Frustrierte Gewerbeaufsicht

Schon im März 2012 propagierte auch ver.di eine Art “Anti-Stress-Verordnung”
https://sozialpolitik.verdi.de/publikationen/sopoaktuell/2012/#sopo_aktuell-nr-118.

ver.di fordert schärfere Sanktionen bei fehlender Gefährdungsbeurteilung
Knapp zwei Drittel der Beschäftigten müssen nach eigenem Urteil seit Jahren immer mehr in der gleichen Zeit leisten, psychische Belastungen und Erkrankungen nehmen zu, ein Großteil der Beschäftigten glaubt nicht daran, die Tätigkeit bis zum Rentenalter ausüben zu können. Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit bis hin zum Verlust greifen mit all ihren Folgen für den Einzelnen und die Unternehmen immer weiter um sich. Das Instrument, das diesen Entwicklungen entgegenwirken soll, kommt in den Unternehmen uneingeschränkt bis gar nicht zur Anwendung.
Eine aktuelle Umfrage der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin bei 1.000 kleinen und mittelständischen Betrieben hat ergeben, dass 62 % dieser Betriebe keine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt und dass 93,7 % der Betriebe keine psychischen Gefährdungen erfasst haben.
Und das, obwohl psychische Störungen mit 9,3 % aller AU-Tage mittlerweile der vierthäufigste Grund für Arbeitsunfähigkeit ist.
Dieser Zustand ist nach mehr als 15 Jahren Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) völlig inakzeptabel. ver.di fordert deshalb eine Verschärfung von Sanktionen, wenn der Betrieb seinen Verpflichtungen aus dem Arbeitsschutzgesetz nicht nachkommt.
sopo_aktuell_Nr._118_v_07_03_2012 (PDF, 2 MB)


 
Und in https://sozialpolitik.verdi.de/publikationen/sopoaktuell/2012/data/sopoaktuell  118 Sanktionen bei fehlender Gefhrdungsbeurteilung_inkl Anlage.pdf (oder http://blog.psybel.de/wp-content/uploads/2012/07/sopo_aktuell_Nr._118_v_07_03_2012.pdf) findet man auf der PDF-Seite 29 dann dies:


Den Beratungsresistenten beikommen
Auf der vergangenen A+A in Düsseldorf (Oktober 2011) referierte Bernhard Räbel von der Gewerbeaufsicht in Sachsen-Anhalt zum Thema »Neue Wege in einer modernen Arbeitsschutzverwaltung«. Zur Frage der Sanktionen sagte er dort wörtlich: »Mag sein, dass die in Arbeit befindliche ‚Leitlinie Psychische Belastungen’ der GDA [Suche, GDA-Leitlinien] letztlich diesen Sollzustand teilweise beschreiben kann – doch eines muss unbedingt beachtet werden: Beratungsinstrumente und Empfehlungen für die Willigen haben wir genug, in nahezu unübersichtlicher Vielfalt – aber kein einziges die Beratungsresistenten zwingendes Instrument. Wir haben gewissermaßen die Fußgängerzone allseitig gekennzeichnet, dürfen aber keinen Poller stellen, dürfen den mit 130 durchrasenden nicht blitzen – erst wenn ein Kind überfahren ist, helfen, mit den Mitteln des Strafgesetzbuches zu handeln. Liebe Fachkollegen, es gilt, auch unsere Mitarbeiter vor Frust zu schützen.«

(Links und Hervorhebungen nachträglich eingetragen)
Thematisierung in den Medien: Bitte recherchieren. Werden Mitarbeiter der Gewerbeaufsicht unter Druck gesetzt, wenn sie sich so äußern?
PDF-Seite 27:


Arbeitsschutzregelwerk und Arbeitsschutzaufsicht brauchen stärkere Sanktionsmöglichkeiten
Das Regelwerk des Arbeitsschutzes und die entsprechende Aufsichtspraxis der Arbeitsschutzbehörden sind bisher zu wenig mit Sanktionsmöglichkeiten ausgestattet. Vor allem bei der anstehenden Neufassung der bisherigen BGV A1 (bzw. GUV-V A1 im öffentlichen Bereich) zur DGUV Vorschrift 1 böte sich aus Sicht der Gewerkschaftsvertreter in der Selbstverwaltung der Unfallversicherung die Gelegenheit, dies nachzuholen. Das Unterlassen oder Verweigern einer gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung durch den Arbeitgeber wäre dann strafbar und könnte von den Aufsichtspersonen schärfer geahndet werden.
Unter den Akteuren der gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) wird derzeit eine Debatte darüber geführt, ob und wie die Sanktionsmöglichkeiten der Arbeitsschutzbehörden erweitert werden sollen oder können. Dies vor allem im Hinblick darauf, dass viele Arbeitgeber ihrer gesetzlichen Verpflichtung zu einer Gefährdungsbeurteilung nicht nachkommen. Hier sind zwei zentrale Probleme des dualen Arbeitsschutzsystems berührt, nämlich die Vollzugsdefizite vor allem auf Grund fehlender personeller und materieller Ressourcen und damit zusammenhängend die nicht ausreichenden Sanktionsmöglichkeiten auf der rechtlichen Ebene.
Kritik der SLIC-Kommission schon 2006
Diese Probleme hatten bereits im Jahr 2006 im Bericht zum deutschen Arbeitsschutzsystem des »Ausschusses hoher Aufsichtsbeamter« der EU (SLIC) [Senior Labour Inspectors Committee] eine wichtige Rolle gespielt (siehe Gute Arbeit. 6/2006, Seite 22-24). Dort war unterstrichen worden, anspruchsvollen Arbeitsschutzzielen müssten auch ausreichende Ressourcen der Vollzugsbehörden gegenüber stehen. Bereits auf der Basis der ihr vorliegenden Daten des Jahres 2002 hatte die SLIC-Kommission seinerzeit bezweifelt, dass dies z. B. für Deutschland der Fall sei.

Wieder PDF-Seite 29:


Der Vorschlag würde zur GDA-Leitlinie Gefährdungsbeurteilung passen
Dazu »passt« es, dass Vertreter der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände in der Selbstverwaltung diese Vorschläge geradezu reflexhaft ablehnen. …

Siehe auch: http://blog.psybel.de/stichwort/bundestagsdrucksache-1710229/