DGQ versteht OHSAS 18001 und DIN SPEC 91020 falsch

In dem folgenden Beitrag geht es um eine falsche Darstellung des Unterschiedes zwischen DIN SPEC 91020 und OHSAS 18001. Sie ist unter Anderem falsch, weil ein Gegensatz zwischen Arbeitsschutz und Gesundheitsschutz hergestellt wird. Der Gesundheitsschutz ist jedoch der Hauptgegenstand des Arbeitsschutzgesetzes. Und ein grober Fehler ist es, von einem “Gesundheitsschutz nach DIN SPEC 91020” zu sprechen. Es gibt höchstens ein “Gesundheitsmanagement nach DIN SPEC 91020”. Im Arbeits- und Gesundheitsschutz hat eine DIN SPEC nichts zu suchen: Das Deutsche Institut für Normung hat ausdrücklich erklärt, das keine DIN SPECs für diesen Bereich angenommen werden. Der wichtige Grund: Normen für Schutzbestimmungen setzen eine Konsensfindung zwischen den von der Norm betroffenen Parteien voraus.
 
http://www.dgq.de/wui/wui-aktuelles_11565.htm (Dezember 2012):

[…] Denn ein Unternehmen kann jetzt entscheiden, ob es eher den Gesundheitsschutz nach DIN SPEC 91020 gegenüber dem Arbeitsschutz nach dem Standard OHSAS 18001 für Arbeitsschutzmanagement-Systeme oder eben beide fördern und gegebenenfalls zertifizieren lassen will.
„Diese strategische Entscheidung hängt mitunter von den Branchenspezifika ab“, erklärt Claudia Nauta, Produktmanagerin der DGQ Weiterbildung. So umfasst Arbeitsschutz eher die Sicherheit des Mitarbeiters bei seinen Tätigkeiten am Arbeitsplatz, etwa Schutzmaßnahmen bei Lärmeinwirkung durch Maschinenbetrieb. Gesundheitsschutz zielt hingegen direkt auf die Gesundheit der Mitarbeiter ab. […]

Da ist Einiges ausgerechnet von der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) kräftig verwirrt worden.
(Hoffentlich passiert das nicht bei den “Kompetenztagen 2013” am 11. Juni. Dort in Stuttgart wird die DGQ-Expertin Katrin Schiller auch Werbung für die DIN SPEC 91020 machen. Eigentlich kennt sich die DGQ doch mit beiden Standards – OHSAS 18001 und DIN SPEC 91020 – gut aus.)
Es gibt keinen Gegensatz zwischen Arbeits- und Gesundheitsschutz, sondern per Arbeitsschutzgesetz ist der Gesundheitsschutz Gegenstand des Arbeitsschutzes.
Nebenbei bemerkt: Auch das Verhältnis zwischen BGM und Arbeitsschutz ist nicht zwingend ein Gegensatz. Das BGM kann ein vom Arbeitsschutz getrennter Rahmen für den Gesundheitschutz sein, oder es kann den Gesundheitsschutz mit einbeziehen, der dabei aber nicht nach DIN SPEC 91020 zertifiziert werden kann. Soll ein im BGM eingebetteter Gesundheitschutz nach einem Standard zertifiziert werden, dann kann man dafür z.B. OHSAS 18001 oder ILO-OSH oder OHRIS in Betracht zuehen.
Im Bereich der Prävention gibt es einen Gegensatz: Im Arbeits- und Gesundheitsschutz hat die Verhältnisprävention Vorrang vor der Verhaltensprävention. Im BGM ist das oft umgekehrt.
 
