Regelungslücke psychische Belastungen schließen

Hans-Jürgen Urban forderte eine Anti-Stress-Verordnung. Bisher war ich der Meinung, dass es vor allem bei der Durchsetzung bestehender Gesetze hapert. Aber es gibt mehr zu dem Thema: http://www.ergo-online.de/site.aspx?url=html/aktuelles/news100811.htm

Regelungslücke auf dem Feld der psychischen Belastungen 
Download-Dokumentation der IG Metall und der Hans-Böckler-Stiftung
2011 erschien eine Dokumentation der IG Metall und der Hans-Böckler-Stiftung zum Thema Regelungslücke auf dem Feld der psychischen Belastungen. 15 Jahre nach Inkrafttreten des Arbeitsschutzgesetzes stellt sich für die Autoren die Frage, ob in Deutschland nicht ein Schutzdefizit zu den immer gravierenderen psychosozialen Gefährdungen besteht.
Die Dokumentation besteht aus drei Schwerpunkten:

  • Interview mit dem geschäftsführenden Vorstandsmitglied der IG Metall, Dr. Hans-Jürgen Urban : “Die Regelungslücke psychische Belastungen schließen”.
  • Gutachten von Herrn Prof. Dr. Wolfhard Kohte: “Psychische Belastungen und arbeitsbedingter Stress – Mögliche rechtliche und sonstige Regulierungen”.
  • Gutachten von Herrn Dr. Wolfgang Bödeker und Herrn Michael Friedrichs: “Kosten der psychischen Erkrankungen und Belastungen in Deutschland”.

 
http://www.ergo-online.de/html/service/download_area/regelungsluecke_psych-belastungen.pdf


Frage: Das spricht in der Tat dafür, dass gegen Stress und Druck am Arbeitsplatz mehr unternommen werden muss. Nun gibt es aber doch seit sieben Jahren schon eine europäische Sozialpartnervereinbarung zu Stress am Arbeitsplatz. Hat die gar nichts geholfen?
Urban: Diese Rahmenvereinbarung aus dem Jahr 2004 hat wenig gebracht. Sie kam nur als freiwillige Vereinbarung zustande, weil die Arbeitgeberverbände eine verbindliche Richtlinie der EU verhindert haben. Die begrenzte Wirkung bestätigt der Evaluierungsbericht, den die EU-Kommission selbst vor Kurzem veröffentlicht hat. Die gerade für Deutschland sehr kritische Bewertung ist auffallend. Die Bundesrepublik gehört demnach zu den wenigen EU-Ländern, in denen kaum gemeinsame Aktivitäten der Sozialpartner zustande kamen. Auch auf der gesetzlichen Ebene hat sich in Deutschland in Bezug auf Stress und psychische Belastungen am Arbeitsplatz nichts getan – im Unterschied zu anderen EU-Ländern. Immerhin zeigt der Bericht, dass es infolge der Rahmenvereinbarung in 13 Mitgliedsländern gesetzliche Regelungen zur Verminderung von Stress am Arbeitsplatz gegeben hat und dass in etlichen weiteren Ländern Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften in diesem Sinne abgeschlossen wurden. In Deutschland aber, so kann die durchaus regierungsfreundliche Kommission nicht umhin festzustellen, ist weitgehend Fehlanzeige zu melden – erst recht in der Praxis. »In Bulgarien, der Tschechischen Republik, Deutschland und Estland sind die Ergebnisse hinter den Erwartungen zurückgeblieben«, heißt es im Bericht wörtlich – für Deutschland wenig schmeichelhaft. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland bei der Verminderung von Stress am Arbeitsplatz nicht länger Schlusslicht in Europa ist.

