Gesundheitsförderung bei VW in Kassel

http://www.focus.de/regional/hessen/gesundheit-von-steh-sitz-arbeitsplatz-bis-rundum-check-gesundheit-bei-vw_id_3593472.html

[…] Doch was sagt der bei Europas größtem Autobauer traditionell einflussreiche Betriebsrat zu den Angeboten? „Wir sind der Treiber für eine betriebliche Gesundheitsförderung“, betont Betriebsratsmitglied Thomas Frye. „Die Menschen nehmen das an.“ Denn solche Untersuchungen machten dem Arbeitgeber deutlich, dass die Belastung gestiegen sei. „Die Frage ist, was wir mit den Ergebnissen machen. Das ist die Herausforderung der nächsten Monate und Jahre.“ […]

In vielen Fällen sind die Arbeitnehmervertreter tatsächlich die Treiber.
 

[…] Das BGM ist freiwillig, es gibt keine gesetzliche Grundlage. Doch es gebe Berührungspunkte mit dem Arbeitsschutz bei der psychischen Gefährdungsbeurteilung von Arbeitsplätzen, betont Walle. Erst 2013 sei das Thema psychische Belastung im Arbeitsschutzgesetz an eine prominente Stelle gehoben worden. Seitdem seien Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitsbedingungen auch daraufhin zu beurteilen. […]

Gute Darstellung des Verhältnisses von Arbeitsschutz und BGM (Betriebliches Gesundheitsmanagement). Aber die Darstellung, dass die Arbeitgeber erst seit 2013 zur Beurteilung psychischer Belastungen verpflichtet sind, ist schlicht falsch: Sowohl der Gesetzgeber wie auch die BDA (Arbeitgebervereinigung) haben genügend deutlich gemacht, dass die Hinzunahme psychischer Belastungen im Arbeitsschutzgesetz nur eine Klarstellung bereits geltenden Rechts ist. Die Erweiterung des Arbeitsschutzgesetzes kann daher nicht als Ausrede für Versäumnisse in der Vergangenheit mißbraucht werden.
 

[…] Eine reelle psychische Gefährdungsbeurteilung werde allerdings noch Jahre dauern, betont VW-Werkarzt Nöring. Es gebe noch keine Normwerte, zudem sei beispielsweise nicht objektiv zu ermitteln, wann eine Erschöpfung eintrete und welche Folgen diese habe. „Das ist pures Empfinden.“ […]

Auch das ist so nicht richtig. Es gibt seit vielen Jahren Testverfahren, die ihrerseits auch wissenschaftlich getestet wurden. Außerdem: Gerade wenn Normen fehlen, entsteht ein Gestaltungsspielraum, in dem der Mensch situationsgerecht entscheidet, was eine Fehlbelastung ist und was nicht. Dafür entstand das Arbeitsschutzgesetz im Jahr 1996 als Rahmengesetz. Innerhalb dieser Vorschrift müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam betriebsgerechte Lösungen erarbeiten, und zwar auch für den Umgang mit psychischen Belastungen seit 1996 (höchstrichterlich bestätigt im Jahr 2004), nicht erst seit 2013. Genau dafür ist die Mitbestimmung der Arbeitnehmer als Pflicht vorgeschrieben. Das Fehlen gesetzlicher Regeln und das Fehlen von Normen ist in der Rechtsprechung sogar ein wesentlicher Bestandteil der Begründung der Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmervertretungen: Wo im Arbeitsschutz Regeln gestaltbar sind, hat der Arbeitgeber sie zu gestalten und dabei die Mitbestimmung zu respektieren.

Klarstellende Änderung

http://www.depressionsliga.de/aktuelles-beitrag/items/ddl-begruesst-integration-der-psychischen-belastungen-in-die-gefaehrdungsbeurteilung-des-arbeitsschutzgesetzes-557.html

[…] Im vergangenen Jahr hat der Bundestag durch zwei klarstellende Änderungen im Arbeitsschutzgesetz psychischen Belastungen einen höheren Stellenwert eingeräumt. […]

So ist es. Besser kann man’s kaum noch klarstellen.