Unternehmen können sich sowohl bei der Pflicht wie auch bei der Kür zertifizieren lassen:

  • Pflicht — OHSAS 18001 für den vorgeschriebenen Arbeits- und Gesundheitsschutz:
    Das Arbeitsschutzgesetz (Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit) ist, wie der Titel des Gesetzes sagt, eine Gesetz über den Gesundheitsschutz. Arbeitsschutz zielt direkt auf den Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter ab. Der Gesundheitsschutz hat darum in einem Standard für Arbeitsschutzmanagementsysteme (AMS) seinen Platz.
  • Kür — DIN SPEC 91020 für das freiwillige Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM):
    Das Deutsche Institut für Normung (DIN) schreibt zu dem Verfahren für die DIN SPEC nach dem PAS-Verfahren: “Eine Anfrage, die Aspekte des Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Brandschutzes enthält, wird vom DIN grundsätzlich abgelehnt.” Das hat einen guten Grund: Die DIN SPEC 91020 ist eine ohne Mitbeteiligung der Zielgruppe (Arbeitnehmer) mit den Prozessen des DIN gestaltete Spezifikation. Gegenstand dieser Spezifikation ist das Betriebliche Gesundheitsmanagement. Das BGM zielt in der DIN SPEC 91020 direkt auf die Gesundheitsförderung der Mitarbeiter, wobei diese DIN SPEC das Management eines eventuell im BGM eingebetteten Arbeitsschutzes explizit nicht standardisieren darf.
    WARNUNG: Die DIN SPEC 91020 ist kein Standard für den Arbeits- und Gesundheitsschutz.

Eine Zertifizierung ist in beiden Fällen freiwillig, dabei führt nur zertifizierte AMS zu einer Entlastung der behördlichen Aufsicht (siehe LV 33 und LV 54). Die DIN SPEC 91020 zertifiziert BGM-Managementsysteme unter Ausschluss des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und entlastet die behördliche Aufsicht darum nicht.
 
Die DGQ meint, ein Unternehmen könne entscheiden, ob es

  • (1) eher ein freiwilliges Betriebliches Gesundheitsmanagement nach DIN SPEC 91020 oder
  • (2) den vorgeschriebenen Arbeits- und Gesundheitsschutz nach dem Standard OHSAS 18001 für Arbeitsschutzmanagement-Systeme oder
  • (1+2) eben beide

fördern und gegebenenfalls zertifizieren lassen will.
Ein intelligentes und kostenbewustes Unternehmen entscheidet sich für (2) oder (1+2), denn Kunden fordern von ihren Zulieferern verstärkt Zertifikate für Arbeitsschutzmanagementsysteme. Darum ist es wenig hilfreich und eher Geldverschwendung, sich nur nach DIN SPEC 91020 zertifizieren zu lassen. Man kann diese Spezifikation auch nur als hilfreiche Anleitung für die Gestaltung eines BGM verwenden ohne es zertifizieren zu lassen. Die Systemkontrolle der Gewerbeaufsicht und die Berufsgenossenschaften interessieren sich zunächst für Arbeitsschutzmanagementsysteme (ggf. nach OHSAS oder ILO-OSH oder OHRIS zertifiziert) und nicht so sehr für ein Betriebliches Gesundheitsmanagement, dessen Arbeitsschutzelemente (so es sie gibt) gemäß den Bedingungen des Deutschen Instituts für Normung nicht von der DIN SPEC 91020 standardisiert werden dürfen.
Diese strategische Entscheidung hängt mitunter von den Branchenspezifika ab. Insbesondere werden immer mehr exportierende Unternehmen von ihren Kunden nach Zertifikaten wie OHSAS 18001 gefragt.
Der Arbeitsschutz umfasst den grundlegenden Gesundheitsschutz der Mitarbeiter bei ihren Tätigkeiten am Arbeitsplatz, etwa Schutzmaßnahmen gegen Lärmeinwirkung durch Maschinenbetrieb oder gegen psychische Fehlbelastungen bei konfliktreichen Aufgabenstellungen, die beispielsweise Personaler einerseits und Mitglieder des Betriebsrates andererseits zu erfüllen haben. Damit zielen das Arbeitsschutzgesetz und OHSAS 18001 direkt auf den Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter ab. Im Unterschied dazu zielt das Betriebliche Gesundheitsmanagement über den Gesundheitsschutz hinausgehend auch auf die Gesundheitsförderung der einzelnen Mitarbeiter ab, wobei Verhältnisprävention und Verhaltensprävention sinnvoll miteinander verknüpft werden können.
Dabei nocheinmal der Hinweis (die ständige Wiederholung ist Absicht): Einem eventuell im BGM eingebetteter Arbeits- und Gesundheitsschutz widmet sich die DIN SPEC 91020 gemäß den Bedingungen des Deutschen Instituts für Normung ausdrücklich nicht.
 


