Änderung des § 89 BetrVG: akkreditierte Zertifizierer

In der folgenden Petition an den Deutschen Bundestag geht es um Institutionen außerhalb des Betriebes, gegenüber denen der Betriebsrat (bzw. der Personalrat) in Arbeitsschutz besondere Pflichten und Rechte hat, die im Betriebsverfassungsgesetz beschrieben werden.

Petition 48712 – 19. Januar 2014
Der Deutsche Bundestag möge die folgende Erweiterung in § 89 BetrVG, Satz 2, Abs 1 beschließen:

[Der Betriebsrat] hat bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die bei der Deutschen Akkreditierungsstelle akkreditierten Zertifizierer und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen.

 
Begründung:
Bisherige Regelung:

§ 89 Arbeits- und betrieblicher Umweltschutz
(1) Der Betriebsrat hat sich dafür einzusetzen, dass die Vorschriften über den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb sowie über den betrieblichen Umweltschutz durchgeführt werden.
Er hat bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen.
(2) Der Arbeitgeber und die in Absatz 1 Satz 2 genannten Stellen sind verpflichtet, den Betriebsrat oder die von ihm bestimmten Mitglieder des Betriebsrats bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen und Fragen und bei Unfalluntersuchungen hinzuzuziehen.
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat auch bei allen im Zusammenhang mit dem betrieblichen Umweltschutz stehenden Besichtigungen und Fragen hinzuzuziehen und ihm unverzüglich die den Arbeitsschutz, die Unfallverhütung und den betrieblichen Umweltschutz betreffenden Auflagen und Anordnungen der zuständigen Stellen mitzuteilen.

Zum Beispiel gemäß LV 54 (Veröffentlichung des Länderausschuss für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit (LASI)), Anhang, Kapitel 5 “Umgang mit zertifizierten Systemen” gilt:

Der erfolgreiche Abschluss einer Prüfung der Wirksamkeit eines Arbeitsschutzmanagementsystems(AMS) oder vergleichbaren Systems soll zu Entlastungen bei eigeninitiierten Überwachungsmaßnahmen führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Betrieb Bescheinigungen, Gütesiegel oder andere Zertifikate, die die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes bewerten, vorlegt und diese die Inhalte und Anforderungen des Nationalen Leitfadens erfüllen. Anlassbezogene Maßnahmen der zuständigen staatlichen Behörden bleiben unberührt. Über die Ergebnisse werden die Unfallversicherungsträger ggf. informiert.

Damit werden die AMS-Prüfer zu “sonstigen in Betracht kommenden Stellen”. Die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) und ein AMS-Prüfer (großes Zertifizierungsunternehmen) konnten mir das jedoch nicht bestätigen. Also fehlt wichtigen Akteuren der Arbeitsschutzaufsicht eine klare Grundlage zur Wahrung des Rechts des Betriebsrates, an Audits so beteiligt zu werden, wie bei Inspektionen durch die Gewerbeaufsicht und die Berufsgenossenschaft.
Die vorgeschlagene Erweiterung des Betriebsverfassungsgesetzes würde die bestehende Rechtslage so klären, dass Betriebsräte sich eine Teilnahme an Zertifizierungsaudits und Zwischenaudits (z.B. für OHSAS 18001) nicht mühevoll erkämpfen müssen. Es gab in der Vergangenheit Zertifizierungen auch von großen Betrieben, bei denen den Betriebsräten keine Gelegenheit gebenen wurde, in den entsprechenden Audits an der Darstellung der Qualität des Arbeitsschutzmanagements mitzuwirken. Auditierte Betriebe konnten so z.B. die Thematisierung eines fehlenden Gefährdungsbeurteilungsprozesses für psychische Belastungen vermeiden.

