DIN SPEC 91020 im Zertifizierungsgeschäft

In http://www.proproduction.de/pdf_aktuelles_120424_Vortrag Health Convention_website.pdf beschrieb Martin Kaminski (proproduction, Mitglied von PRO cooperation international) auif der 3. Europäischen Fachmesse für betriebliche Gesundheitsförderung und Demografie (25.-25. April 2012) unter Anderem die DIN SPEC 91020.
Der aktuelle Stand: Während in der Öffentlichkeitsarbeit für die DIN SPEC 91020 derzeit eine Pause eingelegt worden zu sein scheint, befasst sich die deutsche Zertifizierungsbranche nun intensiver mit dem Standard, auch wenn er keine Norm ist. Dabei habe ich den Eindruck, dass die Abgrenzung zwischen Betrieblichem Gesundheitsmanagement (BGM) und Betrieblicher Gesundheitsförderung einerseits und Arbeitsschutzmanagement (z.B. nach OHSAS 18001) andererseits nicht ausreichend verstanden wird. So kann es sein, dass Arbeitnehmervertretungen, die inzwischen in ihren Betrieben Nichtkonformitäten im ganzheitlichen Arbeitsschutz enteckt haben, vom Arbeitgeber demnächst mit der DIN SPEC 91020 von ihrer Arbeit an einer Verbesserung des Arbeitsschutzes abgelenkt werden könnten.
Manche Unternehmen könnten im ganzheitlichen Arbeitsschutz, in dem die Mitbestimmung eine große Rolle spielt, eine Bedrohung ihres von Wahrnehmungs- und Verantwortungsvermeidung gekennzeichneten Führungsstis sehen (der beispielsweise durch die Überforderung von Führungskräften verursacht wird). Sie befürchten auch eine Einschränkung der unternehmerischen Freiheit. Es scheint, dass den meisten Unternehmern ein vorzeigbares BGM eher liegt, auch weil die Verhaltensprävention und die Eigenverantwortung der Mitarbeiter in den Vordergrund gestellt werden kann. (Im vorwiegend verhältnispräventiv angelegten Arbeitsschutz liegt die Verantwortung – und damit eine weitere Überforderung – ganz überwiegend beim Unternehmer.) Interessant ist es auch, wenn eine “Analyse der Gesundheitsaspekte als Alternative zu Mitarbeiterbefragungen” betrachtet wird. Aber das eine schließt das andere doch nicht aus.
Sicherlich ermöglicht die Verbindung von BGM mit dem ganzheitlichen Arbeitsschutz Synergien und die Nutzung gemeinsamer Ressourcen. Die Gefahr, dass mit dem BGM Mängel im Arbeitsschutz verschleiert werden sollen, wurde jedoch bereits thematisiert. Zudem besteht die weitere Gefahr, dass die Investition in ein freiwilliges Gesundheitsmanagement die Budgets für den vorgeschriebenen Arbeitsschutz schmälert. Ein drittes Problem ist die steigende Komplexität, die zu einer Überlastung der Personal- und Betriebsräte führen kann – und vielleicht auch führen soll. (Die neuen und komplexeren Anforderungen an Arbeitnehmervertretungen führten nicht zu entsprechenden Änderungen im Betriebsverfassungsgesetz, was Arbeitgebern die Möglichkeit bietet, nicht ausreichend kreativen Arbeitnehmervertretungen mit Überlastung auszubremsen.)
Es gibt Unternehmen, die intern ein Betriebliches Gesundheitsmanagement aufbauen und sich gleichzeitig trotz eines Zertifikats nach OHSAS 18001:2007 weigern, neben den der Berufsgenossenschaft zu meldenden Unfällen auch alle anderen arbeitsbezogene Ereignisse in ihrer Vorfallsstatistik auszuweisen, die eine Verletzung oder Erkrankung (ohne Berücksichtigung der Schwere) zur Folge hatten oder hätten zur Folge haben können. Mitarbeiter, die derartige Ereignisse insbesondere im Bereich der psychischen Fehlbelastungen melden, können in solchen Unternehmen sogar mit unterschiedlich subtilen Methoden bedroht und damit zusätzlich psychisch fehlbelastet werden. (Diese einschüchternden Methoden generieren zwar neue Vorfälle nach Punkt 3.9 OHSAS 18001:2007, werden aber entgegen der Selbstverpflichtung des Unternehmens nicht als mögliche Einschüchterung nach Punkt C.4 im Anhang von OHSAS 18002:2008 dokumentiert.) Mit einer solchen Unternehmenskultur kann auch ein BGM nicht funktionieren, zumindest nicht für die Arbeitnehmer.
Ich wünsche mir von den Zertifizierungsgesellschaften ein besseres Verständnis für die Motive von Unternehmen, die sich jetzt so intensiv für das BGM (z.B. nach DIN SPEC 91020) einzusetzen, obwohl sie den ganzheitlichen Arbeitsschutz (also mit Einbezug psychischer Belastungen) bisher nachhaltig vernachlässigt hatten.