Das IST ist im Irrtum

In http://www.ist.de/news/4687/psychische-belastungen-jetzt-im-arbeitsschutzgesetz-verankert.html meint das IST-Studieninstitut:

[…] Seit kurzem sind Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet in der Gefährdungsbeurteilung auch die psychischen Belastungen zu erfassen. […]

Das ist falsch. Diese Änderung des Arbeitsschutzgesetzes ist eine Klarstellung bereits geltenden Rechts.

Koalitionsvertrag: Ganzheitlicher Arbeitsschutz

https://www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf und http://www.spd.de/linkableblob/112790/data/20131127_koalitionsvertrag.pdf, Auszug:

Koalitionsvertrag
zwischen CDU, CSU und SPD
18. Legislaturperiode

Ganzheitlicher Arbeitsschutz
Der Schutz der Beschäftigten vor Gefahren am Arbeitsplatz und die Stärkung der Gesundheit bei der Arbeit ist ein wichtiges Gebot sozialer Verantwortung. Ein deutlicher Hinweis auf die Herausforderungen, die eine sich wandelnde Arbeitswelt für den deutschen Arbeitsschutz bedeutet, ist die drastische Zunahme psychischer Erkrankungen. Unser Leitbild ist ein ganzheitlicher, physische und psychische Belastungen umfassender Gesundheitsschutz bei der Arbeit. Die Zusammenarbeit mit der allgemeinen Gesundheitspolitik wird ausgebaut. Betriebliche Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz werden enger verknüpft. Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) wollen wir stärken und mehr Verbindlichkeit erreichen.
Gesundheitszirkel in den Betrieben haben sich in der Praxis als erfolgreicher Ansatz erwiesen. Wir wollen erreichen, dass in Unternehmen in Kooperation mit den gesetzlichen Krankenkassen solche Zirkel vermehrt eingerichtet werden. Wir werden die Entwicklung neuer Präventionskonzepte und betrieblicher Gestaltungslösungen bei psychischer Belastung in enger Zusammenarbeit mit den Trägern der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie vorantreiben, den Instrumenteneinsatz besser ausrichten, auf eine verbesserte Kontrolle des Arbeitsschutzes hinwirken und in bestehenden Arbeitsschutzverordnungen, die noch keine Klarstellung zum Schutz der psychischen Gesundheit enthalten, dieses Ziel aufnehmen. Es erfolgt eine wissenschaftliche Standortbestimmung, die gleichzeitig eine fundierte Übersicht über psychische Belastungsfaktoren in der Arbeitswelt gibt und Handlungsoptionen für notwendige Regelungen aufzeigt. Im Lichte weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse schließen wir insoweit auch verbindliche Regelungen in der Form einer Verordnung gegen psychische Erkrankungen nicht aus.
Der Schutz und die Stärkung der physischen Gesundheit in besonders belastenden Tätigkeiten werden weiter verbessert, die entsprechende Forschung unter Begleitung der Tarifpartner intensiviert und Lösungsvorschläge zur Vermeidung arbeitsbedingter Verschleißerkrankungen und Frühverrentungen erarbeitet.

