Merkel gegen, CDA für Anti-Stress-Verordnung

Bundeskanzlerin Angela Merkel meinte auf dem Arbeitgebertag (2014-11-04), “dass ich einer Anti-Stress-Verordnung sehr skeptisch bis ablehnend gegenüberstehe”. Betriebliche Lösungen müssten greifen. Auf betriebliche Lösungen setzt auch Sigmal Gabriel. Weil aber Auditoren (obwohl bei der DAkkS akkreditiert) und Gewerbeaufsichten weiterhin mutlos und hilflos sind, wenn psychische Belastungen in von ihnen inspizierten Betrieben nicht ernsthaft erfasst und beurteilt werden, haben die Arbeitnehmer und ihre Vertreter keine guten Möglichkeiten, bei der Minderung pssychischer Fehlbelastungen wenigstens die Einhaltung des Arbeitsschutzgesetzes durchzusetzen. Arbeitnehmer in Betrieben ohne Arbeitnehmervertretungen bleibt leider nur die überforderte behördliche Aufsicht, also können die Arbeitgeber hier ohne mitbestimmte Arbeitsschutzprozesse weiterhin locker gegen Vorschriften verstoßen.
Arbeitgeber wehren sich schon aus Gründen der Haftungsvermeidung dagegen, psychische Fehlbelastungen zu dokumentieren. Ich kenne den Fall einer Mitarbeiterin, die in ihrem Betrieb eine Fehlbelastungsmeldung einreichte. Daraufhin bederohte der Arbeitgeber sie massiv mit einer Abmahnung. Die behördliche Aufsicht und die externen Auditoren rügten das nicht einmal mündlich. Die Mitarbeiteren konnte zuvor durch Klageandrohung die Rücknahme der Abmahnung erreichen; die Aufsicht und die Auditoren meinten, deswegen sei der Fall nicht nur arbeitsvertragsrechtlich, sondern auch arbeitsschutzrechtlich abgeschlossen. Dass die Mitarbeiterin drei Monate lang massivem Druck ausgesetzt war, ließ die Gewerbeaufsicht (und die externen Auditoren des Arbeitsschutzmanagementsystems) kalt. Ohne Rückhalt durch die Aufsicht traute sich dann auch der Betriebsrat nicht, eine Erfassung des Vorfalls als psychische Fehlbelastung durchzusetzen.
Das Hauptproblem im Arbeitsschutz sind immer noch vorwiegend technisch orientierte Aufsichtspersonen, die das Thema der psychischen Belastungen nicht begreifen und auch nicht wissen, wie sie in diesem Bereich eine Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes erreichen können. Die Kontrolle funktioniert im Bereich der Minderung psychischen Fehlbelastungen einfach nicht.
Die Bundeskanzlerin ist eine durchsetzungsfähige Frau, die nicht nur Stress aushalten, sondern Anderen auch bereiten kann. Den könnte der Bundesvize der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, zu spüren bekommen, wenn er seiner Chefin beim Thema Anti-Stress-Verordnung nocheinmal widersprechen sollte. Zurückgezogen hat er seinen Widerspruch bisher aber auch nicht.


Schon im Jahr 2005 wollte Angela Merkel, robust wie sie nun einmal ist, Bremsklötze niederwalzen, die sich dem Wachstum entgegenstellen. Als ich das damals las, kam mir sogleich die Merkelwalze in den Sinn.

 


24. September 2014 – 02:42
http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/anti-stress-verordnung-merkel-will-arbeitnehmer-nicht-vor-mailflut-schuetzen/10731926.html

[…] In ihrem Video-Podcast sagte Merkel am Samstag auf die Frage, ob die Arbeitgeber nach dem Mindestlohn und dem Rentenpaket mit weiteren Regulierungen rechnen müssten, etwa einer Anti-Stress-Verordnung: „Ich glaube, sie müssen nicht mit weiteren Regulierungen rechnen. Ich stehe einer Anti-Stress-Verordnung sehr kritisch gegenüber.“ Jetzt heiße es, in die Zukunft zu blicken – mit den Schwerpunkten Forschung und Investitionen, solide Haushaltspolitik „und, wo immer es möglich ist, auch Bürokratieabbau“
Der Bundesvize der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, will das Nein Merkels nicht hinnehmen. Er hält rechtlich verbindliche Regelungen zur Vermeidung von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz für überfällig. „Die steigenden Fehlzeiten und Frühverrentungen wegen psychischen Erkrankungen zeigen, dass politischer Handlungsbedarf besteht“, sagte Bäumler dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Hier werden Kosten aus der Arbeitswelt in die Krankenversicherung und Rentenversicherung verlagert.“ […]