Verhaltens- und Lebensstiländerung der Humanresource

http://www.helios-kliniken.de/klinik/damp-rehaklinik/fachabteilungen/deutsches-zentrum-fuer-praeventivmedizin/betriebliches-gesundheitsmanagement.html

Betriebliches Gesundheitsmanagement
Gesundheit ist nicht nur für den einzelnen Menschen ein hohes Gut. Gesundheit als Humanressource für Unternehmen wird immer mehr zu einem der entscheidenden Faktoren der Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit und Unternehmenserfolg.
Die inhaltlichen Arbeitsschwerpunkte am Deutschen Zentrum für Präventivmedizin liegen in den Bereichen von medizinischer Diagnostik (inklusive der gesamten apparativen- und Labordiagnostik) und Verhaltensprävention. Hierbei kann in einer ganzheitlichen Vorgehensweise in allen relevanten Themenkomplexen, wie z.B. Bewegungscoaching, Stress-, Motivations- und Veränderungsmanagement sowie Ernährungsberatung gearbeitet werden.
Die Entwicklung und Durchführung von Nachhaltigkeitsprogrammen zur Unterstützung einer langfristigen angelegten Verhaltens- und Lebensstiländerung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Hier bildet die Evaluation zur Wirksamkeit der Maßnahmen ein weiteres Leistungssegment unserer Einrichtung. Das hierfür erforderliche professionelle Qualitätsmanagement kann im Deutschen Zentrum für Präventivmedizin durch eine enge Kooperation mit verschiedensten universitären Einrichtungen gewährleistet werden und wird bei Bedarf als integraler Bestandteil der Programme angelegt.
Die Diskussion um den demografischen Wandel und die Alterung von Belegschaften legt in vielen Unternehmen einen Handlungsschwerpunkt auf den langfristigen Erhalt von Arbeitsfähigkeit und Gesundheit der Beschäftigten durch Maßnahmen betrieblicher Gesundheitsförderung.
Unternehmen werden nur dann ein wesentliches Potential für Produktivitätsvorsprünge entwickeln können, wenn in der strategischen Ausrichtung neben klassischen Managementaufgaben auch die Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer Beschäftigten als Unternehmensziel im Vordergrund steht.
Die Gestaltung eines ganzheitlichen und prospektiven Gesundheitsmanagements in Unternehmen bildet dabei eine wesentliche Grundlage. Als integraler Bestandteil des Alltagshandelns der Beschäftigten wird dabei die Gesundheit selbst ständig erhalten und entwickelt werden.
Im Deutschen Zentrum für Präventivmedizin führen wir seit vielen Jahren Maßnahmen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung erfolgreich durch. Die meist individuell mit unseren Kunden entwickelten Maßnahmen richten sich dabei an Führungskräfte und deren Mitarbeiter in Großunternehmen, mittelständischen Produktions- und Dienstleistungsbetrieben und Angehörige von Verwaltungsbehörden des Bundes.