Dass AMS-Prüfer “sonstige in Betracht kommenden Stellen” im Sinn des Satz 2 in Absatz 1 sind, ist meine Interpretation. Wenn ich mich irre, dann kann die Auslagerung von Aufsichtsfunktionen von den Behörden zu privaten Zertifizierern die Mitbestimmung im Arbeitsschutz schwächen.
Ich rechne eher nicht mit einer Gesetzesänderung, aber nach meiner Erfahrung werden ernsthafte Petitionen im Petitionsausschuss des Bundestages sehr sorgfältig beantwortet. In diesem Fall könnte die Antwort klären, wie ähnlich das Verhältnis zwischen Betriebsrat und einem bei der DAkkS akkreditierten Zertifizierer dem Verhältnis ist, das der Betriebsrat zur Gewerbeaufsicht und zur Unfallversicherung hat.
Noch besser wäre diese Formulierung:

[Der Betriebsrat] hat bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die bei der Deutschen Akkreditierungsstelle akkreditierten Zertifizierer für Arbeitsschutzmanagementsysteme und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen.

§§ 87 und 89 des Betriebsverfassungsgesetzes

Der § 89 BetrVG Arbeits- und betrieblicher Umweltschutz konkretisiert den § 87 BetrVG Mitbestimmungsrechte. Genau genommen geht es hier nicht um Mitbestimmungsrechte, sondern um Mitbestimmungspflichten. Beide Paragrafen sind keine Beschränkung der unternehmerischen Freiheit, sondern sie verbinden diese Freiheit der Arbeitgeber mit deren Verantwortung für die Arbeitnehmer. Beide Normen schreiben dazu den Arbeitnehmern die Ausübung von Mitbestimmunsrechten vor, denn wenn Arbeitnehmervertretungen auf ihr Mitbestimmungsrecht “verzichten” würden, dann funktionieren gesetzlich vorgeschriebene (und von weisen Leuten gut erklärte) Korrekturmechanismen nicht mehr. Die Mitbestimmungspflicht ist unabdingbar, die Arbeitnehmervertretungen haben sich also daran zu halten. Fehlen ihnen die Ressourcen (Wissen, Rechtsbeistand usw.) dazu, so hilft das nicht als Ausrede, sondern die Arbeitnehmervertreter müssen sich dann diese Ressourcen (Freistellungen, Berater, Rechtsanwälte, Weiterbildung usw.) verschaffen.

§ 87 Mitbestimmungsrechte

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
[…]
1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
[…]
7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8. Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
[…]

§ 89 Arbeits- und betrieblicher Umweltschutz

(1) Der Betriebsrat hat sich dafür einzusetzen, dass die Vorschriften über den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb sowie über den betrieblichen Umweltschutz durchgeführt werden. Er hat bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen.
(2) Der Arbeitgeber und die in Absatz 1 Satz 2 genannten Stellen sind verpflichtet, den Betriebsrat oder die von ihm bestimmten Mitglieder des Betriebsrats bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen und Fragen und bei Unfalluntersuchungen hinzuzuziehen.
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat auch bei allen im Zusammenhang mit dem betrieblichen Umweltschutz stehenden Besichtigungen und Fragen hinzuzuziehen und ihm unverzüglich die den Arbeitsschutz, die Unfallverhütung und den betrieblichen Umweltschutz betreffenden Auflagen und Anordnungen der zuständigen Stellen mitzuteilen.

(3) Als betrieblicher Umweltschutz im Sinne dieses Gesetzes sind alle personellen und organisatorischen Maßnahmen sowie alle die betrieblichen Bauten, Räume, technische Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitsplätze betreffenden Maßnahmen zu verstehen, die dem Umweltschutz dienen.
(4) An Besprechungen des Arbeitgebers mit den Sicherheitsbeauftragten im Rahmen des § 22 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch nehmen vom Betriebsrat beauftragte Betriebsratsmitglieder teil.
(5) Der Betriebsrat erhält vom Arbeitgeber die Niederschriften über Untersuchungen, Besichtigungen und Besprechungen, zu denen er nach den Absätzen 2 und 4 hinzuzuziehen ist.
(6) Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Durchschrift der nach § 193 Abs. 5 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch vom Betriebsrat zu unterschreibenden Unfallanzeige auszuhändigen.

