Betriebliche Lösungen

“Betriebsspezifische Lösungen” oder “betriebsnahe Lösungen” sind ein Mittel der “Entbürokratisierung”. Unternehmer wollen lieber innerbetriebliche Regeln anwenden, als sie sich vom Staat überstülpen zu lassen. Allerdings verlagern sich dann bei der Gestaltung der Regeln die Verhandlungen vom parlamentarischen und demokratisch legitimierten Prozess weg in den Betrieb. Wenn dann ein guter Betriebsrat fehlt, kann der Arbeitgeber ohne Verhandlungen durchsetzen, wie die “Verbetrieblichung” aussehen soll.
Zur Vertrieblichung gibt es auch Forschung:
http://www.iaq.uni-due.de/fsgruppen/bra.php

Forschungsgruppe “Betriebliche Regulierung von Arbeit”
Mitglieder: Prof. Dr. Werner Nienhüser (Leitung), Heiko Hoßfeld
Kurzportrait der Forschungsgruppe
Die Forschungsgruppe beschäftigt sich derzeitig schwerpunktmäßig mit dem Thema “Verbetrieblichung”. Verbetrieblichung bezeichnet den Prozess und den Zustand der Verlagerung der Regulierung von Sachverhalten von der überbetrieblichen auf die betriebliche Ebene. Eine Verlagerung von Tarifverhandlungselementen erfolgt etwa über Öffnungsklauseln, auch in der zunehmenden Zahl von Haustarifverträgen drückt sich Verbetrieblichung aus. Diese Entwicklungen haben massive Folgen für die Verhandlungsparteien. Die Forschungsgruppe untersucht die Folgen für die Betriebe – für die Beschäftigten ebenso wie für die Betriebsleitungen. Wir wollen Kenntnisse gewinnen über Formen der Verbetrieblichung und über die (wahrgenommenen) betrieblichen Folgen in Form etwa von Arbeitskosten und Konflikten.

Update: https://www.uni-due.de/apo/Verbetrieblichung/

Ursula von der Leyen: Beispiele zu Betriebsvereinbarungen

http://orf.at/stories/2125338/2125324/

… Von der Leyen kündigte an, nun zunächst mit einer Informationskampagne gezielt auf Unternehmen zuzugehen. Den Firmen müsse dabei klar werden, dass das Arbeitsschutzgesetz „ein sehr scharfes Gesetz“ ist. Auch sollten Beispiele zu Vereinbarungen in den Betrieben aufgezeigt werden. Im kommenden Jahr solle das Thema dann im Rahmen von Gesprächen zur Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutz-Strategie besprochen werden. Diese wird vom Bund, den Ländern und den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung beraten. …

Endlich auch einmal eine Anerkennung der Betriebsratsarbeit. (Ich will ja nicht nur meckern.)
Die Liste der Arbeitsministerin muss sich allerdings an Dr. Gerays schon seit langer Zeit gepflegter Liste messen lassen: http://buero-fuer-arbeitsschutz.de/fuer-die-praxis/alles-auf-einen-blick/