Mit Relevanz für das Trendsetting im Arbeits- und Gesundheitsschutzes in Deutschland (und damit von öffentlichem Interesse) habe ich hier den vollständigen Text eines mit seinen Dienstleistungen auf die Arbeitswelt und das Privatleben der Menschen Einfluss nehmenden Unternehmens zitiert. Die Hervorhebungen einzelner Passagen habe ich nachträglich vorgenommen, damit deutlich wird, wo die Reise hingeht. Es gibt Unternehmen, die diese in das Alltagshandeln der Mitarbeiter eingreifenden verhaltenspräventiven Dienstleistungen nutzen noch bevor sie die Vorschriften des verhältnispräventiven Arbeitsschutzes erfüllen.
Siehe auch:

Bedenkliche Trends bei der Arbeitsschutzstrategie

Am 25. September gibt es das 7. Arbeitsschutzforum der GDA: http://www.gda-portal.de/de/pdf/7-Arbeitsschutzforum-Workshopbeschreibungen.pdf
Die GDA fördert sowohl die Stärkung und wie auch den Schutz der psychischen Gesundheit. Zwar kann auch die Stärkung der Resilienz verhältnispräventiv erreicht werden, die Ansätze in den Unternehmen sind aber oft überwiegend verhaltenspräventiv.
Zwar muss es eine Balance zwischen beiden Ansätzen geben. Wegen der eher verhaltenspräventiv orientierten Ansätze in den Unternehmen, die zu oft vermeiden, bestehende Strukturen (und damit gewohnte Führungsstile) in Frage zu stellen, ist es bedenklich, wenn eine Arbeitsschutzstategie die Priorität der Verhältnisprävention im Arbeitsschutz aufgibt.
Tatsache ist, dass die Mehrzahl der Unternehmen seit 1996 ihrer eigenen Verantwortung im Arbeitsschutz nicht gerecht wurden: Sie vernachlässigten den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz. Spätestens nach 2004 war das kein Versehen mehr. Heute zeigt sich, dass Vorschriften den Unternehmen immer noch den stärksten Anreiy liefern, psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen. Nun, wo das Thema nicht mehr schleifen gelassen werden kann, gibt es neue Strategien im Betrieblichen Gesundheitsmanagement. Nach meinem Eindruck besteht die Gefahr, dass die Unternehmen bei Erledigung ihrer bisher liegen gelassenen Hausaufgaben nun mit staatlicher Hilfe unter dem Titel “Stärkung der psychischen Gesundheit” zu leicht Verantwortung zu den Mitarbeitern abschieben können.

Arbeitsschutz verkehrt

Seiner Tradition folgend, hilft das von Daniel Bahr (FDP) geleitete Bundesgesundheitsministerium den Unternehmen, die im Arbeitsschutz nachrangige Verhaltensprävention als förderungswürdigen Beitrag zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz zu verkaufen. Das BMG behauptet, das folgende Projekt gehöre in den Bereich der “psychischen Belastung”. Das ist verkehrt. In dem Siemens-Projekt geht es vorwiegend um den Umgang mit individuellen Beanspruchungen. Ich vermute, dass die Fachleute im Ministerium, wissen, dass sie hier die verkehrten Begriffe verwenden. Als Politiker arbeiten sie aber auch an der Umdeutung des Arbeitsschutzvokabulars.
http://mobile.bundesgesundheitsministerium.de/index.php?id=5678