Damit es klar ist:

  • Der Betriebsrat hat seine Aufgaben unabdingbar zu erfüllen. § 89 gibt ihm nicht nur Rechte, sondern Pflichten. Wo Rechte der Arbeitnehmervertretung als Pflichten formuliert sind, kann sie nicht auf die Ausübung dieser Rechte verzichten. Arbeitgeber, die die Arbeitnehmervertretung bei der Ausübung ihrer Pflichten behindert, begehen eine Straftat.
  • Zu den im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz und betrieblichen Umweltschutz stehenden Besichtigungen zählen auch Audits (sowohl von internen wie auch von externen Auditoren) für OHSAS 18001 und ISO 14001, denn sie dienen der Systemkontrolle z.B. von Umwelt- und Arbeitsschutzmanagementsystemen und damit der Entlastung der behördlichen Aufsicht. Diese Entlastung bedeutet natürlich nicht, dass die Arbeitnehmervertreter von den nun in die Systemkontrolle verlagerten Aufsichtsaufgaben ausgeschlossen werden können.
  • Zu den Niederschriften über Untersuchungen, Besichtigungen und Besprechungen zählen auch die Berichte, die bei Audits für OHSAS 18001 und ISO 14001 erstellt werden. Der Arbeitgeber hat hier eine Bringschuld.
  • In nach OHSAS 18001 zertifizierten Betrieben gilt, dass die Dokumentation nur von Unfällen nicht ausreicht. Es sind alle Vorfälle nach Definition 3.9 und 3.8 (OHSAS 18001:2007) zu dokumentieren, also nicht nur meldepflichtige Unfälle, sondern alle Ereignisse, die eine Verletzung oder Erkrankung (ohne Berücksichtigung der Schwere) oder einen tödlichen Unfall zur Folge hatten oder hätten zur Folge haben können. Das kann der Betriebsrat basierend auf OHSAS 18001 verlangen. (Erkrankungen sind erkennbare, nachteilige physische oder mentale Zustände, die durch eine Arbeitstätigkeit und/oder durch eine Arbeitssituation entstanden sind und/oder verschlechtert wurden.)
  • Gesetzestext: § 89 BetrVG
  • Betriebsverfassungsgesetz im Arbeitsschutz

Mitbestimmung bei QM-Systemen

http://qm-blog.certqua.de/was-sie-ueber-die-betriebliche-mitbestimmung-bei-der-einfuehrung-eines-qm-systems-wissen-muessen/

[…]
5. Audits und Zertifizierungen

Ist das QM-System eingeführt und soll [es] durch eine externe Organisation zertifiziert werden, finden Audits durch interne und externe Auditoren statt. Sie umfassen die Kontrolle darüber inwiefern das QM-System durch die Mitarbeiter auch tatsächlich gelebt wird. Die Kontrolle eröffnet jedoch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Einzig die Benennung der internen Auditoren bedarf einer Zustimmung des Betriebsrates.
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(Hervorhebung nicht im Originaltext)
Bei einer so hilfreichen Information zitiere ich die Werbung für Seminare gerne mit. 🙂
Aber Vorsicht: Bei Audits vom QMs, die den Arbeits- und Umweltschutz betreffen, herrscht eine erweiterte Mitbestimmung, die in dem Artikel nicht berücksichtigt worden ist.
Manche Arbeitnehmervertretungen wissen nicht einmal, dass sie bei der Auswahl der internen Auditoren mitbestimmen können. Noch schlimmer: Sie interessieren sich nicht dafür. Ihnen erscheint das Thema als zu kompliziert und zu unwichtig. So kann es dann passieren, das Auditoren und Auditierte sich (entgegen der Forderungen in ISO 19011) sehr nahe stehen und die Audits zur Farce werden. Die Geschäftsführungen und Behörden bekommen geschönte Berichte. Arbeitnehmervertreter, die hier nicht aufpassen, schaden damit den von ihnen vertretenen Arbeitnehmern.
In dem Artikel geht es um die Mitbestimmung bei der Einführung von QM-Systemen generell. Und im Satz “Einzig die Benennung der internen Auditoren bedarf einer Zustimmung des Betriebsrates” geht es um Zustimmung. Die Pflichten des Betriebsrates beschränken sich aber nicht auf Zustimmung: Geht es beim QM um Arbeitsschutzmanagementsysteme (z.B. Zertifikations- und Zwischenaudits nach OHSAS 18001), dann ergeben sich u.A. aus dem § 89 des Betriebsverfassungsgesetzes für den Betriebsrat bzw. für die Personalvertretung starke zusätzliche Rechte und Pflichten.
Gerade bei Audits im Arbeitsschutz geht es nämlich darum, dass die Arbeitnehmer einseitige Darstellungen des Arbeitgebers korrigieren können müssen. (Falschdarstellungen der Qualität des AMS gab es sogar in Geschäftsberichten großer Unternehmen. Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat müssten solche Fehler verhindern.)
Arbeitnehmervertretungen sind vom Arbeitgeber nicht nur über Arbeitsschutz-Audits zu informieren, sondern sie sind hinzuzuziehen. Das gilt auch für Audits durch private Zertifizierungsunternehmen, auf die sich Aufsichtspersonen der Gewerbeaufsicht verlassen (siehe Absatz 5 im Anhang der LV 54). Ansonsten wäre es ja möglich, die Arbeitnehmervertretung durch die Privatisierung von Teilen der Arbeitsschutzaufsicht zu behindern. Oft reicht schon die Anwesenheit eines sorgfältig Protokoll führenden Arbeitnehmervertreters, sicherzustellen, dass die dargestellte Qualität des Arbeitsschutzes den Tatsachen besser entspricht.

