsysteme (AMS) seinen Platz.
  • Kür — DIN SPEC 91020 für das freiwillige Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM):
    Das Deutsche Institut für Normung (DIN) schreibt zu dem Verfahren für die DIN SPEC nach dem PAS-Verfahren: “Eine Anfrage, die Aspekte des Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Brandschutzes enthält, wird vom DIN grundsätzlich abgelehnt.” Das hat einen guten Grund: Die DIN SPEC 91020 ist eine ohne Mitbeteiligung der Zielgruppe (Arbeitnehmer) mit den Prozessen des DIN gestaltete Spezifikation. Gegenstand dieser Spezifikation ist das Betriebliche Gesundheitsmanagement. Das BGM zielt in der DIN SPEC 91020 direkt auf die Gesundheitsförderung der Mitarbeiter, wobei diese DIN SPEC das Management eines eventuell im BGM eingebetteten Arbeitsschutzes explizit nicht standardisieren darf.
    WARNUNG: Die DIN SPEC 91020 ist kein Standard für den Arbeits- und Gesundheitsschutz.

Eine Zertifizierung ist in beiden Fällen freiwillig, dabei führt nur zertifizierte AMS zu einer Entlastung der behördlichen Aufsicht (siehe LV 33 und LV 54). Die DIN SPEC 91020 zertifiziert BGM-Managementsysteme unter Ausschluss des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und entlastet die behördliche Aufsicht darum nicht.
 
Die DGQ meint, ein Unternehmen könne entscheiden, ob es

  • (1) eher ein freiwilliges Betriebliches Gesundheitsmanagement nach DIN SPEC 91020 oder
  • (2) den vorgeschriebenen Arbeits- und Gesundheitsschutz nach dem Standard OHSAS 18001 für Arbeitsschutzmanagement-Systeme oder
  • (1+2) eben beide

fördern und gegebenenfalls zertifizieren lassen will.
Ein intelligentes und kostenbewustes Unternehmen entscheidet sich für (2) oder (1+2), denn Kunden fordern von ihren Zulieferern verstärkt Zertifikate für Arbeitsschutzmanagementsysteme. Darum ist es wenig hilfreich und eher Geldverschwendung, sich nur nach DIN SPEC 91020 zertifizieren zu lassen. Man kann diese Spezifikation auch nur als hilfreiche Anleitung für die Gestaltung eines BGM verwenden ohne es zertifizieren zu lassen. Die Systemkontrolle der Gewerbeaufsicht und die Berufsgenossenschaften interessieren sich zunächst für Arbeitsschutzmanagementsysteme (ggf. nach OHSAS oder ILO-OSH oder OHRIS zertifiziert) und nicht so sehr für ein Betriebliches Gesundheitsmanagement, dessen Arbeitsschutzelemente (so es sie gibt) gemäß den Bedingungen des Deutschen Instituts für Normung nicht von der DIN SPEC 91020 standardisiert werden dürfen.
Diese strategische Entscheidung hängt mitunter von den Branchenspezifika ab. Insbesondere werden immer mehr exportierende Unternehmen von ihren Kunden nach Zertifikaten wie OHSAS 18001 gefragt.
Der Arbeitsschutz umfasst den grundlegenden Gesundheitsschutz der Mitarbeiter bei ihren Tätigkeiten am Arbeitsplatz, etwa Schutzmaßnahmen gegen Lärmeinwirkung durch Maschinenbetrieb oder gegen psychische Fehlbelastungen bei konfliktreichen Aufgabenstellungen, die beispielsweise Personaler einerseits und Mitglieder des Betriebsrates andererseits zu erfüllen haben. Damit zielen das Arbeitsschutzgesetz und OHSAS 18001 direkt auf den Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter ab. Im Unterschied dazu zielt das Betriebliche Gesundheitsmanagement über den Gesundheitsschutz hinausgehend auch auf die Gesundheitsförderung der einzelnen Mitarbeiter ab, wobei Verhältnisprävention und Verhaltensprävention sinnvoll miteinander verknüpft werden können.
Dabei nocheinmal der Hinweis (die ständige Wiederholung ist Absicht): Einem eventuell im BGM eingebetteter Arbeits- und Gesundheitsschutz widmet sich die DIN SPEC 91020 gemäß den Bedingungen des Deutschen Instituts für Normung ausdrücklich nicht.
 