Kontrolle des Arbeitsschutzes: Im 1. Entwurf (Stand 24.11. 20:00) stand: “auf eine Personalaufstockung bei der Kontrolle des Arbeitsschutzes hinwirken”. Im finalen Text steht “auf eine verbesserte Kontrolle des Arbeitsschutzes hinwirken”. Wir sollten uns also in Erinnerung behalten, dass in den Koalitionsverhandlungen der Personalmangel bei der Gewerbeaufsicht angesprochen wurde. Es sind noch andere Schwächen zu beheben (die in der Vergangenheit aus meiner Sicht wegen der Fehleinschätzung des unternehmerischen Verantwortungsbewusstseins bewusst von der Politik toleriert wurden). Konkrete Maßnahmen müssen aber bezahlt werden.
Arbeitsschutz in Zusammenarbeit mit der allgemeinen Gesundheitspolitik: In der Vergangenheit hatten sich nach meinem Eindruck das CDU-geführte Bundesministerium für Arbeit (mit dem verhältnispräventiv orientierten Arbeitsschutz) und das FDP-geführte Ministerium für Gesundheit (mit einer überwiegend verhaltenspräventiv angelegten Gesundheitsförderung) nicht sonderlich gut abgestimmt. Zusammenarbeit ist gut, aber mit dem beabsichtigten Ausbau der Zusammenarbeit des Arbeitsschutzes mit der allgemeinen Gesundheitspolitik könnte weiterhin versucht werden, die Kosten des Arbeitsschutzes weg von den Arbeitgebern hin zu den Mitarbeitern und der Gemeinschaft der Krankenversicherten und Steuerzahler zu verschieben.
        Darum ein wichtiger Hinweis: Verkauft ein Arbeitgeber z.B. der Gewerbeaufsicht, den Auditoren, seinen Mitarbeitern usw. Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitförderung als “Arbeitsschutzmaßnahmen”, dann muss der Arbeitgeber die Kosten tragen und vor der Durchführung der Arbeitsschutzmaßnahme die Mitbestimmungspflicht des Betriebsrates oder des Personalrates beachtet haben. Wenn die Maßnahme überwiegend verhaltenspräventiv ist, dann ist sie nachrangig gegenüber den im Arbeitsschutz vorgeschriebenen verhältnispräventiven Maßnahmen. Und Maßnahmen, für die Mitarbeiter eigene Zeit und eigenes Geld aufbringen müssen (selbst, wenn nur teilweise), sind keine Arbeitsschutzmaßnahmen.
Klarstellung: Mit “in bestehenden Arbeitsschutzverordnungen, die noch keine Klarstellung zum Schutz der psychischen Gesundheit enthalten, dieses Ziel aufnehmen” steht nun auch im Koalitionsvertrag, dass hier nur eine Klarstellung vorgenommen wird. Die Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz besteht nämlich schon seit dem Jahr 1996.
Anti-Stress-Verordnung: Wissenschaftliche Standortbestimmungen, die gleichzeitig eine fundierte Übersicht über psychische Belastungsfaktoren in der Arbeitswelt geben und Handlungsoptionen für notwendige Regelungen aufzeigen, sind längst verfügbar. Die Koalitionsverhandler einigten sich nur auf ein unverbindliches Nachdenken über eine “Verordnung gegen psychische Erkrankungen”, die die SPD will, aber nicht so sehr die CDU/CSU. Damit reiht sich dieses wohl auch als “Anti-Stress-Verordnung” bekannte Thema in eine Warteschlange mit über 80 Prüfaufträgen im Koalitionsvertrag ein, mit denen diese Koalition die Leidensfähigkeit der Bürger prüfen wird.

Gesetzliche Präzisierung

http://www.sv-lex.de/aktuelles/nachrichten/?user_aktuelles_pi1[aid]=279895&cHash=330546a31385634e0fbabe8a2a5d4783

[…] Die Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) begrüßte die gesetzliche Änderung. “Stress bei der Arbeit ist in den vergangenen Jahren [z.B. ab 1927] zunehmend ins Blickfeld des Arbeitsschutzes gerückt. Diese gesetzliche Präzisierung wird das Thema zusätzlich befördern”, sagte DGUV- Hauptgeschäftsführer Joachim Breuer.
Endlich sei eine formelle Angleichung an den Stand der Kenntnisse erfolgt, kommentiert die Gesetzesänderung Gerald Schneider von der BAD-GmbH, einem führenden Dienstleister für Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsvorsorge. Durch die Gesetzesänderung werde einerseits eine lang währende Diskussion beendet, ob psychische Belastungen überhaupt dem gesetzlich verpflichteten Arbeitsschutz zugehören. “Andererseits ergibt sich daraus auch die klare Anforderung, die Arbeitsbedingungen von Millionen von Arbeitnehmern zu analysieren”, so Schneider.
Psychische Belastungen sind laut Schneider ab jetzt [ab 1996] in gleicher Weise zu beurteilen und mit Maßnahmen zu minimieren wie körperliche Belastungen. Das wesentliche Instrument dafür ist die Gefährdungsbeurteilung (GB), zu der alle Unternehmen laut Arbeitsschutzgesetz verpflichtet sind. Diese umfasst jetzt [ab 1996] auch die Beurteilung psychischer Gefährdungen.