Gestaltung von Betriebsvereinbarungen zur Gefährdungsbeurteilung

Bei der Gestaltung von Betriebsvereinbarungen zur Gefährdungsbeurteilung gibt es einen großen Spielraum. Nicht ohne Grund ist das Arbeitsschutzgesetz nur ein Rahmengesetz, das betriebsnahe Lösungen ermöglicht. Es macht keinen Sinn, sich gegen betriebsfremde Gängelei zu wehren, dann aber bei der Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes nur auf bereits bekannte Lösungen zu vertrauen. (In vorgegebene Lösung flüchten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch, wenn sie sich gegenseitig nicht vertrauen.) Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer hier nicht kreativ sind, dann werden ihnen irgenwann einmal doch wieder fremdbestimmte Vorschriften übergestülpt, über die sie dann jammern, obwohl sie sich das selbst eingebrockt haben.
Einige Punkte, auf die Arbeitnehmervertretungen achten sollten:
Gleichartige Arbeitsbedingungen: Es ist organisatorisch und ökonomisch sinnvoll, für gleichartige Arbeitsbedingungen eine gemeinsame Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Achten Sie jedoch bei der Gestaltung der Betriebsvereinbarungen zur Gefährdungsbeurteilung darauf, dass auf spezielle Gefährdungen einzelner Arbeitsplätze oder Untergruppen von Arbeitsplätzen fallweise auch mit speziellen Gefährdungsbeurteilungen reagiert werden kann.
Gefährdungsbeurteilungen von Prozessen: Berauben Sie sich in einer BV zur Gefährdungsbeurteilung nicht der Möglichkeit, zusätzlich zu den Gefährdungsbeurteilungen, die Arbeitsplatzgruppen zugeordnet sind, auch Prozesse zu beurteilen. Mir sind hier noch keine Beispiele bekannt, aber eigentlich ist das eine logisch nachvollziebare Lösung, mit der die Nachteile der Zusammenfassung von Arbeitzplätzen kompensiert werden kann.
Gefährdungsbeurteilungen von Projekten: Gute Beispiele für die Gefährdungsbeurteilung von Projekten sind mir auch nicht bekannt. Aber auch eine solche Gefährdungsbeurteilung kann, kostengünstig aufbauend auf dem ohnehin notwendigen Risikomanagement von Prozessen, die Nachteile eines konventionellen Ansatzes der Zusammenfassung von Arbeitzplätzen kompensieren.
BV-Gestaltung als Projekt der Arbeitnehmervertretung: So eine Betriebsvereinbarung entsteht nicht von selbst. Das ist viel Arbeit auf oft ziemlich unbekanntem Terrain, und zwar zusätzlich zur täglichen Arbeit der Arbeitnehmervertretung. Planen Sie diese Arbeit und nehmen sie sich die Zeit, die Sie brauchen. Lassen Sie sich die Planung durch einen Beschluss im Betriebs- oder Personalrat absegnen. Die Planung ist besonders bei teilfreigestellten Arbeitnehmervertretern sehr wichtig.
(Dieser Artikel ist vielleicht noch nicht ganz abgeschlossen.)

Gefährdungsbeurteilung nicht dem Arbeitgeber überlassen

http://www.djv.de/fileadmin/DJV/betriebsrat/BR-Info/br_06_04.pdf, 2004-09-14

Gesundheitsschutz/Gefährdungsanalyse
Die Bildschirmarbeitsrichtlinie verpflichtet den Arbeitgeber, eine so genannte Gefährdungsanalyse durchzuführen, mit der psychische und körperliche Belastungen auf Grund der Arbeitsorganisation und der Softwareergonomie beurteilt werden sollen. Der Betriebsrat hat insoweit ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Das Bundesarbeitsgericht hob den Spruch einer Einigungsstelle in einer derartigen Angelegenheit auf, da dem Arbeitgeber durch die Einigungsstelle zu viele Kompetenzen zugewiesen worden waren. Es könne nicht dem Arbeitgeber überlassen bleiben, das Konzept für eine derartige Gefährdungsanalyse zu erstellen. Der Betriebsrat war durch die Einigungsstelle auf ein Beratungsrecht beschränkt worden. Das Bundesarbeitsgericht kritisierte, der Spruch der Einigungsstelle enthalte nur allgemeine Vorgaben an die Arbeitgeberin zu den Themen der Unterweisung, den möglichen Gegenständen und Methoden der Gefährdungsbeurteilung. Die Anwendung auf die einzelnen, unterschiedlichen Arbeitsplätze im Betrieb sei dagegen ausschließlich dem Arbeitgeber überlassen worden (BAG 1 ABR 4/03 vom 8. Juni 2004).