2013-04-22
In http://www.qz-online.de/news/dgq/artikel/sinnvolles-arbeitsfeld-fuer-managementbeauftragte-und-auditoren-468751.html wird der Unsinn (“[…] den Gesundheitsschutz nach DIN  SPEC  91020, den Arbeitsschutz nach dem Standard OHSAS  18001 für Arbeitsschutzmanagementsysteme […]”) wiederholt, obwohl das ein “Portal für Qualitätsmanagement” sein soll.

DIN lite 91020

Das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) kann auch Aspekte des Arbeitsschutzes enthalten. Die DIN SPEC 91020 ist jedoch ein Standard zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement, der gemäß DIN ausdrücklich keine Aspekte des Arbeitsschutzes enthält. Für den Arbeits- und Gesundheitsschutz gibt bereits Standards wie OHSAS 18001, ILO-OHS und OHRIS. Weiterhin ist in diesem Bereich eine ISO 45001 in Arbeit.
Im Gegensatz zu einer richtigen Norm entstand die DIN SPEC 91020 ohne die bei richtigen Normen erforderliche Konsensbildung. Als Maßnahme gegen die “versehentliche” Darstellung des Standards als “DIN Norm”, soll es nun Überlegungen geben, die DIN SPEC 91020 in DIN lite 91020 umzubenennen.
Weiterhin wird im DIN überlegt, wie Versuchen entgegengewirkt werden kann, die DIN lite 91020 mit dem Arbeits- und Gesundheitsschutz in Verbindung zu bringen.
 
März 2014: Ich habe mich geirrt. Der DIN-Verein versucht, zu verstecken, dass die DIN SPEC 91020 nicht für den Arbeits- und Gesundheitsschutz gilt.

Falsche Prioritäten

http://www.bgm-report.de/allgemein/haward-eine-marketing-und-kommunikationsplattform-im-bgm-2

[…] HAWARD® ist in verschiedenen Bereichen aktiv. So wurde der HAWARD® Health AWARD ausgeschrieben, dieser neue Gesundheitspreis wird in diesem Jahr zum zweiten Mal vergeben. Zur Teilnahme berechtigt sind ausschließlich TÜV NORD Cert und DQS BGM-zertifizierte Unternehmen. Eine Expertenjury wählt dabei die besten derjenigen Unternehmen, die im Betrieblichen Gesundheitsmanagement zertifiziert sind. Der HAWARD® Health Award wird in mehreren Klassen und Kategorien an Unternehmen vergeben, die Teilnahme am HAWARD® Health Award kostet einmalig 4.900,- € zzgl. MwSt, inklusive eines Jahresmitgliedsbeitrags in der HAWARD® Initiative. […]

Zertifizierungen nach der DIN SPEC 91020 helfen vielleicht beim freiwilligen Betrieblichen Gesundheitmanagement (BGM), Pflicht dagegen ist der Arbeitsschutz. Verhältnisprävention (Priorität im Arbeitsschutz) und Verhaltensprävention (oft Schwerpunkt beim BGM) gehören zusammen, aber vorgeschrieben ist der Vorrang der Verhältnisprävention. Hier helfen Zertifikate nach OHSAS 19001, ILO-OHS und/oder (in Bayern) OHRIS. Wenn Sie Geld für Zertifikate ausgeben möchten, dann ist es intelligenter, nicht mit einem Zertifikat für ein BGM zu beginnen, sondern mit einem Zertifikat für ein Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS). OHSAS 18002 (das ist OHSAS 18001 mit Umsetzungshinweisen) zeigt Ihnen, wie das geht.
Zertifikate für ein AMS helfen bei der Pflichterfüllung, Zertifikate für BGM können darauf noch ein Sahnehäubchen setzen. Wer sich sein BGM nach DIN SPEC 91020 zertifizieren lässt ohne sich zuvor ein Zertifikat für den Arbeitsschutz zu erarbeitet zu haben, gerät in den Verdacht, den Arbeitsschutz im BGM marginalisieren zu wollen.