(Hervorhebungen nicht im Originaltext. Meine Kommentare in eckigen Klammern.)
Gerald Schneider stellt die Tatsachen nicht ganz richtig dar. Eine Diskussion mag es gegeben haben, aber die Rechtsprechung steht darüber. Der Gesetzgeber und die Gewerbeaufsicht haben schon früher klar gestellt, dass psychische Belastungen dem gesetzlich verpflichteten Arbeitsschutz zugehören. Diskutiert wurde nicht so sehr, ob psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen sind, sondern wie das umgesetzt werden soll. Also gibt es hier keine Ausrede für die große Mehrheit rechtsbrecherischer Arbeitgeber, die seit etwa 2005 zunehmend auch vorsätzlich ihre gesetzlichen Pflichten missachtet haben. Psychische Belastungen waren ab 1996 in gleicher Weise zu beurteilen und mit Maßnahmen zu minimieren wie körperliche Belastungen.
Joachim Breuer hat das verstanden. Er spricht deswegen von einer “gesetzlichen Präzisierung”. Die Anforderung, die Arbeitsbedingungen von Millionen von Arbeitnehmern zu analysieren, gibt es seit 1996.

Pflicht schon vor dem September 2013

http://www.persolog-blog.de/allgemein/kampf-gegen-psychische-belastung-ist-gesetz/comment-page-1/#comment-3130

Kampf gegen psychische Belastung ist Gesetz
Artikel von Katrin Bohnenberger in Allgemein,News,Personalentwicklung,Stressmanagement
Beurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz gesetztlich festgelegt
Seit September sind Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet, auch psychische Belastungen in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. Für Unternehmen bedeutet das neue Anforderungen im Arbeitsschutz. Das schreibt das Magazin Human Capital Care. […]

Ich hab’s kommen sehen: Es war fast schon zu erwarten, dass die anstehende Änderung des ArbSchG so dargestellt wird, als ob der Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz erst ab September dieses Jahres gesetzlich vorgeschrieben sei. Das ist falsch. Richtig ist, dass nun klargestellt wird, was schon seit dem Inkraftreten des ArbSchG im Jahr 1996 vorgeschrieben war!
Selbst die BDA bestätigt, dass das abgeänderte Arbeitsschutzgesetz einen bereits heute geltenden Grundsatz klarstellt:

[… es gilt,] dass der Arbeitgeber im Rahmen der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung auch zu prüfen hat, ob eine Gefährdung durch psychische Belastung besteht. Zur Klarstellung dieses bereits heute geltenden Grundsatzes soll das ArbSchG in § 5 Abs. 3 Nr. 6 künftig ausdrücklich um den Gefährdungsfaktor „psychische Belastungen bei der Arbeit“ ergänzt werden. Der Bundestag hat den entsprechenden Gesetzentwurf am 27. Juni 2013 verabschiedet. […]

 
Nachtrag (2013-10-09) aus arbeitstattstress.de: http://www.arbeitstattstress.de/2013/09/psychische-belastungen-in-der-gefaehrdungsbeurteilung/

“Gefährdungsbeurteilung zu psychischen Belastungen ist nun Pflicht” titelt das online-Fachmagazin SIFATipp in einem Artikel, der heute erschienen ist. Ich bin mir nicht sicher, ob die schreibenden Kollegen hier irren. Denn die Analyse der psychischen Belastungen war schon immer Bestandteil einer umfassenden Gefährdungsbeurteilung, wie z. B. ein Blick in die BGI/GUV-I 8700 (pdf) zeigt (Kap. 3.10). Und da die umfassende Gefährdungsbeurteilung immer schon Pflicht war, war es auch die Beurteilung psychischer Belastungen.