Arbeitgeber gegen Anti-Stress-Verordnung

(Neu kommentiert: 2012-07-15)
“Anti-Stress-Verordnung nicht zielführend” ist der Titel des untenstehend zitierten und von mir kommentierten Artikels. Ob irgendetwas “zielführend” oder “nicht zielführend” ist, kommt bekanntlich nicht nur auf den Weg an, sondern auch auf die Ziele. Es könnte sein, das Arbeitgeber (für die Stephan Sandrock und Sascha Stohwasser arbeiten) andere Ziele haben, als die Arbeitnehmer.
http://www.arbeitgeberverbaende.de/index.php?option=com_content&view=article&id=103:anti-stress-verordnung-nicht-zielfuehrend-

Anti-Stress-Verordnung nicht zielführend
Psychische Erkrankungen sind auf Vielzahl von Faktoren zurückzuführen
Das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) hält die Forderung der IG Metall nach einer Anti-Stress-Verordnung für nicht zielführend. „Die Arbeitswelt als ausschließlicher Ansatz zur Erklärung psychischer Störungen ist nicht ausreichend und zweckmäßig“, so Dr. Stephan Sandrock, Arbeitspsychologe am ifaa. [Eristik: Sandrock versucht den Eindruck zu erwecken, dass die IGM die Arbeitswelt als ausschließlicher Ansatz zur Erklärung psychischer Störungen darstellt. Das ist aber nicht die Richtung, in die die IGM geht. In fertigen Vorschlag einer Anti-Stress-Verordnung (2012-06) wird auch das Dreiebenen-Modell beschrieben, in dem die Arbeitswelt nur eine Teil-Ursache psychischer Störungen ist.] Die Gründe psychischer Störungen liegen häufig in einem schwer entflechtbaren Mix aus Person, Entwicklung, privatem Umfeld, der genetischen Prägung und im Arbeitsverhältnis / Arbeitsumfeld. [Richtig. Und der Arbeitsschutz kümmert sich eben um den Teil, der dem Arbeitsverhältnis zuzuordnen ist] Eine Unternehmenskultur, die auf Wertschätzung und Gesundheit abzielt, hängt vom betrieblichen Umfeld ab und kann nicht verordnet werden. [Richtig. Aber Verordnungen können helfen, Änderungen in den Unternehmenskulturen anzustoßen]
„Valide Instrumente zur Einschätzung des Burnout liegen bislang nicht vor“
Professor Dr. Stowasser, Direktor des Instituts [ifaa] und Leiter des ISO-Norm-Ausschusses ‚Grundsätze der Ergonomie‘ betont: „Bereits heute ist durch die Arbeitsschutz-gesetzgebung und durch Normung viel erreicht worden und wir haben sehr gute praxisgerechte Standards und Handlungsempfehlungen zur Bewertung und Verbesserung der psychischen Belastungssituation am Arbeitsplatz erarbeitet – denn es ist unbestritten, dass psychisch gesunde Mitarbeiter ein bedeutender Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg sind.“ [Richtig. Und das Kurzverfahren Psychische Belastung (KPB) des arbeitgebernahen und von Stohwasser geleiteten Institutes (ifaa) ist ein Werkzeug von vielen. Standards und Handlungsempfehlungen speziell des LASI sind gut. Aber die Arbeitgeber missachten sie. Darum will die IGM die Unternehmer etwas intensiver motivieren.]
Was Unternehmen tun können
Schon heute werden in vielen Betrieben die Führungskräfte zum Umgang mit psychisch kranken Mitarbeitern geschult. [Aber die Pflicht, die Mitarbeiter über ihre Rechte und Pflichten in der vorgeschriebenen Unterweisung aufzuklären, wird von der Mehrheit der Arbeitgeber missachtet.] Außerdem kommt den Betriebs- und Werksärzten eine immer wichtigere Lotsenfunktion zu. „Neben der Sensibilisierung der Führungskräfte und der Qualifikation der Betriebsärzte kommt eine wichtige ergänzende Rolle dem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) zu, in dessen Rahmen psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeit überwunden und einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann.“, so Stowasser. [BEM (Betriebliches Eingliederungs Management) hat mit der im Arbeitsschutz vorgeschriebenen und von den Arbeitgebern mehrheitlich vernachlässigten Verhältnisprävention wenig zu tun. BAM betrifft bereits erkrankte Mitarbeiter. Das ist schon keine Prävention mehr.]
 