Risikomanagement ohne Arbeitsschutz?

http://www.gesundheit-adhoc.de/heute-die-besten-qualifizieren-fuer-die-herausforderungen-von-morgen.html

ZeQ präsentiert Seminarprogramm 2013
Heute die Besten qualifizieren. Für die Herausforderungen von morgen.
Mannheim – Die Unternehmensberatung ZeQ hat ihr Seminarprogramm für das Jahr 2013 vorgestellt. Dieses richtet sich an Führungskräfte und Mitarbeiter von Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken und Psychiatrien.

Herzstück des Programms ist der Seminar-Fokus „Management-Qualität 2.0“. Die hier angebotenen Kurse sollen dem Qualitätsmanagement in Krankenhäusern neue Perspektiven aufzeigen und richten sich daher vor allem an erfahrene Qualitätsbeauftragte.

Insgesamt umfasst das Programm 29 Seminare, von denen zehn erstmals angeboten werden. Ein Großteil der neuen Kurse beschäftigen sich mit den Themen

  • Risikomanagement – z. B. „Übertragung von Unternehmerpflichten – Organisationsverschulden wirksam begegnen“ –,
  • Kommunikation – z. B. „Rethorik [sic!] und Moderation – die eigene Wirksamkeit erhöhen“ und
  • Betriebliches Gesundheitsmanagement – u. a. „Betriebliches Gesundheitsmanagement – fit werden für die DIN SPEC 91020“.

An dem bewährten Konzept, die Berater von ZeQ als Trainer einzusetzen, wird auch im kommenden Jahr festgehalten. Hierdurch ist sichergestellt, dass sich die Kurse durch einen hohen Praxisbezug auszeichnen.

(Layout geändert, Text unverändert zitiert.)
In der Seminarbeschreibung von ZeQ fehlt der Arbeitsschutz, denn bekanntlich hilft die DIN SPEC 91020 nur bei der Integration des Betrieblichen Gesundheitsmanagements in Managementsysteme.
Wie kann man schon Zeit und Geld für Betriebliches Gesundgeitsmanagement (BGM) ausgeben, wenn Pflegekräften und Ärzten nicht wenigstens ein funktionierender Arbeits- und Gesundheitschutz garantiert wird? Das BGM ist eine feine Sache, aber es ersetzt den Arbeitsschutz nicht. Fehlbelastetes und übermüdetes Krankenhauspersonal ist zudem auch noch eine Gefahr für die Patienten.
Das freiwillige und oft stark verhaltenspräventiv orientierte BGM ist keine Alternative zum vogeschriebenen verhältnispräventiven Arbeitsschutz. Im Arbeitsschutz kann man kompetente Aufsichtspersonen der Berufsgenossenschaft und der Gewerbeaufsicht nicht mit BGM beeindrucken, sondern sie wollen einen mindestens vorschriftsmäßigen Gesundheitsschutz sehen. Wenn der Seminaranbieter wirklich beim Risikomanagement helfen wollte, dann müsste mit Standards wie OHSAS 18001 oder ILO-OSH begonnen werden, nicht aber mit der DIN SPEC 91020 und Rhetorik.