DNV berücksichtigt psychische Belastungen

Det Norske Veritas (DNV) gehört zu den bei der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) akkreditierten Zertifizierern für Arbeitsschutzmanagementsysteme von Betrieben nach OHSAS 18001.
http://www.dnvba.com/de/News-Events/News/Pages/Gefaehrdungsbeurteilung-schlie%C3%9Ft-psychische-Belastungen-ein.aspx (Pressemeldung von DNV):

Psychische Belastungen müssen in Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden
Am 20. September 2013 hat der Bundesrat dem „Gesetz zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen“ zugestimmt. Den Entwurf hatte der Bundestag bereits am 27. Juni 2013 verabschiedet. Das Gesetz umfasst auch Ergänzungen des Arbeitsschutzgesetzes. Unter anderem wird die Formulierung „psychische Belastungen“ mit aufgenommen.
Das Arbeitsschutzgesetz regelt die grundlegenden Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers sowie auch die Pflichten und Rechte der Beschäftigten. Jetzt wurde es an mehreren Stellen um den Aspekt der psychischen Belastungen ergänzt. Der Gesetzgeber reagiert damit auf aktuelle Entwicklungen und verdeutlicht, dass psychische Belastungen gleichwertig zu physischen zu beurteilen sind.
Zunächst wurde § 4 Nummer 1 angepasst. Dieser lautet nun wie folgt: „Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird.“ Außerdem wird mit den Änderungen die Pflicht des Arbeitgebers, Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen, präzisiert. § 5 Absatz 3 des Arbeitschutzgesetzes wird um eine Nummer 6 „psychische Belastungen bei der Arbeit“ ergänzt. Die Ergänzung fordert nun explizit, dass psychische Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung mit aufzunehmen sind und räumt damit jegliche Diskussion aus, ob psychische Belastungen überhaupt zum gesetzlich verpflichteten Arbeitsschutz gehören. Der Arbeitgeber ist demnach dazu verpflichtet, sowohl physische als auch psychische Gefährdungen zu beurteilen und aus der Beurteilung die entsprechenden Maßnahmen abzuleiten.
Bereits Anfang des Jahres verdeutlichte die Veröffentlichung des Stressreports 2013 von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) die Bedeutung von psychischen Belastungen bei der Arbeit. So waren laut Vorwort des Stressreports allein 2012 in Deutschland psychische Störungen für mehr als 53 Millionen Krankheitstage verantwortlich.
„Der Stressreport 2012 belegt in Zahlen, dass wir psychische Belastungen bei der Arbeit ernst nehmen müssen“, erklärt Beatrice Maier, Senior Consultant und Auditorin u.a. für Arbeits- und Gesundheitsschutz bei DNV Business Assurance. „Das deckt sich auch mit den Erfahrungen, die wir im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes mit unseren Kunden machen. Durch die Anpassungen des Arbeitsschutzgesetzes, die die Berücksichtigung von psychischen Belastungen nun auch explizit fordern, wird für alle Beteiligen Klarheit hinsichtlich der Rechtslage geschaffen. Unklar ist für die Unternehmen jedoch noch wie das praktisch umzusetzen ist. Die herkömmlichen Vorgehensweisen zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen sind nur bedingt für die Ermittlung von psychischen Belastungen geeignet.“
Um unseren Kunden Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie psychische Belastungen in ihrem Unternehmen erkennen können, plant DNV Business Assurance für das erste Quartal 2014 Veranstaltungen zu diesem Thema. Unter anderem wird es darum gehen, welche Herausforderungen psychische Belastungen in der Arbeitswelt für die Führungsverantwortung bedeuten.
Haben Sie Interesse an einer Veranstaltung zu dem Thema? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail unter dialog@dnv.com. Wir senden Ihnen zeitnah nähere Informationen und eine Anmeldemöglichkeit zu.
Datum: 10 Oktober, 2013
Author: Meike Pörschke

