DIHK will Unternehmern die Option zur unbestraften Kriminalität erhalten

http://www.dihk.de/presse/meldungen/2014-11-26-unternehmensstrafrecht -> http://www.dihk.de/themenfelder/recht-steuern/rechtspolitik/nationale-stellungnahmen/positionen-national-2014/positionspapier-unternehmensstrafrecht-11-14.pdf/at_download/file?mdate=1438341982050

[…] Der DIHK bedauert daher die Tendenz zur Kriminalisierung von Unternehmen und von wirtschaftlichem Handeln. Das Unternehmensstrafrecht stellt einen weiteren Baustein der häufig negativen Darstellung von Unternehmen in der Öffentlichkeit und in einigen Medien dar. Studien belegen die negativen Stereotypen der Wirtschaft sogar in erfolgreichen Fernsehsendungen (z. B. Tatort). […]

Mit dieser eigenartigen Logik argumentiert auch Prof. Dr. Stephan Wernicke von dem DIHK-Berlin. Er merkt wohl schon gar nicht mehr, was seine Argumente über den DIHK (Deutscher Industrie- und Handelskammertag) verraten. Ein Unternehmensstrafrecht (wie z.B. in den USA) kriminalisiert doch nicht die Wirtschaft sondern schützt die Wirtschaft vor kriminellen Unternehmen.
Einzelne kriminelle Menschen konnten sich bisher gut in Unternehmensorganisationen verstecken. Gegner eines Unternehmensstrafrechts fürchten, dass Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden können. Unternehmen setzen auf “Compliance” und das Ordungswidrigkeitenrecht, weil beide in der Wirklichkeit so gut wie nie eingesetzt werden, Unternehmen für kriminelle Handlungen schmerzhaft zu bestrafen. Die Aufgabe von “Compliance”-Abteilungen ist häufig, das Top-Management von seiner Verantwortung für das Unternehmen abzuschirmen.
Darum konnten Unternehmen seit 1997 ungestraft das Arbeitsschutzgesetz und Menschen verletzen. 2012 gab es noch bei 80% der Unternehmen keine den gesetzlichen Forderungen des Arbeitsschutzgesetzes Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastungen. Das Ordnungswidrgikeitenrecht ist eine Farce. Die DIHK wehrt sich, dass kriminelles Handeln als kriminalles Handeln bezeichnet werden dart. Leute wie Stephan Wernicke wollen Unternehmen die Option erhalten, kriminell handeln zu können. Er und der DIHK lassen uns doch erst auf den Gedanken kommen, dass die Mitglieder der DIHK sich davor fürchten, dass unternehmerische Kriminalität überhaupt erkannt und thematisiert werden kann. Stephan Wernicke und die DIHK verraten mit ihrer eigenartigen Argumentationstechnik, für wie kriminell sie selbst “die Wirtschaft” halten.
Die DIHK schießt sich ein Eigentor: Wenn die DIHK tatsächlich “die Wirtschaft” repräsentieren sollte, dann hat “die Wirtschaft” genau die Einstellung zur Kriminalität, die uns auch “Tatort”-Sendungen vermitteln.

Gemeisamkeiten: Abgasskandal und Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz

Es geht nicht nur um VW. Siehe http://www.zeit.de/mobilitaet/2015-11/abgas-stickoxid-autohersteller-dieselmotor
Die Gemeinsamkeit: Unternehmen konnten sich in Deutschland anscheinend ziemlich sorgenlos über Vorschriften und Regeln hinwegsetzen. Und/oder ihnen werden Lücken geboten, mit denen die Wirksamkeit von Vorschriften und Regeln erheblich geschwächt wurde. Wenn man weiß, wie Berater bei Gesetzesentwürfen mitarbeiten, ist das ja auch keine Überraschung.
Bei der Abgasgeschichte geht es nun um hohe Schadensbeträge. Da haben sich die Risikoanalysten der Compliance-Abteilung bei Volkswagen wohl verschätzt. (Gewusst haben sie von Widersprüchen zwischen Testergebnissen und Praxis schon, denn das wurde ja in der Öffentlichkeit bereits früher diskutiert.) Bei Regelverstößen im Arbeitsschutz haben deutsche Unternehmen dagegen viel weniger zu befürchten. Ihre Compliance-Abteilungen machen auch hier eine entsprechende Risikoanalyse. Ist das Sanktionsrisiko z.B. bei fehlendem Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz gering, dann wird das Arbeitsschutzgesetz ohne Furcht vor Sanktionen nur soweit umgesetzt, wie das zur Minderung finanzieller Risiken auf ein geringes Maß nötig ist.
Kam Ursula von der Leyens “knallharter Strafenkatalog” (2012) überhaupt jemals zum Einsatz?
 