Als Ergänzung und Vertiefung zu diesem Thema finden Sie im Anhang den Artikel von Dr. Stephan Sandrock “Depression und Burnout – Wie Unternehmen damit umgehen können” aus der aktuellen, vom ifaa herausgegebenen Zeitschrift ‚Betriebspraxis & Arbeitsforschung‘ (Ausgabe 209).
>> Anhang [Depression und Burnout – Wie Unternehmen damit umgehen können von Stephan Sandrock (Dateidatum: 2011-09-28). Das geht an dem Ziel der IGM und des Arbeitsschutzgesetzes vorbei: Durchsetzung der Verhältnisprävention. Die Arbeitgeber haben anscheinend andere Ziele, als der Gesetzgeber und die IGM. Insofern mag die “Verordnung” der IGM aus Sicht der Arbeitgeber tatsächlich nicht “zielführend”sein. In Sandrocks Veröffentlichung geht es insbesondere um psychische Erkrankungen. Der Arbeitsschutz dient jedoch der präventiven Erhaltung der Gesundheit. Und gesundheit ist mehr, als nur die Abwesendheit von Krankheit]

(Anmerkungen und Links in eckigen Klammern nachträglich wurden eingetragen.)
Und nun zum Ausgleich noch ein Schmankerl von einer Berufsgenossenschaft:

Andere Belastungsquellen wirken aus der Freizeit in die Arbeit hinein: aus dem Privatleben (Familie, Freunde), aus nebenberuflicher Betätigung (z.B. Verein) sowie aus den Problemen von Nachbarschaft, Kommune und Gesellschaft (siehe Außenkreis des Modells). Arbeits- und Freizeitbelastungen lassen sich in ihren Wirkungen heute noch nicht völlig trennen. Studien belegen aber, dass die Arbeitsbelastungen das Privatleben nachhaltiger stören als umgekehrt!

2012-06-27:
http://www.arbeitswissenschaft.net/index.php?eID=tx_nawsecuredl&u=0&file=fileadmin/Redaktion/PDF-Downloads/PI_-_Anti-Stress-Verordnung_praxisfern.27.06.2012.pdf&t=1342297518&hash=e0ec6bb82a5e5ce755f3778fac49d8cb