Projekte im Bereich Psychische Belastung
Förderung psychischer Gesundheit in der Arbeitswelt – Siemens Healthcare und Siemens-Betriebskrankenkasse
Unternehmen: Siemens Healthcare
Beschäftigte:
Zielgruppe: Mitarbeiter mit Führungsverantwortung in der Produktion und Verwaltung, mittlere Leitungsebene
Laufzeit: Start: 05/2009; Laufzeit: 10/2009–07/2010
In Schulungen und Coachings wurden Führungskräfte zur eigenen psychischen Gesundheit und zum Umgang mit psychisch belasteten Mitarbeitern trainiert. In den einzelnen Trainingsmodulen wird der Umgang mit der eigenen Gesundheit und dem eigenen Stressverhalten, sowie dem Umgang mit der Gesundheit der Mitarbeiter thematisiert. Auch Stressbewältigung und Ressourcenmanagement sind fester Bestandteil der Schulungen. Zu Beginn wurde mithilfe einer Arbeitsunfähigkeitsanalyse der Handlungsbedarf ermittelt und im Arbeitskreis Gesundheit eine Strategie hierzu entwickelt. In einer Voranalyse mittels evaluierter Fragebögen wurden die Handlungsschwerpunkte festgelegt und in einem Workshop die betreffenden Inhalte für zwei Seminare abgeleitet. Themen der beiden Seminare waren „Persönliches Stress- und Ressourcenmanagement“ und „Umgang mit psychisch belasteten Mitarbeitern“. Mithilfe von Zwischen- und Posttests durch Fragebögen und Einzelgespräche zur Wissensvermittlung und dem Umgang mit Stress wurden weitere Handlungsempfehlungen gegeben und das Projekt evaluiert.

(Hervorhebungen nachträglich vorgenommen)
Das Ministerium betreibt Desinformation. Hier geht es nicht um “Projekte im Bereich Psychische Belastung” im Sinn des Arbeitsschutzes. Anstelle die Einhaltung der Vorschriften voranzutreiben, beteiligt sich das Ministerium zusammen mit Unternehmen an einer Begriffsverwirrung.
Diese Seminare können ja wohl nicht die im Arbeitsschutz vorgeschriebenen Unterweisungen gewesen sein sein. Hoffentlich wurde dieses verhaltenspräventiv ausgerichtete Projekt nicht mit Steuergeldern gefördert, solange nicht zuerst die Verhältnisprävention funktioniert.
Das Arbeitsschutzgesetz verlangt, dass individuelle Schutzmaßnahmen nachrangig zu anderen Schutzmaßnahmen sind. Unternehmen, die die auf das Individuum ausgerichtete Verhaltensprävention über die an Unternehmensprozessen ansetzende Verhältnisprävention stellen, stellen sich damit gegen die Grundsätze des Arbeitsschutzes. Als primäre Prävention haben Unternehmen der Verhältnisprävention Vorrang vor der Verhaltensprävention zu geben.
Im Arbeitsschutz kommen nicht die Mitarbeiter, sondern die Arbeits- und Leistungsbedingungen auf die Couch.
Siehe auch: http://mobile.bundesgesundheitsministerium.de/index.php?id=5784
Verhaltens- und VerhÄaltnisprÄavention im Betrieblichen Gesundheitsmanagement: http://blog.psybel.de/moderne-it-arbeitswelt-gestalten/#VFS

Gesundheitsförderung zielt auf den Lebensstil

http://www.gmon.info/man_de/verhaltenspr.ventionundverh.ltnispr.vention.htm

Auf den Unterschied zum Begriff der Gesundheitsförderung, der gern im gleichen Atemzug von Akteuren in Wissenschaft, Praxis und Politik benutzt wird, sei hier hingewiesen:

Nach [Kruse 2002] bezieht sich „Der Begriff der Gesundheitsförderung auf die gezielte Beeinflussung von Einstellungen, Verhaltensweisen sowie Lebens-, Arbeits- und Umweltbedingungen mit dem Ziel, gesundheitsdienliche Ressourcen zu steigern und zu einer gesunden Lebensführung zu motivieren. Sie stehen in einem komplementären Verhältnis zu präventiven Behandlungs- und Pflegestrategien. Im Unterschied zu diesen zielen sie auf Aufklärung und Beratung des Individuums, mit dem Ziel, dessen Verantwortung für die Erhaltung von Gesundheit, Selbständigkeit und Selbstverantwortung zu fördern und so die Ausbildung eines Lebensstils, der etwa durch die Vermeidung von Risikofaktoren, gesunde Ernährung sowie regelmäßige körperliche und geistige Aktivität gekennzeichnet ist, zu erreichen. Auf diesem Wege soll nicht lediglich das Auftreten von Erkrankungen reduziert werden (eine Zielsetzung, die bei der Primärprävention im Vordergrund steht), sondern darüber hinaus auch ein substantieller Beitrag zu psychischem Wohlbefinden, Selbstvertrauen und Bewältigungskompetenz geleistet werden.”