Siehe auch: https://psybel.snrk.de/die-anti-stress-verordnung-jetzt-auf-den-weg-bringen/
Unsere Bundeskanzlerin möchte also jenen Arbeitgebern, die sich straflos über die Vorschriften des Arbeitsschutzes hinwesetzen, unter dem Deckmantel des “Bürokratieabbaus” auch weiterhin keine Hindernisse in den Weg legen. Angela Merkel toleriert damit die bestehende Anarchie im Arbeitsschutz. Sie ist mitverantwortlich dafür, dass die Gewerbeaufsicht weiterhin überfordert bleibt. Es ist von 1996 bis heute ja nicht einmal die “Bürokratie” aufgebaut worden, die für die Aufsicht im ganzheitlichen Arbeitsschutz erforderlich ist. Recht so gestaltet zu lassen, dass auf dem Papier gut aussieht, aber in der Praxis nicht ausreichend wirksam werden kann, ist eigentlich schon ziemlich schäbig.

Die "Anti-Stress-Verordnung" jetzt auf den Weg bringen

http://www.cda-bund.de/news/alle-news/news/alle-news/news-detailansicht/?L=gsnoqvyy&tx_ttnews%5Btt_news%5D=2725&cHash=64b8f366c904c0c3a38049d9c249e967

CDA-Vize Christian Bäumler: Die “Anti-Stress-Verordnung” jetzt auf den Weg bringen
Montag, 11. August 2014
Christian Bäumler, erster stellvertretender CDA-Bundesvorsitzender, unterstützt die Forderung nach einer „Anti-Stress-Verordnung“: „Die Unions-Fraktion darf das Thema nicht der SPD überlassen. Sie muss der Arbeitsministerin signalisieren: Wir wollen jetzt verbindliche Regeln zum Schutz der Psyche im Job. Die ‚Anti-Stress-Verordnung‘ steht schließlich im Koalitionsvertrag: CDU/CSU und SPD benennen sie explizit als Option, die seelische Gesundheit in der Arbeitswelt besser zu schützen. Das Ministerium muss jetzt einen Entwurf erarbeiten – gemeinsam mit den Sozialpartnern.
Die Politik darf sich nicht hinter vermeintlich fehlenden wissenschaftlichen Erkenntnissen verstecken, sondern muss handeln. Denn immer mehr Beschäftigte gehen vor Stress und Druck in die Knie. Das belegen zum Beispiel der Stress-Report der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin oder der DGB-Index Gute Arbeit. Nicht umsonst wird auch im Koalitionsvertrag die Zunahme psychischer Erkrankungen als ‚Herausforderung für den Arbeitsschutz‘ bezeichnet.“

Systematisch betriebener Arbeitsschutz

http://www.cducsu.de/Titel__psychische_gesundheit_in_der_arbeitswelt_wird_schwerpunktthema/TabID__6/SubTabID__7/InhaltTypID__1/InhaltID__24214/inhalte.aspx