Anti-Stress-Verordnung praxisfern und nicht zielorientiert
27.06.2012
Neue Verordnung der IG Metall liefert keine neuen Ansätze
Der heute von der IG Metall veröffentlichte Entwurf für eine sogenannte Anti-Stress-Verordnung löst die aktuellen Herausforderungen im Kampf gegen psychische Störungen in unserer Gesellschaft nicht [Begründung?]. Der vorgestellte Entwurf einer Verordnung gibt den Unternehmen keine Handlungsanleitung [Soll er auch nicht. Es geht darum, dass existierende Handlungsanleitungen endlich respektiert werden. Es ist bekannt, was und wie geprüft wird. Daraus ergeben sich klare Handlungsanweisungen an Unternehmen.] und ist für die betriebliche Praxis demnach [Wieso “demnach”? Da fehlt doch vorher schon die Begründung.] untauglich. “Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen können mit den sehr allgemein gehaltenen Beurteilungskriterien für die Ausgestaltung der Arbeitsorganisation, Arbeitsgestaltung und sozialen Beziehungen überhaupt nichts anfangen” [Unlogisch. Gerade die Arbeitgeber wollten wg. Entbürokratisierung und wg. der Unterschiede zwischen den Betrieben keine Detailregelungen.], so Professor Dr. Sascha Stowasser, Direktor des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa). Mit dem IGM-Entwurf ist ein deutlicher Rückschritt gegenüber bereits bestehenden Regelwerken wie zum Beispiel der international gültigen Norm zur arbeitsbedingten psychischen Belastung festzustellen. [Eristische Argumentation. Der Entwurf hat eine andere Aufgabe, als die Norm.]
Wichtiger sind umsetzbare und konkrete Handlungshilfen
Unternehmen benötigen vielmehr Handlungshilfen, die die praktische Umsetzung der im Arbeitsschutzgesetz geforderten Gefährdungsbeurteilung – d.h. die arbeitsplatzorientierte Bewertung körperlicher und geistiger Aspekte der Arbeit – ermöglicht. [Eristische Argumentation. Handlungshilfen gibt es genug von den Berufsgenossenschaften (wurde von der BDA bekämpft) und den Aufsichtsbehörden. Die Verordnung soll helfen, dass diese Handlungshilfen auch umgesetzt werden.] Hierfür gibt es heutzutage bereits eine Reihe von Verfahren. Diese sind in der Praxis oft unbekannt – Aufklärung über Existenz und Einsatzmöglichkeit sollte weitflächig durch Politik, Sozialpartner und Wissenschaft betrieben werden. [Das ifaa klärt z.B. nicht auf, sondern macht Werbung vorwiegend für den von ihm entwickelten Einfachverfahren, dem KPB. Seriös ist dagegen die Aufklärung der BAuA.] Die geforderte Anti-Stress-Verordnung der IGM löst diese Aufgabe nicht. [Das ist auch nicht die Aufgabe der Verordnung.] Ein erfolgswirksamerer Ansatzpunkt ist die startende Zielsetzung der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA). [“Startende Zielsetzung”? Die Verordnung soll bei der Durchsetzung der Ziele der GDA helfen. Und die GDA-Leitlinie zu psychischen Belastungen wird von den Arbeitgebern bekämpft] Auch das Arbeitsschutzgesetz, Verordnungen und Normungen berücksichtigen das Thema psychische Belastung bereits hinreichend. [Das ist richtig. Leider wurden diese Normen aber bisher missachtet.]
Das Thema ,,Psychische Gesundheit” objektiv betrachten
Die mediale Hetze, wie sie derzeit seitens IG Metall betrieben wird, verunsachlicht die Diskussion. [Was ist daran jetzt “objektiv”?] “Eine versachlichte und objektive Diskussion des Themas psychische Gesundheit muss eingeleitet werden. [Richtig.] Hierzu gehört die offene Aussprache vieler Facetten dieses komplexen Themas, wie zum Beispiel: Sensibilisierung und Eigenverantwortung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Versorgungslage in Deutschland, die unterschiedliche Betroffenheit verschiedener Branchen”, betont Dr. Stephan Sandrock, Arbeitspsychologe am ifaa. [Richtig. Die in der LASI LV 54 verlangte unternehmerische Eigenverantwortung wurde hier allerdings vergessen.]
Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (ifaa)
Ansprechpartnerin: Dorothée Werry, Uerdinger Straße 56, 40474 Düsseldorf,
Telefon: 0211 542263-24, d.werry@ifaa-mail.de, www.arbeitswissenschaft.net

(Link und Anmerkungen in eckigen Klammern wurden nachträglich eingetragen.)
Dr. rer. pol. Stephan Sandrock ist Mitarbeiter des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft, einem eingetragener Verein (ifaa e. V.). Mitglieder des ifaa sind die Verbände der Metall- und Elektroindustrie sowie der Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie, GESAMTMETALL, Berlin.
Ich selbst habe auch noch immer (siehe oben) Bedenken gegen so eine Verordnung. Besser wäre eine Stärkung der Kompetenz und der Durchsetzungsfähigkeit der Betriebs- und Personalräte. Inzwischen glaube ich aber fast, dass dieser Weg wegen der damit verbundenen Belastungen viele Arbeitnehmervertreter überfordert.