Gesundheitsminister schnappt sich den Arbeitsschutz

http://www.haufe.de/sozialwesen/leistungen-sozialversicherung/praevention-koalition-einigt-sich-auf-praeventionsstrategie_242_156026.html

14.12.2012
Prävention: Koalition einigt sich auf Präventionsstrategie Mit neuer Strategie für mehr Gesundheitsvorsorge.
Eine neue Strategie zur Gesundheitsvorsorge soll mehr Menschen zu einem gesünderen Leben bewegen.
Die Koalition einigt sich auf die Eckpunkte einer seit langem angekündigten Präventionsstrategie für mehr Gesundheitsvorsorge in Deutschland. Schwerpunkte sind eine Stärkung der betrieblichen Gesundheitsvorsorge und neue Ansätze für soziale Brennpunkte. Das teilte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums der dpa am 13.12.2012 auf Anfrage mit. Die gesetzlichen Änderungen sollen im Jahr 2013 angegangen werden. …

Die FDP arbeitet weiter an der Besetzung des Arbeitsschutzthemas Prävention durch das Bundesgesundheitsministerium. Von Ursula von der Leyen hört man hier nicht mehr so viel.
Info:

  • Betriebliche Gesundheitsvorsorge – vorwiegend Verhältnisprävention – vorgeschriebener Arbeits- und Gesundheitsschutz – während der Arbeitszeit – auf Kosten des Arbeitgebers – Standards: OHSAS 18001, ILO-OSH usw. – Mitbestimmung: zwingend – Politik: BMAS (von der Leyen, CDU)
  • (Betriebliche) Gesundheitsförderung – vorwiegend Verhaltensprävention – freiwillige Angebote an Mitarbeiter – auch während der Freizeit – auch mit finanzieller Beteiligung der Mitarbeiter (“Eigenverantwortung”) – Standards: evtl. DIN SPEC 91020 – Mitbestimmung: mindestens konsensual – Politik: BMG (Bahr, FDP)

 


2012-11
http://www.bmg.bund.de/praevention/betriebliche-gesundheitsfoerderung/best-practice-beispiele-bayern/projekte-psychische-belastungen/foerderung-psychischer-gesundheit-in-der-arbeitswelt.html
Frage an Siemens Healthcare:

Förderung psychischer Gesundheit in der Arbeitswelt – Siemens Healthcare und
Siemens-Betriebskrankenkasse

Wo haben Sie Präventionsbedarf?
Mit dem Projekt soll Stress, Burnout und weiteren psychischen Erkrankungen präventiv entgegengewirkt werden. Die Handlungskompetenz und das Wissen zu den Themen psychische Gesundheit und Umgang mit belasteten Mitarbeitern, sowie die Zufriedenheit mit der eigenen Work­Life­Balance soll erhöht werden. Außerdem soll das Thema „psychische Belastung“ enttabuisiert werden und Entspannungsmethoden erprobt werden. …

Das Bundesgesundheitsministerium des Daniel Bahr (FDP) hilft hier der Firma Siemens, Verhaltensprävention als das Hauptwerkzeug gegen psychische Fehlbelastungen darzustellen. Das ist natürlich falsch. Aber im Augenblick kann Daniel Bahr das durchsetzen.
Für den Arbeitsschutz ist eigentlich die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zuständig. Jetzt aber läuft erst einmal das Projekt von Arbeitgebern und FDP, den verhältnispräventiven Arbeitsschutz in einem überwiegend verhaltenspräventiven Betrieblichen Gesundheitsmanagement zu marginalisieren.
Übrigens: Die FDP versteht die Wichtigkeit des verhältnispräventiven Arbeitsschutzes dann sehr gut, wenn sie der SPD damit auf die Füße treten kann. Sollte sie im Jahr 2013 nicht unter 5% bleiben, bestünde eine gewissermaßen nationale Arbeitsschutzmaßnahme also darin, die FDP auch im Bundestag in die Opposition zu schicken, damit sie einer regierenden SPD kräftig zuleibe rücken kann.
 


http://www.european-news-agency.de/wirtschaft_und_finanzen/psychische_erkrankungen_werden_ernster_genommen-52181/

Psychische Erkrankungen werden ernster genommen
Verfasser: Siegfried Kubiak
Barendorf, 23.08.2012, 18:37 Uhr