Das BAG-Urteil hatte ich bereits früher in diesem Blog angesprochen, aber dank Google fand ich eine Darstellung der Gewerkschaft der Journalisten und Journalistinninnen (Deutscher Journalisten-Verband), auf die ich hier doch aufmerksam machen möchte.
Die Darstellung macht eine wichtige Aufgabe von Betriebs- und Personalräten deutlich: Es kann nicht dem Arbeitgeber überlassen bleiben, das Konzept für eine Gefährdungsanalyse zu erstellen, mit der psychische und körperliche Belastungen auf Grund der Arbeitsorganisation und der Softwareergonomie beurteilt werden sollen. Die Arbeitnehmer bzw. innovative und kreative Arbeitnehmervertretungen bestimmen das Konzept mit.
Das war eigentlich schon seit 1996 klar. Aber viele Arbeitnehmervertretungen kennen ihre Pflicht zur Mitgestaltung auch heute noch nicht. Auch die meisten Arbeitnehmer kennen diese Pflicht ihrer Vertretung nicht. Selbst von einer “Gefährdungsbeurteilung” haben noch Viele nichts gehört. Sie können sich garnicht vorstellen, wie das funktioniert. (Es funktioniert.)
Angesichts dieser Uninformiertheit ist es leider noch notwendig, immer wieder an die Pflichten der Arbeitnehmervertretungen im ganzheitlichen Arbeitsschutz zu erinnern. Und klar ist auch: Betriebs- und Personalräte werden nicht gnädig in die Gestaltung von Konzepten zur Gefährdungsbeurteilung “einbezogen”, sondern die Arbeitnehmervertretungen bestimmen mit!
Dis ist ja auch verständlich: Wer entscheidet, ob die von einem Arbeitsplatz auf einen Mitarbeiter wirkende Belastung eine legitime Belastung oder eine Fehlbelastung ist? Dass man das tatsächlich nicht den Arbeitgebern alleine überlassen kann, sondern dass die Belasteten hier mitbestimmen müssen, wenn keine gesetzlichen Regeln bestehen, sondern das Gesetz einen Gestaltungsspielraum gibt, ist eine gut nachvollziehbare Entscheidung.

Die psychische Gefährdungsbeurteilung

Newsletter arbeitsrecht.de, 16/11 (August 2011)
Redaktion arbeitsrecht.de

der aktuelle Newsletter fasst Wissenswertes zu psychischen Gefährdungsbeurteilungen zusammen und schließt sich thematisch an die Ausgaben 08/11 “Arbeits- und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz” und 13/11 “Die Gefährdungsbeurteilung – ein unbekanntes Wesen?” an. Hier erfahren Sie, welche psychischen Beanspruchungen es gibt und welche Maßnahmen dagegen in Betracht kommen. 
Ihre arbeitsrecht.de-Redaktion
Inhaltsübersicht:

  • Einleitung
  • Zielsetzung des Arbeitsschutzgesetzes
  • Definition: psychische Belastungen
  • Psychische Beanspruchungen – DIN EN ISO 10075
  • Vor der Gefährdungsbeurteilung
  • Anspruch auf eine Gefährdungsbeurteilung
  • Ablauf der Gefährdungsbeurteilung
  • Anonymer Fragebogen
  • Was ist, wenn keiner mitmacht?
  • Wo gibt es Hilfe?

… Der Betriebsrat kann die Durchführung einer psychischen Gefährdungsbeurteilung verlangen. Er hat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein Initiativrecht (BAG, Beschluss vom 08.06.2004 – 1 ABR 4/03). Auch der Arbeitnehmer kann eine solche Beurteilung fordern. Gemäß § 5 Abs. 1 ArbSchG iVm. § 618 Abs. 1 Satz 1 BGB hat er einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung durchführt. Konkrete Überprüfungskriterien und -methoden für die Durchführung kann er jedoch nicht vorgeben, da die gesetzlichen Vorgaben dem Arbeitgeber einen Spielraum bezüglich der Umsetzung eröffnen (BAG, Urteil vom 12.08.2008 – 9 AZR 1117/06). …

Ich habe hier nur den Anfang der Ausgabe 16/11 des Newsletters wiedergegeben. Die vollständigen Ausgaben des Newsletters können Sie in einem Abonnement kostenfrei beziehen.

Vereinbarung über das Anschreiben nicht vergessen

Vereinbaren Sie in Betriebsvereinbarungen auch, wie die Belegschaft über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung informiert werden soll.
Ist die Vereinbarung die Basis für Prozesse (z.B. Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement, Betriebliche Gesundheitsförderung, aber auch: Regelung der Privaten Nutzung des Internets), über die die Belegschaft vor ihrer Implementierung informiert werden soll, dann ist es wichtig, dass das Anschreiben an die Mitarbeiter ebenfalls Gegenstand der Betriebsvereinbarung ist.
Sind von den Mitarbeitern zu unterzeichnende Erklärungen in einem vereinbarten Prozess notwendig (z.B. Teilnahme am Betrieblichen Wiedereingliederungsmanagement, Kenntnisnahme von Regeln, Zustimmung zur Kontrolle der Internetnutzung usw.), dann sollten diese Erklärungen (Inhalt, Termine usw.) ebenfalls in der Betriebsvereinbarung geregelt und ggf. einzelvertragliche Abweichungen ausgeschlossen werden.