2013-04-22
In http://www.qz-online.de/news/dgq/artikel/sinnvolles-arbeitsfeld-fuer-managementbeauftragte-und-auditoren-468751.html wird der Unsinn (“[…] den Gesundheitsschutz nach DIN  SPEC  91020, den Arbeitsschutz nach dem Standard OHSAS  18001 für Arbeitsschutzmanagementsysteme […]”) wiederholt, obwohl das ein “Portal für Qualitätsmanagement” sein soll.

BG ETEM: Auditierung von Arbeitsschutz-Management-Systemen

http://www.bgetem.de/arbeitssicherheit-gesundheitsschutz/pruefen-zertifizieren/arbeitsschutz-management-systeme-ams-zertifizierung/dateien/ams-vg-umsetzung (Umsetzung-zum-VG_a03-2013-1.docx, in diesem Blog auch im Format ODT verfügbar):

Umsetzung zum Verfahrensgrundsatz
zur Auditierung von Arbeitsschutz-Management-Systemen (AMS)
Stand: 2013-03 (Änderungen gegenüber der Ausgabe 2012-03 sind fett) markiert
Dieses Dokument konkretisiert die Anforderungen der im Abschnitt 3.1 des ,,Verfahrensgrundsatz zur Auditierung von Arbeitsschutz-Management-Systemen (AMS)”, Stand: 2013-03, aufgeführten Schwerpunkte.
Dieses Dokument ist als Audit-Checkliste und Protokoll zu verwenden.
Mit der Erfüllung dieser AMS-Schwerpunkte werden auch die Anforderungen der ILO-OSH:2001-Richtlinie, des nationalen Leitfadens für AMS und der OHSAS 18001:2007 erfüllt. […]

 
Auf S. 9/14 wird der Betriebsrat (BR) explizit genannt:

[…] AMS-Schwerpunkte (vom Unternehmen zu regeln und zu dokumentieren […]

  • Gefährdungsbeurteilung
    • Verfahren zur Durchführung und Aktualisierung (z. B. nach Prozessänderungen und Vorkommnissen) festlegen, dabei sind alle Arbeiten (Normalbetrieb, Störungsbeseitigung, Einrichtung, Wartung etc.), Betriebsprozesse, Betriebsmittel, Betriebszustände und Gefahrstoffe zu berücksichtigen, Betriebsfremde sind einzubeziehen,
    • Zuständigkeiten (Unternehmer, Vorgesetzter) und Mitwirkende (SIFA, Betriebsarzt, Mitarbeiter, BR) festlegen,
    • Inhalt der Dokumentation festlegen.

    Die Dokumentation muss mindestens folgende Punkte enthalten:

    • das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung: Gefährdungen, für die Handlungsbedarf für Arbeitsschutzmaßnahmen besteht,
    • die festgelegten und die terminierten Arbeitsschutzmaßnahmen (bereits getroffene sowie geplante unter Beachtung von TOP),
    • das Ergebnis ihrer Überprüfung (Durchführung und Wirksamkeit).

    Nur bei OHSAS 18001:2007 gefordert: Ermittlung und Dokumentation der Klassifikation und Rangfolge von Risiken und der geeigneten Maßnahmen (sofern keine entsprechenden staatlichen/behördlichen Regelungen vorhanden sind).

  • […]

Natürlich gilt die Mitbestimmungspflicht nicht nur hier, sondern auch überall dort im Arbeitsschutz, wo der Arbeitgeber innerhalb eines Gestaltungsspielraums Verfahren, Politik, Kriterien usw. festlegt.