02.01.2013
Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt wird Schwerpunktthema
Neue Arbeitsperiode der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) startet
Peter Weiß
2013 geht die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie unter der Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in ihre neue Arbeitsperiode. Hierzu erklärt der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Weiß:
Mit Jahresbeginn 2013 startet die neue Arbeitsperiode der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) – eine Aktion von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern – unter dem Vorsitz des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Wir begrüßen, dass der Erhalt der psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt Schwerpunktthema wird. Hier besteht angesichts der Entwicklung der letzten Jahre großer Handlungsbedarf.
Durch einen systematisch betriebenen Arbeitsschutz und betriebliches Gesundheitsmanagement können psychischer Erschöpfung, Depression und Burn-out Einhalt geboten werden. Um tragfähige Konzepte zu erhalten gilt es, die GDA so aufzustellen, dass sie Unternehmen sowie Betriebs- und Personalräten einen Stütze für eine umfassende und passgenaue betriebliche Gesundheitsförderung ist. Unverzichtbar ist, das Know-How in den Betrieben zu erhöhen, indem die betrieblichen Akteure informiert und qualifiziert werden. Dazu gehört auch ausreichend geschultes Aufsichts- und Arbeitsschutzpersonal, das Betriebe berät und überwacht. Daneben bedarf es künftig mehr tariflicher Regelungen und Betriebsvereinbarungen für das Feld der psychischen Gesundheit.
Damit ein Präventionssystem geschaffen werden kann, das alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erreicht, sind auch die Sozialpartner gefragt. Ohne deren Impulse aus der Praxis und der konkreten Umsetzung der Beschlüsse vor Ort bleibt das Ziel psychische Gesundheit am Arbeitsplatz eine leere Worthülse.
Schwerpunkte in der GDA-Periode 2013 bis 2018 sind neben Schutz und Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belastung, die Verbesserung der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes sowie die Verringerung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefährdungen und Erkrankungen im Muskel-Skelett-Bereich. Nähere Informationen unter www.gda-portal.de.

(Hervorhebungen nachträglich vorgenommen))
Peter Weiß (CDU) ist seit dem Jahr 2000 Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) in Südbaden. Den Vorsitz der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat er seit dem Jahr 2009.

Psychische Belastung bei der CDU/CSU

Die CDA (Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft der CDU/CSU) versucht nun, das Thema des Einbezugs der psychischen Belastungen wieder unter Kontrolle zu bekommen:
http://www.cda-bund.de/uploads/media/Beschluss_Arbeitnehmergruppe_Gesundheit.pdf

Beschluss der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Bundestagsfraktion
Für eine Humanisierung der Arbeitswelt
Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz stärken …

… Dabei wird die Konstellation aus überhöhten eigenen Ansprüchen und nachteiligen Anreizstrukturen als besonders problematisch angesehen. …

Dass das etwas Besondere sei, soll in der FAZ (2011-10-07) geschrieben worden sein. Über diese private Beobachtung hinaus ist aber inzwischen klar, dass sich viele Arbeitgeber nicht für die neuen Anforderungen des Arbeitsschutzes begeistern konnten, um das einmal freundlich auszudrücken. Dass die Verweigerungshaltung der Arbeitgeber für die CSU/CDU nicht besonders erwähnenswert ist, überrascht allerdings nicht. Erst später geht das CDA-Papier an den Kern des Poblems:

… In Deutschland bestehen zahlreiche gesetzliche Regelungen, die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz gewährleisten (z. B. Arbeitsschutzgesetz, Arbeitszeitgesetz, Arbeitsstättenverordnung, Bildschirmarbeitsverordnung, Betriebssicherheitsverordnung, Bundesurlaubsgesetz, Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit, Teilzeit- und Befristungsgesetz und Kündigungsschutzgesetz). Flankiert werden diese Gesetze durch Verordnungen für die jeweils spezifischen Bereiche, in denen sie angewandt werden. Konkretisierende Verordnungen für psychische Belastungsfaktoren gibt es derzeit lediglich in der Bildschirmarbeitsverordnung. Bei der Gefährdungsbeurteilung werden psychische Gefährdungen derzeit überwiegend nicht ermittelt. Für angemessene und wirksame Präventionsmaßnahmen bedarf es allerdings einer umfassenden Gefährdungsbeurteilung. …

Das ist richtig, vermittelt aber einen falschen Eindruck. Die Rechtsprechung hat durchaus klargestellt, dass Arbeitgeber psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen haben. Dass die Mehrheit das nicht tat, kann spätestens seit etwa 2005 kein Versehen mehr gewesen sein. Vielen Arbeitgebern muss klar gewesen sein, dass sie ihre Ordnungswidrigkeit wissentlich begangen hatten. Einige wehrten sich sogar gegen Betriebsräte, die das Thema aufgriffen.
Im Papier wird nun der Eindruck erweckt, die Arbeitgeber seien bei der Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes überfordert gewesen. Das ist eine Ausrede. Die CDA meint, ihre 22 Forderungen könnten helfen. Darunter diese:


19. Eine konkretisierende Verordnung für psychische Belastungsfaktoren zu erstellen und in ein funktionierendes Arbeitsschutzmanagement zu integrieren, damit bestehende Gesetze (z. B. § 5 Arbeitsschutzgesetz) für Unternehmen verständlicher und besser umsetzbar werden.
20. Sicherzustellen, dass Unternehmen, etwa mittels Anreizsystemen, stärker in die Pflicht genommen werden, in der BGF [Betriebliche Gesundheitsförderung] aktiv zu sein und mit den Sozialversicherungsträgern zu kooperieren.

Es gibt schon genügend viele Betriebe, die gezeigt haben, dass man auch ohne eine sicherlich nicht sehr schnelle Umsetzung der 22 CDA-Forderungen das Arbeitsschutzgesetz gut umsetzen kann. Es ist nicht zu kompliziert, sondern viele Unternehmer mögen das Gesetz einfach nicht. Im aktuellen rechtlichen Umfeld konnten sie die Umsetzung des Gesetzes dann ohne für sie wirklich unangenehme Konsequenzen verweigern. Die Betriebliche Gesundheitsförderung ist in den Betrieben auch schon angekommen. Sie dient gerne auch dazu, den Versuch von Arbeitgebern zu verschleiern, der Verhaltensprävention Vorrang vor der Verhältnisprävention zu geben.
Mit den unter der europäischen Entbürokratisierungsflagge segelnden betrieblichen Vereinbarungen, für die ein einaches Rahmengesetz einen weiten Gestaltungsspielraum geben soll, scheint das nicht so ganz zu klappen, wie sich die Unionsparteien und die Liberalen das vorgestellt haben. Gewünscht war möglicherweise von den Arbeitgebern, dass ihre Gestaltungsspielraum von möglichst wenig konkreten Vorgaben eingeengt wird. Dank des Betriebsverfassungsgesetzes bestimmen die Arbeitnehmervertreter jedoch mit, wie dieser Freiraum ausgefüllt wird: Das Fehlen konkreter Bestimmungen im als Rahmengesetz angelegten Arbeitsschutzgesetz stärkte die Mitbestimmung der Mitarbeiter ganz erheblich. Solange viele Betriebsräte das nicht begriffen, fühlten sich die Arbeitgeber ganz wohl mit dem Rahmengesetz. Aufgeweckte und aufgwachte Betriebs- und Personalräte erreichten dann aber recht gute Lösungen beim Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz, wenn sie das Thema einmal aufgegriffen hatten. Jetzt merken die Arbeitgeber, was das Fehlen konkreter Vorgaben für die ihnen oft immer noch lästige Mitbestimmung bedeutet. Darum rufen sie nun wohl wieder nach dem Gesetzgeber, dem sie mit entsprechender Lobbyarbeit auch gerne “beraten” möchten.
Wohin die Reise gehen soll, sieht man daran, dass Edmund Stoiber die Bildschirmverarbeitung wieder vereinfachen will. Sie ist in einer Weise konkret, die den Arbeitgebern wohl nicht so liegt.
Wie die CDA, so fordern auch die Gewerkschaften konkretere Verordnungen, aber wahrscheinlich mit unterschiedlichen Vorstellungen. Insbesondere scheint Unternehmern der Vorrang der Verhältnisprävention im Arbeitsschutz ein Dorn im Auge zu sein. Bei der Umsetzung wird genau hingesehen werden müssen, damit die Verordnungen nicht hinter dem zurückbleiben, was gute Betriebsräte erreichen können.
 


2013-01-12
Bald bin auch ich überzeugt: Wir brauchen “eine konkretisierende Verordnung für psychische Belastungsfaktoren”. Ohne so eine Verordnung ist es für Arbeitnehmervertretungen zu schwierig, der Mitbestimmungspflicht gerecht zu werden. Siehe auch: http://blog.psybel.de/systematisch-betriebener-arbeitsschutz/