Selbst-Audit: Betriebliches Gesundheitsmanagement

Update 2011-10-10:
http://www.stmas.bayern.de/arbeitsschutz/managementsysteme/gabegs.htm

Internes Audit – Hilfsmittel und Handlungshilfen
Die Hilfsmittel zum internen Audit und die Handlungshilfe für internes Audit, Prüfung und Anerkennung des Systems (siehe auch Downloads bei Weiterführende Informationen) wurden überarbeitet und das Verfahren zur Erteilung eines Zertifikats angepasst.

Vorsicht: Als Messinstrument benutzen die Bayern die MAF. In ihr werden Verhaltensprävention und Verhältnisprävention vermengt. Das ist nur dann sinnvoll, wenn gemäß Arbeitsschutzgesetz der Vorrang der Verhaltensprävention (Verantwortung des Arbeitgebers) gegenüber der Verhältnisprävention (Mitarbeiter werden in die Verantwortung genommen) respektiert wird. Betriebsräte müssen hier aufpassen, denn Arbeitgeber neigen zur Vernachlässigung der Verhältnisprävention gegenüber der Verhaltensprävention. Entsprechend kompensatorisch müssem die Arbeitnehmervertretungen hier wirken. Sie handeln damit sogar im Einklang mit der FDP, allerdings in Berlin :-).
(Die alten Dateien wurden zum Vergleich mit den aktuellen Dateien in diesem Blog gespeichert.)
 


Update 2011-08-12:

EDV-Tool Internes Audit (für Microsoft Office) bgm-ia-edvtool.zip (Stand: 21.07.2011, ZIP, 16 KB)
Handlungshilfe für internes Audit, Prüfung und Anerkennung des Systems
bgm-ia-handlhilf.pdf (Stand: 21.07.2011, PDF, 113 KB)

 


2011-07-14:
In http://www.stmas.bayern.de/arbeitsschutz/managementsysteme/gabegs.htm gibt es einen Link zu einem gezippten Spreadsheet:

Selbstaudit Betriebliches Gesundheitsmanagement

EDV-Tool Selbstaudit (für Microsoft Office)
bgm-sa-edvtool.zip (Stand: 15.02.2011, ZIP, 16 KB)
Vereinbarung, Zertifikat (für Microsoft Office)
(Wird derzeit überarbeitet)

Bei all meiner Moserei über die MAF muss ich sagen, dass im Paket “Ganzheitliches Betriebliches Gesundheitsmanagement System (GABEGS)” auch feine Sachen wie dieses Selbst-Audit zu finden sind (“bgm-sa-edvtool.zip” enthält eine Kalkulationstabelle: “bgm-selbstaudit-edv-tool.xls”). Arbeitnehmervertretungen können hier lernen, worauf sie beim Betrieblichen Gesundheitsmanagement achten sollten.
Der Selbst-Audit ist unterteilt in:

  • Unternehmenspolitik,
  • Umsetzung,
  • Gesundheitsförderung,
  • Mitarbeiterbeteiligung,
  • Arbeitsschutz,
  • Notfallmanagement,
  • Fehlzeitenmanagement,
  • Suchtprävention,
  • Gesundheitsbericht.

Die Fragen werden mit einer vierstufigen Skala beantwortet.
Zur Unternehmenspolitik gibt er diese Fragen:

Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) funktioniert nur, wenn es als Führungsaufgabe wahrgenommen wird und integriert ist.

  • [Ziele, Verantwortliche] Gibt es eine betriebseigene Handlungsanleitung für das BGM, in der die Ziele des BGM definiert sind und die Akteure des BGM namentlich benannt sind, sowie deren Aufgaben, die Aufgaben der Führungskräfte (Abteilungsleiterebene) und ein Zeitplan?
  • [Mitbestimmung] Gibt es eine betriebseigene Handlungsanleitung für das BGM, die mit der Personalvertretung abgestimmt ist und die die Personalvertretung mit unterschrieben hat?
  • [Budget, Ressourcen] Reichen die bereitgestellten finanziellen und personellen Ressourcen für das reibungslose Funktionieren des BGM aus?
  • [Feedback zu Führungskräften] Gibt es einen Anreiz für Führungskräfte, dass diese regelmäßig ein Führungskräftefeedback bei Ihren Mitarbeitern einholen? (in Form einer schriftlichen anonymen Mitarbeiterbefragung)
  • [Unterweisung an Führungskräfte] Die Führungskräfte haben im Rahmen des BGM spezifische Aufgaben zu erfüllen und guten Führungsstil zu pflegen. Werden die Führungskräfte gezielt daraufhin fortgebildet (im Rahmen von Führungsseminaren, die auch diese Thematik behandeln)?
  • [Arbeitsplatzgestaltung] Wird bei der Planung neuer Arbeitsplätze oder der Veränderung von Arbeitsplätzen oder organisatorischer Veränderungen der Steuerungskreis Gesundheitsmanagement angehört?