(Hervorhebungen nachträglich vorgenommen)
Dieser Ausschnitt wurde einem Text der Medizin & Service GmbH zum Unterschied zwischen Verhaltensprävention und Verhältnisprävention entnommen. Siehe gibt es auch eine Erläuterung im PsyBel-Blog: http://blog.psybel.de/stichwort/unterschied-zwischen-verhaltens-und-verhaeltnispraevention/
Gesundheitsförderung ist lobenswert, aber darf nicht als Schleier für den Versuch missbraucht werden, die Verhaltensprävention über die Verhältnisprävention zu stellen: http://blog.psybel.de/2011/06/06/gesundheitsmanagement-als-schleier/. Kompetente Betriebsräte nutzen hier ihr Mitbestimmungsrecht und regeln die Gesundheitsförderung mit Betriebsvereinbarungen.

Arbeitsschutz wird im BGM marginalisiert

http://www.ptext.org/nachrichten/betriebliches-gesundheitsmanagement-werkzeug-psychische-erkrankung-297007

Betriebliches Gesundheitsmanagement als Werkzeug gegen psychische Erkrankung
12.01.2012 – 07:00 – Kategorie (bei ptect.org): HR – Personalwesen – (ots)
Laut Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) werden Arbeitnehmer in Deutschland immer häufiger und länger wegen psychischer Erkrankungen krankgeschrieben. Mittlerweile gingen rund 12% aller betrieblichen Fehltage auf psychische Erkrankungen zurück. Gesundheitsförderung im betrieblichen Umfeld kommt beim Thema psychischer Erkrankungen laut einer offiziellen BPtK-Studie zur Arbeitsunfähigkeit von 2011 (“Psychischer Erkrankungen – keine Frage des Alters”) eine wichtige Rolle zu: Sie könne von einer fundierten Aufklärung über psychische Erkrankungen bis hin zu Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen reichen. Mit dem Ziel, psychische Erkrankungen zu enttabuisieren, damit sie frühzeitig angesprochen und erkannt werden. “Besonders wichtig für die Prävention psychischer Erkrankungen, so Prof. Dr. Bernhard Allmann, Professor der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement und BGM-Experte, ist es, ein Klima der Wertschätzung im Unternehmen zu erhalten bzw. zu erreichen.”
Soll Gesundheitsförderung im betrieblichen Umfeld langfristig erfolgreich sein, ist ein unternehmensspezifisches Gesamtkonzept notwendig. “Im Sinne eines betrieblichen Gesundheitsmanagements wird die Grundlage gelegt, dass genau die gesundheitlich relevanten Umstände entdeckt, ausgewertet und mit passenden praktischen Maßnahmen (z. B. Rückenschule am Arbeitsplatz, Stresskompetenztraining etc.) angegangen werden können, die im Betrieb relevant sind”, so Allmann.
Die richtigen regionalen Ansprechpartner für BGM-Projekte liefert die bundesweite Initiative “Gesundheit im Betrieb selbst gestalten“, die vom Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen und der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement initiiert wurde. Das Netzwerk liefert zusätzlich Bildungslösungen: “Fachkraft für betriebliches Gesundheitsmanagement (IHK)”, “Berater für betriebliches Gesundheitsmanagement”, “Master in Prävention und Gesundheitsmanagement” mit Schwerpunkt BGM.
Mit dem Thema BGM wird sich auch der 6. GETUP-Kongress am 21. und 22. April 2012 beschäftigen. Unter den Referenten sind u.a. Dr. Volker Hansen, Leiter der Abteilung Soziale Sicherung bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, und Martin Espenhahn, Leiter Personal- und Sozialwesen bei einer Kokerei der ThyssenKrupp Steel Europe AG.