Es ist gut, wenn ein Zertifikator wie DNV sich intensiver mit dem Thema der psychischen Belastungen befasst.
Man könnte aus dem Artikel den Eindruck gewinnen, als sei das Gesetz erweitert worden. Tatsache ist jedoch, dass mit dieser Gesetz nur bestehende Regelungen klargestellt werden.
Auch in einem weiteren Punkt muss ich aber widersprechen: Es ist nicht unklar, wie die Forderung nach dem Einbezug psychischer Belastungen praktisch umzusetzen ist. Im Gegenteil war den Unternehmen klar, dass die herkömmlichen Vorgehensweisen zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen nur bedingt für die Ermittlung von psychischen Belastungen geeignet sind. Die Unternehmen ahnten durchaus, dass die Umstellung vom konventionellen “technischen” Arbeitsschutz auf den seit 1996 vorgeschriebenen ganzheitlichen Arbeitsschutz viel Geld kosten und Führungsstrukturen in Frage stellen wird. Darum saßen sie das Thema erst einmal so lange wie möglich aus. An eine unfreiwillige Unwissenheit und Hilflosigkeit von Arbeitgebern, die in ihren Unternehmen viel komplexere Themen gut im Griff haben, kann doch hier kaum jemand ernsthaft glauben.
Brauchbare Leitlinien und Handlungsanweisungen beispielsweise der Gewerbeaufsichten, der Berufsgenossenschaften und der Gewerkschaften gibt es bereits seit einigen Jahren! Das ist in meinem Blog gut dokumentiert. Schon im Jahr 2000 gab es auch vom Arbeitgeberverband brauchbare Informationen. Was bisher fehlte, war der Wille der Mehrheit der Betriebsleitungen, die Vorschriften des Arbeitsschutzes vollständig einzuhalten und die Vorschläge der Arbeitnehmervertretungen ernst zu nehmen. Freundlich ausgedrückt: Arbeitnehmervertreter und Mitarbeiter, die Vorschläge zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz machten, stießen nicht auf Dankbarkeit.
Arbeitgeber hätten beispielsweise in den LASI-Veröffentlichungen nachlesen können, wie die Gewerbeaufsichten im Gefährdungsbereich “psychische Belastungen” vorgehen sollten. Da die Gewerbeaufsichten aber wegen (zufällig?) mangelnder Ressourcen überfordert waren, wurde nicht ausreichend geprüft. Darum waren die Unternehmen kaum motiviert, mit den an die Gewerbeaufsichten gerichteten Handlungshilfen eigene Wege für eine Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes zu finden, mit der auch psychische Belastungen berücksichtigt werden.
Es konnte in der Vergangenheit passieren, dass es Betriebe gab, die nach OHSAS 18001 zertifiziert wurden, obwohl sie keine mitbestimmt gestalteten Prozesse für den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz vorweisen konnten. Diese Betriebe nutzten ihr Zertifikat dann auch noch dafür, Kritik von Mitarbeitern und Arbeitnehmervertretern an einenem nachhaltig unvollständigen Arbeitsschutz abzuwehren. Mitarbeiter, die Fehlbelastungen meldeten, wurden in zertifizierten Betrieben sogar bedroht oder erlitten sonstige Nachteile. Das ist regel- und gesetzeswidrig, womit eine wichtige Grundlage für eine Zertifizierung entfällt. Die unter Vernachlässigung der psychischen Belastungen erteilten Zertifikate schadeten also den Arbeitnehmern anstatt ihren Schutz zu sichern.
Weil auch heute noch viele Unternehmen psychische Belastungen nicht mitbestimmt in den Arbeitsschutz einbeziehen, verstoßen sie gegen das Arbeitsschutzgesetz und das Betriebsverfassungsgesetz. Das ist natürlich ein Problem im Zertifizierungsgeschäft, denn vielen Betrieben dürfte deswegen kein Zertifikat erteilt werden. Das beeinträchtigt die Geschäftsgrundlage der Zertifizierer. Darum besteht die Gefahr, dass Betrieben, die zwar auf dem Weg zu einem vorschriftsmäßigen Arbeitsschutz sind, aber die gesetzlichen Vorgaben (Arbeitsschutzgesetz und Betriebsverfassungsgesetz) derzeit noch nicht erfüllen, trotz eines bestehenden gesetzeswidrigen Mangels Zertifikate für ihr Arbeitsschutzmanagementsystem erteilt werden. In den Auditberichtungen werden dann Verbesserungsbestrebungen gelobt, aber Mängel nicht erwähnt.
Die Zertifizierer schwächen in solchen Fällen die Rechtsposition jener Mitarbeiter, denen in der Übergangszeit noch keinen ausreichender Schutz gewährt wird – und denen beispielsweise nach von ihnen abgegebenen Fehlbelastungsmeldungen ohne eine mitbestimmt und gemäß OHSAS 18001 durchgeführte Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsbedingungen sogleich ein niedriger dotierter Job angeboten wird.