Barendorf [ENA] Das Bundesgesundheitsministerium fördert ein dreijähriges Projekt des „Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit“ zur Einbindung der Medien in Maßnahmen zur Bekämpfung von Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Monatlich sollen damit Journalisten über aktuelle Themen aus dem Bereich der seelischen Gesundheit informiert werden. Hintergrundmaterialien werden angeboten. …

… Das Deutsche Institut für Normung e.V. hat im Juli dieses Jahres einen neuen Zertifizierungsstandard DIN SPEC 91020 für das betriebliche Gesundheitsmanagement vorgestellt, weil bereits heute knapp 28 Prozent der Erwerbstätigen zwischen 60 und 65 Jahre alt sind. Die Zahl derjenigen, die vor Rentenbeginn ausscheiden wächst jedoch. Fast jeder Vierte scheide vorzeitig wegen Rückenproblemen, Depressionen, Burnout oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus dem Berufsleben aus. Die Anforderungen an die DIN SPEC 91020 würden ermöglichen, dass die Arbeitsorganisation, Rahmenbedingungen, Strukturen und Prozesse gesundheitsfördernd gestaltet werden.

(European News Agency. Executive-Patronage: Deutscher Verband der Pressejournalisten AG.)
Siegfried Kubiak packt das Projekt des Bundesgesundheitsministeriums mit Werbung für die DIN SPEC 91020 zusammen. Die DIN SPEC 91020 dient dem freiwilligen Betrieblichen Gesundheitsmanagement. Arbeitsbedingte “Rückenproblemen, Depressionen, Burnout oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen” sowie daraus entstehende Frühverrentung haben jedoch von Arbeitgebern mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsschutz verhindert zu werden, und zwar verhältnispräventiv. Dafür gibt es andere Normen (z.B. OHSAS 18001 oder ILO-OSH), auf die Sigfried Kubiak jedoch nicht hinweist. Die DIN SPEC 91020 wurde nach dem PAS-Verfahren entwickelt, bei dem das DIN Standards zum Arbeitsschutz explizit ausschließt, da diese einen Konsens zwischen den am Standard interessierten Parteien erfordern.

Klappern für die DIN SPEC 91020

Kurt Gläser: Betriebliches Gesundheitsmanagement – Partizipation und gemeinsames Verständnis als wesentliche Erfolgsfaktoren, hauptstadt magazin, 2012-12, dbb beamtenbund und tarifunion, berlin: http://www.dbb-berlin.de/hauptstadtmagazin/archiv_2012/12_12.pdf

… Wichtig ist, den DIN-Standard nicht als zu hohe Einstiegshürde misszuverstehen …

Wichtig ist, dass eine DIN SPEC kein DIN-Standard ist.

… BGM lebt von der Partizipation der Beschäftigten und deren Interessenvertretungen. Deshalb fordert die DIN SPEC 91020 beispielsweise, dass alle Organisationsmitglieder die Möglichkeit haben müssen, das BGM mitzugestalten und Vorschläge zur Verbesserung einbringen zu können. …

Warum wurden dann die Arbeitnehmer bei der Entwicklung der DIN SPEC nicht mit einbezogen? Die Standards OHSAS 18001 und ILO-OSH zeigen, wie die Mitbestimmung besser respektiert wird.

Kurt Gläser ist Mitglied des Vorstandes des Bundesverbandes Betriebliches Gesundheitsmanagement e. V. [BBGM] und Leiter des BBGM-Arbeitskreises „Qualitätssicherung, Zertifizierung, Audit“

Neben den Verpflichtungen

http://www.fernstudientag.de/2012/07/03/wichtige-norm-fur-den-umgang-mit-dem-thema-bgm/#comments

… Unternehmen und Einrichtungen erhalten mit der DIN SPEC 91020 neben den bereits bestehenden rechtlichen Verpflichtungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz eine Anleitung zur nachhaltigen und erfolgreichen Implementierung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements in ein sich ständig veränderndes Umfeld. …

Unternehmen und Einrichtungen erhalten mit Standards wie OHSAS 18001 und ILP-OSG neben den bereits bestehenden rechtlichen Verpflichtungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz eine Anleitung zur nachhaltigen und erfolgreichen Implementierung eines ganzheitlichen Arbeitsschutzes in ein sich ständig veränderndes Umfeld.

