Kein Arbeitsschutz für Polizisten?

Reuters meldete heute, dass der Sprecher des Bundesinennministeriums Johannes Dimroth der Position der Gewerkschaft der Polizei (GdP) widersprochen habe, dass eine Verlängerung der Grenzkontrollen der Bundespolizei auf Dauer personell nicht zu schaffen sei. Dimroth soll zwar eingeräumt haben, dass die Situation der Bundespolizei durch den Grenzschutz sehr angespannt sei. “Wir sehen aber überhaupt keinen Anhaltspunkt dafür, warum nicht auch auf absehbare Zeit weiterhin diese Maßnahmen mit der vorhandenen Personalstärke der Bundespolizei durchgeführt werden könnten.” Ich glaube nicht, dass die Personalvertretung der Bundepolizei dieser Beurteilung des Arbeitgebers zugestimmt hat.
Wenn ein promovierter Vollurist wie Johannes Dimroth “überhaupt keinen Anhaltspunkt” sieht, dann bedeutet das natürlich noch lange nicht, dass es keine Anhaltspunkte gibt.
Nun der Hinweis zum Arbeitsschutz und zum Betriebsverfassungsgesetz: Bei der Beurteilung psychischer Belastungen haben die Arbeitnehmervertreter (Personalräte) der Polizei nicht nur ein Mitbestimmungsrecht, sondern eine Mitbestimmungspflicht.
Hier sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf Augenhöhe. Der öffentliche Arbeitgeber kann nicht einfach einseitig erklären, dass die Polizisten nicht überlastet seien, sondern relevant (auch für die journalistische Recherche) ist, was in den von den Personalräten mitbestimmten Prozessen zur Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsbedingungen dokumentiert wurde.
Laut dpa sagte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, die Beamten seien mit ihren Kräften am Ende. Wenn die von der GdP und der DPolG behauptete Überlastung in den gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilungen aber nicht dokumentiert sein sollten, dann wissen die Personalräte spätestens jetzt (und für die Zukunft), wie wichtig ordentliche Gefährdungsbeurteilungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz sind.
Wohlgemerkt: Mit der Gefährdungsbeurteilung wird nicht untersucht, ob die Polizisten mit ihren Kräften am Ende sind, sondern die Arbeitsbedingungen bei der Bundespolizei stehen hier auf dem Prüfstand. Diese Arbeitsbedingungen waren zwar immer schon durch überdurchschnittlich hohe psychische Belastungen gekennzeichnet, das gibt dem Arbeitgeber aber noch lange nicht das Recht, dem dann noch zusätzliche Fehlbelastungen hinzuzufügen.
Als Arbeitgeber hat auch der Staat das Arbeitsschutzgesetz zu respektieren. § 20 Abs. 2 ArbSchG erlaubt zwar Ausnahmen für bestimmte Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, aber gemäß der Rahmenrichtlinie 89/391/EWG gilt das nur für “Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten”, die der Anwendung des Arbeitsschutzgesetzes “zwingend” entgegenstehen. Niemand gibt dem Bundesinnenministerium das Recht, die ihm anvertrauten Beamten durch personelle Unterbesetzung (oder z.B. mit einer Ablehnung einer Unterstützung der Bundepolizei durch bayerische Polizisten) zu gefährden.
Und selbst wenn psychische Überlastungen nicht vermeidbar sein sollten, schließen die Besonderheiten bestimmter polizeilicher Tätigkeiten nicht zwingend aus, dass diese Fehlbelastungen in der den Polizisten zustehenden Gefährdungsbeurteilungen ihrer Arbeitsbedingungen zumindest erfasst und untersucht werden. Ohne eine solche Gefährdungsbeurteilung zu behaupten, dass es “überhaupt keinen Anhaltspunkt” für Überlastungen gebe, ist unverantwortlich. Es geht dann nicht um polizeiliche Tätigkeiten, sondern um die Untätigkeit des Bundesinnenministers.
 
Siehe auch: http://www.gdpbundespolizei.de/