Grundsätze; Beurteilung der Arbeitsbedingungen(§§ 4 und 5 ArbSchG)

http://www.bundesrat.de/cln_227/SharedDocs/TO/906/erl/26,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/26.pdf
(Punkt 26 zur 906. Sitzung):

[…] Durch zwei Änderungen im Arbeitsschutzgesetz soll klargestellt werden, dass sich die Gefährdungsbeurteilung auch auf psychische Belastungen bei der Arbeit bezieht und der Gesundheitsbegriff neben der physischen auch die psychische Gesundheit der Beschäftigten umfasst. […]

Auszug aus dem nun verständlicher gewordenen Arbeitsschutzgesetz:

§ 4 – Allgemeine Grundsätze
Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen:

  1. Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird;
  2. Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen;
  3. bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen;
  4. Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluß der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen;
  5. individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen;
  6. spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen sind zu berücksichtigen;
  7. den Beschäftigten sind geeignete Anweisungen zu erteilen;
  8. mittelbar oder unmittelbar geschlechtsspezifisch wirkende Regelungen sind nur zulässig, wenn dies aus biologischen Gründen zwingend geboten ist.

§ 5 – Beurteilung der Arbeitsbedingungen
(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
(2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.
(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch

  1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
  2. physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
  3. die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
  4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
  5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten,
  6. psychische Belastungen bei der Arbeit.

So weit der Auszug aus der kürzlich vom Bundestag nachgebesserten Version des Arbeitsschutzgesetzes, die wohl spätestens im Jahr 2014 in Kraft treten wird. Abs. 3 Punkt 6 ist nach Aussage des BMAS nur eine Klarstellung bereits bestehenden Rechts. Dass das eine Klarstellung ist, ergibt sich u.A. bereits im Jahr 2009 aus der Antwort des Bundestages auf eine Petition:

[…] Das BMAS [führt] im Wesentlichen aus, dass es die Auffassung des Petenten teile, dass das Thema Psychischen Belastungen unabdingbarer Bestandteil des Arbeitsschutzes sei. […]

Dass das neue Arbeitsschutzgesetz keine neue Regeln einführt, sondern nur bestehende Regeln klarstellt, wird auch von den Arbeitgebern bestätigt:

[… es gilt,] dass der Arbeitgeber im Rahmen der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung auch zu prüfen hat, ob eine Gefährdung durch psychische Belastung besteht.
Zur Klarstellung dieses bereits heute geltenden Grundsatzes soll das ArbSchG in § 5 Abs. 3 Nr. 6 künftig ausdrücklich um den Gefährdungsfaktor „psychische Belastungen bei der Arbeit“ ergänzt werden. Der Bundestag hat den entsprechenden Gesetzentwurf am 27. Juni 2013 verabschiedet. […]

Auch die Begründung der Gesetzesänderung stellte die Klarstellung klar:

[…] Die Regelung dient der Klarstellung hinsichtlich der Gefährdungsfaktoren, die bei der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden müssen. Die Anpassung zielt darauf ab, das Bewusstsein der Arbeitgeber für psychische Belastungen bei der Arbeit zu schärfen, die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung in der Praxis weiter zu steigern und dabei das Augenmerk vor allem auch auf die Berücksichtigung von psychischen Belastungen zurichten. Durch die Formulierung „bei der Arbeit“ wird deutlich gemacht, dass die Klarstellung nicht bezweckt, den Gesundheitszustand der Beschäftigten generell im Hinblick auf alle Lebensumstände zu verbessern. Schutzmaßnahmen werden dem Arbeitgeber weiterhin nur insoweit abverlangt, als Gefährdungen für die physische oder die psychische Gesundheit der Beschäftigten durch die Arbeit auftreten. […]

Nachtrag (2013-10-09) aus arbeitstattstress.de: http://www.arbeitstattstress.de/2013/09/psychische-belastungen-in-der-gefaehrdungsbeurteilung/

“Gefährdungsbeurteilung zu psychischen Belastungen ist nun Pflicht” titelt das online-Fachmagazin SIFATipp in einem Artikel, der heute erschienen ist. Ich bin mir nicht sicher, ob die schreibenden Kollegen hier irren. Denn die Analyse der psychischen Belastungen war schon immer Bestandteil einer umfassenden Gefährdungsbeurteilung, wie z. B. ein Blick in die BGI/GUV-I 8700 (pdf) zeigt (Kap. 3.10). Und da die umfassende Gefährdungsbeurteilung immer schon Pflicht war, war es auch die Beurteilung psychischer Belastungen.