AMS-Standards

Aktualisierung: 2014-08-18
Leider kann man sich im Gegensatz zu Gesetzen viele Standards zu Arbeitsschutzmanagementsystemen (AMS) nicht kostenlos im Internet ansehen. Auch darum kennen wohl nur wenige Arbeitnehmer die Pflichten jener Unternehmen, die sich nach OHSAS 18001 haben zertifizieren lassen.
Wenn eine Arbeitgeberin nach OHSAS 18001 zertifiziert wird, dann ergeben sich daraus in der Betriebspraxis Rechte und Pflichten sowohl für die Arbeitgeberin wie auch für die Arbeitnehmer. Insbesondere wenn Standards nicht wörtlich (sondern z.B. vom Arbeitgeber interpretiert) in Unternehmenshandbücher zum Arbeitsschutzmanagement übernommen werden, sollten sich Arbeitnehmervertretungen das Büchlein zu OHSAS 18002:2008 trotz des Preises leisten. Das kann auch helfen, wenn es noch kein Arbeitsschutzhandbuch gibt und es erst noch mitbestimmt gestaltet werden muss (z.B. mit dem Ziel einer Zertifizierung).
Neben den Standards für die Gestaltung von Arbeitschutzmanagementsystemen gibt es auch Standards und Normen für Audits. Solche Audits generieren wichtige Informationen für die Betriebsratsarbeit. Wenn Betriebsräte und Personalräte verstehen wollen, wie ein interner Auditor (1st-Party-Auditor) und ein Lieferantenauditor (2nd-Party-Auditor) arbeitet, dann hilft das Kapitel 4.5.5 in OHSAS 18002:2008 oder darüber hinaus gehend die DIN EN ISO 19011. Die zu beschaffen, kostet noch ein paar Euro. (Ich habe von einem Betrieb gehört, in dem Mitarbeiter nur gegen Unterschrift und Angabe von Gründen Einblick in die Norm nehmen dürfen.)
Die Norm für Zertifizierungsaudits ist ISO 17021 und für interne Audits (sowie Kundenaudts bzw. 3rd Party Audits) ISO 19011. Wichtig für die Betriebsratsarbeit: § 89 des Betriebsverfassungsgesetzes gibt Arbeitnehmervertretungen das Recht, sich an Besichtigungen im Betrieb zu beteiligen. Audits sind Besichtigungen. Dazu gehören auch Dokumente: der Zertifizierungsbericht, der Abweichungsbericht (soweit nicht im Zertifizierungsbericht enthalten) und in die Dokumente, die dem Auditor vorgelegt wurden. Das gilt nicht nur für die Dokumentation des Zertifizierungsaudits, sondern auch des internen Audits. Die Vertraulichkeit als eines von sechs Audit-Prinzipien der Audits setzt das Information- und Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmervertretung nicht außer Kraft, sondern verpflichtet auch die Arbeitnehmervertreter, aus Audits gewonnene Erkenntnisse nicht zum persönlichen – z.B. wirtschaftlichen – Vorteil oder zum Vorteil Dritter zu missbrauchen.
Lesetipps:

Kostenlos gibt es (2014-03-19):

Weitere Hinweise (2014-08-01):

2016 oder 2017?:

Die Kür vor der Pflicht ist die verkehrte Reihenfolge

In https://www.xing.com/topics/de/betriebliches-gesundheitsmanagement-8826 weist Klaus Schomacker auf die DIN SPEC 91020 hin, eine größtenteils von Privatunternehmen vorangetriebene Spezifikation zum Betrieblichen Gesundheitsmanagemet (BGM). Sein Unternehmen bietet auch Betriebsräteschulungen an.