http://www.spiegel.de/wirtschaft/volkswagen-lasst-vw-pleitegehen-kolumne-a-1061431.html

[…] Ich frage mich, wie es sein kann, dass die Prüfer, die die Typenzulassungen erteilen, das nicht gemerkt haben. Schlimmer noch: Wie konnte das Kraftfahrt-Bundesamt, immerhin eine Behörde des Staates, das nicht bemerken? Oder die vielen Autojournalisten, von denen es in Deutschland nur so wimmelt? Vielleicht, weil viele von ihnen von der Autoindustrie – wie auch immer – bei Laune gehalten wurden? […]

 
http://www.forbes.com/sites/enriquedans/2015/09/27/volkswagen-and-the-failure-of-corporate-social-responsibility/

[…] But the sad truth is that this conclusion applies to the vast majority of companies: a head of CSR is appointed, given an air of respectability, and runs a department the job of which is to keep the company’s image clean, despite the filth it is mired in, as is clearly the case with Volkswagen. Once again, we have allowed ourselves to be duped into believing that companies can and will regulate themselves, when of course the sordid reality is that as their actions show, beyond the occasional symbolic act, their sole objective is to maximize profit, and by any means. […]

Arbeitsschutz und Compliance

http://www.internerevisiondigital.de/ce/arbeitsschutz-und-compliance/detail.html

Eberhard Jung
Das Arbeitsschutzrecht bezweckt den Schutz von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer und umfasst Teile des öffentlichen Rechts (Verwaltungsrecht, Gewerbeaufsichtsrecht, Umweltschutzrecht), des Sozialversicherungsrechts (Unfall- und Krankenversicherungsrecht) sowie des Arbeitsrechts. Dabei kommt es zu vielfältigen Überschneidungen, so dass die Zuordnung einzelner Gesetze zum Arbeitsschutzrecht nicht immer eindeutig ist. Von besonderer Bedeutung ist beim Arbeitsschutzrecht auch der Einfluss des europäischen Rechts. Letztlich haben sich zwei große Vorschriftenbereiche herausgebildet, die als „Betriebs- oder Gefahrenschutz“ bzw. als „technischer Arbeitsschutz“, bezeichnet werden (im Folgenden 2.) sowie der „soziale Arbeitsschutz“ (im Folgenden 3.), wobei auch hier Überschneidungen unvermeidlich sind. Von der Organisation her wird differenziert zwischen dem staatlichen Arbeitsschutz (Gewerbeaufsichtsämter, Arbeits- und Umweltschutzbehörden) und der Überwachung durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere der Berufsgenossenschaften. Eingebunden in den Arbeitsschutz sind auch die Tarifpartner und die Betriebsräte.
Seiten 119 – 136

Compliance-Risiken messbar machen

http://martin-mantz.de/deutsch/presse/aktuelles/compliance-risiken-messbar-machen.html

[…] Ziff. 4.5.2 der ISO 14001/OHSAS 18001 verlangt die regelmäßige Bewertung der Einhaltung „rechtlicher Pflichten“ und anderen Anforderungen. Internationale Konzerne investieren aus guten Gründen viel in ihr Compliance-Management. […]

Unternehmen, die psychische Belastungen nicht mitbestimmt in ihr Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) einbezogen haben, halten ihre “rechtlichen Pflichten” nicht ein. Trotzdem werden sie zertifiziert, selbst wenn der Betriebsrat beim Zertifizierungsaudit nicht mitwirken kann und so unter den Augen der Auditoren in der Ausübung seiner Mitbestimmungspflicht nach § 89 BetrVG beeinträchtigt wird.