Vertraulichkeit bei AMS-Audits

In nach OHSAS 18001 auditierten Betrieben kann die Kommunikation zwischen Auditor und Arbeitgeber weitgehend am Betriebsrat vorbei laufen, wenn im Audit die Pflicht zur Vertraulichkeit falsch verstanden wird.
Interessant ist hier insbesondere der Abs. 2 in § 89 BetrVG:

  • Der Arbeitgeber und die in Absatz 1 Satz 2 genannten Stellen [d.h. die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen] sind verpflichtet, den Betriebsrat oder die von ihm bestimmten Mitglieder des Betriebsrats bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen und Fragen und bei Unfalluntersuchungen hinzuzuziehen.
  • Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat auch bei allen im Zusammenhang mit dem betrieblichen Umweltschutz stehenden Besichtigungen und Fragen hinzuzuziehen und ihm unverzüglich die den Arbeitsschutz, die Unfallverhütung und den betrieblichen Umweltschutz betreffenden Auflagen und Anordnungen der zuständigen Stellen mitzuteilen.

Bei den “sonstigen in Betracht kommenden Stellen” denke ich z.B. an die mit hoheitlichen Aufgaben beauftragte DAkkS und an die bei ihr akkreditierten Zertifizierungsgesellschaften.
Es ist wichtig und richtig, wenn Auditoren dem auditierten Unternehmen Vertraulichkeit gegenüber Außenstehenden (Kunden, Mitbewerber usw.) zusichern. Der Betriebsrat ist aber kein Außenstehender. „Bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen und Fragen“ kann aus meiner Sicht keine den Betriebsrat ausschließende Vertraulichkeit zwischen Auditor und Arbeitgeber gelten. Ich fände es darum merkwürdig, wenn es eine vertrauliche Kommunikation zwischen Auditor und Arbeitgeber gäbe, in die der Betriebsrat (bzw. die von ihm mit Aufgaben im Arbeitsschutz beauftragten BR-Mitglieder) nur teilweise einbezogen würde.