Mitwirkung und Mitbestimmung in OHSAS und OHRIS

In diesem Artikel geht es zunächst nur um den Teil des Absatzes 4.4.3.2 von OHSAS 18001:2007, der die Mitbestimmung bzw. die Mitwirkung der Arbeitnehmervertretung betrifft. Dazu habe ich die Zitate im Layout etwas verändert und Dinge, die nicht zur Mitbestimmung bzw. Mitwirkung gehören, aus den Zitaten entfernt. Das deutschsprachige Zitat entnahm ich der Veröffentlichung der OHSAS 18002:2008 (das ist OHSAS 18001:2007 mit einem zusätzlichen Leitfaden) von TÜV-Media. Am Ende des Artikels zitiere ich zum Vergleich noch einen Ausschnitt aus OHRIS (Bayern).
Ist bei der autorisierten Übersetzung der OHSAS 18001:2007 im Absatz 4.4.3 eine Panne passiert? “Participation” wurde sowohl mit “Mitwirkung” wie auch mit “Mitbestimmung” übersetzt:
Englisch:

Communication, participation and consultation

  • Communication […]
  • 4.4.3.2 Participation and consultation
    The organization shall establish, implement and maintain a procedure(s) for
    the participation of workers by their:

    • appropriate involvement in hazard identification, risk assessments and determination of controls;
    • appropriate involvement in incident investigation;
    • involvement in the development and review of OH&S policies and objectives;
    • consultation where there are any changes that effect their OH&S;
    • representation on OH&S matters.

    Workers shall be informed about their participation arrangements, including who is their representative(s) on OH&S matters.

  • […]

Deutsch:

Kommunikation, Mitwirkung und Beratung

  • Kommunikation […]
  • 4.4.3.2 Mitbestimmung und Beratung
    Die Organisation muss ein Verfahren einführen, verwirklichen und aufrechterhalten für
    die Mitbestimmung ihrer Beschäftigten durch

    • geeignete Einbeziehung in die Gefährdungserkennung, Risikobeurteilung und Festlegung von Schutzmaßnahmen;
    • geeignete Einbeziehung bei Vorfalluntersuchungen;
    • Einbeziehung bei der Entwicklung und Bewertung der A&G-Politik und der Zielsetzungen;
    • Absprachen bei Veränderungen, die sich auf ihren Arbeits- und Gesundheitsschutz auswirken;
    • Interessenvertretung in Angelegenheiten des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.

    Mitarbeiter sind über Mitbestimmungsregelungen und Interessenvertretung in Angelegenheiten des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu informieren;

  • […]

Auf Seite V der deutschen Übersetzung von OHSAS 18002:2008 lesen wir zu Änderungen gegenüber der früheren Version von OHSAS 18002:

Neue Teilabschnitte wie bei OHSAS 18001 (und bei ISO 14001), z. B.:

  • Für OHSAS 18001:2007, 4.4.3 Kommunikation, Mitbestimmung und Beratung (einschließlich der neuen Teilabschnitte über Mitbestimmung/Beratung), und 4.5.3.1 Vorfall-Untersuchung.