B·A·D verwirrt wieder

http://www.bad-gmbh.de/de/presse/pressemeldungen/meldung/artikel/unternehmen-zur-gefaehrdungsbeurteilung-psychischer-belastungen-verpflichtet.html

25. September 2013
Unternehmen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen verpflichtet
Psychische Belastungen jetzt im Arbeitsschutzgesetz verankert / Experten der B·A·D GmbH unterstützen Unternehmen bei der Identifikation von Gefährdungspotenzialen
Am 20. September 2013 hat der Bundesrat dem „Gesetz zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen“ zugestimmt. Damit war auch eine Änderung des Arbeitsschutzgesetzes verbunden, die die Berücksichtigung psychischer Belastungen klar festschreibt. So heißt es jetzt in § 4 Nr. 1 des Arbeitsschutzgesetzes: „Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird“. Gleichzeitig wird in § 5, Absatz 3 als Nr. 6 erscheinen: „6. psychische Belastung bei der Arbeit“.
Mit dieser Änderung ist die Beurteilung psychischer Belastungen auf eine feste gesetzliche Grundlage gestellt und somit auch formell eine Angleichung an den Stand der Kenntnisse erfolgt. Psychische Belastungen sind in gleicher Weise zu beurteilen und mit Maßnahmen zu minimieren wie körperliche Belastungen. Im Gegensatz zu vielen Pressemeldungen legen Experten der B·A·D GmbH, einem der führenden Dienstleister für Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsvorsorge, Wert auf die Feststellung, dass arbeitsbedingte psychische Erkrankungen gegenüber den tatsächlich am Arbeitsplatz vorhandenen Belastungen eine viel geringere Rolle spielen als allgemein dargestellt wird. Dazu erklärt Dr. Gerald Schneider, Experte bei der B·A·D GmbH für das Thema Gefährdungsbeurteilung: „Lediglich etwa 5 Prozent aller Diagnosen mit anschließender Arbeitsunfähigkeit sind psychischen Erkrankungen zuzuschreiben. Dem steht jedoch eine etwa 5 – 7-fach höhere Zahl an psychisch belasteten Arbeitnehmern gegenüber.“ Schätzungsweise 10 – 15 Millionen Arbeitnehmer fühlen sich durch psychische Einwirkungen belastet.
Durch die Gesetzesänderung wird einerseits eine lang währende Diskussion beendet, ob psychische Belastungen überhaupt dem gesetzlich verpflichteten Arbeitsschutz zugehören, andererseits ergibt sich daraus auch die klare Anforderung, die Arbeitsbedingungen von Millionen von Arbeitnehmern zu analysieren.
Systematische Vorgehensweise mithilfe anerkannter Instrumente zur Gefährdungsbeurteilung
Das wesentliche Instrument, um mögliche Gefährdungen und Belastungen im Unternehmen zu identifizieren, ist die Gefährdungsbeurteilung (GB). Zur Durchführung einer solchen Gefährdungsbeurteilung und zur Umsetzung daraus abgeleiteter Maßnahmen sind alle Unternehmen laut Arbeitsschutzgesetz verpflichtet. Dies umfasst jetzt auch die Beurteilung psychischer Gefährdungen.
(pdf-Datei, 132 KB)
 
Über die B·A·D Gruppe
Die B·A·D Gruppe betreut mit mehr als 3.000 Experten in Deutschland und Europa 250.000 Betriebe mit 4 Millionen Beschäftigten in den unterschiedlichsten Bereichen der Prävention. 2013 betrug der Umsatz 194,0 Millionen Euro. Damit gehört die B·A·D GmbH mit ihren europäischen TeamPrevent Tochtergesellschaften zu den größten europäischen Anbietern von Präventionsdienstleistungen (Arbeitsschutz, Gesundheit, Sicherheit, Personal). Die Leistungstiefe reicht von Einzelprojekten bis hin zu komplexen Outsourcing-Maßnahmen. Ergänzt wird das Portfolio der Gruppe durch vielfältige Angebote in den Bereichen Consulting und Weiterbildung. Seit 2006 gehört die B·A·D GmbH zu den 100 besten TOPJOB Unternehmen im deutschen Mittelstand.