(Links nachträglich eingefügt)
Da der Arbeitsschutz das gesetzliche “Werkzeug” gegen psychische Erkrankung ist, aber von der Mehrheit der Arbeitgeber missachtet wird, ist es wohl kein Zufall, dass
er hier unerwähnt bleibt.
Aus den Arbeitsschutzregeln und dem Betriebsverfassungsgesetz ergibt sich auch eine starke Mitbestimmunspflicht der Arbeitnehmer. Im Gesundheitsmanagement gibt es viele freiwillige Leistungen der Arbeitgeber, die nicht in gleichem Maß mitbestimmunspflichtig sind. (Will der Betriebsrat mitbestimmen, so kann der Arbeitgeber einfach auf freiwillige Maßnahmen verzichten.) Ein in interner und externer Unternehmenskommunikation in bunten Druckschriften und Websites beworbenes “Gesundheitsmanagement” (“Tue Gutes und rede darüber”) mit vielen Vorzeigeakltionen einerseits und marginalisiertem Pflichtteil (Arbeitsschutz) andererseits ist der Versuch der Arbeitgeber, die Mitbestimmung der Arbeitnehmer beim Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz und das Gesundheitsmanagement zu schwächen.
Was ist so wichtig an der Mitbestimmung?
Mit ihr wird beispielsweise vereinbart, was worin sich in einem Betrieb legitime Belastungen von risikoreichen Fehlbelastungen unterscheiden. Es gibt hier zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern unterschiedliche Auffassungen. Wird die Mitbestimmung behindert, dann ist ein funktionierender Arbeitsschutz nicht mehr gewährleistet.
Denken sie immer daran: Die Statistik zeigt, dass nicht wirtschaftliche oder ethische Gründe den Arbeitsschutz vorantreiben, sondern dass entgegen allen Beteuerungen der Arbeitgeber die Notwendigkeit, Vorschriften zu beachten, der Hauptmotivator ist. Mit einer entsprechenden Einstellung wird die Mehrheit der Arbeitgeber also an das Gesundheitsmanagement herangehen. Ihr Hauptziel ist Rechtssicherheit und die Minderung von Haftungsrisiken. Das Wohl der Mitarbeiter kommt zwar nicht an letzter Stelle, aber das Wohl der Investoren, Kostensenkung und die rechtliche Absicherung der Unternehmensführung haben höhere Priorität. Das Gesundheitsmanagement dient hier zum Vorzeigen gut ausehender Maßnahmen zur “Gesundheitsförderung” und gleichzeitig zum Verschleiern der Pflichtverletzungen im Arbeitsschutz.

Ablenkungsmanagement

http://www.pressearticel.com/betriebliches-gesundheitsmanagement-in-deutschen-unternehmen-2011/

Ein Praxisbericht der UBGM – Unternehmensberatung für Betriebliches Gesundheitsmanagement

Als Fazit zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement in deutschen Unternehmen lässt sich sagen, dass dieses Thema nun endlich nach vielen Jahren in den Betrieben angekommen ist und die Unternehmen ihre Mitarbeiter beim betrieblichen und persönlichen Gesundheitsmanagement unterstützen 

Als Fazit zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement in deutschen Unternehmen lässt sich sagen, dass es von diesen Unternehmen zu oft zur Ablenkung von ihren Pflichten im Arbeitsschutz verwendet wird, bei dem der Schwerpunkt auf der Verhältnisprävention liegt.
 
Siehe auch:

 

Offene Kommunikation

Das Ineinander zweier heterogener Ursprünge [Notwendigkeit der Gemeinschaftsarbeit, der Kampf zwischen Mensch und Mensch] bleibt der Grundcharakter des Herrschens. Daher wird auch alle irgendwo in Grenzen gelingende wahre Gemeinschaft aus gemeinsamem Zweck doch anderswo als Theorie ein Täuschungsmittel zur Interpretation und Verschleierung der tatsächlichen Gewalt. Immer wieder werden die Dinge durch ihr Gegenteil benannt und verborgen. So wird in dem Schein der Kommunikation – der offenen Aussprache – ausgehorcht und befohlen, im Schein der Freiheit und Freiwilligkeit erzwungen, im Mantel des reinsten Ethos das Böse vollzogen, im Schein der Wahrheit gelogen und betrogen, und alle jeweils gültigen Werte werden je nach Situation in Anspruch genommen oder ignoriert.