Compliance und Personalmanagement

http://www.dgfp.de/wissen/praxispapiere/compliance-und-personalmanagement-1554

Themen: HR-Compliance-Management, abweichendes Verhalten, Integrität, Personalauswahl, Anreizsysteme, Reifegrad, Schulungen
Nach den breit in der Öffentlichkeit diskutierten Korruptions-, Bilanzbetrugs- und Kartellfällen beschäftigen sich Unternehmen seit einiger Zeit immer intensiver mit Compliance-Themen. Aus guten Grund: Erstens geht es darum, Gefahren für das Unternehmen abzuwenden, die dem Unternehmen bei einem nicht regelungskonformen Handeln durch die öffentliche Abstrafung drohen. Der dadurch entstehende Imageverlust wirkt sich massiv auf die wirtschaftliche Situation des Unternehmens aus. Zweitens unterstützt das Thema die Fundierung von Wachstumschancen, die sich durch den Imagegewinn einer kommunizierten “complied organization” entstehen.
Das Personalmanagement leistet für eine derartige regelkonforme Organisation wichtige Beiträge, da es durch seine Maßnahmen präventiv ein nachweislich regelungskonformes Verhalten von Mitarbeitern und Organisationseinheiten unterstützen kann. Um zu klären, wie diese Unterstützung konkret aussehen kann, hat die Deutsche Gesellschaft für Personalführung eine Expertengruppe damit beauftragt, Eckpunkte de Themas “Compliance und Personalmanagement” herauszuarbeiten. Die Ergebnisse dieser Expertengruppen werden im vorliegenden Praxispapier publiziert.
PraxisPapier 4/2011: Compliance und Personalmanagement

Aufgefallen ist mir an dem Artikel, dass er eine Begründung für berufsbezogene Eignungsbeurteilungen nach DIN 33430 zu liefern versucht. Diese im Jahr 2002 auf den Weg gebrachte Norm hat es noch nicht in die internationale Standardisierung geschafft, in der es mit der ISO 10667 eine ähnliche Norm gibt. Auf diesem Weg wird der gelegentlich benutzte Begriff “Eignungsdiagnostik” möglicherweise auch nicht so hilfreich gewesen sein. Siehe auch:

Mitarbeiter brauchen Rechtssicherheit

http://martin-mantz.de/deutsch/presse/aktuelles/mitarbeiter-brauchen-rechtssicherheit.html

(“QZ” 02/2011)
 
Ziel des Compliance Managements ist es, die Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften im Unternehmen sicherzustellen. Bei der personenzentrierten Compliance steht der verantwortliche Mitarbeiter im Mittelpunkt, der einen Anspruch darauf hat zu wissen, wann er was zu tun hat. Eine Lackfabrik hat ihre Organisation in diesem Sinn gerichtsfest umgestaltet.
Die Rechtskonformität oder Legal Compliance ist eine Hauptforderung internationaler Normen. Bei der Zertifizierung von QM-Systemen ist das die ISO 9001, beim Umweltschutz die ISO 14001 und beim Arbeits- und Gesundheitsschutz die OHSAS 18001. Sie unterstreichen damit die Bedeutung der Managementsysteme für die Überwachung und Verifizierung der wirksamen Umsetzung rechtlicher Standards.
Das Bewusstsein für die Bedeutung der Legal Compliance entwickelt sich zu einem wesentlichen Aspekt der Managementsysteme. Früher galten Bücher, CD ROMs, Loseblattsammlungen oder Listen gesetzlicher Vorschriften als ausreichend. Berater klärten die Geschäftsleitung über ihre rechtliche Verantwortung und ein mögliches Organisationsverschulden auf. Erforderlich war hier lediglich ein Kontrollsystem zur Einhaltung der Rechtsvorschriften. Mittels „Übertragung der Unternehmerpflichten” in Stellen- bzw. Funktionsbeschreibungen oder in sogenannte Delegationsschreiben reichte die Geschäftsführung die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften an die mittleren und unteren Führungsebenen weiter.
Keine Rechtssicherheit qua Delegation
Rechtssicherheit kann allerdings nicht einfach von oben herab verordnet werden. Die Geschäftsleitung muss hierfür die Voraussetzungen schaffen. Rechtssicherheit setzt die aktive Einbeziehung der Mitarbeiter voraus. Sie sind die Adressaten der recht­lichen Pflichten. Erst wenn sie ihre rechtliche Verantwortung kennen, haben sie die Chance, diese wirksam umzusetzen. Zum eigenen Schutz müssen sie wissen, wann, wie und wo sie zu handeln haben. Nur so können sie im persönlichen Haftungsfall vor Gericht bestehen das entspricht dem Wesen der gerichtsfesten Organisation. Die Delegation ist erst wirksam, wenn die Mitarbeiter über den Umfang ihrer rechtlichen Pflichten aufgeklärt wurden und konkrete Hinweise sowie Werkzeuge zu deren Einhaltung erhalten haben. Die große logistische Herausforderung der Compliance Systeme ist weniger die juristische Interpretation von Gesetzen, als den Mitarbeitern die Fülle der rechtlichen Pflichten „zugänglich” zu machen.

Schade, dass solche Artikel noch selten sind.