IG Metall warnt vor Folgen zunehmender psychischer Erkrankungen in den Betrieben

http://www.igmetall.de/cps/rde/xchg/internet/style.xsl/6763-8555.htm

Pressemitteilung Nr. 41/2011
IG Metall warnt vor Folgen zunehmender psychischer Erkrankungen in den Betrieben
27.09.2011
Berlin – Die IG Metall hat vor den Folgen zunehmender psychischer Erkrankungen in der Arbeitswelt gewarnt und von Arbeitgebern und Politik mehr Bereitschaft zur Prävention gefordert. “Mit der rasanten Zunahme von arbeitsbedingtem Stress und psychischer Erkrankungen tickt eine gesellschaftliche Zeitbombe”, sagte Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall am Dienstag in Berlin. Stress und Burnout hätten längst in Werkstätten, Fabrikhallen und Büros in einem Tempo und einem Ausmaß um sich gegrifen, dass es fahrlässig sei, diese Problem unter ferner liefen zu behandeln. “Wir wollen alle Akteure, die zur Bewältigung dieses Problems beitragen können, aufrütteln”, betonte Urban.
Der Gewerkschafter verwies auf die Ergebnisse einer Umfrage unter Betriebsräten. Danach wird von 86 Prozent der Befragten der Anstieg psychischer Erkrankungen in den Betrieben als ernst zu nehmendes Problem wahrgenommen. Rund 40 Prozent der Betriebsräte geben an, dass psychische Erkrankungen stark bzw. sehr stark im Unternehmen zugenommen haben. Insgesamt 68 Prozent der Betriebsräte geben an, dass arbeitsbedingter Stress und Leistungsdruck in den Unternehmen besonders seit der Krise erheblich gestiegen sind.
Urban stellte eine eklatante Diskrepanz zwischen öffentlicher Wahrnehmung des Problems und den tatsächlichen Hilfs- und Präventionsangeboten in den Betrieben fest. In 43 Prozent der Betriebe gab es keine Hilfen und in 26 Prozent zu wenige Hilfen für Burnout-Betroffene. Insgesamt 73 Prozent der Betriebsräte sind der Meinung, dass in den Betrieben mehr für den Gesundheitsschutz getan werden müsste.
Der Sozialexperte kündigte an, die IG Metall werde arbeitsbedingten Stress und seine gesundheitlichen Folgen zum Thema in den Betrieben und gegenüber der Politik machen. “Gesundheit darf nicht hinter betriebswirtschaftlichen Erfolgszahlen und der Wettbewerbsfähigkeit zurückstehen”, kritisierte Urban. Arbeitgeber müssten mehr in den Gesundheitsschutz investieren.
Die IG Metall wolle die Betriebsräte beim Thema psychische Erkrankungen, wie Burnout, stärker unterstützen. Urban stellte die Arbeitshilfe “Burnout. Betriebsräte als Lotsen für Burnout-Betroffene” vor.
Der Gewerkschafter kritisierte, dass bei Gesundheitsgefahren durch arbeitsbedingten Stress und psychische Belastungen eine eklatante Schutzlücke bestehe, die dringend geschlossen werden müsse. “Bei allen klassischen Gesundheitsgefährdungen wie Gefahrstoffe und Lärm gibt es konkrete Präventionsregeln. Bei arbeitsbedingtem Stress: Fehlanzeige”, kritisierte Urban. Hier müsse endlich mit einer Anti-Stress-Verordnung nachgebessert werden.

 
Die “Anti-Stress-Verordnung” gibt es doch schon seit langer Zeit: Arbeitsschutzgesetz (1996) und BAG-Beschlüsse (2004). Und die Bildschirmarbeitsverordnung ist derart konkret, dass die Stoiber-Kommission sie loswerden will. Wie so oft, mangelt es heute nicht an Gesetzen, sondern an deren Durchsetzung. Ansonsten stimmt Vieles in der Pressemeldung der IG-Metall, aber bitte besser fragen! Fragt die Betriebsräte bei solchen Blitzumfragen:

  • Gibt es in Euren Betrieben Gefährdungsbeurteilungen, in die psychisch wirksame Belastungen einbezogen sind?
  • Wenn ja, habt Ihr das mit einer Betriebsvereinbarung geregelt?

Mit diesen Fragen kann man ganz leicht harte Tatsachen ermitteln, die sich nicht so leicht wegdiskutieren lassen wie das Stimmungsbild, das Ihr hier wiedergebt. Nicht das Fehlen einer “Anti-Stress-Verordnung” ist das Problem, sondern die mangelhafte Aufsicht durch die Behörden. Auch fehlt Arbeitgebern oft der Respekt vor der Mitbestimmungsplicht der Betriebsräte.
Siehe auch: http://blog.psybel.de/kategorie/statistik/ (darin speziell: http://blog.psybel.de/ganzheitlicher-arbeitsschutz-nur-bei-16prozent-der-betriebe/)
 
PS: Es mag überraschen, aber ausgerechnet bei der FDP fand ich ein Beispiel für gute Fragen.
 