Karl Jaspers, Von der Wahrheit, 1948 (2.Teil, 3.Kap., II, B, 3, b)

Gesundheitsmanagement als Schleier

Wolfgang Hien: Arbeitswelt und seelische Gesundheit, gute ARBEIT, 2011-05, S. 37-39
http://www.gutearbeit-online.de/archiv/beitraege/2011/2011_05_37_39.pdf (nicht mehr on-line) und http://www.wolfgang-hien.de/download/Arbeiten-2011.pdf:

Immer mehr Menschen können mit der Dynamik des Wirtschaftslebens nicht mehr mithalten. Sie werden seelisch krank. Die Daten der Krankenkassen und Rentenversicherung – psychische Erkrankungen stehen seit 2004 auf „Platz Eins“ der Frühberentungsgründe (Hien 2006) – sprechen eine deutliche Sprache. Neue Management-Techniken kalkulieren gezielt Erkrankungen ein. Betriebliches Gesundheitsmanagement wird häufig als Anpassungstraining an die neuen Verhältnisse missbraucht. Stattdessen käme es darauf an, im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes humane Arbeitsbedingungen zu schaffen. Dazu ist es aber auch erforderlich, dass die Beschäftigten selbst ihre Haltung und ihr tägliches Verhalten ändern. …

„Gesundheitsmanagement” verschleiert oft die Ursachen.
… Das in vielen Unternehmen etablierte „Gesundheitsmanagement” im Sinne gesundheitsförderlicher Maßnahmen, die sich auf Verhaltensprävention konzentrieren, muss sehr kritisch betrachtet und bewertet werden. Nicht selten werden nämlich präventive und beteiligungsorientierte Konzepte zur humanen Arbeitsgestaltung umgangen oder gar verworfen und an deren Stelle ein konzeptionelles Vorgehen gesetzt, das alleine verhaltenspräventiv und leistungssteigernd angelegt ist. Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen sollen nicht mehr im Sinne der Humanisierung verändert werden. Stattdessen werden Schwächere stigmatisiert und letztlich ausgegliedert. Arbeitsmediziner/innen, Sozialberater/innen und – inzwischen in wachsender Anzahl – auch Gesundheitswissenschaftler/innen werden zunehmend für diese Unternehmenspolitik instrumentalisiert.
Dieser Entwicklung sollte dringend Einhalt geboten werden. Es geht hier nicht darum, freiwillige Angebote allgemeiner Prävention hinsichtlich einer Verbesserung der Lebensweise zu kritisieren; es geht eher darum, diese Angebote nicht zu einer Pflichtveranstaltung werden zu lassen, die den Arbeits- und Gesundheitsschutz ersetzt. Gegen diese Entwicklung auf allen Ebenen – der betrieblichen wie der überbetrieblichen – gemeinsam mit allem in der betrieblichen Prävention Involvierten Professionen und Experten anzugehen, ist ein Gebot der beruflichen bzw. professionellen Verantwortungsethik. Ein Gesundheitsmanagement, das sich dafür einspannen lässt, Hochleistungsbelegschaften herauszuselektieren, verfehlt seinen Auftrag. …