Fragen zum Arbeitsschutz:

Arbeitsunfälle und berufsbedingte Erkrankungen können effektiver vermieden werden, wenn auch dem Arbeitschutz eine Systematik zu Grunde liegt (Arbeitsschutzmanagement)

  • [Gefährdungsbeurteilung, Maßnahmenfestlegung, Wirksamkeitskontrolle] Gibt es eine schriftlich dokumentierte Gefährdungsbeurteilung, die auch die festgelegten Maßnahmen enthält und jeweils einen Prüfvermerk, ob die Maßnahme erfolgreich war?
  • [Arbeitsschutzausschuss] Gibt es einen betrieblichen Arbeitsschutzausschuss, dem der Arbeitgeber selbst oder ein von ihm Beauftragter angehört, der mindestens einmal im Vierteljahr tagt und in den der Arbeitgeber folgende Ausschussmitglieder berufen hat? (zwei von der Personalvertretung bestimmten Mitgliedern der Personalvertretung falls eine Personalvertretung vorhanden ist, Betriebsarzt, Fachkraft für Arbeitssicherheit, Sicherheitsbeauftragte)
  • [Defiziterfassung durch Mitarbeiter] Werden die Mitarbeiter regelmäßig und systematisch an der Ermittlung von Defiziten im Arbeitsschutz beteiligt?
  • [Unterweisung der Mitarbeiter: Nach der Qualität der im Arbeitsschutz vorgeschriebenen Unterweisung wird leider nicht gefragt. Häufig ist sie nur eine Pflichtübung, z.T. auch computergestützt und ohne Dialogmöglichkeit.]
  • [Arbeitsplatzbegehung, Aktualisierung der GB] Führen die Sicherheitsfachkraft und der Betriebsarzt Arbeitsplatzbegehungen durch, deren konkrete Ergebnisse in die Gefährdungsbeurteilung einfließen?
  • [Fehlbelastungserfassung] Werden auch psychische und körperliche Fehlbelastungen und Fehlbeanspruchungen systematisch ermittelt? (z.B. durch regelmäßige Mitarbeiterbefragungen)

(Anmerkungen in eckigen Klammern nachträglich eingefügt)

Eigenverantwortung und Belastungsprofile

Auszug aus Böckler Impuls 13/2010, http://www.boeckler.de/22605_22610.htm:

Gesundheit in eigener Verantwortung? Die Beschäftigten in den Untersuchungsbetrieben geben an, dass ihre Arbeit Stress erzeugt. Daraus folgern sie “aber nicht, dass es primär der Betrieb ist, der für die Gesundheit seiner Mitarbeiter verantwortlich ist und deren Arbeitsbedingungen entsprechend zu gestalten hätte”. In den Belegschaften herrscht vielmehr die Auffassung vor: Der eine hält dem Stress stand, der andere nicht. “Sich gesund, fit und leistungsfähig zu halten wird immer mehr zur Aufgabe individueller Selbstsorge der Beschäftigten”, so die Wissenschaftler. Angebote der Betriebe wie etwa Stress-Seminare werden nur selten angenommen – die Beschäftigten wollen keine Zweifel an ihrer Leistungsfähigkeit aufkommen lassen. Einzelne Beschäftigte nehmen stattdessen an privaten Verhaltenstherapien teil, um ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Andere verzichten auf berufliches Vorankommen und reduzieren enttäuscht ihr Engagement.
Am häufigsten aber reagieren Beschäftigte auf den Leistungsdruck, in dem sie ihre eigene Gesundheit gefährden, berichten die Wissenschaftler. Sie arbeiten länger, machen kaum Pausen. Etliche Befragte berichten von Burn-Out-Syndromen aus dem Kollegenkreis. Man registriert Erkrankungen sehr aufmerksam und wertet sie als Alarmzeichen – ohne jedoch daraus eine Konsequenz abzuleiten. “Kehren die Erkrankten zurück an ihren Arbeitsplatz, verlieren sie die Privilegien der Krankenrolle und sollen wieder leistungsfähig sein”, schreiben die Forscher.