Im Text des Standards muss unter 4.4.3 also “Mitbestimmung” stehen und nicht “Mitwirkung”.
Hängen geblieben ist die “Mitwirkung” auch in Tabellen zum Vergleich von OHSAS 18001, ISO 14001 und ISO 9001 sowie ILO-OSH (Seiten 62 und 67). Wer Lust hat und wem der Kopf jetzt nicht schon schwirrt, kann ja einmal in OHSAS 18002:2008 nachzählen: Insgesamt gewinnt “Mitbestimmung” haushoch :-). Der Schluss aus all dem ist, dass “Mitwirkung” in der Überschrift des Abschnittes 4.4.3 durch die weiteren Ausführungen in diesem Abschnitt als “Mitbestimmung” näher spezifiziert wird.
Wie wichtig die Mitbestimmung in OHSAS 18001:2007 ist, macht das Kapitel 4.6 deutlich. In diesem Kapitel wird das oberste Führungsgremium der Organisation in die Verantwortung genommen. Diese kann nicht nach unten weggeschoben werden, sondern das Führungsgremium hat das AMS selbst zu bewerten. Darum müssen ihm, so fordert es der Standard, die “Ergebnisse der Mitbestimmung und Beratung (siehe 4.4.3)” bekannt sein.
Der Absatz 4.4.3.2 ware aus Arbeitnehmersicht eine wichtige Verbesserung bei der Umstellung von OHSAS 18001:1999 zu OHSAS 18001:2007. Es gab Arbeitgeber, die diese Verbesserung dank schlampiger Audits (durch einen bei der DAkkS akkreditierten Auditor) bei der Umstellung jahrelang versteckten konnten. Ich nehme an, dass in den meisten nach OHSAS 18001:2007 zertifizierten Betrieben auch heute noch kaum ein Mitarbeiter und kaum ein Betriebsratsmitglied weiß, dass sich der Arbeitgeber zu einer über das Betriebsverfassungsgesetz hinausgehenden Mitbestimmung verpflichtet hat. Es ist sogar vorgekommen, dass ausgerechnet bei der Umstellung eines Regelwerks (Arbeitsschutzmanagement-Handbuch) von OHSAS 18001:1999 auf OHSAS 18001:2007 die Mitbestimmung umgangen wurde. Der Betriebsrat wurde dann mit einem Handbuch überrascht, das die Mitbestimmung auf gesetzliche Regelungen beschränkte. Dem Zertifizierungsauditor und der DAkkS ist dieser Verstoß gegen den Absatz 4.4.3.2 und gegen das Betriebsverfassungsgesetz bekannt.
 
Siehe auch:

 


2014-03-06:
Ludger Pautmeier sieht in seinem Buch Stolpersteine bei der Anwendung der OHSAS 18001:2007 (2011) “Übersetzungsschwächen” in der deutschen Übersetzung des britischen Standards. Er meint, dass Mitbestimmung durch Mitwirkung ersetzt werden müsse. Mitwirkung ist auch meiner Ansicht nach zwar die sinngetreuere Übersetzung von participation, aber Mitbestimmung könnte den Absichten der britischen Autoren entsprechen und deswegen als autorisierte Übersetzung gültig sein. Nach meiner Kenntnis ging der Übersetzung in Deutschland eine kontroverse Diskussion voraus. Die Widersprüche im deutschsprachigen Text sind vielleicht das Echo davon. Letzten Endes ist das englischsprachige Original maßgebend.
Eine andere Übersetzungsschwäche zum Nachteil der zu schützenden Arbeitnehmer kritisiert Ludger Pautmeier nicht: Die Übersetzung von ill health (OHSAS 18001:2007, 3.8) mit Erkrankung ist problematisch. Besser wäre schlechte Gesundheit oder schlechter Gesundheitszustand. Zum derzeitigen Text: http://vorfall.info.
 


2013-03-04
OHRIS zum Vergleich:
http://www.verwaltung.bayern.de/egov-portlets/xview/Anlage/3813536/OHRIS Band 1.pdf

[…] 2.3 Mitwirkung und Mitbestimmung
Die Organisation führt geeignete Verfahren ein, die die Beteiligung der Beschäftigten an der Verbesserung von Arbeitsschutz und Anlagensicherheit und ihr Mitwirken an der Entwicklung und Weiterentwicklung des Managementsystems, der Verhinderung und Beseitigung von Gefährdungen ermöglichen und fördern. Dazu gehören auch Verfahren, die die in Gesetzen, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen festgelegten Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretung sicherstellen.
Verfahren zur Förderung des Mitwirkens von Beschäftigten sind beispielsweise das betriebliche Vorschlagswesen, Meldewesen für Gefahrstellen und Beinahe-Unfälle durch Beschäftigte, Anreize für vorbildliches Verhalten.
Durch die Verfahren zur Sicherung der Beteiligung der Arbeitnehmervertretung soll beispielsweise die Mitbestimmung bei Regelungen zur Arbeitszeit, zur Verhinderung von Unfällen sowie bei der Durchführung von betrieblichen Bildungsmaßnahmen u. a. berücksichtigt werden.