(Der Link zu diesem Blog wurde nachträglich eingefügt.)
„Neue Management-Techniken kalkulieren gezielt Erkrankungen ein” ist vielleicht ein bisschen zu krass ausgedrückt. Ein Schwerpunkt neuer Managementechniken scheint mir eher Verantwortungsvermeidung zu sein. Das Arbeitsschutzgesetz nimmt die Arbeitgeber in die Pflicht zur Verhältnisprävention und verlangt von ihnen eine Selbstbeobachtung der Arbeitsverhältnisse ab (z.B. Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen), die ihnen eher unangenehm ist. Lieber ist den Arbeitgebern die Kür: Im Rahmen eines professionell nach Innen und Außen kommunizierten “Gesundheitsmanagements” bieten sie den Mitarbeitern werbewirksame “Angebote” zur “Gesundheitsförderung” an.
Dabei liegt der Schwerpunkt auf einer Verhaltensprävention, mit der die Arbeitgeber ihre Verantwortung zu den “eigenverantwortlichen” Mitarbeitern zu verschieben versuchen. Damit lassen sich nicht nur externe Auditoren einseifen, sondern auch eine Gewerbeaufsicht, die u.A. vergisst, dass der Arbeitgeber alle Kosten des gesetzlichen Gesundheitsschutzes zu tragen hat. Maßnahmen, für die Mitarbeiter Urlaubstage opfern und/oder Kosten tragen können, sind als Maßnahmen des Gesundheitsmanagements und/oder der Gesundheitsforderung möglich, aber dürfen nicht als Umsetzung der Forderungen des gesetzlichen Arbeitsschutzes bewertet werden.
Anstatt arbeitsbedingte Gefährdungen durch psychische Belastungen zu erfassen und zu beurteilen, vermeiden Arbeitgeber lieber die Wahrnehmung und Dokumentation von die seelische Gesundheit beeinträchtigenden Vorfällen und Risiken, da sich daraus eventuell Haftungsprobleme (mit Auswirkungen auf die an die Berufsgenossenschaften zu zahlenden Versicherungsbeiträge) ergeben. Auch sehr unangenehm für so manche Führungskraft: Die Erfassung von psychisch gefährdenden Vorfällen und Risiken könnte die Führungskultur im Betrieb in Frage stellen. Zudem ist das Erkennen psychische Fehlbelastungen komplizierter, als das Erkennen der Gefährdungen, denen sich der technische Arbeitsschutz widmet. Da die Gewerbeaufsicht das Thema auch nicht gut versteht, können Unternehmer hier leichter die Gesetze brechen und tun das oft auch. Das Gesundheitsmanagement muß dann nach innen und außen so verkauft werden, dass Verstöße gegen die Regeln des Arbeitsschutzes nicht auffallen – oder sogar mit Verachtung für als realitätsfern dargestellte Regeln gebilligt werden.
 


2012-11-15
http://www.politikexpress.de/betriebliches-gesundheitsmanagement-als-werkzeug-gegen-psychische-erkrankung-552442.html ist ein Beispiel für eine Darstellung, in der die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) von einer Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG, Saarbrücken) als Werkzeug gegen psychische Erkankungen angepriesen wird.

… Soll Gesundheitsförderung im betrieblichen Umfeld langfristig erfolgreich sein, ist ein unternehmensspezifisches Gesamtkonzept notwendig. „Im Sinne eines betrieblichen Gesundheitsmanagements wird die Grundlage gelegt, dass genau die gesundheitlich relevanten Umstände entdeckt, ausgewertet und mit passenden praktischen Maßnahmen (z. B. Rückenschule am Arbeitsplatz, Stresskompetenztraining etc.) angegangen werden können, die im Betrieb relevant sind“, so Allmann.
Die richtigen regionalen Ansprechpartner für BGM-Projekte liefert die bundesweite Initiative „Gesundheit im Betrieb selbst gestalten“, die vom Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen und der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement initiiert wurde …

Für die private Hochschule spielt die Verhältnisprävention also nicht einmal im unternehmensspezifischen Gesamtkonzept eine Rolle, obwohl sie gesetzlich vorgeschrieben ist. Bei solchen Hochschulen können Arbeitgeber (und Hersteller von Turngerätschaften) vermutlich die “arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse” bestellen, die sie zur Verdrängung unangenehmerer Aufgaben im gesetzlichen Arbeitsschutz benötigen.
Die BGF kann durchaus verhaltenspräventive Beiträge gegen psychische Erkrankungen leisten, aber dabei den verhältnispräventiven Arbeitsschutz zu marginalisieren oder überhaupt nicht zu erwähnen, ist manipulative und irreführende Kommunikation. Wird hier ein Weg bereitet, der auch in Zukunft die straflose Missachtung der Regeln des ganzheitlichen Arbeitsschutzes ermöglichen soll?