… Das Neueste dazu ist die DIN SPEC 91020, die die Einführung eines BGM in einem Betrieb umfassend beschreibt. Wie eine Norm es halt macht, Lücken in der Umsetzung inklusive. …

 
Ich meine, dass sich Betriebsräte zunächst mit der ILO-OSH und mit OHSAS 18001 (bzw. OHSAS 18002) befassen sollten, bevor sie sich der DIN SPEC 91020 zuwenden. Oder kürzer: Zuerst kommt der Arbeitsschutz als Pflicht, dann kommt das Betriebliche Gesundheitsmanagement als Kür. Solange beispielsweise ein Unternehmen mit einem mangelhaften Einbezug psychischer Belastungen gegen die Vorschriften des Arbeitsschutzes verstößt, hat das Unternehmen erst einmal seine Hausaufgaben zu erledigen, bevor freiwillige Wohltaten verteilt werden.
Außerdem gibt es in OHSAS 18001:2007 sogar einen Absatz zur Mitbestimung. In der DIN SPEC 91020 ist die Mitwirkung der Arbeitnehmer schwächer, was angesichts der fehlenden Konsensbildung bei der Entwicklung einer DIN SPEC im PAS-Verfahren ja auch nicht überraschend ist.
Eine Zertifizierung nach ILO-OSH oder OHSAS 18001 kann für international operierende Unternehmen wichtig sein. Wer noch genug Geld hat, kann dann mit einem Zertifikat zur die DIN SPEC 91020 noch ein Sahnehäubchen für sein Employer Branding draufsetzen. Außerdem gibt es hier auch eine Alternative: Der SCOHS.
Wirbt ein Unternehmen dagegen nur mit der DIN SPEC 91020 ohne sich dabei nach einem Standard für Arbeitsschutzmanagementsysteme zu richten, dann sollten sich Bewerber überlegen, ob das eher verhaltenspräventionsorientierte BGM eine Marginalisierung des verhältnispräventionsorientierten Arbeitsschutzes verschleiern soll.
Dann gibt es noch einen Unterschied zwischen Arbeitsschutz und BGM:

  • Pflicht: Im Arbeitsschutz zahlen die Mitarbeiter keinen Cent. Ihre Zeit für den Arbeitsschutz ist Arbeitsszeit.
  • Kür: Die praktischen Umsetzungen des BGM und der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) sollen die Mitarbeiter dagegen anregen, zur Erhaltung ihrer Arbeitsfähigkeit Freizeit und ggf. auch Geld in ihre Gesundheit zu inverstieren. Diese Art von Fürsorge bekommt allerdings ein ziemlich schales Geschmäckle, wenn der Arbeitsschutz noch nicht ausreichend implementiert ist.

http://bgm-eup.de/?p=39 (2012-11-29): Positiv ist, dass EWALD & Partner auch OHSAS 18001 als einen für das BGM relevanten Standard erwähnen. Die DIN SPEC 91020 als “relevante Norm” zu bezeichnen ist vielleicht etwas verfrüht. Ansonsten bringt Klaus Schomacker gut auf den Punkt, was auch mich an dieser DIN SPEC stört:

… Kommentar zur Norm: Die vorliegende DIN SPEC 91020 fasst den aktuellen Diskussionsstand im betrieblichen Gesundheitsmanagement zusammen und strukturiert die Fragestellung in sinnvoller Weise. Hervorzuheben ist der Ansatz Nachhaltigkeit durch die Implementierung des BGM in die ISO 9001 zu erreichen.
Die Bedeutung der Veränderung von Firmenkultur und wertschätzender Führung ist enthalten, aber aus meiner Sicht nicht der Bedeutung entsprechend gewürdigt.
Der größte Mangel besteht in der völlig offenen Gestaltung der nachhaltigen Partizipation der Mitarbeiter im BGM-Modell.
Nicht Aufgabe der Norm, aber dennoch gravierend fehlend, ist die Beteiligung der Interessenvertretungen! Insbesondere, da die Beteiligung in nahezu allen Element erforderlich ist, das Thema gleichzeitig sehr komplex ist, besteht hier der größte Handlungsbedarf bei der Konzeption einer Einführung eines BGM. …