Zertifizierungsschema für OHSAS 18001

In den Niederlanden gibt es die SCCM, eine Organisation zur Koordination der Zertifizierung von Umwelt- und Arbeitsschutzsystemen. Diese Organisation hat ein Zertifizierungs-Schema veröffentlicht, nach dem in den Niederlanden akkreditierte Zertifizierungsgesellschaften vorgehen können. Man kann daraus (auf Englisch) viel über Zertifizierungsaudits für OHSAS 18001 und den Einbezug von Betriebsräten in solche Audits lernen. In Deutschland wäre es hilfreich, wenn die DAkkS soetwas veröffentlichen könnte.
http://www.sccm.nl/sites/default/files/O11-SCCM_N110830_cert.schema_OHSAS_18001_ENG_7Feb13.pdf (2013-02)

Certification scheme for occupational health and safety (OHS) management systems according to OHSAS 18001
[…]
By entering into an agreement with SCCM (the Association for the Coordination of Certification of Environmental and Occupational Health and Safety Management Systems in the Netherlands), accredited certification bodies can use this certification scheme, which is based on the worldwide standard OHSAS 18001:2007 (OHSAS: Occupational Health and Safety Assessment Series). The certification scheme was developed by a Central Committee of Experts (CCE) operating within SCCM and approved by the board of SCCM. SCCM qualifies as scheme supervisor in conformance with the requirements set by the Council for Accreditation. Certification bodies (CBs) associated with SCCM are obliged to follow the scheme drawn up by the CCE for certification based on the OHSAS 18001 standard. […]

 
Was ist die SCCM?
http://english.sccm.nl/content/background-and-goal

Background
SCCM was founded in 1995 by the Netherlands Ministry of Infrastructure and Environment (previously VROM), the employers’ organization VNO-NCW, the certification bodies and the environmental movement, in order to arrive at a uniform procedure for the certification bodies, and an unambiguous interpretation of the ISO 14001 standard for environmental management systems. Since 2006, the foundation has also coordinated the certification of occupational safety/health (OHS) management systems (according to OHSAS 18001). At the request of the Ministry of Infrastructure and Environment, SCCM has also taken care of registration for the Eco Management and Audit Scheme (EMAS) since 1995. SCCM has a unique position, as there are no comparable organizations in other countries.
Goal
The objective of SCCM is that the ISO 14001, OHSAS 18001 and ISO 50001 certificates have added value in the relations between organizations and their neighbours and other parties such as the government. If this added value is lacking, it can be cause to modify the ‘ground rules’ as laid down in the certification schemes. The certification bodies use the relevant SCCM certification scheme to evaluate the implementation of the standards by organizations.

 
Links:

 
Anmerkungen:

  • SCCM = Stichting Coördinatie Certificatie Milieu- en arbomanagementsystemen: Das ist eine Stiftung zur Koordination der Zertifizierung von Umwelt- und Arbeitsbedingungs-Managementsystemen. Arbo ist eine Kurzform des niederländischen Begriffs Arbeidsomstandigheden (Arbeitsbedingungen) und wird auch mit “Arbeits- und Gesundheitsschutz” übersetzt. Die Kurzform für das Arbeitsschutzgesetz ist Arbowet.
  • Auf das SCCM-Schema bin ich mit der Suche https://www.google.de/search?q=”OHSAS+18001″+”works+council” gestoßen.


Behördliche Systemkontrolle

Die Leitlinien zur behördlichen Kontrolle von Arbeitsschutzmanagementsystemen (AMS) sind auch betriebsintern anwendbar:

Siehe auch: Schlagwort “Systemkontrolle”

Wann ist betriebliche Gesundheitsförderung Arbeitsschutz?

http://www.ergo-online.de/site.aspx?url=html/gesundheitsvorsorge/betriebliche_gesundheitsfoerd/bgf.htm

[…]
Ziele
Betriebliche Gesundheitsförderung zielt darauf ab, gesundheitliche Belastungen am Arbeitsplatz abzubauen. Dadurch wird das Wohlbefinden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten und gefördert. Das schließt Unfall- und Krankheitsverhütung ein, will aber darüber hinaus die Kräfte des einzelnen stärken und all das, was bei der Arbeit fit hält bspw. eine inhaltlich befriedigende Tätigkeit. 
Ansatzpunkte
Gesundheitsförderung nimmt in erster Linie die Arbeitsbelastungen ins Visier. Aber auch gesundheitsschädigende Verhaltensweisen der Beschäftigten können bspw. durch Rückenschulen, Kurse zur Stressbewältigung, Ernährungsberatung usw. positiv beeinflusst werden. So findet eine Verknüpfung von verhältnis- und verhaltensorientierter Prävention statt.
[…]