[…]

Das Wesentliche wurde hier vergessen: Die Mitbestimmung im Arbeitsschutz einschließlich der Aufsichtspflichten der Arbeitnehmervertreter.

AMS-Standards

Aktualisierung: 2014-08-18
Leider kann man sich im Gegensatz zu Gesetzen viele Standards zu Arbeitsschutzmanagementsystemen (AMS) nicht kostenlos im Internet ansehen. Auch darum kennen wohl nur wenige Arbeitnehmer die Pflichten jener Unternehmen, die sich nach OHSAS 18001 haben zertifizieren lassen.
Wenn eine Arbeitgeberin nach OHSAS 18001 zertifiziert wird, dann ergeben sich daraus in der Betriebspraxis Rechte und Pflichten sowohl für die Arbeitgeberin wie auch für die Arbeitnehmer. Insbesondere wenn Standards nicht wörtlich (sondern z.B. vom Arbeitgeber interpretiert) in Unternehmenshandbücher zum Arbeitsschutzmanagement übernommen werden, sollten sich Arbeitnehmervertretungen das Büchlein zu OHSAS 18002:2008 trotz des Preises leisten. Das kann auch helfen, wenn es noch kein Arbeitsschutzhandbuch gibt und es erst noch mitbestimmt gestaltet werden muss (z.B. mit dem Ziel einer Zertifizierung).
Neben den Standards für die Gestaltung von Arbeitschutzmanagementsystemen gibt es auch Standards und Normen für Audits. Solche Audits generieren wichtige Informationen für die Betriebsratsarbeit. Wenn Betriebsräte und Personalräte verstehen wollen, wie ein interner Auditor (1st-Party-Auditor) und ein Lieferantenauditor (2nd-Party-Auditor) arbeitet, dann hilft das Kapitel 4.5.5 in OHSAS 18002:2008 oder darüber hinaus gehend die DIN EN ISO 19011. Die zu beschaffen, kostet noch ein paar Euro. (Ich habe von einem Betrieb gehört, in dem Mitarbeiter nur gegen Unterschrift und Angabe von Gründen Einblick in die Norm nehmen dürfen.)
Die Norm für Zertifizierungsaudits ist ISO 17021 und für interne Audits (sowie Kundenaudts bzw. 3rd Party Audits) ISO 19011. Wichtig für die Betriebsratsarbeit: § 89 des Betriebsverfassungsgesetzes gibt Arbeitnehmervertretungen das Recht, sich an Besichtigungen im Betrieb zu beteiligen. Audits sind Besichtigungen. Dazu gehören auch Dokumente: der Zertifizierungsbericht, der Abweichungsbericht (soweit nicht im Zertifizierungsbericht enthalten) und in die Dokumente, die dem Auditor vorgelegt wurden. Das gilt nicht nur für die Dokumentation des Zertifizierungsaudits, sondern auch des internen Audits. Die Vertraulichkeit als eines von sechs Audit-Prinzipien der Audits setzt das Information- und Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmervertretung nicht außer Kraft, sondern verpflichtet auch die Arbeitnehmervertreter, aus Audits gewonnene Erkenntnisse nicht zum persönlichen – z.B. wirtschaftlichen – Vorteil oder zum Vorteil Dritter zu missbrauchen.
Lesetipps:

Kostenlos gibt es (2014-03-19):

Weitere Hinweise (2014-08-01):

2016 oder 2017?:

OHSAS 18001 Potential Pitfalls

http://www.barbour-ehs.com/media/181346/barbour directors club – pam brown heineken – benefits of certification.pdf

Heineken
Achieving OHSAS 18001 Certification
Pamela Brown, Head of Safety
16th May 2012

OHSAS 18001 Potential Pitfalls

  • Not doing it for the “right” reason – just for “a badge on the wall”
  • Creating excessive paperwork
  • Failure to involve your certification body at an early stage
  • Not engaging your workforce
  • Assuming its going to be a quick and painless process

Amtliches zum AMS

http://blog.psybel.de/lasi-veroeffentlichungen/ führt zu verschiedenen amtlichen Veröffentlichungen zum Arbeitsschutzthema “psychischen Belastungen”. Im Kommentar zur LV 52 habe ich jetzt noch auf ein Beispiel für die Anwendung von Arbeitsschutzmanagementsystemen (AMS) hingewiesen: Eine Broschüre der BAuA mit dem Titel Sicherheit und Gesundheit mit System (2011, 70 Seiten).