Die Belastungsprofile der neuen Arbeitswelt [ISF]:

  1. Das Gefühl des ständigen Ungenügens
  2. Widersprüche zwischen Zielen und Aufgaben
  3. Vorschriften konterkarieren die geforderte Eigeninitiative
  4. Leistung und Erfolg entkoppeln sich
  5. Leistung garantiert keine Beschäftigungssicherheit
  6. Ein ständiger Ausnahmezustand

Was häufig in betrieblichen Vereinbarungen fehlt

Betriebsvereinbarungen zu Gefährdungsbeurteilungen
http://www.ergo-online.de/site.aspx?url=html/rechtsgrundlagen/mitbestimmung/regelung_gefhrdungsbeurteilung.htm
Regine Romahn

  • In den veröffentlichten Betriebs- und Dienstvereinbarungen fehlen häufig differenziertere Regelungen zur Beteiligung der Beschäftigten, die über allgemeine Informationen hinausgehen. Dies gilt insbesondere für aktive Beteiligungsformen und konkrete Mitwirkungsmöglichkeiten bei Entscheidungen. Dies könnte z.B. ein gemeinsamer Workshop oder Gesundheitszirkel sein.
  • Die Qualifizierung zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilung wird kaum thematisiert und geregelt. Dabei wäre es notwendig, für die einzelnen Zielgruppen Verantwortlichkeiten, Kenntnisse und Handlungskompetenzen festzulegen.
  • Nur selten wird der Faktor Zeit berücksichtigt. Im Betriebsalltag sind Gefährdungsbeurteilungen nicht schnell und beiläufig abzuarbeiten.
  • Die Aktualisierung von Gefährdungsbeurteilungen bezieht sich kaum auf Veränderungen, die durch politische und ökonomische Weichenstellungen bedingt sind. Der Arbeitsschutz muss aber derartige Bedingungen rechtzeitig im Blick haben.
  • Die Wirksamkeitskontrolle von Maßnahmen wird in den Vereinbarungen kaum behandelt. Da Verfahren und Methoden nicht vorgegeben sind, ist das ein wichtiger Gestaltungsbereich.
  • Die Dokumentation von Gefährdungsbeurteilung ist meist Gegenstand allgemein formulierter Regelungen. Nicht erwähnt wird die Dokumentation der eingesetzten Verfahren und Instrumente.
  • Die Beurteilung und Gestaltung psychischer und sozialer Belastungen stellt für die Betriebe ein besonderes Problem dar und wird häufig unzureichend berücksichtigt.

Ich habe hier Gestaltung hervorgehoben. Was in Betriebsvereinbarungen, die gestalten sollen, oft auch fehlt, sind eigene Ideen. Ich empfehle nicht, das Rad ständig neu zu erfinden, aber es ist hilfreich, sich außerhalb und innerhalb des Unternehmens mehrere Räder anzusehen.
Gerade im Arbeitsschutz geht es um betriebsnahe Lösungen. In Betriebsräten gibt es viele Erfahrungen mit externen Normen (Gesetze, Vorschriften usw.), die Betriebsräten helfen, Forderungen durchzusetzen. Die Komplexität des ganzheitlichen Arbeitsschutzes kann dazu verleiten, Zuflucht zu “bewährten” Lösungen zu nehmen, die außerhalb des Unternehmens durchgesetzt werden konnten. So werden Fragebogenaktionen zum Standard beim Einstieg in den Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung.
Zu leicht werden dabei Prozesse im eigenen Unternehmen übersehen, die bereits vorhanden sind und deren Beschreibungen (zumindest teilweise) gut für die Beschreibung und Beurteilung von Belastungen verwendet werden können. Das gilt zum Beispiel für Belastungen, die von Projekten und Prozessen (z.B. der Prozess der Leistungsbeurteilung) ausgehen und in Tätigkeitsstrukturanalysen beschrieben werden können.

Langer Weg zur Betriebsvereinbarung

http://www.slidefinder.net/N/Nick_Kratzer_Fallbeispiel_Konsumelektronik_Ein/22993502 (bzw. http://www.pargema.de/files/par090621_konferenz2009_wsiii_konsumelektronik_e2.ppt)