Das ist wieder einmal ein Versuch (hier von der B·A·D), so zu tun, als ob die Unternehmen erst jetzt zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz verprflichtet seien. Sollen damit die Rechtsbrüche und Ordnungswidrigkeiten in der Vergangenheit unter den Teppich geleugnet werden? In diesem Blog habe ich genug Fakten (darunter auch Aussagen der Arbeitgeber und des Gesetzgebers) zusammengesammelt, die zeigen, dass die Gesetzesänderung nur bereits geltendes Recht klarstellt.
Dem Geschäft der B·A·D soll es möglicherweise dienen, zu schreiben: “Im Gegensatz zu vielen Pressemeldungen legen Experten der B·A·D GmbH, einem der führenden Dienstleister für Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsvorsorge, Wert auf die Feststellung, dass arbeitsbedingte psychische Erkrankungen gegenüber den tatsächlich am Arbeitsplatz vorhandenen Belastungen eine viel geringere Rolle spielen als allgemein dargestellt wird. Dazu erklärt Dr. Gerald Schneider, Experte bei der B·A·D GmbH für das Thema Gefährdungsbeurteilung: ‘Lediglich etwa 5 Prozent aller Diagnosen mit anschließender Arbeitsunfähigkeit sind psychischen Erkrankungen zuzuschreiben. Dem steht jedoch eine etwa 5 – 7-fach höhere Zahl an psychisch belasteten Arbeitnehmern gegenüber.’ Schätzungsweise 10 – 15 Millionen Arbeitnehmer fühlen sich durch psychische Einwirkungen belastet.” Hier wird der Eindruck erweckt, dass die B·A·D mutig einer allgemeinen Fehleinschätzung widerspräche. Die B·A·D versteht aber nicht einmal, dass nicht psychische Belastungen, sondern psychische Fehlbelastungen das Problem sind. Psychische Belastungen gegenüber Erkrankungen zu stellen, ist Unsinn. Was soll mit so einer Desinformation erreicht werden?
Wenn die B·A·D im Bereich der psychischen Belastungen als Dienstleister für Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsvorsorge kompetent wäre und Begriffe sauber klären wollte, dann würde sie schreiben: “Im Gegensatz zu vielen Darstellungen in der Öffentlichkeit legen Experten der B·A·D GmbH Wert auf die Feststellung, dass arbeitsbedingte psychische Belastungen nicht mit am Arbeitsplatz vorhandenen psychischen Fehlbelastungen gleichgesetzt werden dürfen. Jede Arbeit ist psychische Belastung. Und selbst arbeitsbedingte psychische Fehlbelastungen führen nicht gleich zu einer arbeitsbedingten Erkrankung, insbesondere wenn die vorgeschriebene Prävention funktioniert. Es geht im Arbeitsschutz ja gerade darum, dass psychische Fehlbelastungen gemindert werden, bevor es zu Erkrankungen kommt.”

FDP zu spät dran

http://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article114765065/Politik-streitet-ueber-Anti-Stress-Gesetz-des-SPD-Senats.html

26.03.13
Psychische Belastung am Arbeitsplatz
Politik streitet über Anti-Stress-Gesetz des SPD-Senats
FDP-Gesundheitspolitiker Wieland Schinnenburg lehnt das Vorhaben ab, Firmen per Gesetz zum Schutz der Mitarbeiter vor psychischen Belastungen zu zwingen. […]

Zu spät. Die Firmen müssen jetzt schon “per Gesetz” ihre Mitarbeiter vor psychischen Fehlbelastungen schützen. Das wird demnächst auch noch ein bisschen klarer im Arbeitsschutzgesetz stehen.
Die Tarifvertragsparteien sind hier übrigens weniger gefragt. Es geht ja schließlich um betriebsnahe Lösungen. Das regeln lokale Betriebsleitungen und lokale Betriebsräte miteinander vorwiegend in Betriebsvereinbarungen, nicht in Tarifverträgen.
Auch geht es dem Hamburger Senat nicht um ein Gesetz, sondern um eine Verordnung.