1999: Berufsgenossenschaft gegen AMS-Zertifizierung

Steine + Erden ist das Fachmagazin für Prävention der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) in der Branche Baustoffe – Steine und Erden. Im Jahr 1999 veröffentlichte das Magazin in der Ausgabe 4/99 diese Position (http://www.steine-und-erden.net/se499/managmnt.htm):

Arbeitsschutzmanagement:
Zertifizierung weiterhin nicht erforderlich
Die Betriebe der gewerblichen Wirtschaft werden vielfach gedrängt, ein Arbeitsschutzmanagementsystem einzuführen und zertifizieren zu lassen. Dabei wird vergleichsweise auf entsprechende Praktiken in der Qualitätssicherung und im Umweltschutz verwiesen. Auf diesen Gebieten existieren internationale Normenreihen (ISO 9001 und 14001 M). Im Arbeitsschutz ist die Situation jedoch anders: Die Sozialpartner, die staatlichen Arbeitsschutzbehörden und die Berufsgenossenschaften lehnen eine Normung und Zertifizierung von Arbeitsschutzmanagementsystemen ab. Die Freiräume der Unternehmer zur Organisation ihres Betriebes – auch in Sachen Arbeitsschutz – dürfen nicht durch Normen reguliert und damit eingeengt werden. Außerdem würden Normen zu faktischen Zertifizierungszwängen führen und damit den Betrieben nicht unerhebliche Kosten verursachen. Arbeitsschutz ist ein gesetzlicher Auftrag an die Unternehmer. Wie der einzelne Unternehmer dieser Verpflichtung, die in staatlichen Verordnungen sowie in Unfallverhütungsvorschriften konkretisiert ist, nachkommt und wie er den Arbeitsschutz in seinem Betrieb organisiert, liegt in seiner Verantwortung.
Nunmehr versuchen einige Organisationen, insbesondere aus dem Kreis der privaten Zertifizierer, auf internationaler Ebene mit einer normenähnlichen Publikation (OHSAS 18001: 1999 Arbeitsschutzmanagement – System-Beschreibung) die ablehnende Haltung gegenüber der Normung zu umgehen, offensichtlich um das Feld für Zertifizierungen vorzubereiten. Es ist nicht auszuschließen, daß die Publikation zum Anlass genommen wird, insbesondere mittleren und kleinen Betrieben die Zertifizierung von Arbeitsschutzmanagementsystemen verstärkt anzubieten. Damit würden bei den Betrieben Kosten verursacht, die nicht notwendig sind.
Arbeitsschutzmanagementsysteme sind – darüber besteht kein Zweifel – ein wirksames Instrument zur Verbesserung des Arbeitsschutzes. Mit ihnen kann der Arbeitsschutz wirkungsvoll in den Betrieb integriert werden. Die Einführung von Arbeitsschutzmanagementsystemen ist jedoch freiwillig; das heißt, die Betriebe sind weder durch die staatlichen Arbeitsschutzbehörden noch durch die Berufsgenossenschaften verpflichtet, Arbeitsschutz-Managementsysteme einzuführen, und erst recht nicht, sie zertifizieren zu lassen. Demzufolge kann eine von einer privaten Institution vorgenommene Zertifizierung auch keinen Einfluss auf die Überwachung des Betriebes durch die Berufsgenossenschaften haben.