2011-10-14: Andere Meinung zur Regelungslücke: http://blog.psybel.de/regelungsluecke-psychische-belastungen-schliessen/

15 Jahre Arbeitschutzgesetz

In http://www.sozialticker.com/15-jahre-arbeitsschutzgesetz-ein-anlass-zum-feiern-und-verbessern_20110820.html gefunden:

19. August 2011
15 Jahre Arbeitsschutzgesetz – ein Anlass zum Feiern und Verbessern
Zum 15-jährigen Bestehen des Arbeitsschutzgesetzes erklärt Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für Arbeitnehmerrechte:
    “Vor 15 Jahren, am 21.8.1996, ist das Arbeitsschutzgesetz in Kraft getreten. Damals war es ein wichtiger Meilenstein – heute muss dringend nachgebessert werden. Die Bundesregierung muss die neuen Herausforderungen beim Arbeitsschutz ernst nehmen, statt die notwendigen Reformen zu verschleppen.
    Psychische Belastungen nehmen zu und sind für einen großen Teil der berufsbedingten Erkrankungen und für vorzeitige Arbeitsunfähigkeit verantwortlich. Diese Entwicklung ist beunruhigend, deshalb besteht erheblicher Handlungsbedarf. Wir brauchen eine Anti-Stressverordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Stress und psychosozialen Gefährdungen am Arbeitsplatz. Die Gesundheitsrisiken durch beruflichen Stress darf die Bundesregierung nicht länger den Arbeitgebern unreguliert überlassen.
    Die gesetzlich verankerte Gefährdungsanalyse wird nur von einem Teil der Betriebe durchgeführt. Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass nahezu alle Unternehmen eine Gefährdungsanalyse durchführen. Zudem muss sie um altersbezogene Aspekte ergänzt werden, denn die älteren Beschäftigten brauchen altersgerechte und die Jungen alternsgerechte Arbeitsplätze. Vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft und der Rente mit 67 Jahren ist dies ein Gebot der Stunde. Aber die Bundesregierung ist in Sachen Gefährdungsanalysen ahnungslos und naiv. Sie sollte sich schleunigst kundig machen und handeln.”
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

(Links nachträglich eingefügt)
“Gefährdungsanalyse” geht vielleicht zu weit, das Gesetz fordert eine Gefährdungsbeurteilung. Und die wird oft schon gemacht, jedoch ohne Einbezug psychisch wirksamer Belastungen. Und da diese inzwischen auch eine relevante Gefährtungskategorie darstellen, haben sie beurteilt zu werden. So ist das nun mal in einem Rechtsstaat.
Aber immerhin greifen DIE GRÜNEN das Thema auf.
Ich befürchte allerdings, dass sowohl die Bundesregierung wie auch die Unternehmen bei diesem Thema nur so tun, als ob sie ahnungslos und naiv seien. In Kooperation mit vielen Unternehmen stellen sich Politiker einfach dumm, um keinen Handlungsbedarf und/oder vorsätzlichen Rechtsbruch sehen zu müssen.
Die Stoiber-Kommission ahnt z.B. durchaus, dass die Bildschirmarbeitsverordnung mit ihren unangenehm konkreten Vorgaben recht wirksam sein könnte und versucht darum, diese Verordnung zu schwächen.
Ob eine Anti-Stress-Verordnung hilft? Eigentlich ist alles da, was Arbeitnehmer brauchen. Aber die Aufsicht will einfach nicht klappen. Kurz nach 1996 war das vielleicht noch verzeihlich, aber spätestens nach den BAG-Beschlüssen im Jahr 2004 hätte die Aufsicht in die Gänge kommen müssen. Kann es sein, dass sie aus politischen Gründen seit 1996 (also auch unter Rot-Grün) gar nicht funktionieren soll?