Die Minderung gesundheitlicher Fehlbelastungen am Arbeitsplatz ist das Ziel des Arbeitsschutzes, der in die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) eingebettet sein kann. In der Wirklichkeit setzen die Arbeitgeber in der betrieblichen Gesundheitsförderung derzeit noch andere Schwerpunkte. Die Kräfte der einzelnen Mitarbeiter zu stärken erhöht deren Beanspruchbarkeit. Das ist eine feine Sache, verändert aber nichts an der Belastung der Mitarbeiter.
In der heutigen betrieblichen Praxis der betrieblichen Gesundheitsförderung wird die Arbeitsbelastung erst in zweiter Linie ins Visier genommen. Statt dessen wird der Verhaltensprävention Vorrang vor der Verhältnisprävetion gegeben. Der Schwerpunkt liegt auf individuellem Resilienzaufbau: Dabei fordern Arbeitgeber, die ihrer Verantwortung für den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz seit 1996 mehrheitlich nicht gerecht wurden, nun umgekehrt ihre Mitarbeiter auf, ihrerseits eigenverantwortlich ihre Gesundheit zu erhalten. Die Chuzpe kann so weit gehen, dass individuelle Maßnahmen, für die Mitarbeiter auch noch eigene Zeit und eigenes Geld aufbringen müssen, der Öffentlichkeit, den Auditoren der Aufsichtsbehörden und den Zertifizierungsgesellschaften als Arbeitschutzmaßnahme verkauft werden.
Für die Arbeitgeber freiwillige Maßnahmen müssen von den vorgeschriebenen Arbeitsschutzmaßnahmen unterschieden werden. Auditoren der Aufsichtsbehörden, Berufsgenossenschaften und Zertifizierungsgesellschaften können nur solche Maßnahmen als Maßnahmen der Arbeits- und Gesundheitsschutzes enerkennen,

  • die vorrangig arbeitsplatzbezogen und verhältnispräventiv sind (weil im Arbeitsschutz individuelle Maßnahmen nachrangig zu anderen Maßnahmen sind) und
  • deren Kosten (Zeit und Geld) vollständig vom Arbeitgeber getregen werden und
  • die mitbestimmt festgelegt, durchgeführt und kontrolliert werden.

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, dann können die Maßnahmen nicht als Nachweis für eine Umsetzung der Arbeitsschutzvorschriften herangezogen werden. Eine Maßnahme, die der Betriebsrat (oder die Einigungsstelle oder schließlich ein Gericht) nicht als Arbeitsschutzmaßnahme anerkennt, ist kein Beitrag zur Erfüllung der Arbeitsschutzvorschriften.

Integriertes Managementsystem bei BP

Hans-Gerd Jägers (Leiter “Umwelt, Qualität”, BP Gelsenkirchen) anlässlich einer Tagung zu Arbeitsschutzmanagementsystemen (AMS) der BAuA (2005): Integriertes Managementsystem (USGQ) bei der BP Gelsenkirchen (BP GE): http://www.baua.de/cae/servlet/contentblob/679466/publicationFile/48737/AMS-Tagung-2005-10.pdf
Darin wird auch die Frage gestellt: “Wieviele Managementsysteme verträgt ein Unternehmen?”. Die Antwort: “Nur 1.”
Mitglieder im USGQ-Ausschuss:

  • SMT (Site Management Team)
  • Leiter ¨Arbeitssicherheit, Anlagensicherheit”
  • Leiter “Umwelt, Qualität”
  • Leiter “Anlagenüberwachung”
  • Leiter “Werksärztlicher Dienst”
  • Leiter “Kommunikation”
  • Betriebsrat
  • Weitere Referenten aus den “USGQ-Abteilungen”

Siehe auch: https://www.google.de/search?q=audits+begehung+betriebsrat