Dass die AMS-Standards zu faktischen Zertifizierungszwängen führen, ist bereits beobachtbar. Die BG hat Bedenken wegen der Kosten. Nach der bisherigen Schlamperei speziell beim Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz wird es es aber nun unvermeidlich sein, an das Thema in einem Rahmen hernzugehen, der es auditierbar macht. Leider gibt es wegen der Natur des Zertifizierungsgeschäftes auch hier Probleme: Ich mache mir weniger um die Kosten Sorgen, sondern um die falsche Sicherheit, die durch schlechte Audits entsteht. Zertifikate für OHSAS 18001:2007 sind beispielsweise auch an Unternehmen vergeben worde, die in ihrem Arbeitsschutz keine Prozesse für den Umgang mit psychischen Belastungen vorweisen konnten und deren AMS-Handbücher auch nach dem 30. Juni 2009 noch auf dem Stand des OHSAS 18001:1999 waren.
Darum brauchen wir aufmerksame und kräftige Betriebsräte.
 


2012-10-07:
In die gleiche Richtung geht http://www.kan.de/fileadmin/user_upload/docs/Fachbeitraege/Fachbeitraege_DE/AMS-Metze.pdf

Arbeitsschutz-Management-Systeme (AMS) als Hilfen
für eine sichere Organisation des Arbeits- und
Gesundheitsschutzes
von E. Metze

Keine Normung von Arbeitsschutz-Management-Systemen

angewandte Arbeitswissenschaft | No 197 | 2008
S. 27-28

Kunde bei OHSAS 18001 ist die Belegschaft

Die Präsentation von Heinrich Preiss ist eine gute Einführung in OHSAS 18001, ein britischer Standard für Arbeitsschutzmanagementsysteme (AMS), der international schon gut verbreitet ist.
Ing. Heinrich Preiss, KWI Consultants GmbH, 2011-02-24, http://www.voesi.at/Files/Grundlagen OHSAS 18001.pdf:

  • „Kunde“ bei ISO 14001 ist das Umfeld des Betriebs (Gesellschaft)
  • „Kunde“ bei OHSAS 18001 ist die Belegschaft

ISO 14001 System ist in der Regel auf OHSAS erweiterbar

Mitbestimmung der Beschäftigten durch Einbeziehung

  • Gefährdungserkennung, Risikobewertung, Maßnehmenfestlegung
  • Unfalluntersuchung
  • Entwicklung von Politik und Zielsetzungen
  • Beratung bei Veränderungen
  • Interessenvertretung
  • Beratung von Kontraktoren bei Änderungen

Anmerkungen:


 
Ich meine, dass es in Arbeitnehmervertretungen (mittlerer und großer Unternehmen) mindestens ein Betriebsrats- oder Personalratsmitglied geben sollte, das die Fähigkeit zur Durchführung eines internen Audits (1st-Party-Audit) hat. Arbeitnehmervertreter sind auch Vertreter der Kunden des Arbeitsschutzes. Daher sollten sie einen Lieferantenaudit (2nd-Party-Audit, manchmal auch Kundenaudit genannt) durchführen können. Beides geht nach ISO 19011:2011.
Außerdem sollten Betriebs- und Personalräte wenigstens grob verstehen, was der Arbeitgeber bei einem Zertifizierungsaudit (sowie dem jährlichen Überwachungsaudit und dem dreijährlichen Wiederholungsaudit) zu tun hat, welche Dokumente dabei vorgelegt werden müssen und welche Dokumente die Zertifizierungsgesellschaft anfertigt (ISO 17021:2011). Diese Dokumente (insbesondere der Abweichungsbericht) sind wichtig für die Betriebsratsarbeit, insbesondere im Zusammenhang mit der Unterrichtungs- und Erörterungspflicht des Arbeitgebers siehe auch (siehe auch §81 und §89 BetrVG).
Weitere Notizen in diesem Blog zur Einführung in OHSAS 18001: http://blog.psybel.de/stichwort/ohsas-18001-intro/
 


Als Alternative zu OHSAS 18001 bietet sich auch ILO-OSH an: http://blog.psybel.de/ams-standards/